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Landgericht Berlin Urteil vom 31.05.2007 - 27 S 2/07 - Zur Prüfungspflicht des Betreibers einer Meinungsplattform und zur freien Meinungsäußerung bei der Bewertung von Hochschullehrern im Internet

LG Berlin v. 31.05.2007: Zur Prüfungspflicht des Betreibers einer Meinungsplattform und zur freien Meinungsäußerung bei der Bewertung von Hochschullehrern im Internet


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 31.05.2007 - 27 S 2/07) hat entschieden:

  1.  Die Haftung des Betreibers einer Meinungsplattform im Internet als Störer setzt die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Die Beurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten war oder ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind. Die Annahme einer Pflicht zur inhaltlichen Überprüfung aller eingestellten Beiträge scheidet für den Betreiber eines Onlineportals aus, sie wäre wegen der Fülle der Beiträge praktisch nicht durchführbar.

  2.  Die öffentliche Äußerung von Studenten auf der Plattform meinprof.de über einen Professor - dieser sei ein "Psychopath" und "das Letzte" sind von diesem im Rahmen der Freiheit der Meinungsäußerung hinzunehmen.




Siehe auch
Bewertung im Internet
und
Stichwörter zum Thema Störer- und Betreiberhaftung>


Zum Sachverhalt:


Es ging um die Bewertung eines Professors durch Studenten auf der Meinungsplattform meinprof.de. Der Hochschullehrer war dort als "Psychopath" und als "das Letzte" bezeichnet worden. Die Klage des Hochschullehrers gegen den Betreiber der Plattform blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:


"Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, mithin zulässig.

In der Sache hat sie Erfolg.




Die Klage ist, soweit der Kläger - über die konkret beanstandeten Äußerungen hinaus - Unterlassung von Beleidigungen in Form unzulässiger Schmähkritiken begehrt, mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig.

Im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - so deutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (BGH NJW 2005, 2550, 2551; NJW 2003, 3046, 3047; WRP 1992, 560, 561).

Zwar muss sich der Kläger bei der Formulierung des Verbotsantrages nicht auf eine konkrete Verletzungsform beschränken. Bei der Formulierung eines Unterlassungsantrages sind im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, weil eine Verletzungshandlung die Vermutung der Begehungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH NJW 2000, 2195, 2196), wobei auch in der verallgemeinerten Form des Antrages das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommen muss (BGH WRP 2000, 1258, 1260).

Auslegungsbedürftige Begriffe im Antrag und in der Urteilsformel sind nicht generell unzulässig sind (BGH NJW 2000, 2195, 2196). Der Gebrauch solcher Begriffe kann hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig und sogar geboten sein (BGH WRP 1998, 42, 46). Zur Konkretisierung eines begehrten Verbotes kann eine Auslegung des Antragsinhalts unter Heranziehung des Sachvortrages des Klägers erfolgen (BGH NJW 1995, 3187, 3188). Vorliegend umschreibt der Antrag das begehrte Verbot jedoch derart abstrakt wie ein Unterlassungsantrag, der sich auf die bloße Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestandes beschränkt (BGH NJW 2000, 1792, 1793; NJW 1995, 3187, 3188). Die verbotene Handlung wird unter Zuhilfenahme von dem Wortlaut eines Gesetzes vergleichbaren, abstrakten Tatbestandsmerkmalen beschrieben, ohne dass sie - über die beanstandeten Äußerungen hinaus - konkretisiert wird. Welche weiteren Verletzungsformen - jenen unmittelbar vergleichbar - das für die konkrete Verletzungsform Charakteristische enthalten (BGH WRP 1998, 42, 46; NJW 1991, 1114, 1115), vermag die Kammer mangels jeglichen Sachvortrags nicht zu erkennen.



Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bezüglich der konkret beanstandeten Äußerungen gegen die Beklagte nicht aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, Art 1, Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.

Abgesehen davon, dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen um zulässige Meinungsäußerungen handeln dürfte, die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschreiten (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 686, 688), ist die Beklagte hier nicht passivlegitimiert.

Spezialgesetzliche Vorschriften des TDG oder MDStV, nach denen die Verantwortlichkeit der Beklagten als Betreiberin der Meinungsplattform ". … de" in der beanstandeten Art und Weise zu beurteilen wäre, bestehen nach der geltenden Rechtslage nicht. Die Störerhaftung der Beklagten für die Ermöglichung des Zugriffs auf rechtswidrige fremde Informationen ist vorliegend nach den allgemeinen Grundsätzen zu verneinen.

Im Presserecht kann jeder Verbreiter als Störer in Anspruch genommen werden (Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 35). Verbreiter ist jeder, der - wie hier - an der Verbreitung einer Behauptung mitwirkt (BGH NJW 1986, 2503 [2504] - Ostkontakte).

Von Dritten, die eine rechtswidrige Beeinträchtigung lediglich objektiv durch ihr Handeln unterstützen, darf durch eine Störerhaftung nichts Unzumutbares verlangt werden. Die Haftung als Störer setzt daher die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Die Beurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten war oder ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind. Eine solche Prüfpflicht hat die Beklagte als Betreiberin einer Meinungsplattform vorliegend nicht verletzt. Die Annahme einer Pflicht zur inhaltlichen Überprüfung aller eingestellten Beiträge scheidet für den Betreiber eines Onlineportals aus, sie wäre wegen der Fülle der Beiträge praktisch nicht durchführbar (so Kammergericht, Beschluss vom 7.12.2006 - 10 W 106/06; BGH NJW 2004, 3102). Allein der Umstand, dass sich die Beklagte in ihren Nutzungsbedingungen die Löschung rechtswidriger Äußerungen vorbehalten hat, führt entgegen der Ansicht des Klägers vorliegend nicht zu einer generellen Prüfpflicht.

Eine Prüfpflicht ist nur zumutbar, wenn der Betroffene im Wege einer Abmahnung in Bezug auf bestimmte vermittelte Inhalte konkrete Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend macht. In einem solchen Fall braucht der Betreiber keine umfangreichen Nachforschungen unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen. Ihm wird lediglich zugemutet nachzuprüfen, ob der angemahnte Beitrag aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtmäßig anzusehen ist.



Gegen diese Prüfungspflicht hat die Beklagte - anders als der Betreiber im der BGH-Entscheidung a.a.O. zugrunde liegenden Fall - nicht verstoßen.

Nachdem sie von den rechtswidrigen Beiträgen durch Hinweis des Klägers Kenntnis erhalten hat, hat sie jene unverzüglich aus dem Forum entfernt.

Auf einen Verstoß gegen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes kann der Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht stützen. Zwar stellt jede durch das Bundesdatenschutzgesetz nicht gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BGH NJW 1984, 436). Soweit in den konkret angegriffenen Äußerungen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegen sollte, ist der Beklagte aber - wie ausgeführt - schon nicht Störer. Die Veröffentlichung personenbezogener Daten des Klägers an sich - wie Titel, Name, Tätigkeitsbereich - ist nicht Gegenstand des Unterlassungsantrages. Unabhängig davon liegt insoweit ein Verstoß gegen § 41 BDSG auch gar nicht vor, da diese Angaben, weil aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG privilegiert sind. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten zuletzt im Schriftsatz vom 15. Mai 2007 verwiesen. ..."

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