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Landgericht Bochum Urteil vom 06.08.2014 - 13 O 102/14 - Kommunikationsmöglichkeiten in der Widerrufsbelehrung

LG Bochum v. 06.08.2014: Zu den Kommunikationsmöglichkeiten in der Widerrufsbelehrung


Das Landgericht Bochum (Urteil vom 06.08.2014 - 13 O 102/14) hat entschieden:
Eine vollständige und richtige Widerrufsbelehrung gebietet die Nennung von Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse, sofern diese verfügbar sind. Aus dem Umstand, dass in der Muster-Widerrufsbelehrung von "verfügbar" und nicht von "vorhanden" die Rede ist, kann nicht darauf geschlossen werden, dass es im Belieben des Unternehmers stehe, die Angaben zu machen. Vielmehr sind nach Auffassung des Gerichts im Regelfall Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse zu nennen, sofern diese existieren.




Siehe auch Die Widerrufsbelehrung im Onlinehandel und Das Widerrufsrecht im Online-Handel


Tatbestand:

Die Verfügungsbeklagte zu 1) vertreibt über ihren Onlineshop Nahrungsergänzungsmittel.

Am 18.06.2014 verwandte die Verfügungsbeklagte zu 1) einen Widerrufsbelehrung, die u.a. folgenden Text enthielt:
"Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (P) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist."
In der Widerrufsbelehrung gab die Verfügungsbeklagte zu 1) weder Telefonnummer, Faxnummer noch E-Mail-Adresse an. Diese Angaben sind allerdings im Impressum enthalten. Hinsichtlich der Einzelheiten der Widerrufsbelehrung wird auf die Anlage AS 3 zur Antragsschrift (Bl. 41 ff. d. A.) verwiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.06.2014 (Anlage AS 5, Bl. 48 ff. d. A.), auf das hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte zu 1) ab.

Durch Beschlussverfügung vom 08.07.2014 hat die Vorsitzende der Kammer den Verfügungsbeklagten zu 1) - 3) unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt,
Verbraucher geschäftlich handelnd zur Abgabe von Angeboten für Nahrungsergänzungsmittel aufzufordern, wenn nicht klar und verständlich über das Widerrufsrecht informiert wird, wie in Anlage AS 3 geschehen.
Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte zu 1) Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin, die im Termin vom 06.08.2014 das Fehlen der Originalvollmacht gerügt hat, trägt vor:

Die Verfügungsklägerin handele u.a. über ihren Onlineshop X deutschlandweit mit Nahrungsergänzungsmitteln. Die von der Verfügungsbeklagten verwandte Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, da dem Verbraucher zwar mitgeteilt werde, dass er seinen Widerruf mittels einer eindeutigen Erklärung ausüben könne, die Verfügungsbeklagten aber keine entsprechende Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse in der Widerrufsbelehrung mitteilten, obwohl diese ausweislich des Screen-Shots in Anlage AS 3 im Impressum der Verfügungsbeklagten verfügbar gewesen sei. Nach §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 355, 356 BGB könne die Verfügungsklägerin, die Mitbewerberin sei, Unterlassung verlangen. Die Anlage 1, die Musterwiderrufsbelehrung verlange die Angabe von Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse des Verkäufers, soweit verfügbar. Eine Nichtverfügbarkeit liege nur dann vor, wenn keine derartige Nummer bzw. Adresse existiere.

Die Verfügungsklägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.
Die Verfügungsbeklagte zu 1) beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte zu 1) trägt vor:

Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Verfügungsklägerin deutschlandweit mit Nahrungsergänzungsmitteln handele und solche tatsächlich über ihren Shop vertreibe. Die am 18.06.2014 von der Verfügungsbeklagten zu 1) verwendete Widerrufsbelehrung sei nicht fehlerhaft. Die Muster-Widerrufsbelehrung verlange nicht zwingend die Angabe der Telefonnummer, Telefaxnummer, E-Mail-Adresse, sondern nur, soweit verfügbar". Eine Nichtverfügbarkeit liege nicht nur dann vor, wenn eine derartige Nummer bzw. Adresse überhaupt nicht existiere, sondern auch wenn eine solche vorübergehend nicht verfügbar sei oder nach einer Willensentscheidung des Unternehmers für den Widerruf nicht verfügbar sein solle. Es handele sich allenfalls um einen Bagatellverstoß, insbesondere im Hinblick darauf, dass das neue Recht bei Rüge des Verstoßes gerade 5 Tage gegolten habe. Der Tenor des Beschlusses vom 08.07.2014 sei zu unbestimmt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sei missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Es sei offensichtlich, dass die Geltendmachung der Ansprüche alleine oder vorwiegend dazu diene, gegen die Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen und Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Nach dem im elektronischen Bundesanzeiger einsehbaren Jahresabschluss der Verfügungsklägerin zum 31.12.2012 belaufe sich die Bilanzsumme im Jahr 2012 auf weniger als 18.000,00 €, ein Wert, der von jeder drittklassigen Frittenbude deutlich übertroffen werde. Das Eigenkapital habe sich binnen eines Jahres auf 1/7 vermindert, die Anlagen hätten einen Wert von gut 2.000,00 €, die Vorräte von weniger als 3.000,00 €. Wer sich auf solch niedrigem Niveau geschäftlich betätige, habe kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der geltend gemachten Unterlassung. Der Unterlassungstenor beziehe sich auf sämtliche Angebote von Nahrungsergänzungsmitteln, obwohl ein Widerrufsrecht nur im Fernabsatz bestehe. Die Formulierung "klar und verständlich," sage nichts über die konkrete Gestaltung einer Widerrufsbelehrung aus. Selbst eine falsche Belehrung könne "klar und verständlich sein". Der Händler habe lediglich die Möglichkeit, das vom Gesetzgeber entworfene Muster zur Belehrung über das Widerrufsrecht zu verwenden. Dies bedeute jedoch nicht, dass ein Händler dieses Muster auch verwenden müsse. Im Gesetz selbst sei an keiner Stelle geregelt, dass Telefonnummer, Faxnummer oder E-Mail-Adresse im Rahmen einer Widerrufsbelehrung anzugeben seien. Eine Musterwiderrufsbelehrung mit Gestaltungshinweisen sei nicht dazu geeignet, dem Unternehmer gesetzliche Pflichten aufzuerlegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Der zulässige Widerspruch ist in der Sache nicht begründet. Soweit die Verfügungsklägerin im Termin vom 06.08.2014 erstmals den fehlenden Vollmachtsnachweis gerügt hat, ist dies nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Verfahren nicht erheblich. Zwar ist die Prozessvollmacht nach § 80 ZPO grundsätzlich schriftlich einzureichen. Doch ist bei anwaltlicher Vertretung nur bei Rüge einer Partei ein Nachweis erforderlich. Da die Verfügungsklägerin das Fehlen der Originalvollmacht erstmals im Termin vom 06.08.2014 gerügt hat, war es dem Unterbevollmächtigten nicht möglich, die bei dem Prozessbevollmächtigten in Leipzig vorliegende Originalvollmacht im Termin vorzulegen. Im Hinblick darauf, dass der Unterbevollmächtigte der Verfügungsbeklagtenvertreter im Termin vom 06.08.2014 vorgetragen hat, dass die Hauptprozessbevollmächtigten den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers eine Vollmacht übersandt hätten und der Verfügungsklägervertreter dies im Termin nicht 100 %ig ausschließen konnte, stellt das erstmals im Termin geäußerte Verlangen nach Einsicht in die Originalvollmacht nach Auffassung des Gerichts ein rechtsmissbräuchliches und daher nicht zu beachtendes Prozessverhalten dar.

Die einstweilige Verfügung ist aufrechtzuerhalten. Sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund liegen vor.

Die Verfügungsklägerin kann von den Verfügungsbeklagten nach §§ 8, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 355, 356 BGB Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Widerrufsbelehrung verlangen.

Das Gericht geht davon aus, dass beide Parteien Wettbewerber sind. Unstreitig unterhält die Verfügungsklägerin den Onlineshop X, auf dem sie Nahrungsergänzungsmittel anbietet. Soweit die Verfügungsbeklagte bestreitet, dass die Verfügungsklägerin deutschlandweit mit Nahrungsergänzungsmitteln handele und solche tatsächlich über ihren Shop verkaufe, ist dieses Bestreiten unsubstantiiert und unbeachtlich, da sie nicht dargelegt hat, dass die Verfügungsklägerin nicht ernsthaft mit Nahrungsergänzungsmitteln handele, sondern diese lediglich zum Schein auf ihrem Onlineshop anbiete.

Entgegen der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Auffassung greift der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 UWG) nicht durch. Die Kammer vermag der Argumentation der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin könne kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Unterlassung haben, weil sie sich ausweislich der Bilanz zum 31.12.2012 auf niedrigem Niveau geschäftlich betätige, nicht zu folgen. Die Bilanzsumme im Jahre 2012 von ca. 18.000,00 € ist nicht so niedrig, dass sie per se gegen eine ernsthafte wirtschaftliche Betätigung spricht. Es ist auch kleineren Unternehmern nicht verwehrt, Wettbewerbsverstöße von Wettbewerbern abzumahnen. Ein Indiz für Rechtsmissbräuchlichkeit liegt nur dann vor, wenn die Abmahntätigkeit des Unternehmers in einem Missverhältnis zum Umfang seiner wirtschaftlichen Betätigung steht. Dies hat die Verfügungsbeklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt.

Die Widerrufsbelehrung der Verfügungsbeklagten ist insoweit nicht vollständig, als sie weder Telefonnummer, Faxnummer noch E-Mail-Adresse enthält. Nach § 355 BGB n.F. erfolgt der Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer, wobei aus der Erklärung der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrages eindeutig hervorgehen muss. Nach der ab dem 13.06.2014 geltenden Neufassung kann der Widerruf nunmehr formlos erklärt werden, also auch mündlich, telefonisch durch Fax oder E-Mail (vgl. Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, § 355 n.F. Rnr. 6). § 356 BGB n. F. verweist hinsichtlich der Einzelheiten der Widerrufsbelehrung auf die Anforderungen des Artikel 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB. Aus Artikel 246 a § 1 Abs. 2 EGBGB in der Fassung ab dem 13.06.2014 ergibt sich die Verpflichtung des Unternehmers, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zu belehren, wobei es dem Unternehmer nach Absatz 2 freigestellt ist, seine Informationspflichten dadurch zu erfüllen, dass er das in der Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt. Die Muster-Widerrufsbelehrung in Anlage 1 zu Artikel 246 a § 1 Abs. 2 Satz 2 ist im Gestaltungshinweis zu Ziffer 2 wie folgt erläutert "fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und soweit verfügbar Ihre Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse ein". Zwar ist der Verfügungsbeklagten einzuräumen, dass sie nicht verpflichtet war, die Muster-Widerrufsbelehrung zu verwenden. Dies entbindet sie jedoch nicht von ihrer Belehrungspflicht über das Widerrufsrecht nach Artikel 246 a § 1 Abs. 2 EGBGB, wonach über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu belehren ist. Auch wenn die Nennung der Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse nicht unmittelbar im Gesetz, sondern lediglich in dem Gestaltungshinweis zur Muster-Widerrufsbelehrung erwähnt ist, wird aus dem Gesamtkontext deutlich, dass der Gesetzgeber, der mit der Neufassung die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher dadurch erleichtern wollte, dass die bisherige Formvorschrift wegfiel, eine ausreichende Information des Verbrauchers über diese Neuregelung und die Möglichkeiten des Widerrufs durch Benutzung von Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse sicherstellen wollte. Eine vollständige und richtige Widerrufsbelehrung gebietet daher nach Auffassung der Kammer die Nennung von Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse, sofern diese verfügbar sind.

Entgegen der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Auffassung kann aus dem Umstand, dass in der Muster-Widerrufsbelehrung von "verfügbar" und nicht von "vorhanden" die Rede ist, nicht etwa darauf geschlossen werden, dass es im Belieben des Unternehmers stehe, die Angaben zu machen. Vielmehr sind nach Auffassung des Gerichts im Regelfall Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse zu nennen, sofern diese existieren, was bei der Verfügungsbeklagten ausweislich des Impressums der Fall war.

Der Verstoß gegen die Verpflichtung, ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht zu belehren, ist keine Bagatelle. Bei der Erleichterung des Widerrufs durch den Verbraucher handelt es sich um einen Kernpunkt der Neufassung des Widerrufsrechts.

Soweit die Verfügungsbeklagte beanstandet, dass Antrag und Tenor unbestimmt gefasst seien, weil die Beschränkung auf den Fernabsatz nicht ersichtlich sei und die Formulierung "klar und verständlich" nicht genau genug, vermag die Kammer diesen Bedenken zwar nicht zu folgen, weil aus der Bezugnahme auf Anlage AS 3 ersichtlich ist, welches beanstandete Verhalten zu unterlassen ist. Gleichwohl hat das Gericht den Tenor zur Klarstellung neu gefasst. Da hiermit keine Einschränkung verbunden ist, ist eine Kostenquotelung nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.


Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.



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