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OLG Hamm Urteil vom 19.03.2009 - 4 U 200/08 - Zur wettbewerbswidrigen Werbung mit dem Versprechen der Kaufpreiserstattung bei Europameistertitel

OLG Hamm v. 19.03.2009: Zur wettbewerbswidrigen Werbung mit dem Versprechen der Kaufpreiserstattung bei Europameistertitel


Das OLG Hamm (Urteil vom 19.03.2009 - 4 U 200/08) hat entschieden:
Eine Werbeaktion mit dem Versprechen, im Fall des Gewinns der Europameisterschaft durch die deutsche Handball-Nationalmannschaft den Kaufpreis für die Anschaffung von Möbeln und/oder Küchen während einer bestimmten Woche zu erstatten, ist wettbewerbswidrig, weil sie den Verbraucher zur Anschaffung höherpreisiger Waren verleitet, ohne dass ihm die Kürze der Zeit für die Werbeaktion ermögliche, sich ausreichend über das Angebot des Verkäufers durch Vergleiche mit anderen Anbietern zu informieren.




Siehe auch Werbung mit einer Alleinstellung - Spitzenstellung und Stichwörter zum Thema Werbung


Zum Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin warb in der Ausgabe des X von I am 3. Juni 2008 wie folgt:
„8 Tage lang alle Möbel und Küchen gratis, wenn wir Europameister werden! Wir garantieren: Für alle Einkäufe an diesen 8 Tagen zahlen wir den Kaufpreis komplett zurück, wenn die deutschen Herren-Fußball-Nationalmannschaft bei der EM 2008 Europameister“
Der Antragsteller hat mit näheren Ausführungen gemeint, die Werbung verstoße gegen §§ 4 Nr. 1 und 6 UWG. Die Antragsgegnerin koppele unter Verstoß gegen § 4 Nr. 6 UWG die Teilnahme an einem Gewinnspiel an einen Möbelkauf und damit an die Inanspruchnahme einer entgeltlichen Leistung. Der mögliche Gewinn sei nicht unmittelbar an die vertragliche Kaufpreiszahlung gekoppelt. Der von dem Angebot ausgeübte aleatorische Reiz übe einen völlig unangemessenen Einfluss auf die vom Käufer zu treffende Kaufentscheidung aus. Insofern seien auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 UWG erfüllt.

Auf Antrag des Antragstellers vom 19. Juni 2008 hat das Landgericht durch Beschluss vom 20. Juni 2008 im Wege der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin aufgegeben, diese Werbung zu unterlassen und die Veranstaltung tatsächlich durchzuführen.

Gegen diese Beschlussverfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Die Antragsgegnerin war der Ansicht, dass die Voraussetzungen des eng auszulegenden § 4 Nr. 6 UWG nicht erfüllt seien. Ein Gewinnspiel und ein gar mit einem Umsatzgeschäft gekoppeltes Gewinnspiel sei nicht gegeben. Es fehle ein vom Umsatzgeschäft getrenntes Gewinnspiel. Schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe eine unmittelbare Auswirkung des möglichen Gewinns auf die vertragliche Gegenleistung, den Kaufpreis, bestanden. Insofern komme es nicht auf den Eintritt der Gewinnsituation an, sondern auf den Zeitpunkt der Veranstaltung des Gewinnspiels. Während des Aktionszeitraums hätten Verkäuferin und Käufer vereinbart, dass der Kaufpreis Null betragen sollte, falls die deutsche Nationalmannschaft Fußballeuropameister werden sollte. Sollte sie dies nicht schaffen, sollte es bei der Kaufpreiszahlungspflicht des Käufers verbleiben. Damit liege ein Fall des § 159 BGB vor.

Selbst wenn man den Tatbestand des § 4 Nr. 6 UWG als erfüllt ansehen wollte, sei der Unterlassungsanspruch nicht begründet. Die im Verhältnis zur Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken strengeren Bestimmungen des nationalen Gesetzgebers könnten nicht aufrechterhalten werden.

Das Landgericht hat auf Antrag der Antragstellerin durch Urteil vom 4. September 2008 die Beschlussverfügung aufrechterhalten.

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Berufung blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Landgericht hat der Antragsgegnerin die Bewerbung und Durchführung der beanstandeten Verkaufsaktion zu Recht untersagt.

Der Verbotsantrag des Antragstellers ist hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Denn er erfasst als konkrete Verletzungsform die in die Beschlussverfügung auch ausdrücklich aufgenommene Werbeanzeige der Antragsgegnerin vom 30. Juni 2008 und die dort beworbene Verkaufsaktion für die Zeit vom 30. Mai bis 7. Juni 2008.

Der Verfügungsgrund folgt aus § 12 Abs. 2 UWG. Die dort statuierte Dringlichkeitsvermutung ist vorliegend nicht widerlegt. Der Verfügungsantrag, mit dem die Anzeige vom 3. Juni 2008 angegriffen wird, ist am 20. Juni 2008 bei Gericht eingegangen, also innerhalb der Frist eines Monats, die der Senat regelmäßig dem Gläubiger zugesteht, um die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG zu wahren.

Der Verfügungsanspruch folgt vorliegend allerdings nicht aus §§ 8, 3, 4 Nr. 6 UWG. § 4 Nr. 6 UWG a.F. wie n.F. ist vorliegend nicht einschlägig. Es geht nicht darum, dass die Antragsgegnerin die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder einem Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht hat. Es liegt nämlich kein von der Ware getrenntes Gewinnspiel vor. Der Gewinn besteht im Erlass des Preises für die gekaufte Ware. Dass der Käufer in Vorlage treten muss und den Preis lediglich erstattet bekommt, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft Europameister geworden wäre, steht dem Merkmal der Unmittelbarkeit nicht entgegen ( BGH Urteil vom 19. April 2007 Az. I ZR 57/05 150 % Zinsbonus). Die Anwendung des § 4 Nr. 6 UWG erfordert danach die Teilnahme an einem von der angebotenen Ware oder Dienstleistung getrennten Gewinnspiel. Vorliegend handelt es sich dagegen lediglich um ein besonderes Verfahren der Preisgestaltung.

Der Verfügungsanspruch folgt hier aber aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3; 4 Nr. 1 UWG a.F. wie n.F. Danach handelt unlauter i.S.v. § 3 UWG, wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen.

Die funktionelle Zuständigkeit des Senates für eine Entscheidung des Verfahrens unter diesem Gesichtspunkt der unsachlichen Kundenbeeinflussung nach § 4 Nr. 1 UWG ist vorliegend gegeben. Denn der Antragsteller hat sich schon in seiner Antragsschrift auf diesen Unlauterkeitsgesichtspunkt bezogen. Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin hat auch das Landgericht in seiner Beschlussverfügung zur Begründung seines Verbotes ausdrücklich auf § 4 Nr. 1 UWG abgestellt. Der Antragsteller ist als rechtsfähiger Verband zur Förderung der Interessen des Einzelhandels auch klagebefugt nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG.

Zu Recht hat das Landgericht hier in der beanstandeten Verkaufsaktion auch einen unangemessenen unsachlichen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher angenommen, § 4 Nr. 1 UWG.

Allein der aleatorische Charakter des Preiserlasses reicht zwar nicht aus, um die Unlauterkeit zu begründen. Ob der Wettbewerber um den Rabatt würfeln lässt, oder ob er sonstige Unwägbarkeiten bei der Preisgestaltung einbaut, all dies allein kann die Unlauterkeit der Preisgestaltung nicht begründen (BGH a.a.O. 150 % Zinsbonus; BGH GRUR 2004, 249 – umgekehrte Versteigerung im Internet; Fezer UWG § 4 – 1 Rz. 136; Piper/Ohly UWG § 4 Rz. 1/134). Es muss vielmehr durch die beanstandete Werbeaktion mit ihren aleatorischen Reizen die Rationalität der Kaufentscheidung beeinträchtigt sein ( OLG Hamm GRUR 2006, 86; Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG § 4 Rz. 1.35). Damit kann allein der Umstand, dass der Werbende unter bestimmten Umständen den Preis für die gekaufte Ware sogar ganz erlässt, eine unzulässige Anlockwirkung in Form der unangemessenen unsachlichen Einflussnahme i.S.d. § 4 Ziff. 1 noch nicht begründen. Es müssen vielmehr noch besondere Umstände hinzutreten, um eine unzulässige Anlockwirkung annehmen zu können. Diese besonderen Umstände können sich allerdings wechselseitig verstärken bzw. schwächen.

Dabei ist im vorliegenden Zusammenhang zunächst einmal zu beachten, dass sich der Preisnachlass auch auf hochwertige Waren bezieht. In der beanstandeten Verkaufsaktion wird kein Unterschied hinsichtlich der Waren gemacht, für die der Preiserlass gelten soll oder nicht. Bei dem Möbelangebot der Antragsgegnerin gibt es aber auch hochwertige Waren, bei denen sich der Kaufpreis leicht auf 10 000,00 € und mehr aufsummieren kann. Das gilt etwa für Wohnzimmereinrichtungen, wie auch für Kücheneinrichtungen. Angesichts des vollständigen Preiserlasses auch für solche hochwertigen Waren geht von der Verkaufsaktion der Antragsgegnerin eine solch große Anlockwirkung aus, dass an die weiteren Anforderungen, um zu einer unangemessenen Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Kunden zu kommen, geringere Maßstäbe angelegt werden können.

Dies gilt allerdings nicht für die Transparenz der Erlassbedingung. Denn dieser Preiserlass hängt allein davon ab, ob Deutschland Europameister geworden wäre oder nicht. Das kann der Verbraucher leicht nachvollziehen und feststellen. Von daher sind die Entscheidungsgrundlagen für den Verbraucher, ob er sich zum Kauf bei der Antragsgegnerin entschließen soll, klar und deutlich festgelegt.

Es besteht aber die Motivation zum Kauf einer höherwertigeren Ware. Der versprochene Preiserlass wird Käufer dazu bewegen, vielleicht doch etwa eine höherwertigere Polstergarnitur zu wählen als die, die sie gekauft hätten, wenn sie auf jeden Fall die Garnitur selbst hätten bezahlen müssen.

Es kommt hinzu, dass ein Käufer im Hinblick auf den möglichen Preiserlass geneigt sein wird, Käufe vorzuziehen, die er sonst erst später beabsichtigt hätte, dass er also nicht nur etwa die neue Polstergarnitur kauft, sondern auch gleich die passende Bücherwand dazu, obwohl die alte Bücherwand noch ihre Dienste tut.

Es kommt ferner hinzu, dass es nicht um eine Vergünstigung geht, die von vornherein nur wenigen Kunden zugute kommt, wie etwa dann, wenn ein Preiserlass unter wenigen Glücklichen verlost wird.

Wenn Deutschland Europameister geworden wäre, hätte jeder den Preiserlass erhalten. Dies macht die vorliegende Auslosung für den Kunden attraktiver und schiebt seine rationale Kaufentscheidung eher beiseite als eine Verlosung, bei der von vornherein zweifelhaft ist, ob man zu den glücklichen Gewinnern zählt.

Vor allem kommt hier aber der Zeitdruck hinzu, unter den der Kunde gesetzt wird (vgl. BGH a.a.O. umgekehrte Versteigerung im Internet; OLG Hamm GRUR 2006, 86 – Sonntagsrabatt; Piper/Ohly UWG § 4 Rz. 1/87; Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG § 4 Rz. 1.95).

Die Aktion selbst war auf eine gute Woche befristet, nämlich von Freitag den 30. Mai bis Samstag den 7. Juni 2008. Das Geschäftslokal der Antragsgegnerin liegt in C2, so dass für den Kunden Vergleichsgeschäfte von C. bis E. und N. interessant sind. Um sich gerade auch bei umfangreicheren Anschaffungen (Wohnzimmer; Schlafzimmereinrichtung; Küche) einen zuverlässigen Angebotsüberblick zu verschaffen, ist diese Zeitspanne recht knapp bemessen, zumal man in der Regel jedenfalls unter der Woche nicht unbeschränkt Zeit hat, um sich nach Möbeln umzuschauen und Preisvergleiche anzustellen. Hier kommt hinzu, dass die beanstandete Anzeige sogar erst am Dienstag, den 3. Juni erschienen ist, also mitten während der Laufzeit der Aktion. Dies wird auch noch dadurch gesteigert, dass in der Werbeanzeige von einem großen Ansturm auf das Geschäft der Antragsgegnerin berichtet wird. Es wird mit der Überschrift und den Begriffen „die Sensation“ und „einmalige Möglichkeit“ dem Käufer ein Besuch bei der Antragsgegnerin dringend nahegelegt, wenn er nicht Geld verschenken will.

Diese fehlende ausreichende Zeit, um sich in Muße über die verschiedenen Angebote für den beabsichtigten Möbelkauf zu orientieren, in Verbindung mit dem verlockenden Preiserlass unter nicht unwahrscheinlichen Bedingungen reicht hier aus, um ein durchschlagendes irrationales Moment i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG bei der Kaufentscheidung des Käufers zugunsten der Antragsgegnerin anzunehmen. ..."










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