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OLG Brandenburg Urteil vom 11.02.2009 - 7 U 116/08 - Bei einem Mobilfunkvertrag erlischt das Widerrufsrecht mit dem Beginn der Ausführung durch den Provider
 

 

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OLG Brandenburg v. 11.02.2009: Die Auffassung, dass das Erlöschen des Widerrufsrechts durch den Beginn der Ausführung der Dienstleistung auf Wunsch des Verbrauchers nur auf unteilbare Dienstleistungen anzuwenden sei, ist unzutreffend. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB ist derzeit nicht geboten.

Das OLG Brandenburg (Urteil vom 11.02.2009 - 7 U 116/08) hat entschieden:
Die Auffassung, dass das Erlöschen des Widerrufsrechts durch den Beginn der Ausführung der Dienstleistung auf Wunsch des Verbrauchers nur auf unteilbare Dienstleistungen anzuwenden sei, ist unzutreffend. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB ist derzeit nicht geboten.
Anmerkung: Das Urteil wurde vom BGH wegen der während des Revisionsverfahrens wirksam gewordenen Gesetzesänderung des § 312d Abs. 3 BGB mit Wirkung vom 4. August 2009 aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.





Zum Sachverhalt: Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherschutzverein. Die Beklagte, ein Mobilfunk-Service-Provider-Unternehmen, bietet auf ihrer Internetseite Verbrauchern die Möglichkeit, Mobilfunkverträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren abzuschließen. In ihrer Widerrufsbelehrung erklärt die Beklagte u.a.:
„Ihr Widerrufsrecht erlischt, wenn … mit der Ausführung der Dienstleistungen mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder Sie selbst diese veranlasst haben (z.B. durch Nutzung der Mobilfunkleistung“)“.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Abschluss von Dauerschuldverhältnissen über die Erbringung von Mobilfunkdienstleistungen hinsichtlich des Widerrufsrechts zu erklären,
„Ihr Widerrufsrecht erlischt, wenn … mit der Ausführung der Dienstleistungen mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder Sie diese selbst veranlasst haben (z.B. durch Nutzung der Mobilfunkleistungen)“.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 29.05.2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung stehe im Einklang mit der einschlägigen Vorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB; diese Vorschrift sei nicht teleologisch zu reduzieren.

Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers.

Die Berufung blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht der gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung, der sich gegen die Verwendung eines Teils der Widerrufsbelehrung der Beklagten richtet, nicht zu. Der beanstandete Teil erweist sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht als fehlerhafte Information der Beklagten.

1. Der Kläger ist nach §§ 1,2 Abs. 1 und 2, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlagG klagebefugt.

2. Soweit der Kläger die Widerrufsbelehrung der Beklagten beanstandet, entspricht diese, wie das Landgericht richtig erkannt hat, den Vorgaben des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB. Insofern liegt ein Verstoß gegen eine verbraucherschützende Norm nicht vor.

Die Vorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB regelt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei einer Dienstleistung erlischt, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. Der beanstandete Teil der Widerrufsbelehrung der Beklagten geht über den Wortlaut des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht hinaus.

3. Dem Kläger könnte nur dann ein Unterlassungsanspruch zustehen, wenn ihm in seiner Auffassung zu folgen wäre, die Vorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB sei dahin teleologisch zu reduzieren, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nur bei unteilbaren Dienstleistungen zu gelten habe (bejahend: Wendehorst in: MünchKomm BGB, 5. Aufl., § 312 d BGB, Rdnr. 56; Thüsing in: Staudinger, BGB (2005), § 312 d BGB, Rdnr. 36; verneinend: Palandt/ Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 312 d, Rdnr. 7 a).

a) Die Befürworter einer teleologischen Reduktion, die grundsätzlich zulässig ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., Einl. 49), stützen sich auf folgende Erwägungen:

Im Gegensatz zu den Finanzdienstleistungen, bei denen das Widerrufsrecht erst nach vollständiger Erfüllung erlischt, ist dies bei den sonstigen Dienstleistungen schon vor Ablauf der Widerrufsfrist der Fall, wenn der Unternehmer mit Zustimmung oder auf Veranlassung des Verbrauchers mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hat. Das darin liegende „Alles-oder-nichts-Prinzip“ erscheine rechtspolitisch fragwürdig, weil auch und gerade nach Beginn der Ausführung der Dienstleistung ein schützenswertes Interesse des Verbrauchers bestehe, sich vom Vertrag wieder lösen zu können; der Verbraucher habe vor Erfüllung des Vertrages nicht die Möglichkeit, die Qualität der Leistung zu beurteilen oder sich von den persönlichen Eigenschaften des Unternehmers einen Eindruck zu verschaffen.

b) Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass kein Bedürfnis zu einer teleologischen Reduktion des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB besteht.

aa) Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass auch bei einem Abschluss eines - längerfristigen - Mobilfunkvertrages ein gesteigertes Schutzbedürfnis des Verbrauchers nicht besteht. Auch dann, wenn der Verbraucher den Vertrag im Ladengeschäft abschließt, ist ihm in der Regel nicht die Möglichkeit eröffnet, die Qualität der Leistung zu überprüfen. Das liegt in der Natur des Mobilfunks begründet.

Die Qualität des Empfangs einer Mobilfunkverbindung hängt in erster Linie von den jeweils tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Standortes ab. Im Ladengeschäft mögen besonders gute Verhältnisses bestehen, wie dies auch bei der Vorführung eines Fernsehgeräts der Fall ist; bei einem anderen Einsatzort verändern sich die hierfür maßgeblichen Umstände naturgemäß.

Auch im Ladengeschäft besteht für den Verbraucher keine Möglichkeit, sich einen persönlichen Eindruck vom Unternehmer einer Mobilfunkleistung zu verschaffen. Hiervon abgesehen, besteht bei einem Mobilfunkvertrag auch nicht das Bedürfnis des Verbrauchers, ein besonders Vertrauen zu dem Anbieter der Mobilfunkleistung in Anspruch zu nehmen, wie dies etwa in dem - von Wendehorst a.a.O. Rdnr. 55 erörterten - Fall der Dienstleistung eines Umzugunternehmers angenommen werden mag, weil es sich dort um eine, von den jeweiligen Qualitäten des Unternehmers abhängige Leistung handelt.

bb) Auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften, die dem Schutz des Verbrauchers dienen, ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB.

Die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Widerrufsrecht erlischt, hängt von Abwägungskriterien des Gesetzgebers ab, und zwar davon, wo er die Grenze im Sinne des Verbraucherschutzes unter Berücksichtigung der Problematik der Rückabwicklung ziehen will. Es handelt sich hierbei um eine Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers, inwieweit er dem Verbraucherschutz einerseits und den Belangen des Unternehmers (z.B. Investitionen bei Beginn des Vertragsverhältnisses) andererseits den Vorrang einräumen möchte.

Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings - zunächst - das Erlöschen des Widerrufsrechts erst nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung zugelassen. Insoweit ist auf die jeweils früher geltenden Vorschriften zu verweisen, nämlich § 1 b Abs. 2 AbzahlungsG (Novelle 1974), § 2 Abs. 1 Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (1986) und zuletzt § 7 Abs. 2 VerbraucherkreditG (1990).

Von diesem Grundsatz ist der deutsche Gesetzgeber erstmals im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie 97/7 EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz abgewichen. In Artikel 6 Abs. 3 erster Spiegelstrich der Richtlinie ist geregelt:
„Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, kann der Verbraucher das in Absatz 1 vorgesehene Widerrufsrecht nicht ausüben bei Verträgen zur Erbringung von Dienstleistungen, deren Ausführung mit Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Frist von sieben Werktagen gemäß Absatz 1 begonnen hat“.
Die Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) FernabsatzG (2000) umgesetzt und bestimmt:
„Das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat“. Im Jahre 2001 wurde diese Regelung durch das Gesetz zur „Modernisierung“ des Schuldrechts in das BGB übernommen, und zwar in § 312 d Abs. 3 BGB. Die Vorschrift des § 312 d Abs. 3 BGB in seiner jetzigen Fassung wurde durch das FernAbsÄndG im Jahre 2004 eingeführt.
Die Richtlinie 97/7 EG selbst lässt keinen Anhaltspunkt erkennen, welchen Willen und welchen Zweck der europäische Gesetzgeber gehabt bzw. verfolgt hat. Insbesondere die Erwägungsgründe unter Ziffer 14 geben keinen Ausschluss darüber, welche Gründe für die Eingrenzung des Widerrufsrechts für maßgeblich erachtet wurden. Da der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie nur umgesetzt hat, ist auch insoweit keine weitere Erkenntnismöglichkeit für seinen Willen erkennbar.

cc) Für das Bedürfnis einer teleologischen Reduktion des § 312 d Abs. 3 BGB kann der von der Beklagten vorgelegte Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen (Bl. 118 - 140 d.A.) nicht herangezogen werden. Es ist nicht Sache des Senats, über einen Gesetzesentwurf zu befinden.

c) Nach allem vermag der Senat ein derzeitiges Bedürfnis zu einer Rechtsfortbildung nicht zu erkennen. Die Vorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB ist daher seiner jetzigen Fassung anzuwenden, mit der Folge, dass der von dem Kläger beanstandete Teil der Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht als fehlerhafte Information im Sinne des Verbraucherschutzes gewertet werden kann.

III.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Beklagte verwendet ihre Widerrufsbelehrung bundesweit. ..."







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