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Landgericht Rostock Urteil vom 12.11.2010 - 3 O 221/10 - Irreführende Werbung für Milch mit Testurteil

LG Rostock v. 12.11.2010: Irreführende Werbung für Milch mit „Testurteil sehr gut“ der Stiftung Warentest


Das Landgericht Rostock (Urteil vom 12.11.2010 - 3 O 221/10) hat entschieden:

   Werden Lebensmittel mit einem Testurteil der Stiftung Warentest beworben, obwohl sie nicht getestet wurden, so ist dies nur zulässig, wenn die beworbenen Lebensmittel derselben Charge angehören wie die getesteten. Es handelt sich jedoch um irreführende Werbung, wenn im Jahr 2010 gemolkene Milch mit einem Testurteil beworben wird, das sich auf Milch aus dem Jahr 2003/2004 bezieht.



Siehe auch Werbung mit Testergebnissen und Prüfsiegeln und Lebensmittel - Genussmittel


Tatbestand:


Der Kläger macht gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Die Beklagte ist Herstellerin von Milchprodukten, die unter der Marke "H." in den Verkehr gebracht werden. Verfahrensgegenständlich sind die Produkte "H. fettarme Milch länger haltbar" und "H. Vollmilch länger haltbar". Hierfür warb die Beklagte mit dem auf der Produktverpackung angebrachten Logo der Stiftung Warentest und dem Qualitätsurteil "SEHR GUT" unter Hinweis auf test 1/2004 (vgl. Bl. 3 d.A.).

Die Stiftung Warentest hatte in ihrer Zeitschrift test 1/2004 auf den Seiten 25-28 einen vergleichenden Warentest für hocherhitzte Milch veröffentlicht. In den untersuchten Kategorien Vollmilch und fettarme Milch wurden die Produkte der Beklagten mit "SEHR GUT" bewertet (vgl.Testbericht Anlage K2, Bl. 19 d.A.). In der Testtabelle wurde unter der Zwischenüberschrift "Zusammensetzung" unter anderem eine Zeile "Mindesthaltbarkeitsdatum" ausgewiesen. Dieser Begriff wurde mit einer hochgestellten Ziffer 5 erläutert: "Bezieht sich auf die untersuchte Charge. Angabe lt. Anbieter.".

Der Kläger mahnte einen G. Frischemarkt, der die beworbenen Produkte verkaufte, mit Schreiben vom 28.01.2010 unter Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung ab mit der Rüge, es sei ein Qualitätsurteil der Stiftung Warentest auf ein nicht getestetes Produkt übertragen worden, denn Gegenstand des Tests sei mit "erhitzt" gekennzeichnete Milch gewesen, während die Milch nach neuer Rechtslage nunmehr "pasteurisiert" genannt werde (Anlage K4, Bl. 29 d.A.). Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese und für den G. Frischemarkt mit Schriftsatz vom 10.02.2010 mit, dass die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben werde (Anlage K5, Bl. 34 d.A.). Mit Schreiben vom 17.02.2010 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten machte der Kläger ergänzend geltend, dass die beanstandete Werbung auch deshalb unzulässig sei, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht aufgeführt sei, und forderte unter Fristsetzung erneut eine Unterlassungserklärung an (Anlage K6, Bl. 36 d.A.).

Die Parteien streiten darum, ob die Produktwerbung der Beklagten wegen der fehlenden Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums unzulässig ist.

Den ursprünglichen Unterlassungsklageantrag zu 1., für dessen Fassung auf die Klageschrift verwiesen wird, haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt weiterhin,

   die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200,00 € nebst Zinsen seit Klageerhebung n Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG steht dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu. Die Abmahnung des Klägers vom 28.01.2010 richtete sich an den G. Frischemarkt und nicht an die Beklagte. Der Kläger kann die Abmahnkosten auch nicht deshalb von der Beklagten verlangen, weil diese sich mit Schreiben vom 10.02.2010 zu der gegenüber dem G. Frischemarkt ausgesprochenen Abmahnung erklärt hat. Schließlich kann in dem Schreiben des Klägers vom 17.02.2010 keine gegenüber der Beklagten ausgesprochene Abmahnung gesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, sind der Beklagten die Kosten auferlegt worden, weil sie bei Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes bei streitiger Fortführung des Verfahrens unterlegen wäre.

Die beanstandete Produktwerbung stellte einen Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG dar. Bei Lebensmitteln darf nur dann dasselbe Testurteil auch für nicht getestete Produkte verwenden werden, wenn sie zu einer Charge gehören. Eine Charge umfasst Lebensmittel, die unter praktisch gleichen Bedingungen erzeugt, hergestellt und verpackt wurden. Nach den Angaben im Testbericht 1/2004 waren die Produkte der Beklagten mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 28.08.2003 versehen worden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum bezog sich nach der erläuternden Hochziffer 5 auf die untersuchte Charge. In dem Testbericht ist auf Seite 27 weiterhin ausgeführt, dass die Prüfmuster im August/September 2003 eingekauft worden sind und sich alle Ergebnisse und Bewertungen auf Proben mit dem angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatum beziehen. Es ist kaum anzunehmen, dass die im Jahre 2010 gemolkene und verarbeitete Milch unter praktisch gleichen Bedingungen erzeugt und hergestellt worden ist, wie diejenige, die von der Stiftung Warentest untersucht worden ist. Bei Milch, die aus unterschiedlichen Produktionsjahren (im vorliegenden Fall mit einem Abstand von sechs Jahren) stammt, handelt es sich dementsprechend nicht um identische Produkte. Mit einem Testurteil darf aber nur das tatsächlich getestete Produkt beworben werden.



Ob mit irreführenden Angaben geworben wird, bestimmt sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Die Untersuchungsergebnisse der Stiftung Warentest haben einen hohen Bekanntheitsgrad. Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Werbung mit einem Testergebnis dahin, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Test der Stiftung Warentest um einen von ihr durchgeführten üblichen Produkttest gehandelt habe. Die Anbringung des Logos der Stiftung Warentest auf der Produktverpackung mit der gleichzeitigen Angabe des Testergebnisses "Sehr gut" ist zweifelsfrei dazu geeignet, die Verbraucher auf das Produkt nicht nur aufmerksam zu machen, sondern darüber hinaus das beworbene Produkt als das getestete Produkt herauszustellen. Der ebenfalls vorhandene, aber in kleinerer Schrift ausgeführte Aufdruck "1/2004" bezieht sich nicht auf das Produkt, sondern die Durchführung der Untersuchungen der Stiftung Warentest. Dass das Testergebnis an einem Produkt mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 28.08.2003 ermittelt worden ist, wird dem Verbraucher daraus nicht deutlich. Die Produkte der Marke H. haben wegen ihres Bekanntheitsgrades einen hohen Wiedererkennungseffekt. Springt dem Verkäufer bei einem Kauf solcher Produkte das Logo der Stiftung Warentest ins Auge, geht der Durchschnittsverbraucher nicht davon aus, dass es sich bei dem mit dem Testergebnis beworbenen Produkt nicht um das getestete Produkt handelt. Es liegt nahe, dass sich der Verbraucher auf das Qualitätsurteil verlässt und zu dem beworbenen Produkt greift, ohne sich näher mit den Einzelheiten der Produktverpackung oder mit dem ausführlichen Testbericht zu befassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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