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OLG Koblenz Urteil vom 27.03.2013 - 9 U 1097/12 - Irreführende Werbung für ein Blutdruckmessgerät mit dem Hinweis auf ein Prüfsiegel

OLG Koblenz v. 27.03.2013: Irreführende Werbung für ein Blutdruckmessgerät mit dem Hinweis auf ein Prüfsiegel


Das OLG Koblenz (Urteil vom 27.03.2013 - 9 U 1097/12) hat entschieden:
Werden an einem technischen Gerät (hier: Blutdruckmessgerät) technische Veränderungen vorgenommen, stellt es eine Irreführung dar, wenn für die Geräte mit dem Hinweis auf eine Identitätsbescheinigung mit einem Prüfsiegel geworben wird, das nur für das nicht baugleiche Vorgängermodell erteilt wurde, während für die technisch veränderte Ausführung des beworbenen Geräts ein Zertifizierungsverfahren nicht durchgeführt, ein Prüfsiegel nicht erteilt und der Verwendung hierfür sogar ausdrücklich widersprochen wurde.




Siehe auch Werbung mit Testergebnissen und Prüfsiegeln und Rechtsprechung zu einzelnen Geräten und/oder Behandlungsformen in der Kosmetik und in der Medizin


Gründe:

I.

Von der Abfassung des Tatbestands wird nach §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.


II.

Die zulässige Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen den erstinstanzlich zuerkannten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 wendet, ist unbegründet. Die Abwandlung des Urteilstenors trägt der im Berufungsverfahren geänderten Antragstellung Rechnung. Zudem ist hinsichtlich der Gerätebezeichnung von Amts wegen die Berichtigung eines Schreibfehlers erfolgt.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Koblenz die als wettbewerbswidrig beanstandete Werbung der Beklagten für die beiden Blutdruckmessgeräte ...[A2] Professionell und ...[A2] Basis Plus mit dem Prüfsiegel der Deutschen Hochdruck-Liga als irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG bewertet, die nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig ist. Überdies ist hierdurch auch der Tatbestand der Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfüllt, da die Beklagte das Prüfsiegel für die beiden benannten Geräte ohne die erforderliche Genehmigung der Deutschen Hochdruck-Liga verwendet hat.

Die Auffassung der Beklagten, wonach die funktionelle Zuständigkeit des erkennenden Senats nicht gegeben sei, weil der markenrechtliche Individualschutz das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot verdränge, geht für die hier zu beurteilende Fallkonstellation fehl. Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ist der Wahrheitsgehalt der Werbeaussage auf rein tatsächlicher Ebene im Hinblick auf eine mögliche Irreführung des Verbrauchers. Gegenstand des Verfahrens ist somit nicht die das Markenrecht tangierende Fragestellung, ob die Beklagte gegenüber der Deutschen Hochdruck-Liga aufgrund der Satzung oder aufgrund von etwaig getroffenen individualrechtlichen Vereinbarungen berechtigt ist, das Prüfsiegel für die Modelle ...[A2] Professionell und ...[A2] Basis Plus zu verwenden, weil ihr im Jahr 2006 für die Modelle mit der Bezeichnung BP W 100 und BP A 100 plus ein Prüfsiegel erteilt worden ist. Hier kommt es vielmehr darauf an, ob die beanstandete Werbung unzulässig ist, weil sie unwahre und zur Täuschung der angesprochenen Verbraucherkreise geeignete Angaben enthält oder weil sie aus sonstigen Gründen als unlautere geschäftliche Handlung zu bewerten ist. Der Rechtsstreit ist damit unter dem typisch wettbewerbsrechtlichen Aspekt der Irreführung zu beurteilen und unterfällt dem Zuständigkeitsbereich des Senats.

Die beanstandete Werbung stellt sich als unlautere geschäftliche Handlung der Beklagten dar, die gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig ist.

Zum einen erfüllt sie einen Regeltatbestand der in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG übernommenen Schwarzen Liste. Durch Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG wird die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätszeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung untersagt. Hierunter sind unternehmens- oder produktbezogene Auszeichnungen zu verstehen, die aufgrund einer objektiven Prüfung vergeben werden und die im Verkehr als Hinweis auf eine besondere Güte oder Qualität verstanden werden (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh zu § 3 III Rn. 2.2). Das von der Deutschen Hochdruck-Liga nach Durchführung eines standardisierten Zertifizierungsverfahren erteilte Prüfsiegel unterfällt dem Anwendungsbereich der Vorschrift. Da die Deutsche Hochdruck-Liga das Prüfsiegel für die beworbenen Modelle nicht erteilt und der Verwendung durch die Beklagte hierfür sogar ausdrücklich widersprochen hat, ist der Regeltatbestand gemäß Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfüllt.

Zudem enthält die beanstandete Werbung der Beklagten unwahre und zur Täuschung geeignete Angaben im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Entgegen der Anpreisung der Beklagten in der beanstandeten Werbung sind die beiden Blutdruckmessgeräte ...[A2] Professionell und ...[A2] Basis Plus tatsächlich nicht Gegenstand eines Zertifizierungsverfahrens bei der Deutschen Hochdruck-Liga gewesen, mithin von ihr nicht geprüft und empfohlen worden. Desweiteren hat die Deutsche Hochdruck-Liga für diese Geräte auch nicht das "anspruchsvolle Gütesiegel" erteilt, wie von der Beklagten beworben, sondern im Gegenteil der Verwendung des Prüfsiegels für die genannten Modelle ausdrücklich widersprochen. Der angesprochene Verbraucherkreis geht aufgrund der Werbeaussage aber davon aus, dass baugleiche Modelle aus derselben Serienproduktion wie die beworbenen Geräte das Zertifizierungsverfahrens der Deutschen Hochdruck-Liga erfolgreich durchlaufen haben und mit dem Prüfsiegel ausgezeichnet worden sind. Da dies nicht den Tatsachen entspricht, ist die Werbeaussage der Beklagten unwahr und als Irreführung des Verbrauchers zu bewerten.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass im Jahr 2006 für die Blutdruckmessgeräte mit der Bezeichnung BP W 100 und BP A 100 ein Zertifizierungsverfahren bei der Deutschen Hochdruck-Liga erfolgreich mit Erteilung des Prüfsiegels abgeschlossen worden ist, vermag hierdurch der Vorwurf der Irreführung durch unwahre Werbeaussagen nicht ausgeräumt zu werden. Die beworbenen Blutdruckmessgeräte sind nämlich mit den vorgenannten Modellen nicht baugleich. Die Beklagte hat zwar sogenannte "Identitätsbescheinigungen" vorgelegt, gleichzeitig aber eingeräumt, dass sie m Jahr 2007 an den zuvor zertifizierten Modellen technische Veränderungen vorgenommen hat. Die nun beworbenen Modelle seien mit zusätzlichen Funktionen versehen worden, nämlich das Gerät Professional mit „zwei users, Memory, Clock, USB“ und das Gerät Basis plus mit „zwei users, Memory“. Nach den weiteren Ausführungen der Beklagten sollen die vorgenommenen technischen Änderungen lediglich die Erhöhung der Speicherkapazität und die Einführung einer automatischen Zeiteinstellung per Funk betreffen, wodurch die Messgenauigkeit der Geräte nicht beeinträchtigt werde, sondern im Gegenteil eine Produktverbesserung eingetreten sei. Ob die beworbenen Modelle im Vergleich zu den im Jahr 2006 zertifizierten Modellen qualitativ gleichwertig oder ihnen sogar überlegen sind, kann letztlich dahinstehen. Aus lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten wäre die Beklagte nämlich auf jeden Fall verpflichtet gewesen, den angesprochenen Verbraucherkreis in der beanstandeten Werbung wahrheitsgemäß darüber aufzuklären, dass nicht die beworbenen Modelle mit dem Prüfsiegel zertifiziert worden sind, sondern die jeweiligen Vorgängermodelle, und dass an den beworbenen Modellen technischen Veränderungen vorgenommen worden sind.

Die wettbewerbsrechtlichen Anforderungen an die streitgegenständliche Werbung mit dem Prüfsiegel der Deutschen Hochdruck-Liga sind insoweit vergleichbar mit denjenigen, die an eine Werbung unter Angabe eines Testergebnisses, etwa der Stiftung Warentest, zu stellen sind. Danach ist in der Werbung mit einem für ein bestimmtes Modell erzielten Testergebnis der Stiftung Warentest ein aufklärender Hinweis selbst dann erforderlich, wenn nicht das beworbene, sondern ein technisch baugleiches Modell getestet worden ist (OLG Köln, GRUR 1988, 556; OLG Zweibrücken WRP 2008, 1476). Eine Hinweispflicht gegenüber dem Verbraucher besteht daher erst recht, wenn das beworbene Modell mit dem getesteten Modell nicht baugleich ist, sondern im Vergleich hierzu technische Veränderungen aufweist. Ob die vorgenommenen technischen Veränderungen tatsächlich zu einer Verbesserung des Modells geführt haben oder ob das beworbene Modell mit dem getesteten Modell zumindest gleichwertig ist, ist für die gegenüber dem Verbraucher bestehende Hinweispflicht ohne Belang. Dem diesbezüglichen Beweisantritt der Beklagten ist daher nicht nachzugehen (so auch OLG Köln, GRUR-RR 2011, 275). Es ist der Beklagten dabei unbenommen, die vorgenommenen technischen Veränderungen an dem beworbenen Modell als Verbesserung gegenüber dem geprüften Vorgängermodell anzupreisen. Entscheidend ist aber, dass gegenüber dem Verbraucher offengelegt wird, dass nicht das beworbene Modell, sondern das Vorgängermodell von der Deutschen Hochdruck-Liga geprüft und empfohlen worden ist. Dieser Aufklärungspflicht ist die Beklagte in der beanstandeten Werbung nicht nachgekommen. Sie hat vielmehr durch eine tatsächlich unwahre Werbeaussage den irreführenden Eindruck erweckt, die beworbenen Modelle seien in ihrer jetzigen technischen Ausführung von der Deutschen Hochdruck-Liga geprüft, empfohlen und durch Verleihung des Prüfsiegels zertifiziert worden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass der unterlassene aufklärende Hinweis eine allenfalls geringfügige Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern und Mittbewerbern darstellt und es damit an der wettbewerbsrechtlichen Relevanz der irreführenden geschäftlichen Handlung fehlt. Zwar kann es bei einer grundsätzlich als irreführend zu bewertenden geschäftlichen Handlung im Einzelfall an der wettbewerbsrechtlichen Relevanz fehlen, wie beispielsweise in den Entscheidungen des BGH vom 13.02.2003 (GRUR-2003, 803) und des OLG Köln vom 23.02.2011 (GRUR-RR 2011 275) angenommen. Die den vorgenannten Entscheidungen zugrunde liegenden Fallkonstellationen sind mit der hier vorliegenden jedoch nicht vergleichbar. In jenen Fällen war nämlich nicht ersichtlich, dass die in irreführender Weise beworbenen Produkte hinsichtlich ihrer Qualität oder Leistungsfähigkeit schlechter als das getestete Produkt bzw. die Vorgängerversion sein könnten. Demgegenüber ist hier die qualitative Gleichwertigkeit der beworbenen Blutdruckmessgeräte im Vergleich zu den zertifizierten wegen der vorgenommenen technischen Veränderungen zwischen den Parteien streitig; der Kläger hat die qualitative Gleichwertigkeit in Abrede gestellt, nach der Behauptung der Beklagten sollen die beworbenen Modelle zumindest qualitativ gleichwertig sein. Im Gegensatz zu den vorgenannten obergerichtlich entschiedenen Fallkonstellationen ist hier zudem einer der Regeltatbestände der in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG übernommenen Schwarzen Liste erfüllt. Die hierin aufgeführten geschäftlichen Handlungen sind per se unzulässig, ohne dass es einer weiteren Bewertung der geschäftlichen oder wettbewerblichen Relevanz bedarf, da hiervon regelmäßig auszugehen ist (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., Anh zu § 3 III Rn. 0.10).

Damit hat es die Beklagte künftig zu unterlassen, ohne die erforderliche Genehmigung der Deutschen Hochdruck-Liga mit der Erteilung des Prüfsiegels für die beiden Modelle ...[A2] Professionell und ...[A2] Basis Plus zu werben. Die Berufung der Beklagten erweist sich demnach als unbegründet und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Streitwert hat der Senat - teilweise in Abänderung der Festsetzung der ersten Instanz - für beide Rechtszüge auf 20.000,- € festgesetzt. Dies entspricht nach ständiger Rechtsprechung des Senats dem Regelstreitwert für einen im ordentlichen Verfahren gelten gemachten Unterlassungsanspruch. Anhaltspunkte, die ein Abweichen von diesem Regelstreitwert geboten erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.



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