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Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Urteil vom 09.02.2006 - 218 C 1001/06 - Keine Störerhaftung von Wikimedia für Wikipedia-Inhalte
 

 

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AG Berlin-Charlottenburg v. 09.02.2006: Das Persönlichkeitsrecht eines Menschen endet grundsätzlich mit seinem Tod. Deshalb sind an den postmortalen Schutz der Persönlichkeit höhere Anforderungen als an den Persönlichkeitsrechtsschutz Lebender zu stellen. Daher ist der postmortale Schutz der Persönlichkeit vor allem darauf ausgerichtet, den Verstorbenen vor unwahren Behauptungen, vor Herabsetzungen und Erniedrigungen sowie vor groben Entstellungen seines Lebensbildes und seiner Lebensleistung zu schützen. Die Nennung des bürgerlichen Namens eines Verstorbenen in der Wikipedia-Enzyklopädie führt zu keiner Störerhaftung des Träger-Vereins Wikimedia gegenüber den Erben des Verstorbenen.

Das Amtsgericht Charlottenburg von Berlin (Urteil vom 09.02.2006 - 218 C 1001/06) hat entschieden:
Das Persönlichkeitsrecht eines Menschen endet grundsätzlich mit seinem Tod. Deshalb sind an den postmortalen Schutz der Persönlichkeit höhere Anforderungen als an den Persönlichkeitsrechtsschutz Lebender zu stellen. Daher ist der postmortale Schutz der Persönlichkeit vor allem darauf ausgerichtet, den Verstorbenen vor unwahren Behauptungen, vor Herabsetzungen und Erniedrigungen sowie vor groben Entstellungen seines Lebensbildes und seiner Lebensleistung zu schützen. Die Nennung des bürgerlichen Namens eines Verstorbenen in der Wikipedia-Enzyklopädie führt zu keiner Störerhaftung des Träger-Vereins Wikimedia gegenüber den Erben des Verstorbenen.




Tatbestand:

Die Verfügungskläger sind die leiblichen Eltern und laut Erbschein des Amtsgerichts Neukölln Erben des im Oktober 1998 im Alter von 26 Jahren verstorbenen ... .

Der Verfügungsbeklagte ist ein zur Nummer ... Nz. im Register beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragener Verein und Inhaber der Internetadresse "wikipedia.de". Der Verfügungsbeklagte betreibt unter der Internetadresse "de.wikipedia.org/wiki" eine Enzyklopädie, die frei zugänglich und deren Beiträge frei abrufbar sind.

Die Verfügungskläger rügen im Termin der mündlichen Verhandlung die wirksame Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten. Nachdem Rechtsanwalt ... erklärte, er könne jetzt eine schriftliche Vollmacht nicht vorlegen und zudem darauf verwies, dass der 1. Vorsitzende des Verfügungsbeklagten ja neben ihm stehen würde, erklärte der 1. Vorsitzende, Herr ..., er mache sich die Ausführungen von Rechtsanwalt ... zu eigen.

Zu Beginn des Termins zur Verkündung einer Entscheidung am 02.02.2006 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Verfügungskläger, er habe vor einigen Stunden per E-Mail erfahren, dass der Vorstand der Verfügungsbeklagten den Rechtsanwälten ... und Kollegen keine Vollmacht erteilt habe; er monierte ferner, dass der 1. Vorsitzende allein im Termin der mündlichen Verhandlung aufgetreten sei, was dazu geführt habe, dass der Verein wegen des Fehlens eines zweiten Vorstandes nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Aufgrund dessen hat das Gericht mit Beschluss vom 02.02.2006 (Bl. 232 d. A.) dem Verfügungsbeklagten zu der erfolgten Rüge der Vollmacht und der Vertretung des Verfügungsbeklagten eine Frist sowie den Verfügungsklägern eine Erwiderungsfrist eingeräumt.

Der Verfügungsbeklagte legte mit Schriftsatz vom 03.02.2006 die schriftliche Vollmacht für die Rechtsanwälte ... und Kollegen vor, aus der sich auch ergibt, dass die Vollmacht für sämtliche Handlungen und Erklärungen der Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfügungsverfahren gelten soll (Bl. 236 d. A.). Ferner wird eine notariell beglaubigte Erklärung des 2. Vorsitzenden ... vom 02.02.2006 vorgelegt, in der dieser erklärt, er genehmige die von Herrn ... in diesem Verfahren abgegebene Erklärung, wonach sich Herr ... die Ausführungen von Rechtsanwalt ... zu eigen mache (Bl. 238 d. A.).

Die Verfügungskläger behaupten unter Bezugnahme auf die eidesstattliche Versicherung der Verfügungsklägerin zu 2. (Anl. AS 11, Bl. 174 d. A.), dass sie die Mutter und der Verfügungskläger zu 1. der leibliche Vater des ... ist und ihr Sohn keine Geschwister hat sowie weder verheiratet war noch eigene oder adoptierte Kinder hatte.

Die Verfügungskläger behaupten ferner, dass sie am 05.01.2006 von ihrem Prozessbevollmächtigten erfahren hätten, dass der Verfügungsbeklagte – neben der englischsprachigen Domain – auch unter der deutschsprachigen Domain "de..." unter "..." sowie "..." Beiträge zu ihrem verstorbenen Sohn vorhalten würde, die den ungekürzten Nachnamen ihres verstorbenen Sohnes nennen würden (die Verfügungskläger nehmen dazu Bezug auf die eingereichte Anl. AS 5, Bl. 14-18 d. A.); dabei werde der Inhalt der Internetseite "...de" als sogen. Redirect ohne weitere erkennbare Zwischenschritte direkt auf die Internetadresse "de..." weitergeleitet, was durch eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Verfügungskläger (Anl. AS 4 a, Bl. 12 d. A.) glaubhaft gemacht wird.

Die Verfügungskläger behaupten des weiteren unter Bezugnahme auf die eingereichten vorgerichtlichen Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24.11.2005 und vom 27.12.2005, dass dem Verfügungsbeklagten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt der bürgerliche Namen ihres verstorbenen Sohnes bekannt gewesen sei, so dass eine Nennung des Nachnamens in dem Verfügungsantrag nicht erforderlich gewesen sei; die fehlende Benennung des Nachnamens ihres Sohnes würde nicht dazu führen, dass es sich um einen unbestimmten Unterlassungsantrag handeln würde und dass eine etwaige gerichtliche Entscheidung nicht vollstreckbar sei. Ihr verstorbener Sohn sei in Fachkreisen zu keinem Zeitpunkt unter seinem bürgerlichen Namen ..., sondern stets unter seinem Pseudonym "..." aufgetreten. Unter Bezugnahme auf die eidesstattliche Versicherung des Herrn ... (Anl. AS 22, Bl. 205 d. A.) behaupten die Verfügungskläger, dass ihr Sohn im Rahmen seiner Forschungstätigkeit sowie als Hacker ausschließlich unter seinem Pseudonym "..." aufgetreten sei, um verhindern zu wollen, dass insbes. sein Vater, der den gleichen Nachnamen trägt, mit den unbestreitbar rechtlich grenzwertigen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden könne; deshalb sei der Sohn auch nicht offizielles Mitglied des Chaos Computer Club e. V. geworden, weil er dies nur unter seinem bürgerlichen Nachnamen hätte machen können. Diese Besorgnis des Sohnes der Verfügungskläger habe sich im Rahmen der Internet-Diskussion aufgrund der Nennung des Nachnamens "..." in der streitgegenständlichen URL realisiert, indem in einigen Diskussionsbeiträgen der Name des Verfügungsklägers zu 1. genannt worden sei und eine Postkarte an das von dem Verfügungskläger zu 1. früher betriebene Reisebüro und ein Anruf bei der jetzigen Inhaberin eingegangen sei (die Verfügungskläger berufen sich auf die im Termin vorgelegte Postkarte und die eidesstattliche Versicherung der Frau ..., Bl. 219 d. A. sowie auf ein Anlagen-Konvolut mit Internet-Ausdrucken, Bl. 213 d. A.).

Der Verfügungskläger zu 1. behauptet unter Bezugnahme auf die Anl. AS 23 (Bl. 206 d. A.) und auf seine eidesstattliche Versicherung vom 31.01.2006 (Bl. 220 d. A.), dass er nach seiner eigenen Kenntnis allein in der Bundesrepublik Deutschland den Nachnamen "..." trage; dieser Nachname sei damit derartig einzigartig, dass es bei Nennung des bürgerlichen Nachnamens seines Sohnes auf einer Internet-Plattform leicht dazu komme, dass er als Vater des ... identifiziert und mit dessen Vergangenheit als Hacker in Verbindung gebracht werde, wodurch seine Menschwürde selbst verletzt werde. Der Verfügungskläger zu 1. stützt insbesondere mit dieser Begründung den Unterlassungsantrag auf sein eigenes Persönlichkeitsrecht.

Die Verfügungskläger sind der Auffassung, dass bei Abwägung des Grundrechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit mit dem Grundrecht auf Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Informationsfreiheit) dem Namensschutz das überwiegende Schutzinteresse einzuräumen sei.

Auf den Antrag der Verfügungskläger vom 16.01.2006 hat das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 17.01.2006 eine einstweilige Verfügung, die dem Verfügungsbeklagten am 18.01.2006 zugestellt wurde, mit folgendem Inhalt erlassen:
"Dem Antragsgegner wird es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, die Internetadresse ... auf die Internetadresse ... weiterzuleiten, solange unter der Internetadresse ... ein Beitrag vorgehalten wird, der den bürgerlichen Nachnamen des Sohnes der Antragsteller nennt."
Der Verfügungsbeklagte hat dagegen am 19.01.2006 Widerspruch eingelegt und gleichzeitig beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss über die einstweilige Verfügung vorläufig auszusetzen. Mit Beschluss vom 20.01.2006 (Bl. 34 ff. d. A.) ist die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt worden.

Die Verfügungskläger beantragen,
die einstweilige Verfügung vom 17.01.2006 aufrecht zu erhalten.
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 17. Januar 2006, Az: 218 C 1001/06, aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag abzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte rügt, dass es dem Unterlassungsantrag und dem Tenor des Beschlusses an der notwendigen Bestimmtheit mangele, weil aus der einstweiligen Verfügung der bürgerliche Nachname des Sohnes der Verfügungskläger nicht hervorgeht. Er rügt ferner, dass die Verfügung unverhältnismäßig sei und gegen das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Rechtsstaatsgebot verstoße; die Durchsetzung der Unterlassungsverfügung würde nämlich zur Folge haben, dass der Verfügungsbeklagte bei einer etwaigen Verletzung der Rechte der Verfügungskläger die Weiterleitung auf ca. 346.280 Beiträge nicht vornehmen könne.

Der Verfügungsbeklagte bestreitet, dass der betreffende Beitrag auf der Seite ... abrufbar sei; dies sei nur unter der URL ..." möglich. Jedoch müsse der Nutzer dafür verschiedene Schritte auf dem Computer gehen, um über den Namen "..." auf eine Zwischenseite der Enzyklopädie auf neun Artikel über "..." zu kommen und dann den betreffenden Artikel anklicken; eine automatische Weiterleitung finde nicht statt (der Verfügungsbeklagte bezieht sich auf die Anlagen AG 3, AG 4, und AG 5, Bl. 114-116 d. A.). Der Verfügungsbeklagte meint zudem, dass die Verfügungskläger ihre Aktivlegitimation nicht glaubhaft gemacht hätten, wobei sie bei Existenz eines Ehegatten bzw. von Kindern ihres Sohnes als Eltern nur eine nachrangige Wahrnehmungsberechtigung hinsichtlich des postmortalen Namensrechtsschutzes hätten.

Der Verfügungsbeklagte bestreitet ferner, dass der verstorbene Sohn der Verfügungskläger in Fachkreisen ausschließlich unter seinem Pseudonym "..." aufgetreten sei; dem stehe schon entgegen, dass der Verstorbene unter seinem bürgerlichen Namen studiert und eine im Internet frei verfügbare und seinen bürgerlichen Namen ausweisende Diplomarbeit verfasst habe. Er bestreitet zudem, dass der Verfügungskläger zu 1. die einzige in der Bundesrepublik Deutschland lebende Person sei, die den Namen "..." trägt; dafür würden der eingereichte Internet-Such-Ausdruck und die eidesstattliche Versicherung nicht ausreichen. Er bestreitet auch, dass die Postkarte aufgrund von Mitteilungen auf der Internet-Plattform an die Anschrift des Reisebüros gegangen ist.

Der Verfügungsbeklagte rügt desweiteren seine fehlende Passivlegitimation, da es sich bei dem betreffenden Beitrag um eine "fremde Information" i. S. der §§ 7-9 MDStV handeln würde. Denn er habe die Übermittlung der Information nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgesucht sowie die übermittelten Informationen nicht ausgewählt und auch nicht verändert. Er habe sich die unter de... zum Abruf bereit gehaltenen Inhalte nicht "zu eigen gemacht". Er würde auch nicht als Störer oder Mitstörer haften; von ihm könne nicht verlangt werden, in jedem Falle eine detaillierte rechtliche Prüfung der Inhalte der Beiträge vorzunehmen; er könne etwaige Verletzungshandlungen Dritter auch nicht verhindern.

Der Verfügungsbeklagte ist ferner der Auffassung, er habe durch das Vorhalten des betreffenden Beitrages das postmortale Persönlichkeitsrecht des Sohnes der Verfügungskläger nicht verletzt; ein solches postmortales Persönlichkeitsrecht stehe einer Veröffentlichung auch nicht entgegen. Dies ergebe sich daraus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht – insonderheit das Namensrecht – mit dem Tode enden würde und das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen nicht so weit reiche, die Nennung des Namens eines Verstorbenen unterbinden zu können. Zudem enthalte der betreffende Beitrag weder unwahre Behauptungen über den Verstorbenen noch schwerwiegende Entstellungen und Herabwürdigungen des Lebensbildes des verstorbenen Sohnes der Verfügungskläger.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung vom 17.01.2006 war aufzuheben und der Antrag vom 16.01.2006 war zurückzuweisen, weil der zulässige Antrag nicht begründet ist.

I.

1. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg beruht auf §§ 937, 943, 32 ZPO i.V.m. § 2 der 1. Konzentrations-VO. Zwar bestimmt sich bei im Internet begangenen Rechtsverstößen der Gerichtsstand nicht nach den Grundsätzen des sogen. "fliegenden Gerichtsstandes", so dass ein örtlicher Gerichtsstand des Begehungsortes nur dort gegeben ist, wo sich der behauptete Verstoß in dem konkreten Verhältnis der Parteien ausgewirkt hat (vgl. OLG Celle, OLG-Report Celle 2003, 47). Eine derartige konkrete Auswirkung ergibt jedenfalls den Gerichtsstand der Verfügungskläger, da diese in Berlin die Internetseite bestimmungsgemäß abrufen können, wobei für Rechtssachen in Namensangelegenheiten im Amtsgerichtsbereich in Berlin das Amtsgericht Charlottenburg nach der 1. Konzentrations-VO zuständig ist.

2. Der Verfügungsbeklagte hat jedenfalls durch Einreichung der Vollmachtsurkunde nachgewiesen, dass die Rechtsanwälte ... und Kollegen von Anfang an als Prozessbevollmächtigte beauftragt waren und dass die Auftragserteilung durch zwei Organe des Vereins wirksam erfolgt ist. Selbst in dem Fall, in dem Rechtsanwalt ... zunächst als vollmachtloser Vertreter aufgetreten sein sollte, war er nach § 89 Abs. 1 ZPO stillschweigend einstweilen zugelassen gewesen (vgl. nur: Vollkommer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 89 Rz 3 sowie RGZ 67, 151; Hartmann in: Baumbach u. a., ZPO, 60. Aufl., § 89 Rz 3 m.w.N.). Darüber hinaus haben der 1. und der 2. Vorsitzende des Vereins sich die Ausführungen des Rechtsanwalts ... zu eigen gemacht.

3. Die Rüge der unzureichenden Bestimmtheit des Verfügungsantrages durch den Verfügungsbeklagten kann nicht durchdringen, weil zur Bestimmtheit des Antrages die Begründung aus der Antragsschrift heranzuziehen ist (vgl. Hartmann in: Baumbach u. a., ZPO 60. Aufl., § 253 Rz 31 m.w.N.; BGH MDR 2001, 471).


II.

1. Die Verfügungskläger haben als Eltern des ..., genannt "...", gegen den Verfügungsbeklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der Nennung des bürgerlichen Namens ihres Sohnes im Internet auf den Seiten "de..." aus Art. 1 und Art. 2 GG i.V.m. §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn durch die Nennung des bürgerlichen Namens ihres Sohnes auf der streitgegenständlichen URL hat der Verfügungsbeklagte das postmortale Persönlichkeitsrecht des Sohnes der Verfügungskläger nicht verletzt.

1.1. Das durch die Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht sichert grundsätzlich dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem der Einzelne seine Individualität entwickeln und wahren kann. Durch diese Verfassungsgrundsätze ist das Recht jedes Einzelnen geschützt, in seinem individuellen Bereich "für sich zu sein" und "sich selber zu gehören" und damit ganz allein darüber zu bestimmen, ob und inwieweit andere Personen Informationen über das Leben des Einzelnen im ganzen und/ oder aber bestimmte Vorgänge und Ereignisse aus dem Leben des Einzelnen erfahren dürfen.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht in seinem richtungsweisenden Urteil vom 05.06.1973 (1 BvR 536/72 – NJW 1973, 1226, insbes. 1227, 1228, 1230 – Fall Lebach) postuliert, dass nur in den Fällen der aktuellen Berichterstattung über schwere Straftaten dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit nach Art. 5 Abs. 1 GG der Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsschutz (auch hinsichtlich der Namensnennung des betreffenden Straftäters) gem. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG gehöre, dies jedoch dann nicht gelte, wenn über die aktuelle Berichterstattung hinaus und zeitlich unbeschränkt über den Straftäter unter Namensnennung informiert werde; in einem solchen Falle würde wegen der neuen und zusätzlichen negativen Beeinträchtigung der betreffenden Person das Recht auf Schutz der Persönlichkeit überwiegen.

Dieser weitgehende Schutz des Namensrechts gilt jedoch in der Regel nur für lebende Individuen (vgl. BVerfG – Beschluss vom 24.02.1971, 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173, insbes. 194 m.w.N.; BGH-Urteil vom 06.12.2005, VI ZR 265/04, veröffentlicht unter: IWW-Quellenmaterial, siehe Bl. 221 ff. d. A.). Ausgehend davon, dass das Persönlichkeitsrecht eines Menschen grundsätzlich mit seinem Tod endet, sind an den postmortalen Schutz der Persönlichkeit höhere Anforderungen als an den Persönlichkeitsrechtsschutz Lebender zu stellen. Daher ist der postmortale Schutz der Persönlichkeit vor allem darauf ausgerichtet, den Verstorbenen vor unwahren Behauptungen, vor Herabsetzungen und Erniedrigungen sowie vor groben Entstellungen seines Lebensbildes und seiner Lebensleistung zu schützen (vgl. BVerfG, ebenda, 194; Rixecker in: MüKo BGB, 4. Aufl., Bd. 1, Allgem. Teil, § 12 Anh. Rz 22 bis 27; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 823 Rz 90 m.w.N.). Unter diesen postmortalen Persönlichkeitsschutz ist jedoch nicht der Fall zu subsumieren, dass – wie hier – in einem Beitrag auf der Internet-Plattform des Verfügungsbeklagten der bürgerliche Name des Sohnes der Verfügungskläger genannt wird. Denn damit wird das Leben des Verstorbenen weder falsch dargestellt noch sein Lebenswerk herabgesetzt noch der Verstorbene erniedrigt.

1.2. Die Verfügungskläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr verstorbener Sohn in Fachkreisen nur unter dem Pseudonym "..." aufgetreten sei und seinen bürgerlichen Namen ausdrücklich nicht verwendet habe, um seine Eltern und insbesondere seinen Vater zu schützen. Zwar haben die Verfügungskläger glaubhaft gemacht, dass ihr Sohn deshalb nicht formelles Mitglied des Chaos Computer Club e. V. geworden ist, weil er dies nur unter seinem bürgerlichen Nachnamen hätte werden können, jedoch ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn ... nicht, dass der Sohn der Verfügungskläger in allen Fällen "in Fachkreisen" ausschließlich unter seinem Pseudonym aufgetreten ist; denn der Sohn der Verfügungskläger hat unter seinem bürgerlichen Nachnamen jahrelang ein Studium absolviert und eine öffentlich zugängliche Diplomarbeit gefertigt, so dass das ausschließliche Auftreten unter einem Pseudonym in seinem Studium und seinen Forschungen nicht erwiesen ist. Den Verfügungsklägern als Wahrnehmungsberechtigten steht aus dem postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz ihres Sohnes aus Art. 1 und 2 GG kein Unterlassungsanspruch zu, weil ein solcher Anspruch als abgeleiteter Anspruch nur dann vorliegen würde, falls der hier streitgegenständliche Beitrag auf der Internet-Plattform die Würde des Sohnes verletzt und dessen Lebenswerk herabwürdigt.

1.3. Die Verfügungskläger können den Unterlassungsantrag auch nicht darauf stützen, dass durch die Nennung des bürgerlichen Namens ihres Sohnes sie in ihrer eigenen Person derartig stark beeinträchtig sein sollen, dass damit ihre Persönlichkeitsrechte schwerwiegend verletzt seien. Denn allein aus der Nennung des bürgerlichen Nachnamens ihres Sohnes ist die Würde der Verfügungskläger nicht verletzt; dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn mit der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des verstorbenen Sohnes das Persönlichkeitsrecht der Verfügungskläger als Angehörige unmittelbar verletzt worden wäre (vgl. BGH – VI ZR 265/04, a.a.O., Seite 7, Bl. 227 m.w.N.).

So ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass durch die Nennung des Nachnamens die Verfügungsklägerin zu 2. unmittelbar in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen sein soll, weil sie einen anderen Familiennamen als ihr verstorbener Sohn trägt.

Gleichfalls kann sich der Verfügungskläger zu 1. auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts wegen der Nennung des Namens "..." nicht mit Erfolg berufen. Denn durch die Nennung dieses Namens in dem am 05.01.2006 vorgefunden Beitrag sind die persönlichen Verhältnisse des Verfügungsklägers zu 1. gerade nicht in den Beitrag über seinen Sohn einbezogen worden, weil in diesem Beitrag weder der volle Name (Vor- und Nachname) noch eine Anschrift oder eine Telefonnummer des Verfügungsklägers zu 1. genannt worden sind; es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass er ein Reisebüro betreibt bzw. betrieben hat, so dass aus diesem Beitrag eine Identifizierung des Verfügungsklägers zu 1. nicht möglich ist. Darüber hinaus ist der Verfügungskläger zu 1. nicht in einem Telefonbuch mit seinem Namen eingetragen, so dass weder seine Telefonnummer noch seine Anschrift bei Eingabe dieses Nachnamens – wie der Verfügungskläger zu 1. durch Vorlage der Anl. AS 23, Bl. 206 d. A. selbst darlegt – in eine Internet-Suchmaschine (hier: Google) ermittelt werden konnten; es ist lediglich ein Reisebüro ...i in den "Gelben Seiten" des Berliner Telefonbuches eingetragen, das jedoch aufgrund der Nennung des Nachnamens "..." in dem streitgegenständlichen Beitrag als Reisebüro des Verfügungsklägers zu 1. nicht ermittelt werden kann. Selbst in dem Fall, in dem der Verfügungskläger zu 1. die einzige in der Bundesrepublik Deutschland lebende Person mit dem Namen "..." sein sollte, wäre allein aus dem streitgegenständlichen Beitrag eine Identifizierung des Verfügungsklägers zu 1. als Vater des "..." mit den üblichen Mitteln der Adress- und Telefonnummersuche nicht möglich.

Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus der Einbeziehung der in dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 enthaltenen Grundsätze, das der Verfügungsklägervertreter am 07.02.2006 (Bl. 246 ff. d. A.) eingereicht hat. Denn der streitgegenständliche Beitrag, in dem der Klarname des Sohnes der Verfügungskläger benannt ist, enthält keinerlei Hinweise auf seinen Vater, so dass daraus – anders als im Urteil des Europäischen Gerichtshofes – keine Rückschlüsse auf den Verfügungskläger zu 1. gezogen werden konnten.

Darüber hinaus ist die Internet-Diskussion über den Sohn der Verfügungsbeklagten nicht durch den von den Verfügungsklägern gerügten Beitrag im Internet initiiert worden, sondern durch die beantragten beiden einstweiligen Verfügungen vom 14.12.2005 und vom 17.01.2006. Dies ergibt sich offensichtlich aus den Diskussionsbeiträgen, die durch die Verfügungskläger als Anlagen-Konvolut (Bl. 213 d. A.) als Internet-Auszüge eingereicht worden sind. Zwar ist in diesem Zusammenhang mehrmals der volle Vor- und Nachname des Verfügungsklägers zu 1. genannt und auf das – jetzt wohl nicht mehr von ihm betriebene – Reisebüro ... hingewiesen worden, jedoch können diese Informationen nicht aus der Nennung des Namens "..." in dem streitgegenständlichen Beitrag herrühren.

1.4. Es ist ferner nicht zu erkennen, dass sich aus den mit Schriftsatz vom 31.01.2006 eingereichten außergerichtlichen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten ergeben soll, dass der Verfügungsbeklagte bewusst gegen ethische und moralische Grundsätze des Prozessrechts verstößt.

2. Da den Verfügungsklägern kein Unterlassungsanspruch zusteht, kann insbes. dahin stehen, ob der Verfügungsbeklagte als Zustandsstörer bzw. Mitstörer zu qualifizieren ist und ob der Verfügungsbeklagte die Nennung des bürgerlichen Namens des Sohnes der Verfügungskläger zu vertreten hat. Es kann auch dahin stehen, ob der Sohn der Verfügungskläger eine absolute oder relative Person der Zeitgeschichte geworden ist oder ob durch die einstweilige Verfügung das Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) verletzt worden ist.

Letztlich kommt es auch nicht auf das Vorliegen eines Verfügungsgrundes an.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.







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