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Versendungskauf - Versandrisiko - Transportrisiko - Verbrauchsgüterkauf

Versendungskauf - Versandrisiko - Transportrisiko - Verbrauchsgüterkauf - versicherter Versand




Gliederung:


-   Einleitung
-   Allgemeines
-   "Versicherter Versand"
-   Unzulässige Rügepflicht - Rügefristen
-   "Ersatzzustellung" bzw. "alternative" Zustellung beim Nachbarn



Einleitung:


Während im gewerblichen Online- und Versandhandel das Risiko des unverschuldeten Verlusts der Ware (Transportrisiko) beim Käufer liegt, sobald der Verkäufer die Ware dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat, ist die Rechtslage beim gewerblichen Verkauf an Endverbraucher umgekehrt: Die Verlustgefahr trägt bis zur Ablieferung der Ware an den Käufer stets der Verkäufer.

§ 447 Abs. 1 BGB bestimmt:

   "(1) Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat."

Jedoch legen § 474 Abs. 4 und 5 BGB für den Verbrauchsgüterkauf fest:

   "(4) § 447 Absatz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung nur dann auf den Käufer übergeht, wenn der Käufer den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat.

(5) Auf die in diesem Untertitel geregelten Kaufverträge ist § 439 Absatz 4 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind. Die §§ 445 und 447 Absatz 2 sind nicht anzuwenden."

Angesichts dieser Regelung wird es von Gerichten als unlautere Werbung angesehen, wenn Online-Händler einen sog. "versicherten Versand" anbieten.




Jedoch ändert die Vorschrift des § 474 Abs. 5 BGB nichts daran, dass Erfüllungs- und Leistungsort der Sitz des Verkäufers bleibt. Geht also die versendete Ware auf dem Transportweg verloren, dann wird der Verkäufer von seiner Verpflichtung zur Leistung frei, verliert allerdings auch den Kaufpreisanspruch bzw. muss einen bereits vom Käufer gezahlten Kaufpreis zurückzahlen.

OLG Hamm (Urteil vom 24.05.2011 - 2 U 177/10):

   Die vor Einführung der Regelung des § 474 II 2 BGB beim Versendungskauf allein geltende Vorschrift des § 447 BGB, nach deren Absatz I die Gefahr übergeht, sobald der Verkäufer die Sache der mit der Versendung beauftragten Person übergibt, bewirkt, dass der Käufer den Kaufpreis trotz Verlust oder Beschädigung der Sache auf dem Transportweg voll bezahlen muss, Palandt/Weidenkaff, 70. Auflage 2011, § 447 BGB Rz. 17. Die Anordnung der Unanwendbarkeit der Vorschrift beim Verbrauchsgüterkauf durch § 474 II 2 BGB bewirkt, dass diese für den Käufer missliebige Folge beim Verbrauchsgüterkauf nicht eintritt, er also im Falle des Verlustes der Kaufsache auf dem Transportweg - in Fällen, in denen das wie hier zur Leistungsbefreiung des Verkäufers nach § 275 BGB führt - von seiner Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises frei wird, § 326 I BGB, bzw., wenn er schon gezahlt hat, ihm der Kaufpreis zurück zu erstatten ist, § 326 IV BGB.




Auch für den Fall der Rücksendung der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts (Retoure) gilt gem. § 355 Abs. 3 Satz 4 BGB:

   "Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren."

(Wenn in Entscheidungen von § 474 Abs. 2 BGB die Rede ist, muss beachtet werden, dass § 474 BGB in den Letzten Jahren mehrfach geändert wurde und die für das Transportrisiko entscheidende Regelung für den 'Verbrauchsgüterkauf nach Abs. 4 und 5 verschoben wurde.)

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Allgemeines:


OLG Köln v. 05.05.1995:
Wenn die Ware während des Transports untergeht (hier: Verlust), wird die Leistung unmöglich und der Käufer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ersatzweise übersandte Ware anzunehmen. Übersendet der Verkäufer gleichwohl unaufgefordert Ersatzware, finden die Grundsätze über die Zusendung unbestellter Waren Anwendung. - Dies gilt grundsätzlich auch im kaufmännischen Verkehr.l

BGH v. 16.07.2003:
Auch bei Geschäften im Versandhandel übernimmt der Verkäufer grundsätzlich keine Bringschuld. Handelt es sich um eine Gattungsschuld, beschränkt sich deshalb mit der Übergabe an die Transportperson die Schuld des Verkäufers im Sinne von § 243 Abs. 2 BGB auf die übergebene Sache. Geht die verkaufte Sache auf dem Versandweg verloren, so wird der Verkäufer gemäß § 275 Abs. 1 BGB a.F. von seiner Verpflichtung zur Leistung frei.

KG Berlin v. 16.11.2007:
Fehlt in einer Widerrufsbelehrung der Hinweis, dass das Risiko der Rücksendung vom Unternehmer zu tragen sind, dann entspricht dies nicht den gesetzlichen Vorschriften. Es ist aber davon auszugehen, dass eine in alle Einzelheiten gehende Darstellung der Rechtsfolgen des Widerrufs ihren Informationszweck verfehlt, weil sie der Verständnismöglichkeit und Auffassungsbereitschaft des durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Verbrauchers nicht mehr gerecht wird, sondern eine Überforderung beider Seiten darstellt. Ein Wettbewerbsverstoß liegt somit nicht vor.

OLG Hamm v. 24.05.2011:
Aus der Unanwendbarkeit des § 477 BGB beim Verbrauchsgüterkauf folgt nicht ohne weiteres, dass der Verkäufer einer Gattungsware bei deren Verlust auf dem Transportwege erneut zur Leistung verpflichtet ist.

LG Dresden v. 29.08.2014:
Gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB trägt der Verkäufer (hier der Kläger) das Risiko der Rücksendung. D.h., dass dieser dann zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet ist, auch wenn die Ware zwar zur Rücksendung aufgegeben wurde, tatsächlich aber bei ihm nicht angekommen ist. § 357 BGB setzt allerdings ein Verbrauchergeschäft voraus.

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"Versicherter Versand":


LG Nürnberg-Fürth v. 23.05.2006:
Die Verwendung einer Klausel in den AGB eines Onlineshops, wonach dem Kunden beim Versendungskauf eine Versicherungsprämie zur Abdeckung des Transportrisikos berechnet wird, ist unzulässig.

LG Saarbrücken v. 15.09.2006:
Es ist wettbewerbswidrig, wenn ein Internethändler dem Verbraucher neben dem unversicherten Versand noch einen teureren versicherten Versand anzubieten, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass er als Verkäufer in jedem Falle die Versandgefahr trägt.

LG Hamburg v. 18.01.2007:
Der verständige Verkehr versteht unter der Klausel "unversicherter Versand", dass keine weiteren Versicherungskosten für ihn anfallen. Im Hinblick darauf, dass dem Kunden für den Fall späterer Leistungsunfähigkeit des Versenders ein wirtschaftliches Risiko bewusst gemacht wird, ist ein solcher Hinweis nicht wettbewerbswidrig.

LG Trier v. 22.02.2007:
Sofern der Onlinehändler den Verbraucher auffordert, nach Widerruf die Ware wenn möglich nicht unfrei, sondern als versichertes Paket unter Verwendung einer schützenden Umverpackung zurückzusenden und den Einlieferbeleg aufzubewahren, erschwert er dem Verbraucher in wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Weise die Ausübung seines Widerrufsrechtes durch das Aufstellen gesetzlich nicht vorgesehener Anforderungen. Daran ändert auch die Formulierung der Anforderungen als Bitten nichts.

LG Hamburg v. 06.11.2007:
Es ist wettbewerbswidrig, beim Verkauf über eine Auktionsplattform gegenüber Verbrauchern mit den Worten "versicherter Versand" zu werben, ohne dabei die Höhe der Versicherungskosten getrennt von den Versandkosten anzugeben.

LG Bochum v. 10.02.2009:
Durch die ohne nähere Erläuterung aufgezeigte Möglichkeit des versicherten bzw. unversicherten Versands zu unterschiedlichen Preisen führt der Verfügungsbeklagte seine Kunden in die Irre (§ 5 UWG). Denn der Kunder wird davon ausgehen, der versicherte Versand, für den er einen höheren Betrag zu zahlen hat, brächte ihm Vorteile. Dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall, da der Unternehmer allein das Risiko des Versandes (§§ 474, 447 BGB) zu tragen hat.

LG Frankfurt am Main v. 08.11.2012:
Mit dem Anbieten von „unversicherter Versand” und „versicherter Versand”, wobei für den versicherten Versand ein höherer Preis gefordert wird, wirbt der Beklagte irreführend im Sinne der Regelung des § 5 UWG. Denn der Kunde wird davon ausgehen, dass der versicherte Versand, für den er einen höheren Betrag zu zahlen hat, ihm Vorteile brächte. Dies ist aber tatsächlich nicht der Fall, da der Unternehmer allein das Risiko des Versandes gemäß §§ 474, 447 BGB zu tragen hat.

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Unzulässige Rügepflicht - Rügefristen:


OLG Hamm v. 24.05.2012:
Ein Versandhändler handelt unlauter, wenn er bei Verkaufsangeboten gegenüber Verbrauchern in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelt, dass etwaige offensichtliche Mängel unverzüglich, spätestens jedoch zwei Wochen nach Übergabe des Kaufgegenstandes dem Anbieter gegenüber schriftlich anzuzeigen seien. Das Auferlegen einer solchen Rügepflicht weicht zu Lasten des Verbrauchers von den gesetzlichen Regelungen ab und verstößt damit gegen § 307 Abs. 1 BGB und § 475 BGB. Im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes darf der Unternehmer mit dem Verbraucher keine Vereinbarung treffen, die geeignet sei, die gesetzlichen Gewährleistungsrechte wie § 437 BGB einzuschränken.

BGH v. 31.05.2012:
Die Bestimmungen des § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB über den Gewährleistungsausschluss, des § 477 Abs. 1 BGB über die Garantieerklärung und der §§ 312c, 355 BGB über die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen sind Marktverhaltensregelungen. Vom Gewährleistungsrecht abweichende Reklamationspflichten und Rügefristen sind unzulässig.

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"Ersatzzustellung" bzw. "alternative" Zustellung beim Nachbarn:


OLG Düsseldorf v. 14.03.2007:
Ein Frachtführer darf das Frachtgut nicht anstelle des bestimmungsgemäßen Empfängers bei einem Nachbarn abliefern. Eine Klausel in Beförderungsbedingungen, die "Ersatzzustellung" bzw. eine "alternative" Zustellung an einen Nachbarn zulässt, ist unwirksam, weil die Zustellung an einen Dritten nach Wahl des Frachtführers die berechtigten Interessen des jeweiligen Vertragspartners missachtet.



LG Köln v. 18.08.2010:
Eine Klausel in den AGB eines Postpaketbeförderers, wonach eine Paketsendung, für die nicht ausdrücklich persönliche Aushändigung vorgeschrieben wird, bei Nichtantreffen des Empfängers an empfangsbereite Hausbewohner oder Nachbarn abgeliefert werden darf, ist nicht nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam, weil sie unter Berücksichtigung der Interessen des Sendungsempfängers weder gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung noch gegen das Transparenzgebot verstößt.

OLG Köln v. 02.03.2011:
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Eine Klausel, wonach die Zustellung von über das Internet bestellten Waren auch an Hausbewohner oder Nachbarn zulässig ist, ist deshalb unwirksam. Die verwendeten Begriffe "Hausbewohner" und "Nachbar" sind zu unbestimmt.

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