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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 14.07.2011 - 1 BvR 407/11 - Zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Regelung berufsbezogener Arztwerbung
 

 

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Arztwerbung - Garantie - Gewährleistung - Werbung - Wettbewerb - Zahnarztwerbung


BVerfG v. 14.07.2011: Zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Regelung berufsbezogener Zahnarztwerbung (Zahnärztehaus)


Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 14.07.2011 - 1 BvR 407/11) hat entschieden:
  1. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt. Darüber hinaus sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Werbebeschränkende Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen sind hiernach nur verfassungsgemäß, sofern sie nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung untersagen. Für interessengerechte und sachangemessene, insbesondere das notwendige Vertrauensverhältnis zu Patienten nicht gefährdende Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss dagegen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben.

  2. Um mit der Bezeichnung "Zahnärztehaus" - auch in Verbingung mit einer Ortsbezeichnung - zulässigerweise werben zu dürfen, ist es nicht erforderlich, dass in dem Gebäude mehrere rechtlich voneinander unabhängige Zahnarztpraxen betrieben werden; vielmehr genügt hierfür auch eine zahnärztliche Gemeinschaftrspraxis.




Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die berufsgerichtlichen Verurteilungen mehrerer Zahnärzte wegen der Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus".

1. Die §§ 29 ff. des baden-württembergischen Gesetzes über das Berufsrecht und die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz ) vom 31. Mai 1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1995 (GBl S. 314 ff.) regeln die Berufspflichten der Angehörigen der aufgeführten Heilberufe und sehen zugleich vor, dass die weiteren Einzelheiten in den jeweiligen Berufsordnungen zu normieren sind.

Auf dieser Grundlage erließ die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg in Form einer Satzung die Berufsordnung für Zahnärzte vom 21. Dezember 2005 (im Folgenden: BO a.F.). § 21 BO a.F. lautet auszugsweise:
(1) Dem Zahnarzt sind sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet. Berufswidrige Werbung ist dem Zahnarzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung. ...

(2) und (3) ...

(4) Eine Einzelpraxis sowie eine Berufsausübungsgemeinschaft darf nicht als Akademie, Institut, Poliklinik, Zentrum, Ärztehaus oder als ein Unternehmen mit Bezug zu einem gewerblichen Betrieb bezeichnet werden.
Diese Berufsordnung wurde zwischenzeitlich durch die Berufsordnung vom 10. September 2010 abgelöst. Bei § 21 BO haben sich, abgesehen von einer veränderten Zählung wegen des Einschubs eines weiteren Absatzes - § 21 Abs. 4 ist nunmehr § 21 Abs. 5 - und der Herausnahme des Begriffs "Zentrum" aus der Aufzählung der verbotenen Bezeichnungen, keine inhaltlichen Änderungen ergeben.

2. a) Die Beschwerdeführer sind approbierte Zahnärzte, die Beschwerdeführerin zu 3) ist zusätzlich Fachzahnärztin für Kieferorthopädie. Die Beschwerdeführer zu 2), 3), 4) und 5) betreiben eine "Gemeinschaftspraxis für Zahnheilkunde und Kieferorthopädie", zu der bis zu seinem Ausscheiden im Sommer 2009 auch der Beschwerdeführer zu 1) gehörte. Die Beschwerdeführerin zu 6) betreibt eine "Privatpraxis für Endodontie" und nutzt hierbei dieselben Räumlichkeiten wie die Gemeinschaftspraxis. Die Beschwerdeführer beschäftigen zusammen mehr als 20 Mitarbeiter. In dem circa 450 qm großen Haus, in dem sie ihre Praxen betreiben, befindet sich noch ein zahnärztliches Labor, das ganz überwiegend für die Beschwerdeführer tätig ist. Das Gebäude liegt in einer Gemeinde mit circa 8.200 Einwohnern, in der es noch eine weitere, von einem einzelnen Zahnarzt betriebene Zahnarztpraxis gibt.

b) Bereits mit Urteil vom 7. Dezember 2006 verurteilte das Bezirksberufsgericht die Beschwerdeführer jeweils zu einer Geldbuße von 500 €, weil sie im Rahmen ihres Internetauftritts und bei einer im April 2006 veröffentlichten Zeitschriftenanzeige den Begriff "Zahnärztehaus I..." verwendet sowie als Internetadresse die Formulierung "www.daszahnaerztehaus.de" benutzt hatten. Der Gebrauch der Bezeichnungen sei berufsrechtswidrig, denn er verstoße gegen § 21 Abs. 4 BO a.F. Das Landesberufsgericht verwarf die Berufungen der Beschwerdeführer mit Urteil vom 13. Oktober 2007 als unbegründet.

3. a) Die Beschwerdeführer änderten trotz der berufsgerichtlichen Verurteilung ihre bisherige Internetadresse nicht und benutzten auch im Rahmen ihres Internetauftritts weiterhin die Bezeichnung "Zahnärztehaus I...". Dieser Begriff befand sich zudem im Briefkopf eines vom 1. Juli 2008 datierenden Schreibens des Beschwerdeführers zu 4) an die Bezirkszahnärztekammer. Auch im sonstigen Geschäftsverkehr verwendeten die Beschwerdeführer in dieser Weise gestaltetes Briefpapier.

b) Mit Urteil vom 26. August 2009 verurteilte das Berufsbezirksgericht die Beschwerdeführer daraufhin jeweils zu einer Geldbuße von 1.000 €, weil sie erneut gegen § 21 Abs. 4 BO a.F. und die §§ 29 und 55 Abs. 2 Satz 1 HBKG verstoßen hätten. Aus § 21 Abs. 4 BO a.F. ergebe sich eindeutig, dass eine Berufsausübungsgemeinschaft nicht als Ärzte- oder Zahnärztehaus bezeichnet werde dürfe.

c) Das Landesberufsgericht verwarf die Berufungen der Beschwerdeführer mit Urteil vom 23. Oktober 2010 als unbegründet. § 21 Abs. 4 BO a.F. verbiete die Verwendung des Begriffs "Zahnärztehaus" zur Werbung für eine Einzelpraxis beziehungsweise für die Berufsausübungsgemeinschaft mehrerer Zahnärzte. Der Begriff "Ärztehaus" sei als "Zahnärztehaus" zu verstehen, denn die Benutzung der Bezeichnung "Ärztehaus" sei Zahnärzten auch schon ohne Regelung in der Berufsordnung verwehrt. Überdies ergebe sich diese Auslegung aus der Ausrichtung der Berufsordnung auf die Berufstätigkeit der Zahnärzte, durch die Begrenzung der Regelungsbefugnis der Zahnärztekammer sowie durch das allgemeine Verständnis der Berufsangehörigen für die zutreffende Bezeichnung von Ärzten und Zahnärzten. Darüber hinaus sei die Verwendung des Wortes "Zahnärztehaus" auch irreführende Werbung im Sinne von § 21 Abs. 1 BO. Die Beschwerdeführer bildeten eine Berufsausübungsgemeinschaft und seien daher nicht als voneinander unabhängige Zahnärzte tätig. Sie seien damit nicht anders einzuschätzen als ein einzelner Zahnarzt in seiner Praxis. Ein "Ärztehaus" beziehungsweise "Zahnärztehaus" sei im allgemeinen Sprachgebrauch ein Haus, in dem mehrere Ärzte oder Zahnärzte unabhängig voneinander ihre Praxis ausübten. Daneben könne ein Zahnärztehaus auch als ein Haus der Vertretung der Zahnärzte oder der zentralen Dienstleistungen für sie verstanden werden. Keinesfalls bezeichne der Begriff aber eine einzelne zahnärztliche Praxis, selbst wenn sie aus mehreren Zahnärzten bestehe. Die Beschwerdeführer erzeugten daher mit ihrer Formulierung bei einem Behandlung suchenden Interessenten einen Irrtum über die zu erwartenden Verhältnisse, denn er finde in dem genutzten Haus keine weitere Praxis vor. Überdies rufe der Gebrauch der Bezeichnung die Annahme hervor, es handele sich um eine Zusammenfassung der Zahnärzte des Ortes nach der Art einer Poliklinik. Dies vertiefe die Irreführung noch. Der Sachverhalt sei bereits in dem Urteil vom 13. Oktober 2007, auf das verwiesen werde, umfassend gewürdigt worden.

In der dortigen Entscheidung hatte das Gericht zusätzlich ausgeführt, als Ärzte- beziehungsweise Zahnärztehaus träten Ärzte beziehungsweise Zahnärzte in verschiedenen kleineren und größeren Städten auf. Auch Immobilienunternehmen verwendeten den Begriff häufig. Schon bei der Errichtung des Hauses werde mit der Bezeichnung um Mieter oder Käufer der vorgesehenen Praxisräume geworben. Verwaltungsunternehmen böten dazu verschiedene Dienstleistungen an, die den einzelnen Berufsausübenden Kostenersparnis oder gesteigerte Nutzungsmöglichkeiten bringen sollten. Für das Verständnis des Wortes stehe danach fest, dass es nicht eine einzelne zahnärztliche Praxis bezeichne. Eine Praxis, die sich als Zahnärztehaus bezeichne, erzeuge bei den interessierten Patienten demzufolge einen Irrtum über die zu erwartenden Sachverhalte, weil er keine Mehrzahl von Zahnärzten in voneinander unabhängiger Tätigkeit vorfinde. So finde er zum Beispiel keinen weiteren Zahnarzt, von dem er eine unabhängige Zweitmeinung zu der Behandlung eines anderen Zahnarztes einholen könne. Bei einer kleinen Gemeinde erwecke der Begriff zudem den Eindruck, es handele sich um das "Kompetenzzentrum" der Zahnheilkunde am Ort, was ebenfalls irreführend sei.

4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Art. 12 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG.

5. Dem Justizministerium des Landes Baden-Württemberg, der Bundeszahnärztekammer, der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. und dem GKV-Spitzenverband der Krankenkassen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten der Ausgangsverfahren waren beigezogen.


II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 76, 171 <184 f.>; 85, 248 <256>; 94, 372 <389>; 111, 366 <373>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

1. Die angegriffenen berufsgerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.

a) Die Auferlegung der Geldbußen greift in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführer ein, denn durch sie wird ein der Berufsausübung zuzurechnendes Verhalten sanktioniert. Bei der Benutzung der Bezeichnung "Zahnärztehaus I..." auf Briefbögen im geschäftlichen Verkehr und im Rahmen des Internetauftritts sowie bei der Verwendung der Internetadresse "www.daszahnaerztehaus.de" handelt es sich um werbende Tätigkeiten, die mit der zahnärztlichen Betätigung der Beschwerdeführer eng zusammenhängen und dieser dienen. Solches Verhalten ist vom Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit umfasst (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>; 111, 366 <373>).

b) Die Gründe, auf die die Berufsgerichte ihre Entscheidung stützen, sind nicht geeignet, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.

aa) Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt (vgl. BVerfGE 94, 372 <389 f.>; 111, 366 <373>; stRspr). Darüber hinaus sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 7, 377 <405 f.>; 85, 248 <259>), also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

bb) Werbebeschränkende Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen sind hiernach nur verfassungsgemäß, sofern sie nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung untersagen (vgl. BVerfGE 71, 162 <174>; 85, 248 <257, 260 f.>). Für interessengerechte und sachangemessene, insbesondere das notwendige Vertrauensverhältnis zu Patienten nicht gefährdende Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss dagegen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. April 2004 - 1 BvR 649/04 -, NJW 2004, S. 2659; BVerfGK 6, 46 <49 f.>). Die Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus" für eine in einem Haus tätige zahnärztliche Gemeinschaftspraxis kann somit nicht als solche, sondern erst dann berufswidrig sein, wenn dies als irreführende oder als sachlich unangemessene Werbung einzustufen ist.

cc) Die Berufsgerichte haben in den angegriffenen Entscheidungen nicht in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise dargelegt, dass das Verhalten der Beschwerdeführer die Grenzen einer interessengerechten und sachangemessenen Information überschreitet.

(1) Das Berufsgericht verkennt schon dadurch, dass es die Berufswidrigkeit alleine auf die Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus" stützt, ohne die Frage der Irreführung oder sachlichen Unangemessenheit zu erörtern, die zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Auch seine begründungslose Gleichsetzung der Begriffe "Ärztehaus" und "Zahnärztehaus" bei der Subsumtion des Sachverhalts unter § 21 Abs. 4 BO a.F. genügt den grundrechtlichen Anforderungen nicht.

(2) Das Landesberufsgericht prüft zwar die Frage der Irreführung, bejaht diese aber nicht mit nachvollziehbaren und damit nicht mit verfassungsrechtlich tragfähigen Argumenten. Bedeutung und Tragweite der freien Berufsausübung erfordern die Nachvollziehbarkeit der fachgerichtlichen Bewertung einer Werbemaßnahme als berufswidrig (vgl. BVerfGE 111, 366 <380>).

(a) Bereits seine Annahme, ein "Zahnärztehaus" liege nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur vor bei einem Haus, in dem mehrere Zahnärzte "unabhängig voneinander" ihre Praxis ausübten, begründet das Gericht nicht in nachvollziehbarer Weise. Soweit es in dem Urteil vom 13. Oktober 2007, auf das es sich in den Gründen der angegriffenen Entscheidung bezieht, feststellt, bereits bei der Errichtung eines Gebäudes werde mit der Formulierung "Zahnärztehaus" um Mieter beziehungsweise Käufer geworben und Verwaltungsunternehmen böten zur Effizienzsteigerung verschiedene Dienstleistungen an, ergeben sich daraus gerade keinerlei Anhaltspunkte für die Art der gegenseitigen Rechtsbeziehungen der Zahnärzte, die dann später in einem solchen Haus tätig sind. Sonstige Belege dafür, dass üblicherweise lediglich ein Haus, in dem voneinander unabhängige Zahnärzte tätig sind, als Zahnärztehaus bezeichnet wird, nennt das Gericht nicht. Solche sind auch nicht zu erkennen.

(b) Auch, soweit sich das Landesberufsgericht auf den Begriff des "Ärztehauses" bezieht, genügt seine Begründung nicht den sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen. Es fehlt schon eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern das Vorhandensein mehrerer rechtlich unabhängiger Praxen überhaupt zum zwingenden Bedeutungsinhalt der Bezeichnung gehört. Im Übrigen wird nicht einmal ansatzweise erörtert, ob sämtliche Merkmale, die ein "Ärztehaus" ausmachen, auch für ein "Zahnärztehaus" begriffsbestimmend sind, obwohl eine undifferenzierte inhaltliche Gleichsetzung beider Bezeichnungen gerade nicht nahe liegend ist. Denn während es für einzelne Ärzte verschiedener Fachrichtungen durchaus Sinn macht, sich mit ihren unterschiedlichen Praxen in einem gemeinsamen Gebäude anzusiedeln, weil sie durch Nutzung gemeinsamer Einrichtungen (z.B. eines zentralen Empfangs) Kosten sparen können und die besondere Infrastruktur eines solchen Hauses (kurze Wege für den Patienten von einem Facharzt zum anderen) zudem Wettbewerbsvorteile bringen kann, dürfte eine solche räumliche Nähe bei rechtlich selbständigen Zahnarztpraxen in der Regel weit weniger vorteilhaft sein. Wie nämlich die Landeszahnärztekammer in ihrer Stellungnahme zu Recht angemerkt hat, sind Zahnärzte, selbst wenn sie eine Gebietsbezeichnung führen, von ihrer Ausbildung her Generalisten und damit typischerweise, anders als Fachärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, in überschneidenden Bereichen tätig, so dass sie in viel stärkerem Maße miteinander konkurrieren. Bereits deswegen dürfte bei Zahnärzten, die an einem gemeinsamen Ort praktizieren - was die Konkurrenzsituation zwangsläufig verstärkt - die Organisation als Gemeinschaftspraxis mit ihren Synergieeffekten und besseren Abstimmungsmöglichkeiten weit eher den Bedürfnissen entsprechen, als dies bei Ärzten verschiedener Fachgebiete der Fall ist. Auf diese strukturellen Unterschiede geht das Gericht mit keinem Wort ein.

(c) Noch weniger ersichtlich ist, dass - wie das Landesberufsgericht meint - mit dem Begriff "Zahnärztehaus" im allgemeinen Sprachgebrauch die Vorstellung verbunden sein könnte, es handele sich um eine Zusammenfassung aller Zahnärzte des Ortes nach Art einer Poliklinik. Dass der Bezeichnung ein solcher weiterer Bedeutungsgehalt zukommt, ist weder erkennbar noch vertretbar dargelegt worden. Gleiches gilt für die noch in der Entscheidung vom 13. Oktober 2007 geäußerte Vorstellung des Gerichts, der Ausdruck "Zahnärztehaus" enthalte die Behauptung, dieses Haus sei das "Kompetenzzentrum" des Ortes.

(d) Dass sich daraus, dass die Beschwerdeführer die Formulierung "Zahnärztehaus" in Verbindung mit dem geographischen Zusatz "I..." verwenden, die Gefahr einer Irreführung ergeben könnte, ist ebenfalls weder ersichtlich noch in den angegriffenen Entscheidungen nachvollziehbar dargetan. Es bestehen schon Bedenken, ob sich die Kombination beider Begriffe dahingehend interpretieren lässt, dass die Beschwerdeführer mit der Anfügung der Ortsbezeichnung für sich in Anspruch nehmen, das einzige Zahnärztehaus in I... zu betreiben. Selbst wenn man aber eine entsprechende Aussage aus der Verbindung der Ausdrücke ableitet, ist diese Behauptung nicht irreführend, denn es gibt in I... neben dem von den Beschwerdeführern betriebenen kein weiteres "Zahnärztehaus" - im Sinne eines Hauses, in dem eine Mehrzahl von Zahnärzten praktizieren - sondern nur eine weitere, von einem einzelnen Zahnarzt betriebene Praxis. Dagegen ist nicht erkennbar, dass - wie der Freie Verband Deutscher Zahnärzte e.V. befürchtet - die Beschwerdeführer mit der Benutzung der verbundenen Bezeichnungen zugleich behaupten, ihnen komme eine "Spitzenstellung" unter den Zahnärzten innerhalb des Ortes zu, oder dass die Begriffe suggerieren könnten, in I... gebe es sonst keine Zahnärzte. Einen derartigen weitergehenden Inhalt haben die Wörter - auch in ihrer Verknüpfung - nicht.

(e) Im Übrigen wird auch die pauschale Betrachtungsweise, die das Landesberufsgericht bei der Prüfung, ob eine Irreführung gegeben ist, an den Tag legt, den Erfordernissen des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. So fehlen jegliche Darlegungen dazu, inwiefern gerade das konkrete Verhalten der Beschwerdeführer, das Gegenstand des berufsgerichtlichen Verfahrens war (die Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus I..." im Rahmen des Internetauftritts und auf dem Briefkopf sowie die Nutzung der Internetadresse "www.zahnaerztehaus.de"), irreführend ist. Insbesondere geht das Gericht weder auf die spezifische Gestaltung der Internetseiten der Beschwerdeführer, auf denen die Begriffe "Zahnärztehaus" beziehungsweise "Zahnärztehaus I..." auftauchen, noch auf die Aufmachung des Briefkopfes ein. Die sich in diesem Zusammenhang aufdrängende Frage, wie ein durchschnittlicher Internetbenutzer über die rechtlichen Beziehungen der im "Zahnärztehaus I..." tätigen Zahnärzte getäuscht werden kann, wenn diese Beziehungen auf der gleichen Seite, auf der die Bezeichnung verwandt wird, im Einzelnen aufgeschlüsselt worden sind, bleibt damit unbeantwortet. Warum ein solcher Nutzer weiter annehmen sollte, über die auf der Internetseite genannten Personen hinaus praktizierten in dem Haus noch weitere Zahnärzte, erschließt sich ebenfalls nicht.

(f) Im konkreten Fall sind auf Grundlage des in den angefochtenen Entscheidungen festgestellten Sachverhalts auch keine Gründe des Gemeinwohls erkennbar, die es rechtfertigen könnten, zumindest der - außerhalb der Gemeinschaftspraxis stehenden - Beschwerdeführerin zu 6) die Benutzung der Formulierung "Zahnärztehaus" zu verbieten. Zwar ist eine solche Bezeichnung für eine Einzelpraxis in aller Regel irreführend, weil sie den - unzutreffenden - Eindruck erweckt, in dieser Praxis sei mehr als ein Zahnarzt tätig. Hinreichende Anzeichen dafür, dass die Beschwerdeführerin zu 6) den Ausdruck verwendet, um damit ihre Praxis allein zu bezeichnen, gibt es hier jedoch nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie den Begriff, zusammen mit den Beschwerdeführern zu 1) bis 5), für die gemeinsame Beschreibung aller in dem Haus tätigen Zahnärzte nutzt. Unter dieser Voraussetzung ist die Gefahr einer Irreführung nicht zu sehen und in den angegriffenen Entscheidungen auch nicht plausibel dargelegt worden.

(g) Inwieweit die Formulierung "Zahnärztehaus", über ihren reinen Wortlaut hinaus, bei einem durchschnittlich informierten und verständigen (potentiellen) Patienten zu der Annahme führt, es sei eine größere Anzahl an Zahnärzten mit besonderen Spezialisierungen vorhanden, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn man dem Begriff eine solche weitere Bedeutung zumisst, ist für eine Irreführung hier nichts ersichtlich, weil die Beschwerdeführer sowohl von ihrer Anzahl her als auch unter Berücksichtigung der zahnärztlichen Gebiete, die sie mit ihren Leistungen abdecken, diese weiteren Anforderungen erfüllen.

dd) Die Formulierung "Zahnärztehaus" für eine Mehrzahl von Zahnärzten, die in der Art und Weise, wie dies bei den Beschwerdeführern der Fall ist, gemeinsam in einem Gebäude tätig sind, ist auch sachlich angemessen, insbesondere weder marktschreierisch noch übertrieben anpreisend. Dass die Verwendung des Ausdrucks sonstige Gemeinwohlbelange verletzten könnte, ist ebenfalls nicht zu sehen und wird in den berufsgerichtlichen Entscheidungen auch nicht nachvollziehbar behauptet.

ee) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die berufsgerichtliche Verurteilung auch nicht in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise mit einem Verstoß gegen das allgemeine Verbot berufswidriger Werbung in § 21 Abs. 1 BO a.F. begründet werden kann.

2. Die berufsgerichtlichen Entscheidungen beruhen auf den festgestellten Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

Es erscheint angezeigt, gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG lediglich das Urteil des Landesberufsgerichts aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen. Das dient dem Interesse der Beschwerdeführer, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.

3. Da schon die Rüge des Art. 12 Abs. 1 GG durchgreift, kommt es auf die Frage, ob auch Verstöße gegen Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG vorliegen, nicht mehr an. Insbesondere ergeben sich aus diesen Grundrechten im konkreten Fall keine weitergehenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen als aus Art. 12 Abs. 1 GG.

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.









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