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Landgericht Düsseldorf Urteil vom 26.11.2008 - 12 O 431/08 - Der Weitervertrieb von vorinstallierter Software von einem Distributor an den Endkunden ist zulässig
 

 

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Software - Urheberrechtsschutz - Wettbewerb


LG Düsseldorf v. 26.11.2008: Das dem Urheber einer Computersoftware zustehende Verbreitungsrecht hat sich erschöpft, wenn die Software mit Zustimmung des Urhebers auf einem Vervielfältigungsstück in den Verkehr gebracht wird. Wenn das Verbreitungsrecht erschöpft ist, ist der Weitervertrieb der vorinstallierten Software von einem Distributor an den Endkunden zulässig.

Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 26.11.2008 - 12 O 431/08) hat entschieden:
Das dem Urheber einer Computersoftware zustehende Verbreitungsrecht hat sich erschöpft, wenn die Software mit Zustimmung des Urhebers auf einem Vervielfältigungsstück in den Verkehr gebracht wird. Wenn das Verbreitungsrecht erschöpft ist, ist der Weitervertrieb der vorinstallierten Software von einem Distributor an den Endkunden zulässig.
Zum Sachverhalt: Die Antragstellerin erstellt und vertreibt Software. Die Antragsgegnerin vertreibt im Internet unter der Domain X Software verschiedener Hersteller.

Unter der Bezeichnung „X“ bietet die Antragstellerin eine Software zur Verwaltung von Stamm- und Abrechnungsdaten einer Anwaltskanzlei an. Für den Vertrieb auch nach Deutschland bedient sie sich sogenannter Distributoren, die die Software an die Endkunden vertreiben.

Die Distributoren schließen mit der Antragstellerin jeweils einen Vertrag über die Bedingungen für die Vorinstallation und den Vertrieb des Softwareprogramms „X“. In dem Vertrag wird dem Distributor das Recht eingeräumt, die Software vorbehaltlich der vertraglichen Einschränkungen auf vollständig assemblierte Computersysteme vorzuinstallieren und die vorinstallierte Software an Kunden zu vertreiben (§ 2 Abs. 1). Dem Distributor wird, soweit nicht im Vertrag gewährt, untersagt, die Software oder das OEM-Vorinstallations-Master-Kit bzw. Teile davon zu verwenden, auszuführen, zu vertreiben, zu kopieren, zu ändern, anzuzeigen, umzupacken oder neu zusammenzustellen (§ 2 Abs. 2). Der Distributor verpflichtet sich, bei einem Verkauf der Hardware die X Lizenzbedingungen verbindlich mit dem Endkunden zu vereinbaren (§ 4 Abs. 4). Nach einer weiteren Vertragsbestimmung ist der Distributor ohne ausdrückliche Autorisierung der Firma X nicht berechtigt, die Software oder Teile derselben als von einem vollständig assemblierten Computersystem separaten Artikel zu bewerben, einen gesonderten Preis für sie anzugeben oder sie anderweitig zu vermarkten oder zu vertreiben (§ 6).

Zwischen den Distributoren und den Endkunden (Softwarenutzern) wird jeweils ein Vertrag „XLizenzbedingungen“ geschlossen. Darin wird dem Softwarenutzer zusammen mit anderen Rechten in dem Vertrag die Installation und Verwendung einer Kopie der Software auf einem Gerät gestattet (§ 2 Abs. 1). Nach dem Vertrag ist die Software dauerhaft dem Gerät zugewiesen, mit dem die Software zusammen gekauft wird (§ 3 Abs. 1). Der Softwarenutzer darf eine Kopie der Software auf dem lizenzierten Gerät installieren und verwenden (§ 3 Abs. 2). Die Lizenzbedingungen räumen dem Nutzer das Recht zur Erstellung einer Sicherheitskopie entsprechend gesetzlicher Bestimmungen ein (§ 4). Ferner enthält der Vertrag Bestimmungen, wonach die Software lizenziert und nicht verkauft wird, und sie nur mit dem lizenzierten Gerät und den Lizenzbedingungen an Dritte übertragen werden darf (§§ 5, 6). Der Softwarenutzer darf in diesem Fall keine Kopien der Software zurück behalten (§ 6 S. 2).

Die Antragsgegnerin bietet auf ihrer Internetseite das Produkt „X“ zu einem Nettoverkaufspreis von 438,– EUR an. Die angebotene Software kauft die Antragsgegnerin zuvor von Endkunden der Distributoren der Antragstellerin. Diese bestätigen der Antragsgegnerin, die Software nunmehr vollständig von der Hardware gelöscht zu haben. Sie übergeben der Antragsgegnerin eine entsprechend der Lizenzbedingungen der Antragstellerin erstellte Sicherungskopie der Software. Die Sicherungskopie gibt die Antragsgegnerin beim Weiterverkauf der Software an ihre Abnehmer weiter. Der Weiterverkauf der Software durch die Antragsgegnerin erfolgt isoliert ohne die zu der Software gehörige Hardware.

Mit Schreiben vom 22.8.2008 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin ab und forderte sie erfolglos auf, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben.

Die Antragstellerin meint, sie räume ihren Abnehmern lediglich ein Lizenzrecht ein, die Software auf vollständig assemblierte Computersysteme vorzuinstallieren und die vorinstallierte Software an Kunden zu vertreiben. Ihre Zustimmung zur Übertragung der Software „X“ durch die Distributoren sei auf einen Vertrieb zusammen mit der Hardware beschränkt.

Die Antragstellerin hat beantragt,
es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250 000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Softwareprodukte des Programms „X“ anzubieten, zu vertreiben und/oder in Verkehr zu bringen, wenn diese sich nicht auf einem Hardwaregerät befinden, auf dem sie von einem X Distributor vorinstalliert wurden.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die Antragstellerin bringe die Software „X“ im Wege der Veräußerung in Verkehr. Eine Weiterveräußerung sei zulässig, da sich das urheberrechtliche Verbreitungsrecht der Antragstellerin an der Software erschöpft habe.

Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen. Es besteht kein Verfügungsanspruch der Antragstellerin. Der Antragstellerin steht ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 69c Nr. 3 S. 1 UrhG gegen die Antragsgegnerin nicht zu.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die von der Antragstellerin vertriebenen Computerprogramme nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a Abs. 1 und 3 UrhG Urheberrechtsschutz genießen. Der Antragstellerin stehen die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Software zu.

Die Antragsgegnerin hat jedoch dadurch, dass sie das fragliche Computerprogramm ohne Hardware anbietet, nicht in das der Antragstellerin zustehende Verbreitungsrecht (§§ 69c Nr. 3 S. 1, 17 Abs. 1 UrhG) eingegriffen. Das Verbreitungsrecht hat sich erschöpft, da die streitgegenständliche Software zuvor mit Zustimmung der Antragstellerin in Verkehr gebracht worden ist (§§ 69c Nr. 3 S. 2, 17 Abs. 2 UrhG).

Offen kann bleiben, ob bereits mit der Übergabe des XVorinstallations-Masterkits an die Distributoren der Antragstellerin urheberrechtliche Erschöpfung eintritt. Denn jedenfalls mit der Veräußerung der auf der Hardware vorinstallierten Software an die Endkunden bringen die Distributoren der Antragstellerin die Software in den Verkehr. Dass der der Veräußerung zugrundeliegende Vertrag zwischen den Distributoren und den Endkunden an verschiedenen Stellen nicht von einem Verkauf, sondern von einer Lizenzierung der Software spricht, ist schon vor dem Hintergrund einer uneinheitlichen Terminologie in dem Vertrag unerheblich. So ist in § 3 Abs. 1 der Lizenzbedingungen durchaus von einem Kauf der Software die Rede.

Für die Anwendung des § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG genügt, dass sich der Berechtigte der Verfügungsmöglichkeit über die Software endgültig begibt. Die Software X wird den Endkunden nicht lediglich auf Zeit zur Verfügung gestellt. Der Vertrag enthält keine Bestimmung dergestalt, dass der Nutzer die ihm überlassene Software zu einem bestimmten Zeitpunkt an die Antragstellerin zurückgeben oder vernichten muss. Nach dem eingeräumten Nutzungsumfang und der Nutzungstiefe ist der Vertrag damit zumindest kaufvertragsähnlich gestaltet. Gekauft wird die Software als Datenbestand einschließlich der Hardware, auf dem der Datenbestand gespeichert ist.

Die Veräußerung der Software erfolgt mit Zustimmung der Antragstellerin.

Dass die Software und die Hardware nach den zugrundeliegenden Verträgen von den Endkunden gleichzeitig gekauft werden und nur zusammen weiterveräußert werden dürfen, steht der Annahme der Zustimmung des Rechteinhabers zur erstmaligen Veräußerung der Software an die Endkunden nicht entgegen. Denn es ist nicht vorgetragen, dass die Distributoren bei dem Verkauf der Software an die Endkunden die ihnen im Vertrag auferlegten Beschränkungen überschreiten. Wird die Software auf der Grundlage des Vertrags der Distributoren mit der Antragstellerin und deshalb mit ihrer Zustimmung an die Endkunden veräußert, so können die Beschränkungen, die einen Weiterverkauf betreffen, die Zustimmung der Antragstellerin zur Erstveräußerung auch dann nicht rückwirkend entfallen lassen, wenn nachfolgende Verbreitungsakte möglicherweise nicht mit der ursprünglichen Begrenzung des Nutzungsrechts im Einklang stehen. Dies gilt selbst dann, wenn den Bestimmungen nach den zu § 69a Abs. 4 UrhG, §§ 17 Abs. 2 und 32 UrhG entwickelten Grundsätzen eine dingliche Wirkung zukommen sollte. Der mit dem Erschöpfungsgrundsatz eintretende urheberrechtliche Verbrauch des Verbreitungsrechts hängt allein davon ab, ob der Rechteinhaber dem ersten Inverkehrbringen durch Veräußerung zugestimmt hat (BGH NJW 2000, 3571, 3573 – OEM-Version).

Rechtsfolge der Erschöpfung ist die Zulässigkeit des Weitervertriebs der Software. Dabei sind die Kunden der Antragstellerin und die Antragsgegnerin nicht darauf festgelegt, den Computer oder die Festplatte, auf der die Software vorinstalliert ist, als solche weiterzuveräußern. Vielmehr kann die Antragsgegnerin zulässigerweise eine im Einklang mit den Lizenzbedingungen angefertigte Diskettenkopie der Software zur Weiterveräußerung anbieten, wenn die Kunden der Antragstellerin die Software auf ihrer Festplatte löschen.

Dies folgt direkt aus § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG. Für den Eintritt der Erschöpfungswirkung wird in der Vorschrift das Inverkehrbringen eines Vervielfältigungsstücks vorausgesetzt. Im Bereich des Softwarehandels meint der Begriff des Vervielfältigungsstücks grundsätzlich die Verkörperung der Software auf einem losen Speichermedium (Diskette, CD-Rom, DVD, Speicherkarte, USB-Stick u.ä.).

Für die Fälle, in denen der Rechteinhaber bewusst auf die Übergabe eines für sich genommen handelbaren Speichermediums verzichtet, sei es, dass der Kunde die Software aus dem Internet herunterladen muss, sei es, dass die Software lediglich vorinstalliert auf einer fest im Computer eingebauten Festplatte übergeben wird, ist der Begriff des Vervielfältigungsstücks unter Berücksichtigung der Zwecke des Erschöpfungsgrundsatzes erweiternd auszulegen. Anknüpfungspunkt kann in diesen Fällen nicht der praktisch nicht handelbare Datenträger der Erstverkörperung selbst, sondern nur der konkret erworbene Datenbestand sein (Nordemann/Vinck, UrhG, 9. Aufl., § 69c, Rn. 6; i.E. auch Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 69c, Rn. 24; Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhG, 2. Aufl., § 69c Rn. 36; Sosnitza, K & R 2006, 206, 210; Mäger, CR 1996, 522, 527).Dies bedeutet nicht, dass der Erschöpfungsgrundsatz auf eine reine Rechteübertragung ausgedehnt wird; die Erschöpfung tritt vielmehr hinsichtlich des tatsächlichen Datenbestands ein. Diesen Datenbestand erwirbt der Ersterwerber. Es kommt dem Erwerber in erster Linie auf die Nutzbarkeit des Datenbestands, nicht aber auf die gewählte Form der Verkörperung an. Mit der Zahlung des Kaufpreises für den Datenbestand lässt der Kunde die Antragstellerin an der Verbreitung eines Software-Exemplars hinreichend partizipieren.

Selbst wenn man den Begriff des Vervielfältigungsstücks eng auslegt und lediglich auf die Verkörperung der Software auf der Festplatte bezieht, ergibt sich nichts anderes. In bestimmten Fällen kann nämlich das durch die Veräußerung eintretende Erlöschen des Verbreitungsrechts auch eine für die Weiterverbreitung wirtschaftlich erforderliche Vervielfältigungshandlung erfassen (BGH GRUR 2001, 51, 53 – Parfumflakon).

Für eine wirtschaftliche Erforderlichkeit genügt es, dass ohne die Vervielfältigungshandlung der Weitervertrieb praktisch nicht gelingt bzw. der Wiederverkauf erheblich erschwert ist (BGH a.a.O.). Die Weiterveräußerung eines lediglich auf Festplatte vorinstalliert übergebenen Software-Programms durch Weiterveräußerung des Computers oder der Festplatte ist nicht praktikabel (Sosnitza K & R 2006, 206, 210). Eine Festplatte kann nicht ohne Eingriff in das Computergehäuse von einem Computer abgetrennt und in einem neuen Computer installiert werden. Auch haben Festplatten ein Speichervolumen, das üblicherweise weit über das zur Speicherung und Ausführung des Programms Notwendige hinausgeht. Für einen Weiterverkauf lediglich der installierten Software wäre der Nutzer daher gezwungen, seinen gesamten sonstigen Datenbestand von der Festplatte zu löschen oder umständlich auf eine neue Festplatte zu transferieren. Dies gilt auch, sofern nicht nur die Festplatte, sondern der gesamte Computer weiterveräußert wird; hier tritt zudem das fehlende Interesse von lediglich an der Software interessierten Kunden, gleichzeitig gebrauchte Hardware zu erwerben, hinzu. Ein Wiederverkaufsmarkt für auf Festplatte vorinstallierte Software besteht vor diesem Hintergrund nicht.

Ist damit der Weitervertrieb erheblich erschwert und ist die Vervielfältigung wirtschaftlich erforderlich, so verlangt es die mit dem Erschöpfungsgrundsatz bezweckte Erhaltung der Verkehrsfähigkeit der Software, dass anstelle der Hardwareverkörperung der Software auch die als zulässige Vervielfältigung im Urheberrechtssinne zu betrachtende Diskettenkopie weiterveräußert werden darf. Ansonsten wäre die Vorschrift des § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG in derartigen Fällen praktisch ohne Anwendungsbereich.

Eine demgegenüber einzuwendende Gefahr, dass der Endkunde der Antragstellerin die Software unter Verstoß gegen das Verbreitungsrecht mehrfach verbreitet, besteht nicht. Denn der Antragsgegnerin liegen jeweils Erklärungen vor, dass die Kunden der Antragstellerin die Software auf ihrer Festplatte gelöscht haben. Insofern unterscheidet der Fall sich nicht von jenen, in denen ein Weiterveräußerer eine ihm auf Diskette übergebene Lieferkopie der Software weiterveräußert, hinsichtlich derer ihm das Recht zur Installation und Nutzung auf dem Computer eingeräumt war. Auch in diesen Fällen wird es als notwendig und ausreichend erachtet, dass der Veräußerer mit der Weitergabe die von ihm auf Festplatte installierte Kopie löscht (vgl. Harte-Bavendamm/Kilian/Heussen, Computerrechts-Handbuch, 26. Ergänzungslieferung, Rn. 67).

Eine Vervielfachung des Nutzungsrechts an der Software zugunsten anderer Programmnutzer unter Umgehung der Verwertungsinteressen der Antragstellerin tritt nicht ein. ..."




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