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OLG Düsseldorf Urteil vom 09.09.2008 - I-20 U 123/08 - Zur unzulässigen Werbung für Spielkarten mit einem Copyright-©-Zeichen
 

 

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OLG Düsseldorf v. 09.09.2008: Zur unzulässigen Werbung für Spielkarten mit einem Copyright-©-Zeichen


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.09.2008 - I-20 U 123/08) hat entschieden:
Die Abbildung von Spielkarten auf einer Internetseite mit der Angabe "©-n." wirkt als Werbung mit einem Schutzrecht an den Karten. Obwohl der ©-Vermerk an sich nur die Registrierung eines Werkes in den USA bezeichnet, wird er auch im Inland als Hinweis auf urheberrechtlichen Schutz verstanden. Ein solches Verständnis ist - bei Heranziehung des maßgeblichen Verbraucherleitbildes eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der eine Werbeaussage mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt - jedenfalls in einem nicht unerheblichen Teil der Gesamtbevölkerung vorauszusetzen. Betrifft die Irreführung ein Merkmal der angebotenen Ware oder Leistung, das für die Marktgegenseite von zentraler Bedeutung ist, bzw. geht es um verkehrswesentliche Eigenschaften, also um den - neben dem Preis -wesentlichen Wettbewerbsparameter, kann im Allgemeinen aus der Täuschung selbst die wettbewerbliche Relevanz gefolgert werden.




Gründe:

A.

Die Parteien legen jeweils Interessenten die Karten. Unter Kartenlegen versteht man nach lexikalischen Nachweisen eine Wahrsagepraktik, aus Spielkarten Auskunft über verborgene oder zukünftige Dinge sowie Ratschläge zu erhalten. Wahrsagen beruht häufig auf Aberglauben oder Betrug, wenn mitunter auch besondere mediale Fähigkeiten zu konstatieren sein sollen (Großer Brockhaus, 16. Auflage, Wiesbaden, 1955/1957; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim, 1983).

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin, die ihre Tätigkeit unter der Bezeichnung "N." entfaltet, im Eilverfahren darauf in Anspruch, dass sie auf der von ihr unterhaltenen in der Formel näher bezeichneten Internetseite sowie auf fünf weiteren Internetseiten für ihre Leistungen nicht unter Abbildung bestimmter Spielkarten zweier Verlage wirbt, die sie selbst mit dem Aufdruck "©-n." versehen hat. Die Antragstellerin hält den - zwischenzeitlich von der Antragsgegnerin beseitigten - Aufdruck für irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts, weil mit ihm urheberrechtliche Schutzrechte in Anspruch genommen würden und der Vermerk den Eindruck vermittle, die übrigen Kartenlegerinnen in Deutschland würden bei Einsatz der verbreiteten Spielkarten der Verlage immer Karten gerade der Antragsgegnerin benutzen. Zudem stelle sich die Antragsgegnerin zu Unrecht mit Kartenlegerinnen auf eine Stufe, die "eigene und originäre" Kartensätze entwickelt hätten. Solche Kartenlegerinnen genössen bei den Kunden eine besondere Wertschätzung, da ihnen eine noch stärkere "Macht über die Karten" zugebilligt werde.

Die Antragsgegnerin verneint ein Wettbewerbsverhältnis zur Antragstellerin, weil diese seit Februar 2008, als sie die Beanstandung erhoben habe, selbst nicht mehr online sei. Sie hält das Vorgehen der Antragstellerin zudem für missbräuchlich, weil die Antragstellerin sie wegen der Beanstandung mit zwölf Abmahnungen unter Verlangen von Vertragsstrafeversprechen über 20.000 € überzogen habe, und das auch noch unter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs und unter Ansatz von überhöhten Geschäftswerten für die Rechtsanwaltsgebühren. In der Sache beruft sich die Antragsgegnerin darauf, dass beide Spielkartenverlage ihr den Aufdruck gestattet hätten. Der ©-Vermerk habe im deutschen Rechtssystem zudem keine Relevanz. Er beeinflusse, da es nicht um das Angebot der Spielkarten selbst gehe, schließlich auch nicht die Nachfrageentscheidungen.

Das Landgericht hat den hinsichtlich der sechs verschiedenen Internetseiten der Antragsgegnerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch verneint, weil Auswirkungen der Werbung der Antragsgegnerin auf die Tätigkeit der Antragstellerin für die Kammer nicht nachvollziehbar dargetan seien. Mit der vorliegenden Berufung verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die Antragsgegnerin beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.


B.

Die Berufung der Antragstellerin ist im Wesentlichen begründet. Das begehrte Verbot ist jedenfalls hinsichtlich der in der Formel bezeichneten Internetseite der Antragsgegnerin auszusprechen.

Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin nach §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG ein Anspruch zu, dass sie nicht so wirbt, wie es in der Formel des Urteils umschrieben ist. Die Antragsgegnerin, die ihre Tätigkeit - wie im Verfahren außer Streit steht - gewerblich erbringt, hat mit ihrer Werbung im Internet unter Verwendung fremder Spielkarten, die den Aufdruck "©-n." tragen, eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG begangen, nämlich im Sinne des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UWG irreführend geworben. Sie hat bei den angesprochenen Verkehrkreisen Fehlvorstellungen über ihre geschäftlichen Verhältnisse erweckt, nämlich ihre geistigen Eigentumsrechte in Bezug auf die auf ihrer Internetseite abgebildeten Spielkarten.

Die Abbildung der Spielkarten beider Verlage auf der Internetseite "www.k.-n.de" mit der Angabe "©-n." wirkt als Werbung mit einem Schutzrecht an den Karten. Obwohl der ©-Vermerk an sich nur die Registrierung eines Werkes in den USA bezeichnet, wird er auch im Inland als Hinweis auf urheberrechtlichen Schutz verstanden. Der erkennende Senat vermag aufgrund eigener Erfahrung zu beurteilen, dass ein solches Verständnis hier - bei Heranziehung des maßgeblichen Verbraucherleitbildes eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der eine Werbeaussage mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt - jedenfalls in einem nicht unerheblichen Teil der Gesamtbevölkerung vorauszusetzen ist (vgl. auch Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 12 UWG Rn. 5.123). Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die an den Diensten des Kartenlegens interessierten Kreise, an die sich die Internetpräsentation der Antragsgegnerin wendet, nach Bildung und Wissen abweichend von der Gesamtbevölkerung den ©-Vermerk gar nicht verstehen würden oder jedenfalls anders. An dieser Stelle braucht also nicht entschieden zu werden, ob Adressatenkreis der angegriffenen Werbung alle Verbraucher sind oder nur die aktuell an Wahrsagung interessierten Teile der Allgemeinheit und gegebenenfalls noch für die Dienste zu gewinnende potentielle Abnehmer (vgl. Peifer in Fezer, UWG, § 5 Rn. 190).

Als Objekt des werblich hervorgehobenen Urheberrechtsschutzes kommen nach der Art der Anbringung des Vermerks nur die Spielkarten der beiden Verlage in Betracht, von denen die Internetseite Vervielfältigungsstücke zeigt. Wie unter den Parteien außer Streit steht, verfügt die Antragsgegnerin in Wirklichkeit aber über keinen urheberrechtlichen Schutz an den Spielkarten. Ihre behaupteten Absprachen mit den Verlagen begründen ihn nicht.

Die Antragsgegnerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass sie, schon als die Antragstellerin auf den Befund aufmerksam wurde, anderswo auf ihrer Internetseite das Fehlen wirklichen Urherrechtschutzes zu ihren Gunsten mitgeteilt hätte. Im Übrigen wäre eine von den Abbildungen entfernte Erläuterung der Urheberrechtslage gar nicht geeignet, der durch den ©-Vermerk verursachten Fehlvorstellung verlässlich vorzubeugen. Durch die Bezeichnung auch der Verlage auf den abgebildeten Kartenblättern wird die Fehlvorstellung ebenso wenig verhindert; durch sie wird allenfalls Verwirrung gestiftet.

Die erweckte Fehlvorstellung weist die erforderliche Eignung zur Einwirkung auf die Marktentscheidung des angesprochenen Verkehrs auf, damit überhaupt im Sinne des Wettbewerbsrechts von einer Irreführung gesprochen werden kann. Die Relevanz einer Irreführung für die Marktentscheidung ist Bestandteil des Begriffs der Irreführung (Peifer, a.a.O., Rn. 185). § 5 UWG soll auf unzureichender, missverständlicher oder falscher Information getroffene Marktentscheidungen verhindern (Peifer, a.a.O. Rn. 240). Ob mit einer Einwirkung auf die Marktentscheidung zu rechnen ist, ist im Hinblick auf die Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise zu entscheiden. Der Publikationsform nach wendet sich die Internetwerbung der Antragsgegnerin an die Allgemeinheit; von der werblichen Ansprache wird niemand ausgeschlossen. Seinem Inhalt nach richtet das Angebot aber nur an einen - wohl kleineren - Teil der Allgemeinheit, nämlich an die an Wahrsagung Interessierten, seien sie bereits aktuell Nachfrager nach solchen Diensten oder seien sie nur potentielle Abnehmer. Über Kreise, die für Esoterik aufgeschlossen sind, hinaus wird der Werbung der Antragsgegnerin keine wirtschaftliche Bedeutung zukommen.

Die Marktentscheidung, deren Beeinflussung durch die falsche Werbeaussage möglich sein muss, ist nicht der Erwerb von Spielkarten. Die Antragsgegnerin wirbt auf der Internetseite nämlich nicht für den Absatz solcher Ware. Mit den Spielkarten werden vielmehr nur die Mittel vorgestellt, unter deren Einsatz die Antragsgegnerin ihre Dienste des Kartenlegens erbringt.

Schon in der Antragsschrift, wie dann nochmals in der Berufungsbegründung hat die Antragstellerin zur Relevanz der Irreführung vorgetragen, der beanstandete Vermerk vermittle den Interessenten den Eindruck, dass die übrigen Kartenlegerinnen in Deutschland bei Einsatz von Spielkarten der Art, wie sie die Antragsgegnerin in ihrer Internetwerbung gezeigt habe, immer Karten gerade der Antragsgegnerin benutzen würden, die Antragsgegnerin stehe in der Vorstellung der Interessenten mit solchen Kartenlegerinnen auf einer Stufe, die "eigene und originäre" Kartensätze entwickelt hätten und die bei den Kunden eine besondere Wertschätzung genössen, da ihnen eine noch stärkere "Macht über die Karten" zugebilligt werde. Die von der Antragstellerin angeführten Verkehrsvorstellungen betreffen damit die Bedeutung der Antragsgegnerin als Anbieterin ihrer Dienste und die Qualität der Dienste selbst, nämlich den Einfluss der Antragsgegnerin auf die von ihr eingesetzten Karten.

Wie in der Berufungsverhandlung angesprochen, liegt das Entstehen des ersteren Eindrucks nicht nahe. Der verallgemeinernde Schluss vom Aufdruck des ©-Vermerks auf bestimmten Kartenblättern auf die Schaffung sämtlicher Spielkarten einer bestimmten Art durch das bezeichnete Unternehmen käme nur in Betracht, wenn der Vermerk nicht bloß einer Spezialität von Karten zugeordnet würde. Im Streitfall kommt hinzu, dass die Karten zusätzliche Hinweise auf die Verlage tragen. In der Berufungsverhandlung ist angesprochen worden, dass es eine Vielzahl ähnlicher Kartenblätter gibt.

Der letztere von der Antragstellerin angeführte Eindruck von der größeren "Macht über die Karten" ist demgegenüber bei den Werbeadressaten durchaus vorauszusetzen. Er ist der Beurteilung der wettbewerblichen Relevanz der Werbung zugrunde zu legen, auch wenn er dem die Wahrsagung kennzeichnenden Aberglauben zuzuordnen ist und er deshalb für den erkennenden Senat keinen Realitätsgehalt hat. Die Antragsgegnerin hat diesen Eindruck nämlich in ihren Schriftsätzen und auf Nachfrage auch in der Berufungsverhandlung unbestritten gelassen. Noch in ihrem nachterminlichen Schriftsatz vom 21. August 2008 verneint sie die fragliche Verkehrvorstellung nicht im Grundsatz, sondern meint nur, die Vorstellung entwickle sich allein im Streitfall nicht, weil sie, die Antragsgegnerin, aufgrund des Vermerks gar nicht als Urheberin der Karten erscheine. Wie ausgeführt, wird der Vermerk aber doch als ein Hinweis auf einen - der Antragsgegnerin zukommenden - urheberrechtlichen Schutz verstanden, so dass jemand, der überhaupt eine besondere "Macht über die (eigenen) Karten" für möglich hält, aufgrund des Vermerks auch der Antragsgegnerin diese Macht zuschreiben wird. Am Rande sei bemerkt, dass nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung die Antragsgegnerin bei ihrer Tätigkeit in Wirklichkeit keine Karten mit dem beanstandeten Aufdruck verwendet, was der fragliche Kunde allerdings nicht erfährt. Dass die Vorstellung, eine Kartenlegerin habe eine besondere "Macht über die Karten", die Nachfrageentscheidung eines Interessenten beeinflussen kann, sich von ihr und nicht von einer Wettbewerberin die Karten legen zu lassen, liegt auf der Hand. Die Beziehung einer Wahrsagerin zu dem von ihr eingesetzten Erkenntnismittel beeinflusst in der Vorstellung des Interessenten sicher die Qualität des nachgefragten Dienstes.

Betrifft die Irreführung ein Merkmal der angebotenen Ware oder Leistung, das für die Marktgegenseite von zentraler Bedeutung ist (vgl. Bornkamm, a.a.O. Rn. 2.179), bzw. geht es um verkehrswesentliche Eigenschaften, also um den - neben dem Preis -wesentlichen Wettbewerbsparameter (vgl. Peifer, a.a.O. Rn. 243), kann im Allgemeinen aus der Täuschung selbst die wettbewerbliche Relevanz gefolgert werden (vgl. Piper in Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage, § 5 Rn. 221); mitunter heißt es auch, eine ausführliche Relevanzprüfung erübrige sich, wenn die Erheblichkeit des Irrtums offensichtlich sei oder nach der Lebenserfahrung nahe liege (Helm in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Auflage, § 53 Rn. 87; die Genannten alle mit den Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung). So verhält es sich im Streitfall ersichtlich mit der größeren "Macht" einer werbenden Kartenlegerin "über die (eigenen) Karten".

Es fällt im Übrigen auf, dass die Antragsgegnerin keinen anderen plausiblen Grund - als eben eine Beeinflussung von Nachfrageentscheidungen zu ihren Gunsten - für die Anbringung des Vermerks vorgebracht hat und sie sich sogar um seine Absicherung durch eine Vereinbarung mit den beiden Verlagen bemüht haben will. Die Erklärung der Antragsgegnerin, der Vermerk habe die Karten für Dritte unbrauchbar machen sollen, ist schwer verständlich. Auf seine Zweifel, dass andere Kartenlegerinnen die von ihnen benutzten Karten gerade durch Herunterladen von Vorlagen aus dem Internet gewinnen würden, hat der erkennende Senat in der Berufungsverhandlung keine überzeugende Antwort erhalten. Von einem Schutz nur vor Nachahmung der Karten in einer fremden Internetwerbung, der in dem unklaren nachterminlichen Schriftsatz der Antragsgegnerin gemeint sein könnte, war nicht die Rede.

Die irreführende Angabe des Streitfalls ist trotz fehlenden Realitätsgehalts als wettbewerblich relevant anzusehen. Die Eignung einer Werbung, das Nachfrageverhalten zu beeinflussen, bestimmt sich erneut nach den Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise. Nach Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ist eine Geschäftspraktik irreführend, "wenn sie in irgendeiner Weise ... den Durchschnittsverbraucher ... zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte." Mit dem Durchschnittsverbraucher ist eine durchschnittlich informierte und verständige, situationsbedingt aufmerksame Person gemeint. Nach Auffassung der erkennenden Senats schließt es die Eigenschaft des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers, "informiert und verständig" zu sein, nicht aus, Vorstellungen ohne Realitätsgehalt wettbewerbliche Relevanz zuzusprechen und damit die auf ihnen beruhenden Nachfragentscheidungen vor einer Beeinflussung durch Irreführungen zu schützen. Ohnehin ist anerkannt, dass die Kaufentscheidungen verständiger Verbraucher maßgeblich durch Erwägungen beeinflusst werden können, die sich einer rationalen Überprüfung entziehen (BGH GRUR 2003. 628 - Klosterbrauerei: hinsichtlich einer klösterlichen Brautradition). Auch kommt es nicht darauf an, ob eine Werbeangabe in dem Punkt und in dem Umfang, in dem sie von der Wahrheit abweicht, objektiv erheblich ist oder ob sich das Publikum vernünftigerweise durch die Abweichung beeinflussen lässt (Helm, a.a.O. Rn. 88). Es ist nicht Sache des Gerichts nachzuprüfen, ob die Wertschätzung, die das Publikum einer Ware entgegenbringt, berechtigt ist (BGH GRUR 1981, 71 - Lübecker Marzipan).

Der Grundsatz, dass die Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise mit ihrer Eignung, das Nachfrageverhalten zu beeinflussen, so hinzunehmen sind, wie sie tatsächlich bestehen, ist auch auf ganze Bereiche menschlichen Verhaltens anzuwenden, die durch Irrationalität geprägt werden, wie eben den der Wahrsagung oder - weiter gefasst - den der Esoterik. Der durch das Irreführungsverbot bezweckte Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer und das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung eines nicht durch Irreführung verfälschten Wettbewerbs lassen Ausnahmen für geschäftliches Handeln in diesen Bereichen nicht zu. Auf den Streitfall bezogen ist deshalb anzuerkennen, dass der an Wahrsagung Interessierte seine Nachfrageentscheidung als "informierter und verständiger" Verbraucher im Sinne des Leitbildes trifft, wenn er die Dienste gerade derjenigen Kartenlegerin in Anspruch nimmt, die eine besondere "Macht über die Karten" hat.

19 Eine Werbeaussage hat wettbewerbliche Relevanz auch dann, wenn die zu beeinflussende Nachfragentscheidung zu einem Rechtsgeschäft führt, dem keine zivilrechtliche Wirksamkeit zukommt. Wirtschaftliche Geschäfte haben nämlich verbreitet Bestand, auch wenn sie rechtlich unwirksam sind. Im Übrigen führt nach geltendem Recht die Unmöglichkeit einer Leistung, wie sie für Wahrsagung anzunehmen sein dürfte (Heinrichs in Palandt, BGB, 67. Auflage, § 275 Rn. 14 mit weiteren Nachweisen), nicht mehr zur Nichtigkeit des auf sie gerichteten Vertrags. "Abergläubischen oder sonst wie unseriösen Verträgen" ist heute der Rechtsschutz nicht mehr zu versagen; sind nicht ohne Weiteres als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB anzusehen (Medicus in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 311a Rn. 11; vgl. auch Ernst in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 311a Rn. 31). Gewerbliche Wahrsagung ist jedenfalls nicht mehr polizeilich verboten.

Die beanstandete Werbung der Antragsgegnerin begründet nach § 8 Abs. 1 UWG einen Unterlassungsanspruch, da die Gefahr einer Wiederholung besteht, auch wenn die Antragsgegnerin die Werbung inzwischen geändert hat. Die Wiederholungsgefahr hätte entsprechend der allgemeinen Regel des Wettbewerbsrechts durch die Abgabe einer mit einem Vertragsstrafeversprechen gesicherten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden müssen; der Streitfall gibt keinen Anhaltshaltspunkt für die Annahme, dass ausnahmsweise auch andere Umstände die Gefahr hätten beseitigen können. Die bloße Einstellung des beanstandeten Verhaltens reicht keinesfalls aus.

Als Mitbewerberin der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG befugt, den Anspruch gerichtlich zu verfolgen. Zur Annahme des hierzu notwendigen konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwischen Parteien reicht es, dass sich die Parteien mit ihrem Dienstleistungsangebot derselben Art an denselben Abnehmerkreis wenden. Der Annahme steht die Verschiedenheit der Orte nicht entgegen, an denen die Parteien ihren Unternehmenssitz haben. Denn sie sprechen Interessenten auch mit Mitteln des Fernabsatzes an und erbringen ihre Leistungen ebenso, etwa über Telefon. Der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihrem unbestritten bundesweiten Angebot im Augenblick der Beanstandung der gegnerischen Internetwerbung selbst nicht im Internet präsent war, ist ohne Bedeutung für die Annahme des Wettbewerbsverhältnisses.

Die Geltendmachung des von der Antragstellerin verfolgten Unterlassungsanspruchs ist nach § 8 Absatz 4 UWG nicht deshalb unzulässig, weil sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich wäre. Für den im Gesetz besonders angesprochenen Tatbestand, dass die Geltendmachung eines Anspruchs vorwiegend dazu diene, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lasen, bietet der Streitfall keinen hinreichenden Anhalt. Die gerichtliche Verfolgung des vorliegenden Anspruchs weist keine Besonderheiten in dieser Hinsicht auf. Sonstige einschlägige Aktivitäten der Antragstellerin sind nicht bekannt. Es fällt zwar auf, dass die Antragstellerin in der Anbringung des ©-Vermerks auf den Spielkarten der beiden Verlage jeweils besondere Wettbewerbsverstöße sieht und ebenso im Erscheinen der entsprechend bedruckten Kartenbilder auf den verschiedenen Internetseiten der Antragsgegnerin und dem gemäß vorprozessual eine Mehrzahl von Abmahnungen an die Antragsgegnerin gesandt hat. Hierin mag eine überscharfe Wahrnehmung der beanstandete Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin und der daraus drohenden Gefahr deutlich werden. Die getrennten Abmahnungen bedeuten aber noch keinen - in Parallelität zu sogenannten Klagespaltungen anzunehmenden - Missbrauch, der auf die Zulässigkeit der jetzigen gerichtlichen Rechtverfolgung durchschlagen würde. Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin in keiner Weise von einer Prüfung der erhobenen Beanstandung auf das Vorliegen einer einzigen Handlung oder mehrerer Handlungen hin abzuhalten versucht oder auf die erforderliche Höhe einer zu versprechenden Vertragsstrafe und auf den angemessenen Geschäftswert für die entfaltete Rechtsanwaltstätigkeit hin. Die Mehrzahl von Abmahnungen war auch nicht geeignet, für die Antragsgegnerin eine Verpflichtung zu höherer Kostenerstattung zu begründen.

Nach § 12 Abs. 2 UWG ist die Antragstellerin, wie die Antragsgegnerin nicht in Abrede stellt, zur Verfolgung ihres Unterlassungsanspruchs im Eilverfahren berechtigt.

Die unlautere Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin ist darin zu sehen, dass sie mit den irreführend gekennzeichneten Karten für ihre Dienste überhaupt auf einer Internetseite geworben hat. Der Name der fraglichen Seite und der Umstand einer Werbung auf einer einzigen Seite oder auf einer Mehrheit von Seiten sind, anders als es die Antragstellerin jetzt noch ihrer Antragsfassung zugrunde legt, für die Unlauterkeit ohne Belang. Da im Antrag aber Internetseiten benannt sind, muss zur Vermeidung einer Überschreitung des Begehrens das ergehende Verbot ebenfalls einen Seitennamen enthalten. Aufzunehmen ist der Name der Hauptseite der Antragsgegnerin, wo die Kartenabbildungen originär eingestellt waren. Eine Erstreckung des Verbots auf weitere einzeln benannte Seiten, von denen auf die Hauptseite weitergeleitet wird oder wo Links bestehen, erscheint nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Mit dem sich auf die Hauptseite der Antragsgegnerin beziehenden Verbot erreicht die Antragstellerin das mit dem Verfahren angestrebte Ziel der Sache nach vollständig.

Im Hinblick auf die Erschöpfung des Rechtszugs für Eilsachen nach § 542 Abs. 2 ZPO kommt eine nur vorläufige Vollstreckbarkeit der getroffenen Entscheidung von vornherein nicht in Betracht.

Streitwert für das Berufungsverfahrens: 50.000 €, gemäß der Wertangabe der Antragstellerin in der Antragsschrift, die das Landgericht für die erste Instanz übernommen hat und die ohne Widerspruch geblieben ist.









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