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Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 05.11.2009 - 2/3 S 7/09 - Kein Rechtsmissbrauch bei Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstands
 

 

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Fliegender Gerichtsstand - Gerichtszuständigkeit - Internationales Privatrecht - Rechtsmissbrauch - Urheberrechtsschutz - Zuständigkeit


LG Frankfurt am Main v. 05.11.2009: Zum fliegenden Gerichtsstand bei Warenverkauf und zum Streitwert beim Angebot einer Jacke, die fälschlich als Original bezeichnet wird

Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 05.11.2009 - 2/3 S 7/09) hat entschieden:
Selbst wenn man für die Begründung des im gewerblichen Rechtsschutz grundsätzlich anerkannten fliegenden Gerichtsstands einschränkend für im Internet begangene Verstöße über die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit des Internets am Gerichtsort hinaus noch einen gewissen Ortsbezug dahin verlangt, dass sich der Verstoß bestimmungsgemäß auch im jeweiligen Gerichtsbezirk auswirken sollte oder ausgewirkt hat, ist die örtliche Zuständigkeit nicht verneinen. Entscheidend ist, dass das Angebot den Versand an jeden Ort Deutschlands vorsah und mithin eine Rechtsverletzung durch ein entsprechendes Inverkehrbringen an jedem Ort in Deutschland drohte. Eine Einschränkung dahin, dass das Angebot der Sache nach von vornherein nur für einen örtlich begrenzten Käuferkreis bestimmt war, ist bei einer überall nutzbaren Jacke nicht ersichtlich. Am deliktischen Gerichtsstand des § 32 ZPO sind auch nicht nur Hauptansprüche einklagbar, sondern insbesondere auch Rechtsverfolgungskosten, die dem Verletzten infolge einer deliktischen Handlung entstanden sind.




Gründe:

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß $ 540 II i. V. m. § 313 a I ZPO abgesehen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger den abgewiesenen Klageantrag in Höhe von 651,80 € weiter.

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Freistellungsanspruch in Höhe von € 615,80 zu, was sich wie folgt ergibt:

Die Klage zum Amtsgericht Frankfurt am Main war zulässig. Das Amtsgericht war insbesondere gemäß 5 32 ZPO örtlich zuständig. Selbst wenn man für die Begründung des im gewerblichen Rechtsschutz grundsätzlich anerkannten fliegenden Gerichtsstands einschränkend für im Internet begangene Verstöße über die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit des Internets am Gerichtsort hinaus noch einen gewissen Ortsbezug dahin verlangt, dass sich der Verstoß bestimmungsgemäß auch im jeweiligen Gerichtsbezirk auswirken sollte oder ausgewirkt hat (vgl. Zöller/Vollkommer, § 32 ZPO, Rn. 17 m.w.N., Dreier/Schulze, § 105 UrhG, Rn. 9 m.w.N.: deliktischer Gerichtsstand am Empfangsort bei Versand), konnte das Amtsgericht seine örtliche Zuständigkeit nicht verneinen. Entscheidend ist hier, dass das Angebot den Versand an jeden Ort Deutschlands vorsah und mithin eine Rechtsverletzung durch ein entsprechendes Inverkehrbringen an jedem Ort in Deutschland drohte. Eine Einschränkung dahin, dass das Angebot der Sache nach von vornherein nur für einen örtlich begrenzten Käuferkreis bestimmt war, ist bei einer überall nutzbaren Jacke nicht ersichtlich. Am deliktischen Gerichtsstand des § 32 ZPO sind auch nicht nur Hauptansprüche einklagbar, sondern insbesondere auch Rechtsverfolgungskosten, die dem Verletzten infolge einer deliktischen Handlung entstanden sind (vgl. Dreier/Schulze, aaO.,Rn. 11).

In der Sache steht dem Kläger der geltend gemachte Freistellungsanspruch wegen der Kosten der Abmahnung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Höhe von € 651,80 zu.

Der Kläger ist in Bezug auf die urheberrechtlichen Verwertungsrechte an dem fraglichen Motiv "Japan" Lizenznehmer für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Die Beklagte hat auch durch ihr Angebot bei eBay das dem Kläger zustehende Verbreitungsrecht nach § 17 I UrhG verletzt,wodurch ein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß § 97 UrhG begründet wird.

Soweit die Beklagte in der zweiten Instanz vorgetragen hat, es habe sich bei der von ihr angebotenen Jacke um Originalware gehandelt, ist dieser Vortrag nach § 531 II ZPO nicht zuzulassen.

Es handelt sich um kein neues Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 II Nr. I ZPO, das einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurde. Das Gericht der ersten Instanz hat den materiellen Anspruch nicht thematisiert, da es die Klage bereits wegen örtlicher Unzuständigkeit abgewiesen hat. Zwar ist im Berufungsrechtszug der materielle Anspruch nunmehr zu prüfen, jedoch hat die fehlerhafte Rechtsansicht der ersten Instanz den erstinstanzlichen Vortrag nicht verschuldet. Der ersten Instanz wäre es verwehrt gewesen, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass sie vielleicht den Einwand der Erschöpfung erheben könnte.

Es kann aber auch nicht das Vorliegen eines neuen Verteidigungsmittels gemäß § 531 II Nr. 3 ZPO bejaht werden, das im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde, ohne, dass dies auf einer Nachlässigkeit einer Partei beruht hätte. Die Beklagte hat ihr verspätetes Vorbringen damit entschuldigt, dass eine entsprechende Verteidigung im bisherigen Prozess allein deshalb nicht stattgefunden habe, weil die Beklagte mit der ihr unverständlichen Rechtsmaterie aufgrund ihrer Vermögenssituation sich keine Verteidigung im entfernten Frankfurt am Main habe vorstellen können und im Zeitpunkt der Mandatierung des Beklagtenvertreters im Falle eines solchen Vorbringens der Verspätungseinwand gedroht hätte, so dass die vorliegende Dokumentation nicht mehr hätte erfolgen dürfen.

Die von der Beklagten angeführten Gründe reichen nicht aus, um eine Nachlässigkeit zu verneinen. Die Beklagte war bereits erstinstanzlich durch den Beklagtenvertreter vertreten. Dieser hat unter dem 9.2.2009 sich schriftsätzlich für die Beklagte bestellt und vorgetragen, dass der Freistellungsanspruch nur in Höhe des Nettobetrages bestehen könne und zudem der Streitwert übersetzt sei. Darüber hinaus wurde die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung überreicht. Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum in diesem Schriftsatz nicht bereits vorgetragen werden konnte, dass es sich bei der angebotenen Jacke um Originalware handele.

Aber selbst wenn man den Vortrag der Beklagten, es habe sich um Originalware gehandelt, nicht als verspätet ansehen würde, könnte dieser dem Anspruch des Klägers nicht entgegenstehen. Bei diesem Einwand handelt es sich um den Einwand der Erschöpfung nach § 17 II UrhG. Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Zustimmung zum Inverkehrbringen grundsätzlich der Beklagten, die sich gegenüber der vom Kläger schlüssig vorgetragenen Verletzungshandlung mit dem Einwand verteidigt, das Verbreitungsrecht des Rechteinhabers sei erschöpft (Schricker-Loewenheim, Urheberrecht, 3. Aufl., § 17 Rn. 45). Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass es sich bei der Jacke nicht um Originalware handele, da solche Jacken vom Urheber nicht hergestellt würden. Dagegen hat die Beklagte nicht vollständig die Rechtekette zum Urheber dargelegt. Sie hat lediglich die Person benannt, von der sie die Ware erworben hat. Damit fehlt es an dem Vortrag, von wem diese wiederum die Jacke gekauft hat. Insofern ist die Beklagte ihrer substantiierten Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass der Einwand der Erschöpfung nicht greift.

m Falle der Verletzung von Schutzrechten oder unerlaubter Handlungen sind die Kosten einer entsprechenden Abmahnung unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag ersatzfähig, da die Abmahnung, die auf eine endgültige außergerichtliche und damit billigere Beendigung der Störung abzielt, dem Verletzer objektiv nützlich ist und zumindest seinem mutmaßlichen Willen entspricht (vgl. etwa Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 12 UWG, Rn. 1.90 ff. m. w. N.).

Der vom Kläger mit der Berufung für seinen Freistellungsanspruch nur noch in Höhe von Euro 10.000,00 angesetzte Gegenstandswert ist nach Auffassung der Kammer auch beim Angebot nur einer Jacke, die aber immerhin unzutreffend als Original angeboten wurde, angesichts des jedenfalls durchschnittlichen Werts des dem Kläger übertragenen Verwertungsrechts im Bereich der Lifestyle-Bekleidungsbranche nicht unangemessen hoch. Der Ansatz einer 1,3fachen Geschäftsgebühr begegnet im Bereich des regelmäßig mit besonderen Schwierigkeiten einhergehenden gewerblichen Rechtsschutzes ebenfalls keinen Bedenken. Daraus errechnet sich ein Freistellungsanspruch des zum Vorsteuerabzug berechtigten Klägers in Höhe von Euro 651,80 (1,3 x 486,– = 631,80 zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von Euro 20,00). Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10,711 und 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) liegen nicht vor.







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