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BGH (Urteil vom 27.02.1980 - I ZR 41/78 - Verwendung des Wortes „Innenarchitektur“ in einer Werbeanzeige

BGH v. 27.02.1980: Verwendung des Wortes „Innenarchitektur“ in einer Werbeanzeige


Der BGH (Urteil vom 27.02.1980 - I ZR 41/78) hat entschieden:

   Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verwendung des Wortes „Innenarchitektur“ in einer Werbeanzeige gegen §§ 2 HAG, 1 UWG verstößt.




Siehe auch
Architektenwerbung im Internet
und
Stichwörter zum Thema Werbung


Tatbestand:


Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zu ihren Aufgaben gehört es u.a. die Architektenliste zu führen, die Berufsinteressen ihrer Kammermitglieder zu vertreten sowie das Ansehen des Berufsstandes der Architekten zu wahren. Dazu gehört insbesondere die Verhinderung und Unterbindung jedes nicht rechtmäßigen Gebrauchs der gemäß § 2 des Hamburgischen Architektengesetzes (HAG) vom 26. November 1965 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt v. 2. Dezember 1965 S. 205) geschützten Berufsbezeichnung "Innenarchitekt".

Die Beklagte befaßt sich vorwiegend mit der Planung, der Herstellung und dem Vertrieb von Kücheneinrichtungen. Weder die Beklagte noch deren Gesellschafter sind in die von der Klägerin geführte Architektenliste eingetragen.

Die Beklagte hat in der Zeitschrift "Schöner Wohnen" Heft März 3/77 eine Anzeige veröffentlichen lassen, die als Überschrift enthält:

   R. K.
Innenarchitektur

Die Klägerin hat dazu vorgetragen, die Beklagte verwende in der Anzeige die Bezeichnung Innenarchitektur in der Weise, daß sie mit der Firmenbezeichnung "R. K." optisch eine Einheit bilde. Damit verstoße die Beklagte gegen §§ 2 und 3 HAG und zugleich gegen § 1 UWG. Die Beklagte nehme die geschützte Berufsbezeichnung in Anspruch, obwohl sie nicht in die Architektenliste eingetragen sei. Sie erwecke beim Publikum den Eindruck, ihr Unternehmen sei eine Art "Küchen-Innenarchitektur-Studio".

Die Klägerin hat beantragt,

   der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im Geltungsbereich des Hamburgischen Architektengesetzes vom 26. November 1965 (Hamburgisches GVOBl v. 2. Dezember 1965, 205) mit der Bezeichnung "Innenarchitektur" zu werben.

Nach Ansicht der Beklagten stellt der Hinweis "R. K. Innenarchitektur" keine Verwendung der geschützten Berufsbezeichnung "Innenarchitekt" im Sinne der §§ 1 und 3 HAG dar. Die angegriffene Werbung zeige jedem deutlich, daß sie sich nicht als Innenarchitekt bezeichne, sondern eine Küchenmöbelfabrik sei.

Im übrigen könne aus dem HAG nicht abgeleitet werden, daß Sprachbegriffe wie "architektonisch" oder "Innenarchitektur" nicht werblich verwendet werden dürften. Derartige Worte seien in den Sprachgebrauch allgemein aufgenommen worden.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 22. Juni 1977 der Klage stattgegeben.

Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch weiter.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 1980 wurde festgestellt, daß die Beklagte zu diesem Termin am 3. Dezember 1979 ordnungsgemäß geladen worden ist.

Die Klägerin hat beantragt,

   nach ihrem Antrag durch Versäumnisurteil zu entscheiden.





Entscheidungsgründe:


I.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten zu verbieten, im Geltungsbereich des Hamburgischen Architektengesetzes mit der Bezeichnung "Innenarchitektur" zu werben. Dieser Antrag bedarf der Klarstellung und Präzisierung. Vom Wortlaut her ist er zu weit gefaßt. Denn auch die Klägerin bezweifelt nicht ernsthaft, daß auch Nichtarchitekten und nach dem Architektengesetz Nichtberechtigte das der Umgangssprache zugehörende Wort "Innenarchitektur" in einer allgemein beschreibenden Form, auch wenn das innerhalb der Werbung geschieht, benutzen dürfen. Die Klägerin erstrebt vielmehr, wie ihrer Klagebegründung zu entnehmen ist, das Verbot einer Benutzung des Wortes "Innenarchitektur" als Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung im Sinne des § 2 HAG, wie dies nach ihrer Auffassung in der beanstandeten Anzeige geschehen ist, in der unter die Firmenbezeichnung "R. K." in Fettdruck die Bezeichnung "Innenarchitektur" gesetzt ist. Nach § 2 HAG darf die Bezeichnung "Architekt" bzw. "Innenarchitekt" nur führen, wer in die Architektenliste eingetragen ist; nur solche Personen dürfen die Bezeichnung "Architektenbüro" und ähnliche Bezeichnungen verwenden; in anderen Wortverbindungen darf die Berufsbezeichnung "Architekt" nicht geführt werden. § 2 HAG regelt demnach die Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen der Architekten. Die Klägerin erstrebt demnach das Verbot einer nach ihrer Auffassung von der Beklagten unzulässigerweise geführten Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung, wie dies in der Zeitschriften-Anzeige geschehen sei.




II.

Ohne Rechtsverstoß geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin nach § 13 Abs. 1 UWG befugt ist, die Beklagte wegen Zuwiderhandlungen gegen §§ 1 und 3 UWG auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Denn zu den ihr übertragenen Aufgaben gehört es, die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern, insbesondere auch einen gegen § 2 HAG verstoßenden nicht rechtmäßigen Gebrauch der Berufsbezeichnung zu verhindern (§ 11 Buchst. b, §§ 2, 3 HAG); dabei handelt es sich um eine legitime öffentliche Aufgabe, die unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Klägerin übertragen werden konnte (BVerfGE 10, 89 = NJW 59, 1675, 1676; 15, 235 = NJW 63, 195). Die Klägerin ist danach klageberechtigt, da die Verletzung in ihren gesetzmäßigen Interessenbereich eingreift, der hier auch von allgemeinem, die Öffentlichkeit berührenden Interesse ist (vgl. BGH v. 13.3.64 - I b 120/62 GRUR 64, 397, 398 - Damenmäntel; v. 26.5.72 - I ZR 8/71 GRUR 72, 607 - Steuerbevollmächtigter; v. 29.3.74 - I ZR 15/73 GRUR 75, 75, 76 - Wirtschaftsanzeigen).

III.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Anzeige verstoße weder gegen § 1 UWG noch gegen § 2 HAG.

1. Die Anwendung des Hamburgischen Architektengesetzes unterliegt in vollem Umgang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Als Hamburgisches Landesrecht beschränkt sich sein Geltungsbereich allerdings auf den Bezirk des Berufungsgerichts (§ 549 ZPO). Nach gefestigter Rechtsprechung sind aber solche Vorschriften revisibel, die nur im Bezirk des Berufungsgerichts gelten, wenn in anderen OLG-Bezirken inhaltsgleiche Regelungen bestehen und die Übereinstimmung bewußt und gewollt zum Zwecke der Einheitlichkeit herbeigeführt oder aufrechterhalten ist (BGH v. 29.10.69 - I ZR 72/67 MDR 70, 210 = WM 70, 253 = LM Nr. 81 zu § 549 ZPO). Ein solcher Fall liegt hier vor (vgl. Glaser, Das Architektenrecht in der Praxis, 2. Aufl. 1971).

2. Nach Meinung des Berufungsgerichts kann der Leser mit dem Bestandteil "Innenarchitektur" unter der Firmenbezeichnung noch nichts anfangen; er müsse, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, weiterlesen, wenn er aus ihm Schlüsse ziehen wolle, und erfahre sodann beim Weiterlesen, daß die Beklagte perfekte Küchenelemente herstelle, die über den Fachhandel bezogen werden könnten; die Beklagte benutze also den Hinweis "Innenarchitektur" nicht als eigene Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung, sondern bringe wahrheitsgemäß dadurch zum Ausdruck, daß die angebotenen Küchenelemente von solcher Perfektion seien, daß für sie in Anspruch genommen werden könne, sie als das Ergebnis architektonischen Schaffens auf dem Gebiet der Möbelherstellung zu würdigen.

Diese Beurteilung unterliegt rechtlichen Bedenken.

3. Das Berufungsgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, daß eine solche Werbeanzeige grundsätzlich in ihrem Gesamteindruck zu würdigen ist. Es hat jedoch hier dem Umstand nicht genügend Rechnung getragen, daß in der beanstandeten Anzeige das Wort "Innenarchitektur" in Fettdruck unter der Firmenbezeichnung "R. K." besonders hervorgehoben ist und diese Worte vom übrigen Text durch die bildliche Darstellung einer Kücheneinrichtung getrennt sind. Diese als Blickfang besonders herausgestellten Worte müssen daher schon für sich wahr und in ihrer konkreten Verwendung zulässig sein, auch wenn sie den Leser nur erst zur näheren Beschäftigung mit dem Angebot veranlassen sollen (vgl. BGH Urteil v. 10.3.71 - I ZR 73/69 GRUR 71, 516 - Brockhaus Enzyklopädie); auf eine etwa durch den späteren Text erfolgende Klarstellung kommt es nicht an (vgl. BGH Urteil v. 4.3.64 - I b ZR 118/62 GRUR 65, 39, 41 - Ahlborn; v. 29.4.70 - I ZR 123/68 GRUR 70, 425, 426 - Melitta-Kaffee; v. 21.5.75 - I ZR 93/74 GRUR 75, 659, 660 - Sonnenhof).



Das Berufungsurteil unterliegt auch insoweit Bedenken, als das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, mit dem Bestandteil "Innenarchitektur" unter der Firmenbezeichnung könne der Leser noch nichts anfangen; er müsse weiterlesen, wenn er aus ihm Schlüsse ziehen wolle (BU 132. Abs.). Damit wird das Berufungsgericht der Lebenserfahrung nicht hinreichend gerecht, daß die Bezeichnung "Innenarchitektur" allgemein bekannt ist; mögen über ihren Inhalt auch unterschiedliche Vorstellungen vorhanden sein, so wird zumindest ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums einen Zusammenhang mit "Innenarchitekt" und "Architekt" herstellen. Es ist ferner weitgehend üblich, unter die Firmenbezeichnung eine Angabe über den Tätigkeitsbereich zu setzen, und diese Angaben unter der Firmenbezeichnung als Tätigkeitsbezeichnung anzusehen. Auch insoweit kann davon ausgegangen werden, daß jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Vorstellung hat, die Beklagte übe die Tätigkeit eines Innenarchitekten auf dem Gebiete von Kücheneinrichtungen aus. Dementsprechend heißt es auch bereits in der Begründung zum HAG (Drucksachen über Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft 1964, 813), die Bevölkerung verbinde mit der Berufsbezeichnung "Architekt" die Vorstellung, daß es sich um einen umfassend vorgebildeten Baufachmann handle, der besondere theoretische und praktische Kenntnisse sowie künstlerische Fähigkeiten besitze; deshalb sei eine Ordnung des Berufsstandes unabweislich; zu schützen seien die Begriffe Architekt und Innenarchitekt; um jede Irreführung der Öffentlichkeit auszuschließen, seien auch ähnlich lautende Wortverbindungen, die mißdeutet werden könnten, einbezogen worden.

Demnach wird durch die in der Anzeige blickfangmäßig herausgestellte Bezeichnung "R. K., Innenarchitektur" jedenfalls bei einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums die Vorstellung erweckt, die Beklagte betätige sich bei der Einrichtung von Küchen als Innenarchitekt. Darin liegt aber ein Verstoß gegen § 2 HAG. Die Verletzung dieser Vorschrift ist auch wettbewerbswidrig (§ 1 UWG). Die Vorschrift des § 2 HAG dient nicht nur dem Schutz der Architekten mit ihrer Berufsbezeichnung, sondern regelt insoweit auch den Wettbewerb für diese Berufstätigkeit und dient dem Schutz des Publikums vor Irreführung. Eine - im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken erfolgende - Verletzung dieser Vorschrift ist daher auch wettbewerbsrechtlich anstößig (§ 1 UWG), ohne daß es noch auf das Vorliegen zusätzlicher wettbewerblicher Umstände anzukommen hat.

IV.

Unter Aufhebung des Berufungsurteils war demnach das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen; dabe

i war der Tenor an die konkrete Verletzungsform anzupassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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