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Landgericht Koblenz Urteil vom 07.02.2006 - 4 HK O 165/05 - Irreführung durch Bewerbung nicht lieferbarer Ware

LG Koblenz v. 07.02.2006: Irreführung durch Bewerbung nicht lieferbarer Ware


Das Landgericht Koblenz (Urteil vom 07.02.2006 - 4 HK O 165/05) hat entschieden:

   Nach § 5 Abs. 5 UWG ist es irreführend, für eine Ware zu werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage zur Verfügung steht. Dies gilt gerade auch für einen Versandhandel im Internet. Hier erwartet der Verbraucher in der Regel, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann. Der Verkehr erwartet bei Angeboten im Internet, die anders als Angebote in einem Versandhauskatalog ständig aktualisiert werden können, mangels anderslautender Angaben die sofortige Verfügbarkeit der beworbenen Ware.



Siehe auch
Warenvorrat
und
Lieferfristen


Zum Sachverhalt:


Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen und verfolgt satzungsgemäß den Zweck, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Die Beklagte betreibt unter ... einen Internetshop, in dem sie unter anderem digitale Kameras zum Verkauf bewirbt. Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung irreführender Werbung.

Im August 2005 bewarb die Beklagte den Verkauf eines Gehäuses Canon EOS 1DS Mark II zum Kaufpreis von 7.169,00 Euro. Einen Hinweis auf die Lieferzeit enthielt weder die Produktbeschreibung noch fand sich ein solcher auf der Webseite. In den über einen Link abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen wies die Beklagte darauf hin, dass in der Regel alle Artikel innerhalb von 24 Stunden geliefert würden. Bei einigen wenigen Artikeln könne es zu Lieferengpässen bei den Herstellern kommen. Sollte ein Artikel nicht sofort lieferbar sein, erhalte der Kaufinteressent eine Nachricht über den möglichen Lieferzeitpunkt.

Bei dem Gehäuse handelte es sich um ein völlig neues Kameramodell, das im Zeitpunkt der Werbung der Beklagten von niemandem in Deutschland, selbst nicht vom Hersteller, geliefert werden konnte.

Der Kläger war der Ansicht, die Werbung der Beklagten sei irreführend gemäß §§ 3, 5 Abs. 5 UWG. Auch im Internethandel erwarte der Verbraucher, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden könne. Sei dies nicht der Fall, müsse der Anbieter unmissverständlich darauf hinweisen. Tue er dies nicht, handele er wettbewerbswidrig.

Sie war der Ansicht, bei der extrem teueren Kamera gehe die Verbrauchererwartung nicht dahin, dass sie vorrätig gehalten werde. Auf diese besondere Situation habe sie – die Beklagte – auf ihren für jeden durchschnittlich informierten und aufgeklärten Verbraucher leicht auffindbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichend hingewiesen. Das Nachlesen in diesen sei einem Verbraucher zumutbar.

Die Klage hatte Erfolg.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 5 UWG (Unterlassung) und § 12 Abs. 1 S. 2 UWG (Zahlung) gegen die Beklagte zu. Das Werbeverhalten der Beklagten ist irreführend und damit unlauter, da die Beklagte nicht in der gebotenen Weise auf die mangelnde unverzügliche Lieferbarkeit des Kameragehäuses hingewiesen hat.

Nach § 5 Abs. 5 UWG ist es irreführend, für eine Ware zu werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage zur Verfügung steht. Dies gilt gerade auch für einen Versandhandel im Internet. Hier erwartet der Verbraucher in der Regel, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann. Der Verkehr erwartet bei Angeboten im Internet, die anders als Angebote in einem Versandhauskatalog ständig aktualisiert werden können, mangels anderslautender Angaben die sofortige Verfügbarkeit der beworbenen Ware. Die Rücksichtnahme auf diese Erwartung des Verkehrs belastet den Unternehmer, der einen Versandhandel betreibt und sein Warenangebot im Internet bewirbt, nicht in unzumutbarer Weise. Es bleibt ihm unbenommen, durch geeignete Zusätze auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinzuweisen, wenn er nicht in der Lage ist, eine Nachfrage tagesaktuell zu erfüllen. Ein solcher Hinweis muss dabei unmissverständlich auf der Produktseite des Unternehmers erfolgen (vgl. BGH NJW 2005, 2229 f.; MDR 2005, 941 f.). Denn es ist nicht davon auszugehen, dass der Verkehr alle Seiten des Internetauftritts eines im Internet werbenden Unternehmens als eine in sich geschlossene Darstellung auffasst und als zusammengehörig wahrnimmt und alle Seiten des Internet-Auftritts zur Kenntnis nimmt. Ein Kaufinteressent wird vielmehr erfahrungsgemäß nur diejenigen Seiten aufrufen, die er zur Information über die von ihm ins Auge gefasste Ware benötigt oder zu denen er durch Links aufgrund einfacher elektronischer Verknüpfung oder durch klare und unmissverständliche Hinweise auf dem Weg bis hin zum Vertragsschluss geführt wird. Erhält er auf diese Weise die aus seiner Sicht erforderlichen Angaben, hat er keine Veranlassung, noch weitere Seiten des betreffenden Internet-Auftritts darauf zu untersuchen, ob sie für ihn zusätzliche brauchbare Informationen enthalten (vgl. BGH MDR 2005, 941 f.).



Auf der Grundlage dieses sich aus der Lebenserfahrung ergebenden Verbraucherverhaltens ist nicht anzunehmen, dass ein interessierter Verbraucher über die Produktseite hinaus die Seite mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten öffnet, um sich dort Informationen für die Lieferfrist des konkret ins Auge gefassten Produkts zu verschaffen. Jeder Verbraucher weis, dass diese, wie sich bereits aus ihrer Bezeichnung ergibt, lediglich allgemeine Regelungen für eine Vielzahl von Verkaufsfällen enthalten und keine Informationen für den gerade anstehenden Einzelfall. Dies bestätigen auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Selbst wenn ein Kaufinteressent für das beworbene Kameragehäuse die Seite mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten aufgesucht hätte, hätte er keine verlässlichen Informationen über einen möglichen Lieferzeitpunkt erlangt.

Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt auch der hohe Preis des angebotenen Gehäuses nicht. Auch bei hochpreisigen Artikeln muss ein Unternehmer davon ausgehen, dass derjenige Interessent, der den Erwerb eines solchen Produkts anstrebt, diese Absicht unmittelbar umsetzen will und daher mangels gegenteiliger Hinweise eine alsbaldige Lieferung erwartet. Die Beklagte war indes im Zeitpunkt der Werbung zu einer Lieferung überhaupt nicht in der Lage, weil selbst der Hersteller nicht lieferbereit war.

Unter diesen Umständen war die Werbung unlauter. ..."

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