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Amtsgericht Bochum Urteil vom 11.11.2003 - 63 C 211/03 - Zur Pflicht des missbräuchlich abmahnenden Rechsanwalts zur Kostentragung gegenüber dem Abgemahnten
 

 

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Abmahnung - Abmahnkosten - Rechtsmissbrauch


AG Bochum v. 11.11.2003: Eine Abmahntätigkeit unter Verstoß gegen § 13 Abs. 5 UWG, die vorrangig dazu dient, Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen, ist sittenwidrig. Denn sie hat nur die Schädigung Dritter zum Ziel und dient der eigenen Bereicherung. Dieser Vorwurf trifft jedenfalls auch den Rechtsanwalt, der den Abmahner vertritt, persönlich. Er ist dem Abgemahnten zum Schadensersatz verpflichtet und muss die zur Abwehr der unberechtigten Abmahnung erforderlichen Anwaltskosten erstatten.

Das Amtsgericht Bochum (Urteil vom 11.11.2003 - 63 C 211/03) hat entschieden:
Eine Abmahntätigkeit unter Verstoß gegen § 13 Abs. 5 UWG, die vorrangig dazu dient, Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen, ist sittenwidrig. Denn sie hat nur die Schädigung Dritter zum Ziel und dient der eigenen Bereicherung. Dieser Vorwurf trifft jedenfalls auch den Rechtsanwalt, der den Abmahner vertritt, persönlich. Er ist dem Abgemahnten zum Schadensersatz verpflichtet und muss die zur Abwehr der unberechtigten Abmahnung erforderlichen Anwaltskosten erstatten.




Zum Sachverhalt: Der Beklagte vertrat die ... und versandte in deren Namen in ca. 1000 Fällen Abmahnungen an deren Mitbewerber. In diesen beanstandete er, dass die Internetseiten der Mitbewerber gegen § 6 TDG verstießen, da auf ihnen nicht die Namen und Anschriften bzw bei juristischen Personen die Vertretungsberechtigung angegeben sei; dies sei wettbewerbswidrig. Mit den Abmahnschreiben wurde die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie die Erstattung von Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 50.000,00 Euro verlangt. Ein solches Schreiben sandte der Beklagte unter dem 18.04.2002 auch an die Klägerin. Diese beauftragte deshalb ihren Prozessbevollmächtigten; dieser lehnte mit Schreiben vom 28.04.2002 die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab und forderte die ... dazu auf, ihrerseits wegen der Anwaltskosten Schadensersatz nach einem Gegenstandswert von 50.000,00 Euro in Höhe von 856,80 Euro zu leisten. Nachdem die ..., die nach Darstellung der Klägerin zum Zeitpunkt der Abmahnung wirtschaftlich nicht mehr tätig war und deren Inhaber am 11.06.2002 die eidesstattliche Versicherung abgab, dem nicht nachgekommen war, erwirkte die Klägerin gegen diese einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vorn 08.07.2002 in Höhe von 856,80 Euro nebst Zinsen und Kosten. Die von der Klägerin betriebene Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Die Klägerin erwirkte darauf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem sie wegen einer Forderung in Höhe von insgesamt 1.119,88 Euro nebst Zinsen und Zustellkosten einen Anspruch der auf Schadensersatz und Freistellung aus fehlerhafter anwaltlicher Beratung gegen den Beklagten und Rechtsanwalt ... pfändete und sich zur Einziehung überweisen ließ. Auf eine Aufforderung gemäß § 840 ZPO erklärten der Beklagte und Rechtsanwalt ..., dass sie die Forderung für nicht begründet hielten und zur Zahlung nicht bereit seien.

Mit der Klage nahm die Klägerin den Beklagten auf Zahlung des Betrages von 1.119,88 Eure in Anspruch.

Die Klägerin trug vor:

Der Beklagte habe sich gegenüber der ... schadensersatzpflichtig gemacht, da er diese nicht ausreichend auf die Unzulässigkeit von Massenabmahnungen hingewiesen habe. Der Beklagte hätte der ... raten müssen, die Mitbewerber wegen des angeblichen Wettbewerbsverstoßes zunächst anzuschreiben. Da sie gegen die ... einen rechtskräftigen Titel erwirkt habe, stehe der Schadensersatzanspruch der Höhe nach fest. Der Beklagte hafte aber auch unabhängig davon wegen eines Eingriffes in ihren Gewerbebetrieb und aus dem Gesichtspunkt einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung persönlich, da es dem Beklagten bei der Abmahnung nicht um einen Wettbewerbsverstoß, sondern ausschließlich um die Erzielung von Gebühren gegangen sei. Der ihrem Schadensersatzanspruch zugrundegelegte Gegenstandswert von 50.000,00 Euro sei berechtigt, dieser sei auch unstreitig. Zumindest sei der Gegenstandswert mit 7.500,00 Euro anzunehmen, da der Beklagte in der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 7.500,00 Euro gefordert habe.

Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.119,88 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz von 856,80 Euro seit dem 24.052002 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Klage hatte teilweise Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Klage ist im zuerkannten Umfang begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Höhe von 410,91 Euro.

Das Vorgehen des Beklagten ist als vorsätzlich sittenwidrige Schädigung iSv § 826 BGB zu werten. Der Beklagte hat unstreitig in ca. 1.000 Fällen, darunter auch im Fall der Klägerin, Mitbewerber der ... wegen eines Verstoßes ihrer Internetseiten gegen § 6 TDG abgemahnt und dabei jeweils die Erstattung von Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 50.000,00 Euro beansprucht. Der Verstoß gegen § 6 TDG lag zwar unstreitig vor. Ob dieser Verstoß grundsätzlich dazu geeignet war, einen Unterlassungsanspruch aus §i 1, 13 UWG zu begründen, kann letztlich dahingestellt bleiben, denn jedenfalls war das Vorgehen des Beklagten und der ...gemäß § 13 Abs. 5 UWG rechtsrnissbräuchlich und unzulässig. Der Unterlassungsanspruch kann danach nicht geltend gemacht werden, wenn die Geltendmachung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dies war hier offensichtlich der Fall. Hierfür spricht nicht nur der Umfang der Abmahntätigkeit, sondern auch der den Kostenerstattungsansprüchen zugrundegelegte offensichtlich weit überhöhte Gegenstandswert von 50.000,00 Euro. Hierfür spricht weiter, dass die ... zum Zeitpunkt der Abmahntätigkeit bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein muss; dies folgt daraus, dass ihr Inhaber unstreitig knapp 2 Monate nach der Abmahnung die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Der Beklagte hat keine Umstände dafür vorgetragen, dass die ... erst nach seiner Beauftragung aufgrund unvorhergesehener Umstände in Vermögensverfall geraten ist. Bei dem beanstandeten Gesetzesverstoß handelte es sich eher um einen BagatelIverstoß; inwieweit hierdurch die geschäftliche Tätigkeit der ... ernstlich beeinträchtigt werden konnte, ist nicht ersichtlich.

Bei dieser Sachlage ist aber davon auszugehen, dass es der ...nicht ernstlich darum gegangen sein kann, ein wettbewerbswidriges Verhalten von Mitbewerbern zu verhindern, sondern es kann bei der Abmahntätigkeit nur um die Erzielung von Einnahmen gegangen sein.

Diese Einnahmen sind allein dem Beklagten zugutegekommen, es sei denn, der Beklagte hat - was unbekannt ist - mit der ... eine Vereinbarung über eine Beteiligung an den Einnahmen getroffen. Für die ... wäre die Abmahntätigkeit des Beklagten bestenfalls kostenneutral gewesen, denn sie wäre aufgrund der erteilten Aufträge ja dazu verpflichtet gewesen, die Gebührenansprüche des Beklagten, soweit von den abgemahnten Mitbewerbern keine Zahlung geleistet wurde, selbst zu befriedigen. Es ist anzunehmen, dass die ... hierzu wirtschaftlich gar nicht in der Lage war; die Gebührenansprüche des Beklagten aufgrund der Abmahntätigkeit lagen bei 1.000 Abmahnungen und einem Gegenstandswert von 50.000,00 Euro in der Größenordnung von mindestens 80.000,00 Euro. Der Beklagte trägt auch nichts dazu vor, inwieweit die ... in den Fällen, in denen die abgemahnten Mitbewerber nicht gezahlt haben, an ihn Zahlung geleistet hat; im Termin hat er hierzu lediglich unsubstantiiert vorgetragen, die ... habe Zahlungen geleistet. Offensichtlich ging es bei der Abmahntätigkeit jedenfalls in erster Linie dem Beklagten um die Erzielung von Einnahmen. Diese gesamten Umstände waren dem Beklagten auch bekannt.

Bei dieser Sachlage ist aber nicht nur das Vorgehen der ..., sondern auch das eigene Vorgehen des Beklagten als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu qualifizieren. Eine Abmahntätigkeit unter Verstoß gegen § 13 Abs. 5 UWG, die vorrangig dazu dient, Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen, ist sittenwidrig. Denn sie hat nur die Schädigung Dritter zum Ziel und dient der eigenen Bereicherung. Dieser Vorwurf trifft jedenfalls auch den Beklagten persönlich.

Der anzuerkennende Schaden der Klägerin beläuft sich auf 410,91 Euro.

Dabei legt das Gericht für das Interesse der Klägerin an der Abwehr der unberechtigten Abmahnung und des damit verbundenen Zahlungsanspruches einen Betrag von 5.000,00 Euro zugrunde. Der von der Klägerin zugrundegelegte Gegenstandswert von 50.000,00 Euro erscheint weit überhöht. Zwar ist der Abmahnung ein Gegenstandswert von 50.000,00 Euro zugrundegelegt worden; hieraus folgt aber nicht, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seiner Tätigkeit gleichfalls einen Gegenstandswert in dieser Höhe zugrundelegen durfte. Die Klägerin trägt selbst vor, dass der der Abmahnung zugrundegelegte Gegenstandswert weit überhöht war. Dies war auch offensichtlich der Fall; bei der Abmahnung ging es, wie die Klägerin auch richtig erkannt hat, letztlich nur um die Erzielung von Einnahmen. Von daher könnte man daran denken, das Interesse der Klägerin nur mit der Abwehr des Gebührenanspruches gleichzusetzen. Dies hält das Gericht allerdings nicht für gerechtfertigt; immerhin war der Klägerin ein Wettbewerbsverstoß vorgeworfen worden und mit dieser Frage musste sie sich auseinandersetzen. Bei Wettbewerbsverstößen kommt es für den Gegenstandswert auf Art und Umfang der Verletzungshandlung sowie die Bedeutung und den Umsatz des Geschädigten an. Die vorgeworfene Gesetzesverletzung war geringfügig. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint ein Gegenstandswert von 5.000,00 Euro gerechtfertigt.

...

Das Gericht hat gemäß § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung des Beklagten zugelassen, weil die Frage, unter welchen Umständen im Falle einer unberechtigten Abmahnung auch der Rechtsanwalt persönlich haftet, von grundsätzlicher Bedeutung ist und bisher in der Rechtsprechung nicht ausreichend geklärt erscheint. ..."









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