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OLG Dresden Urteil vom 30.06.2009 - 14 U 178/09 - Anruf einer kostenintensiven Mehrwertdiensterufnummer zur Bestätigung für einen Gewinn

OLG Dresden v. 30.06.2009: Anruf einer kostenintensiven Mehrwertdiensterufnummer zur Bestätigung für einen Gewinn


Das OLG Dresden (Urteil vom 30.06.2009 - 14 U 178/09) hat entschieden:
  1. Teilt der Veranstalter eines Gewinnspiels dem Verbraucher mit, der Auszahlungstermin des Gewinns müsse unmittelbar am Tag nach der Gewinnermittlung durch Anruf über eine Mehrwertdiensterufnummer bestätigt werden, verstößt er somit gegen § 4 Nr. 6 UWG, denn er wirkt auf den Adressaten durch den Aufbau einer besonderen psychischen Drucksituation so ein, dass dieser es zumindest für zweckmäßig, wenn nicht gar für unerlässlich hält, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

  2. Fordert der Veranstalter eines Gewinnspiels den Verbraucher auf, den Auszahlungstermin durch den kostenintensiven Anruf einer 0900-er Rufnummer vorsorglich zu bestätigen, ohne klarzustellen, welche Bedeutung dieser Anruf für die Aushändigung des Gewinns hat, liegt ein Verstoß gegen § 4 Nr. 5 UWG vor, denn diese Aufforderung gehört zu den Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels.

  3. Werbeanrufe, die ohne Einwilligung des Angerufenen erfolgen, verstoßen gegen § 7 I, II Nr. 2 UWG.



Siehe auch Gewinnspiele und Glücksspielveranstaltungen


Gründe:

I.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es u.a. gehört, Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu unterbinden. Die Beklagte zu 1), deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, ist eine GmbH mit Sitz in W... Der Kläger fordert Unterlassung von behaupteten Wettbewerbsverstößen durch die Beklagten.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) . Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, dass dem Kläger hinsichtlich des Tenors Ziffer 1 ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, Abs. 2, 4 Nr. 6, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG zustehe. Der Anwendung des § 4 Nr. 6 UWG stehe die Richtlinie 2005/29/EG nicht entgegen. § 4 Nr. 6 UWG sei durch das 1. Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008 (BGBl I S. 2949), das gerade der Umsetzung der genannten Richtlinie gedient habe, unberührt geblieben. Im Übrigen sei § 4 Nr. 6 UWG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Kopplung nur dann unlauter sei, wenn sie geeignet sei, Verbraucherinteressen konkret zu beeinträchtigen, was hier der Fall sei. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 6 UWG lägen auch im Übrigen vor. Die im Tenor wiedergegebenen Schreiben suggerierten dem durchschnittlichen Verbraucher, der sie mit situationsangemessener Aufmerksamkeit wahrnehme, er müsse die kostenpflichtige Mehrwertdienstrufnummer in Anspruch nehmen, um die Chance auf den ausgelobten Gewinn zu erhalten. Der Kläger habe entsprechend Tenor Ziffer 2 auch einen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung von Telefonanrufen bei Verbrauchern ohne deren vorherige Einwilligung (§§ 7 Abs. 1, Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F.). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Beklagte zu 1) die Zeugen H... und K... jeweils mehrfach ohne deren Einverständnis anrufen lassen, um diese wegen einer Gewinnermittlung zum Anruf einer kostenpflichtigen 0900-Nummer zu veranlassen. Sowohl in den an die Zeugen gerichteten Schreiben als auch in den Telefonaten sei ein "Gewinndirektor H... E..." genannt und die Marke "F... M..." verwendet worden. In beidem gehe es um die Gewinnermittlung und die Aufforderung, eine kostenpflichtige 0900-Nummer anzurufen. Des Weiteren werde in dem Schreiben der Beklagten zu 1) an den Zeugen K... auf erfolgreiche "telefonische Versuche" Bezug genommen. Die Unterlassungsansprüche bestünden auch gegen den Beklagten zu 2).

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr Abweisungsbegehren weiter. Sie stellen darauf ab, dass die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus Art. 40 EGBGB folge. Bezüglich des Beklagten zu 2) könne deutsches Recht nur angewendet werden, wenn nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB der Verletzte dies verlange. Der Verletzte sei jedoch nicht mit dem Kläger identisch. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG sei der Kläger im Hinblick auf innerstaatliche Sachverhalte anspruchsberechtigt. Hier liege aber ein länderübergreifender Sachverhalt vor, für den Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB keine Ausweitung des Katalogs der Anspruchsberechtigten regele. Im Hinblick auf die Vorlageentscheidung des BGH (GRUR 2008, 807) wegen der Vereinbarkeit des § 4 Nr. 6 UWG mit der Regelung von Art. 5 Abs. 2 der UGP-RL sei eine differenzierende Lösung angebracht: Die Gefahr aus einer Kopplung von Warenabsatz und Gewinnspiel bestehe darin, dass der Verbraucher hauptsächlich die Ware deshalb erwerbe, um an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können. Vom Durchschnittsverbraucher sei aber zu erwarten, dass er das Für und Wider eines Kaufs abwäge und eine rationale Entscheidung treffe. Die Kopplung sei danach nur dann unlauter, wenn sich das betreffende Angebot nur an Personen richte, die sich wegen ihrer Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit leichter beeinflussen ließen und daher schutzbedürftig seien, wie insbesondere Kinder. Im Übrigen sei § 4 Nr. 6 UWG auch nicht anwendbar, wenn der Verbraucher irrig eine Koppelungslage annehme, zumal es sich beim Vorwurf der Irreführung um einen neuen Streitgegenstand handele.

Hinsichtlich des Tenors Ziffer 2 sei die Auffassung des Erstgerichts zur Passivlegitimation fehlerhaft. Die Tatsache, dass eine Person für verschiedene Unternehmen handele, die unter der Marke "F... M..." aufträten, rechtfertige nicht die Schlussfolgerung, jedes dieser Unternehmen sei zugleich Täter der Handlungen der anderen Unternehmen. Im Übrigen hafte der Beklagte zu 2) durchweg nicht für die behaupteten Verstöße.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 27.03.2009 (Bl. 127-140 dA) und auf den Schriftsatz vom 05.05.2009 (Bl. 162-166 dA) verwiesen.

Die Beklagten beantragen:
  1. Das Urteil des Landgerichts Dresden vom 26. Januar 2009 - 42 HKO 88/08 wird aufgehoben.

  2. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 17.04.2009 (Bl. 157-161 dA) verwiesen.

Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2009 (Bl. 167/168 dA) Bezug genommen.


II.

1. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Beklagten zur Unterlassung der gerügten Wettbewerbshandlungen verurteilt.

a) Auf den vorliegenden Fall ist in Gänze deutsches Recht anzuwenden. Für Wettbewerbshandlungen als unerlaubte Handlungen ist grundsätzlich das Recht des Begehungsortes maßgeblich, Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Zwar sind die streitgegenständlichen Schreiben der Beklagten zu 1) in Österreich verfasst worden, jedoch ist im Wettbewerbsrecht als Begehungsort derjenige Ort anzusehen, an dem durch die Maßnahme im Wettbewerb mit anderen Unternehmen auf die Kundenentschließung eingewirkt werden soll (BGH GRUR 1998, 419 - Gewinnspiel im Ausland; OLG Köln NJW 2004, 2684; Köhler, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, Einl. UWG Rn. 5.5). Dieser Marktort liegt in Deutschland, da es der Beklagten zu 1) darum ging, schriftlich und telefonisch auf in D... und L... ansässige Verbraucher einzuwirken, um diese als Kunden zu gewinnen.

Die Maßgeblichkeit deutschen Rechts gilt auch im Verhältnis zum Beklagten zu 2). Sogar in Bezug auf Teilnahme- und Vorbereitungshandlungen findet diejenige Rechtsordnung Anwendung, die auch für das Handeln des Täters gilt (Ohly, in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. 2006, Einführung B Rn. 18).

b) Das Marktortprinzip gilt auch für die Anspruchsberechtigung. Ob eine Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 3 UWG besteht, ist eine Frage des materiellen Rechts und daher nach dem durch die Marktortregel bestimmten Recht zu beurteilen (Ohly, in Piper/Ohly, UWG, Einführung B Rn. 19). Eine Beschränkung auf rein innerstaatliche Sachverhalte ist dem nicht zu entnehmen.

c) Zu Recht hat das Landgericht hinsichtlich der an die Zeugen versandten Schreiben einen Unterlassungsanspruch nach §§ 3 Abs. 1, Abs. 2, 4 Nr. 6, 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 UWG angenommen.

aa) Mit diesen geschäftlichen Handlungen verstößt die Beklagtenseite gegen § 4 Nr. 6 UWG, wonach es unzulässig ist, die Teilnahme von Verbrauchern an einem Gewinnspiel von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig zu machen.

Zwar besteht hier keine rechtliche Abhängigkeit zwischen der Teilnahme am Gewinnspiel und der Inanspruchnahme der Dienstleistung. Sowohl die Teilnahme der Adressaten am Gewinnspiel als auch die Gewinnauszahlung finden rechtlich unabhängig davon statt, ob diese das Angebot der Dienstleistung, nämlich den Anruf der aufgeführten Mehrwertdiensterufnummer, nutzen oder nicht. Dieser Anruf soll allein dazu dienen, den Auszahlungstermin am Tag nach dem Gewinnspiel für den Fall des Gewinns sicherzustellen.

Eine rechtliche Abhängigkeit ist indessen nicht zwingend erforderlich, ausreichend ist auch eine tatsächliche Abhängigkeit der Gewinnspielteilnahme oder der Gewinnchancen von der Inanspruchnahme der Dienstleistung. Ob eine derartige Abhängigkeit besteht, beurteilt sich aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (BGH, Urteil vom 03.03.2005 - I ZR 117/02, GRUR 2005, 599, 560 - Traumcabrio). Dies stellen die Beklagten mit dem Hinweis, der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 6 UWG dürfe nicht auf die bloße Annahme einer Koppelung ausgedehnt werden, ohne Erfolg in Abrede.

Für den Eindruck einer Abhängigkeit genügt es, wenn auf die Willensentschließung des Kunden in einer Art und Weise eingewirkt wird, dass dieser nicht umhin kann, sich zum Kauf bzw. zur Inanspruchnahme der Dienstleistung zu entschließen, um seine Gewinnchancen erhalten oder erhöhen zu können. Von entscheidender Bedeutung ist die Intensität der Einwirkung auf den Umworbenen, wobei ausdrückliche, nicht zu übersehende Hinweise darauf, dass ein Kaufzwang nicht besteht, die Kopplung entfallen lassen (Piper, in Piper/Ohly, UWG, § 4.6 Rn. 6/7). Es kommt darauf an, ob hierdurch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher, also nicht nur einige besonders feinfühlige Personen, zur Inanspruchnahme der Dienstleistung veranlasst werden (Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 6.12). Hierbei genügt es sogar, wenn die Inanspruchnahme der Dienstleistung dem Verbraucher für eine erfolgreiche Beteiligung am Gewinnspiel zweckmäßig erscheint (Piper, a.a.O., Rn. 6/8).

Hier wird den Adressaten der Schreiben mitgeteilt, dass der Anruf über die Mehrwertdiensterufnummer dazu diene, den - für den Fall des Gewinns der Adressaten - Auszahlungstermin des Gewinns unmittelbar am Tag nach der Gewinnermittlung zu bestätigen. Für den Fall, dass diese Bestätigung nicht erfolgt, werden im Schreiben an den Zeugen K... keine Alternativen genannt. Laut Anweisung an den "Gewinndirektor H... E..." auf der Rückseite des Schreibens an die Zeugin H... hat dieser sogar den bereits ausgestellten Scheck unverzüglich zu retournieren. In beiden Schreiben wird auf den Adressaten durch den Aufbau einer besonderen psychischen Drucksituation mit der Folge, andernfalls möglicherweise erst in Zukunft - wenn überhaupt - den Gewinn zu erhalten, so eingewirkt, dass dieser es zumindest für zweckmäßig, wenn nicht gar für unerlässlich hält, die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

aaa) In dem Schreiben vom 28.11.2007 an die Zeugin H... (Bl. 3 dA) wird eine besondere Drucksituation aufgebaut, indem ein mehrstufiges, für eine Gewinnermittlung umständlich wirkendes bürokratisches Verfahren geschildert wird (vgl. Urteil des Landgerichts, S. 18). An dessen Abschluss steht die Freigabe der bereits für den 12.12. geplanten Gewinnauszahlungsreise, wobei schon verfügbare Flugplätze von W... nach D... geprüft würden. Der Gewinndirektor H... E... hat laut der Mitteilung auf der Rückseite für den Fall der ausbleibenden Bestätigung des Gewinnauszahlungstermins durch die Adressatin den bereits ausgestellten Scheck unverzüglich zu retournieren. So muss die Adressatin befürchten, dass zumindest ein ähnlich bürokratischer Vorgang für einen später eventuell stattfindenden Gewinnauszahlungstermin erneut erforderlich wird, der möglicherweise nicht ein zweites Mal zu ihren Gunsten ausgeht. Zudem ist zu einem für den Fall des Scheiterns des avisierten Termins am 12.12.2007 erforderlichen späteren Auszahlungstermin in diesem Schreiben nichts bemerkt. Die Adressatin muss deshalb bangen, bei fehlender Bestätigung des avisierten Termins bestenfalls in ferner Zukunft oder gar überhaupt nicht mehr bei einer Gewinnauszahlung berücksichtigt zu werden. Zusätzlich wird mehrfach zur Eile gemahnt bzw. die Eilbedürftigkeit betont. Insgesamt drängt sich dem Adressaten der Eindruck auf, seine Mitwirkung an einem mehrstufigen Organisationsablauf, an dessen Abschluss die Gewinnauszahlung steht, nicht versagen zu können.

bbb) Dies gilt auch für das Schreiben vom 02.01.2008 an den Zeugen K... Auch hier wird wiederholt die Eilbedürftigkeit der telefonischen Terminsbestätigung betont. Überdies wird der Adressat durch mehrfache Gratulation und die Anfrage, in welcher konkreten Form die Gewinnauszahlung gewünscht wird - was insgesamt im Grunde erst bei tatsächlichem Gewinn angebracht wäre -, in eine psychisch einer Gewinnsituation vergleichbaren Gefühlslage versetzt. Auch mit diesem Schreiben wird durch die Mitteilung, dass nur durch die rechtzeitige Terminsbestätigung durch den Adressaten die pünktliche Auszahlung des Gewinns garantiert werden kann, und durch das Fehlen jeglicher Ausführungen, wie und wann die Gewinnauszahlung bei fehlender Terminsbestätigung erfolgt, der Eindruck erweckt, dass es zumindest zweckmäßig ist, der erbetenen Terminsbestätigung nachzukommen. Nur so könne alternativlos die Gefahr eines möglicherweise nie stattfindenden Gewinnauszahlungstermins - bei Gewinn des Adressaten - vermieden werden.

bb) Zudem ist es auch nach § 4 Nr. 5 UWG als unlauter zu bewerten, wie die Beklagte zu 1) vor der Gewinnermittlung zu einem kostenintensiven Anruf einer 0900-er Rufnummer drängt. Ein unlauterer Anlockeffekt durch Verschleierung der wirklichen Gewinnchancen liegt vor, wenn im Zusammenhang mit einer Gewinnankündigung gemachte Angaben geeignet sind, bei den angesprochenen Verbrauchern unklare Vorstellungen zu wecken und darauf aufbauende unüberlegte Entscheidungen auszulösen (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2005 - 1 ZR 279/02, WRP 2005, 1511 - Telefonische Gewinnauskunft; BGH, Urteil vom 02.11.1973 - 1 ZR 111/72, GRUR 1974, 729, 730 f. - SWEEPSTAKE).

Das ist hier der Fall. Es bleibt im Unklaren, welche Bedeutung dieser Anruf für die Aushändigung des Gewinns hat. Die mit dem Anruf verbundenen Gewinn(auszahlungs-)chancen werden verschleiert. Darin liegt ein Verstoß gegen § 4 Nr. 5 UWG. Auf § 4 Nr. 5 UWG hat der Kläger bereits seine Abmahnung gestützt; die Beklagten haben dies in der Klageerwiderung aufgegriffen (S. 5, Bl. 23 dA).

Die Aufforderung, den Auszahlungstermin vorsorglich zu bestätigen, gehört zu den Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels. Der Begriff der Teilnahmebedingungen i.S. von § 4 Nr. 5 UWG ist weit zu fassen; er erstreckt sich auf alle im Zusammenhang mit der Beteiligung des Teilnehmers an dem Gewinnspiel stehenden Modalitäten (vgl. Köhler, a.a.O., § 4 UWG Rn. 5.11, 6.6). Dazu gehört auch die Information über die Modalitäten und Kosten für die Inanspruchnahme des Gewinns.

Diese Teilnahmebedingung ist nicht klar und eindeutig. Der angesprochene Verbraucher kann ihr nicht entnehmen, warum dieser kostenaufwendige Anruf (2,99 EUR pro Minute) vor Gewinnermittlung alternativlos notwendig und eilig ist. Unklar bleibt vor allem, ob, wann und wie die Gewinnauszahlung erfolgt, wenn der Verbraucher der dringenden Aufforderung zum Anruf nicht nachkommt. Er gewinnt deshalb den Eindruck, der Anruf erhalte oder erhöhe seine Chancen auf Auszahlung eines Gewinns. Da erst die Auszahlung dem Gewinn Wert verleiht, lässt sich der Verbraucher in dieser unklaren Lage von der unüberlegten Vorstellung leiten, "auf Nummer sicher" gehen und die Nummer anrufen zu müssen.

cc) Die EuGH-Vorlage des BGH vom 05.06.2008 (WRP 2008, 1175 - Millionen-Chance) ist hier nicht entscheidungserheblich. Auf einen Verstoß von § 4 Nr. 6 UWG gegen Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG kommt es nicht an. In der Vorlage des BGH an den Europäischen Gerichtshof vom 05.06.2008 geht es um die Frage, ob das in § 4 Nr. 6 UWG vorgesehene Verbot über den von der Richtlinie gesetzten Maximalschutz hinausgeht. In diesem Fall wäre die Regelung des § 4 Nr. 6 UWG richtlinienkonform so auszulegen, dass allein die Kopplung eines Preisausschreibens oder eines Gewinnspiels mit dem Erwerb einer Ware oder mit der Inanspruchnahme einer Dienstleistung nicht ausreichen würde, um die Unlauterkeit im Regelfall zu begründen. Zusätzlich wären die Voraussetzungen einer unlauteren Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29/EG erforderlich.

Hier ist jedoch eine unlautere Geschäftspraxis i.S.v. Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie gegeben. Zu Recht hat das Landgericht einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 S. 1 UWG angenommen. Diese Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie. Hiernach ist eine Geschäftspraxis unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Nach Art. 2 Buchst. h der UGP-Richtlinie ist berufliche Sorgfalt der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet. Berufliche Sorgfalt in dem hier gegebenen Fall hätte billiger Weise erfordert, den Verbraucher nicht - wie aufgezeigt - unsachlich zu beeinflussen. Eine ausgewogene Entscheidung des Verbrauchers bedarf der Aufklärung, wie die Gewinnauszahlung bei Entfallen des zunächst avisierten Gewinnauszahlungstermins mangels Anrufs des Adressaten durchgeführt worden wäre, insbesondere in welchem Zeitrahmen die Auszahlung zu erwarten gewesen wäre. Auch hätte die berufliche Sorgfalt verlangt, immerhin nahezu 14 Tage vor dem Gewinnermittlungstermin nicht derart zur Eile zu drängen, sondern feste Termine zu nennen, bis zu denen ohne weiteres noch der avisierte Gewinnauszahlungstermin telefonisch bestätigt werden kann. Wie dargelegt, ist diese Geschäftspraxis zumindest dazu geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, an den sie adressiert ist, wesentlich zu beeinflussen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies auch bei einem angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbraucher anzunehmen. Dies resultiert insbesondere aus der oben dargelegten Kombination aus Informationsdefiziten, psychischer Drucksituation und der Vermittlung des Gefühls, fast schon gewonnen zu haben. Eine solche Beeinflussungsmöglichkeit ist nicht nur gegenüber besonders unerfahrenen und leichtgläubigen Menschen wie z.B. Kindern gegeben. Gerade die Vermittlung eines Eindrucks, mit nur wenig oder gar keinem Einsatz etwas gewinnen zu können, trübt nach allgemeiner Lebenserfahrung den Urteilssinn auch eines angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers. Wegen dieser konkreten Gefährdung von Verbraucherinteressen durch unsachliche Beeinflussung und Irreführung kommt hier eine Eingrenzung des schutzwürdigen Personenkreises entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in Betracht. Das gibt auch die von ihnen herangezogene Literatur eben nicht her.

d) Die Beklagte zu 1) hat es auch zu unterlassen, Verbraucher ohne deren vorherige Einwilligung anzurufen (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F.).

Das Landgericht hat zu Recht aus den Tatsachen, dass sowohl in den Schreiben an Herrn K... und Frau H... als auch in den Telefonaten mit diesen die Tätigkeit von Herrn H... E... angesprochen sowie die Marke "F... M..." verwendet worden war, den Schluss gezogen, dass die Anrufe von der Beklagten zu 1) oder auf deren Veranlassung getätigt worden waren. Aus den streitgegenständlichen Schreiben ergibt sich, dass die Beklagte zu 1) die entsprechenden Gewinnspiele durchführt, für die die Adressaten als Gewinner in Frage kommen. Es macht daher nur Sinn, dass die entsprechenden Anrufe, die die Adressaten zur Bestätigung des Auszahlungstermins animieren sollten, auch von der Beklagten zu 1) zumindest veranlasst worden waren. So wird in dem Schreiben an den Zeugen K... sogar ausdrücklich auf die nun erfolgreichen telefonischen Versuche Bezug genommen. Die Beklagte zu 1) kann sich nach § 8 Abs. 2 UWG nicht hinter Mitarbeitern oder Beauftragten verstecken, zumal sie diese sogar dem eigenen "Konzern" zuordnet. Beklagtenseits ist nicht dargelegt worden, dass verbundene Unternehmen zeitgleich ebenfalls Gewinnspiele unter Einbeziehung der gleichen Adressaten durchgeführt haben.

e) Zu Recht hat das Landgericht im Ergebnis festgestellt, dass die Unterlassungsansprüche auch gegen den Beklagten zu 2) bestehen. Er hat das vorgelegte Rechtsgutachten vom 18.07.2007 (Anlage B 4) zur Bewertung von mittels Postversands und im Call-Bereich (Anrufmaschinen) eingesetzter Werbemittel für die Teilnahme an Gewinnspielen in Auftrag gegeben. Zu den vier begutachteten Gewinnspielen gehörte auch das hier in Rede stehende Gewinnspiel "Gewinnermittlung". Der Beklagte zu 2) hat zur Werbung der Beklagten zu 1), deren Geschäfte er allein führt, beigetragen und sie nicht unterbunden (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2005 - I ZR 279/02, WRP 2005, 1511 - Telefonische Gewinnauskunft).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagtenseite nach § 712 ZPO war mangels Vortrags und Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen nach § 714 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.

Schließlich war der Antrag, eine Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft stellen zu dürfen, nicht gesondert zu bescheiden. Diese Möglichkeit ergibt sich ohnehin aus § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO genannten Gründe vorliegt.



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