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BGH Beschluss vom 17.10.2013 - I ZR 51/12 - Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH - Markenrechtspiraterie und Bankauskunft

BGH v. 17.10.2013: Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH - Markenrechtspiraterie und Bankauskunft - Davidoff Hot Water I


Der BGH (Beschluss vom 17.10.2013 - I ZR 51/12) hat entschieden:

   Ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Bankinstitut in einem Fall wie dem Ausgangsverfahren gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern?




Siehe auch Markenrecht und Markenwaren - Vertrieb über das Internet, insbesondere über eBay oder andere Auktionsplattformen oder Discounter


Gründe:


I.

Die Klägerin produziert und vertreibt internationale Parfums. Sie ist exklusive Lizenznehmerin der für Parfumeriewaren eingetragenen Gemeinschaftsmarke Nr. 0968661 "Davidoff Hot Water". Sie ist zur Verteidigung der Markenrechte im eigenen Namen berechtigt.

Im Januar 2011 bot ein Verkäufer unter der Bezeichnung "s. " auf einer Internetauktionsplattform das Parfum "Davidoff Hot Water" an. Die Zahlung des Kaufpreises sollte auf ein bei der Beklagten, der Stadtsparkasse in Magdeburg, geführtes Konto erfolgen. Die Klägerin ersteigerte das Parfum, zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto bei der Beklagten und erhielt das Parfum unter dem Absender "H.  " zugesandt. Das Parfum war eine auch für einen Laien erkennbare Fälschung. Der Betreiber der Internetplattform gab als Verkäufer S.  F., in ... an. Eine Umsatzanalyse ergab, dass der mit "s. " bezeichnete Verkäufer in der Zeit vom 12. Dezember 2010 bis 14. Januar 2011 einen Umsatz von 10.956,63 € auf der Internetplattform erzielt hatte.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe von S.  F.   die Auskunft erhalten, nicht Verkäuferin des Parfums zu sein und wegen eines bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts keine weiteren Informationen zu erteilen. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, Namen und Anschrift des Kontoinhabers anzugeben.

Die Klägerin hat beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos Nummer ... .

Das Landgericht hat die beklagte Sparkasse antragsgemäß zur Auskunft verurteilt (LG Magdeburg, Zeitschrift für Datenschutz 2012, 39). Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG Naumburg, GRUR-​RR 2012, 388).

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Auskunftsbegehren weiter.

Die Beklagte beantragt,

   die Revision zurückzuweisen.






II.

Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 195 vom 2. Juni 2004, S. 16) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

1. Das Berufungsgericht hat den Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Das in Rede stehende Parfum, das über die Internetplattform verkauft worden sei, sei eine offensichtliche Produktfälschung. Das sei für die Beklagte nach dem Hinweis der Klägerin auch erkennbar gewesen. Der unter "F.  " und "H.  " handelnde unbekannte Täter habe den Verkauf im geschäftlichen Verkehr vorgenommen.

Für die rechtsverletzende Tätigkeit sei die Dienstleistung der Beklagten genutzt worden, die in der Führung des Girokontos bestanden habe. Diese Dienstleistung habe die Beklagte in gewerblichem Ausmaß erbracht.

Die Beklagte könne die Auskunft jedoch nach § 19 Abs. 2 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweigern, weil sie als Bankinstitut in einem Zivilprozess zur Zeugnisverweigerung berechtigt wäre. Gegenteiliges folge auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung dieser Vorschriften anhand der Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums.

2. Die Revision der Klägerin führt zur sachlichen Nachprüfung des Berufungsurteils. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn - wie die Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat - das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts als unzulässig hätte verwerfen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rn. 7). Da das Landgericht die Berufung nicht zugelassen hat (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), wäre dies der Fall, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht davon aus, dass die beklagte Sparkasse durch das Urteil des Landgerichts mit einem 600 € übersteigenden Wert beschwert ist.



3. Der Senat möchte die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs der Klägerin nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG bejahen.

a) Die durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchführung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. I S. 1191) mit Wirkung vom 1. September 2008 in das Markengesetz eingefügte Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 setzt die in Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG geregelte Auskunftspflicht für den Bereich der Markenverletzungen um. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ist nach Art. 102 Abs. 2 GMV in Verbindung mit § 125b Nr. 2 MarkenG auf eine Gemeinschaftsmarke anwendbar. Nach der Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG hat der Markeninhaber in einem Fall offensichtlicher Rechtsverletzung einen Auskunftsanspruch gegen einen Dritten, der im gewerblichen Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, es sei denn, der Dritte wäre nach den §§ 383 bis 385 ZPO im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

b) Der Senat geht davon aus, dass ein Fall einer offensichtlichen Rechtsverletzung vorliegt und die Beklagte eine für diese rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht hat.

aa) Der Verkäufer des in Rede stehenden Parfums hat ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV). Im Hinblick auf den Umsatz von mehr als 10.000 €, den der Verkäufer innerhalb eines Zeitraums von ungefähr einem Monat auf der Internetplattform erzielt hat, ist davon auszugehen, dass der beanstandete Verkauf, der in den maßgeblichen Zeitraum fällt, im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist. Es handelt sich um eine offensichtliche Rechtsverletzung, weil die Fälschung auch für einen Laien ohne weiteres erkennbar war.

bb) Die Führung des Girokontos, die die beklagte Bank in gewerblichem Ausmaß vornimmt, ist für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzt worden. Davon ist auszugehen, wenn der Verletzer sich im Rahmen der Markenverletzung des dienstleistenden Unternehmens bedient. Hierzu kann auch die Tätigkeit einer Bank zählen, die den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit dem Kaufpreis für das rechtsverletzende Produkt abwickelt (vgl. OLG Stuttgart, GRUR-​RR 2012, 73; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 19 Rn. 20). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Tätigkeit der beklagten Sparkasse im Zusammenhang mit der Markenverletzung steht und ihr nicht nur nachgeschaltet ist, also etwa erst nach Beendigung der Markenverletzung erfolgt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Verkäufer das gefälschte Parfum erst an die Klägerin gesandt und damit in Verkehr gebracht, nachdem der Kaufpreis auf dem von der Beklagten geführten Konto eingegangen war.




cc) Die Klägerin ist von der Markeninhaberin auch ermächtigt, die Rechte aus der Gemeinschaftsmarke im eigenen Namen geltend zu machen und Leistung an sich zu beanspruchen.

dd) Liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG vor, kann die Klägerin nach § 19 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG Auskunft über Namen und Anschrift des Lieferanten des fraglichen Parfums verlangen.

4. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt danach davon ab, ob der Beklagten ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit §§ 383 bis 385 ZPO zusteht. In Betracht kommt im Streitfall ausschließlich ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Nach dieser Bestimmung sind Personen, denen Kraft ihres Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, im Hinblick auf diese Tatsachen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Es erscheint aber nicht hinreichend geklärt, ob ein Bankinstitut, das nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG auf Auskunft in Anspruch genommen wird, unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Angabe von Namen und Anschrift des Inhabers eines Kontos verweigern darf, über das die Zahlung des Kaufpreises für eine markenrechtsverletzende Ware abgewickelt worden ist.

a) Die in Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/48/EG vorgesehene Auskunftspflicht, deren Umsetzung § 19 Abs. 2 und 3 MarkenG dient, wird durch Art. 8 Abs. 3 Buchst. d und e der Richtlinie eingeschränkt. Danach ist die Auskunftspflicht nur unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften vorgesehen, die die Verweigerung von Auskünften zulassen, mit denen die in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie genannte Person gezwungen würde, ihre Beteiligung oder die Beteiligung enger Verwandter an einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zuzugeben (Art. 8 Abs. 3 Buchst. d), oder die den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen oder die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln (Art. 8 Abs. 3 Buchst. e). Nach Erwägungsgrund 10 der Richtlinie sollen die Rechtsvorschriften zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten. Das nationale Recht ist deshalb im Einklang mit der Richtlinie auszulegen. Eine Einschränkung des in Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG vorgesehenen Auskunftsanspruchs durch ein im nationalen Recht vorgesehenes Zeugnisverweigerungsrecht muss daher in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht stehen.

b) Zu den Vorschriften im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG, die den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen oder die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand haben, könnte auch das Bankgeheimnis zu zählen sein. Zwar ist das Bankgeheimnis in Deutschland nicht unmittelbar in einer gesetzlichen Vorschrift verankert, sondern wird im deutschen Recht aus der allgemeinen Pflicht der Bank hergeleitet, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 - XI ZR 195/05, NJW 2007, 2106 Rn. 17). Der Schutz des Bankgeheimnisses ergibt sich aber mittelbar aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, der ein Zeugnisverweigerungsrecht für die dem Bankgeheimnis unterfallenden Tatsachen begründet (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1953 - I ZR 156/52, BB 1953, 993; OLG Köln, MDR 1968, 931; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 383 Rn. 14; MünchKomm./Damrau, ZPO, 4. Aufl., § 383 Rn. 39; Musielak/Huber, ZPO, 10. Aufl., § 383 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 3. Aufl., § 383 Rn. 74; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 383 Rn. 20; Stephan, WM 2009, 241, 243). Hierzu rechnen grundsätzlich Tatsachen, die einem Kreditinstitut aufgrund oder aus Anlass der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 35; BGH, NJW 2007, 2106 Rn. 17). Zu diesen der Bank anvertrauten Tatsachen, die unter das Bankgeheimnis fallen und Mitarbeiter einer Bank zur Zeugnisverweigerung nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berechtigen, gehören regelmäßig auch Name und Anschrift des Kontoinhabers. Die Beklagte könnte daher die Auskunft nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweigern, wenn die Vorschrift des Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen ist, dass mit ihr eine nationale Bestimmung in Einklang steht, die einem Bankinstitut gestattet, die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Umständen zu verweigern, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen.

Das könnte der Fall sein, wenn die in Rede stehende nationale Bestimmung (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) die Vertraulichkeit von Informationsquellen im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG regelt. Zu den Informationsquellen der Bank könnte auch deren Kontoinhaber zu zählen sein, der bei der Eröffnung des Kontos seinen Namen und seine Anschrift angeben muss. Die Vorschrift des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, die auch das Bankgeheimnis schützt, könnte aber auch zu den gesetzlichen Bestimmungen im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG gehören, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln. Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. Nr. L 281 vom 23. November 1995, S. 31) sind personenbezogene Daten alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person. Nach Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie zählt zur Verarbeitung personenbezogener Daten auch deren Weitergabe durch Übermittlung. Danach könnte die Vorschrift des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu den gesetzlichen Bestimmungen im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG zu zählen sein und ein Bankinstitut zur Verweigerung einer Auskunft im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie berechtigen.



c) Gegen dieses Ergebnis könnte allerdings sprechen, dass die Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Binnenmarkts sind (Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2004/48/EG) und eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs ein gezieltes Vorgehen zum Schutz des geistigen Eigentums auf Unionsebene, dem die Richtlinie 2004/48/EG nach ihrem Erwägungsgrund 9 dient, verhindert.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG darauf achten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Unionsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen; dieses Gleichgewicht haben auch die Gerichte und Behörden bei der Auslegung der Richtlinienbestimmungen zu beachten (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - C-​275/06, Slg. 2008, I-​271 = GRUR 2008, 241 Rn. 68 - Promusicae; Beschluss vom 19. Februar 2009 - C-​557/07, Slg. 2009, I-​1227 = GRUR 2009, 579 Rn. 29 - LSG-​Gesellschaft; Urteil vom 19. April 2012 - C-​461/10, GRUR 2012, 703 Rn. 56 - Bonnier Audio). Betroffen sind im Streitfall auf Seiten der Klägerin die Grundrechte aus Art. 17 auf Schutz des Eigentums und aus Art. 47 auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf Seiten der Beklagten und ihres Kunden die durch Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützten Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und des Schutzes personenbezogener Daten (vgl. EuGH, GRUR 2008, 241 Rn. 62 bis 65 - Promusicae).

d) Aus Sicht des Senats überwiegen vorliegend die Interessen der Klägerin am Schutz ihres geistigen Eigentums und an einem effektiven Rechtsbehelf bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche wegen des Vertriebs markenrechtsverletzender Ware die Interessen der Beklagten und ihres Kunden am Schutz der in Rede stehenden Kontostammdaten. Die Offenbarung von Namen und Anschrift des Inhabers eines Kontos, das im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums benutzt und dessen Nummer anlässlich der Verwendung dem Kläger schon bekannt geworden ist, wiegt aus Sicht des Senats nicht besonders schwer. Der Senat neigt daher dazu, in einem Fall wie dem vorliegenden eine nationale Vorschrift wie § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Hinblick auf Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG die Angabe von Namen und Anschrift eines Kontoinhabers nicht verweigern darf.

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