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Amtsgericht Hamburg-Barmbek Urteil vom 03.12.2003 - 811B C 61/03 - Zum Ausschluss einer Irrtumsanfechtung bei zu niedriger Preisangabe und Verneinung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Bestellers

AG Hamburg-Barmbek v. 03.12.2003: Zum Ausschluss einer Irrtumsanfechtung bei zu niedriger Preisangabe und Verneinung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Bestellers


Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek (Urteil vom 03.12.2003 - 811B C 61/03) hat entschieden:
  1. Wenn ein Internethändler dem Kunden die Annahme der Bestellung mit einer E-Mail-Lieferbestätigung erklärt, ist der Kaufvertrag wirksam zu Stande gekommen.

  2. Eine versehentliche zu niedrige Preisangabe im Internetangebot berechtigt den Internethändler nicht zur Anfechtung des Vertrages. Auch ist das Erfüllungverlangen des Bestellers nicht rechtsmissbräuchlich.

  3. Es entspricht herrschender Meinung, dass der Anfechtende zu Wahrung der vom Gesetz verlangten Unverzüglichkeit alle Anstrengungen zu unternehmen hat, damit die Anfechtungserklärung schnellstmöglich dem Erklärungsempfänger zugehen kann. Dem genügt eine Anfechtung zehn Tage nach der Bestellbestätigung nicht.



Siehe auch Vertragsabschluss im Internet - Zustandekommen von Onlineverträgen und Preisanfechtung


Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Lieferung von 3 mitnehmbaren Fernsprecheinrichtungen (sogenannte Handys). Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Unter dem 15.03.2003 informierte sich der Kläger auf der Online-Seite, welche die Beklagte im Internet vorhält und auf welcher diese Produkte zum Verkauf anbietet, welche sie als Versandhändlerin anbietet. Dem Kläger fiel ein sogenanntes NOKIA-Handy Typ 7650 auf, welches zu einem Preis von 14,95 EUR ohne Abschluss eines Vertrages über Telefonleistungen angeboten wurde. Der ursprüngliche Preis in Höhe von 699,00 EUR war dem gegenüber durchgestrichen.

Der Kläger entschied sich zum Erwerb von 3 der angebotenen Handys und wählte dieses zum Erwerb auf der Online-Seite der Beklagten aus. Im anschließend erscheinenden Fenster Bestellschein hatte er verschiedene Daten einzugeben, wie beispielsweise seine Kundennummer und den gewünschten Artikel. Er wurde sodann gefragt, welche Liefer- und Zahlungsdienste er wünsche oder ob er diese ändern wolle. Sodann wurde das Einholen einer Lieferauskunft angeboten. Diese verlangte der Kläger, so dass auf seinem Bildschirm die Auskunft: "Normalservice an Kontoanschrift, lieferbar, kommt in einer Woche" erschien. Das Gerät forderte dann dazu auf "jetzt bestellen" zu drücken, was der Kläger tat. Dann wurde gefragt, ob dieser eine Bestätigung seiner Bestellung per E-Mail erhalten wolle. Dieses bejahte der Kläger, worauf hin er eine Bestätigung der Lieferung der drei Handys innerhalb einer Woche an seine Anschrift per Mail von der Beklagten erhielt; wegen weiterer Einzelheiten dieser E-Mail wird Bezug genommen auf die als Anlage zur Klagschrift vom 22.05. eingereichte Kopie der Mail vom 15.03.2003.

Der Kläger erhielt die bestellten Geräte nicht, weil die Beklagte mit Schreiben vom 25.3.2003 wegen eines Irrtums über den Preis den Vertrag angefochten hat.

Der Kläger ist der Ansicht, dass seine Bestellung wirksam sei und auch nicht durch Anfechtung erloschen. Er habe keine nicht ernst gemeinte Erklärung abgeben wollen, sondern gerade ernsthaft den Erwerb der 3 Geräte gewünscht. Auch könne sich die Beklagte nicht wirksam auf eine Anfechtung berufen, weil ihr kein Anfechtungsgrund zur Seite stehe und diese im übrigen zu spät erfolgt sei. Schließlich gebe es auch keine Gründe dafür, dass sein Verhalten treuwidrig sei.

Der Kläger beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3 NOKIA-Handys Typ NOKIA 7650 ohne Vertrag Zug um Zug gegen Bezahlung von 44,95 EUR zu übergeben und zu übereignen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass es schon keinen wirksamen Vertragsschluss gegeben habe. Der Erwerbsweg hier unterscheide sich nicht vom Kauf nach Katalog, bei dem auch eine Willenserklärung gerichtet auf Annahme der von Kunden geschickten Bestellung erst mit der Absendung der bestellten Ware gegeben sei. Die abgegebene Lieferbestätigung per E-Mail stelle keine Willenserklärung dar, weil sie lediglich ein Datenabruf durch den Erwerber sei.

Im übrigen könne sie auch die Willenserklärung anfechten, weil sie sich über eine wesentliche Eigenschaft geirrt habe, nämlich die falsche Preisauszeichnung. Sie habe nach der Bestellung vom 15.03.2003 die Anfechtung erst unter dem 25.03.2003 erklären können, weil die elektronische Datenverarbeitung vorher nicht in der Lage gewesen sei, die entsprechenden Kundendaten herauszusuchen.

Im übrigen gehe sie davon aus, dass die Erklärung des Klägers nicht ernst gemeint gewesen sei, weil alle übrigen auf ihrer Internetseite angebotenen Handys ohne Vertrag deutlich teurer seien. Dieses habe auch der Kläger erkennen müssen, weshalb zumindest sein Festhalten an einer etwaigen Willenserklärung treuwidrig sei und gegen § 242 BGB verstoße.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung der 3 Telefongeräte gemäß § 433 Abs. 1 BGB zu.

Es ist nach Auffassung des Gerichts nämlich zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen, der nicht nichtig ist und auch nicht durch Anfechtung beseitigt wurde. Die Berufung des Klägers auf die Erfüllung der vertraglichen Pflichten verstößt nach Auffassung des Gerichts auch nicht gegen § 242 BGB.

Unstreitig hat der Kläger das gemäß §§ 145 ff. BGB notwendige Angebot zum Abschluss eines Vertrages mindestens dadurch abgegeben, dass er den Bestellvorgang auf der Internetseite der Beklagten mit den erforderlichen Daten über ihn als Vertragspartner und den gewünschten Kaufgegenstand ausgefüllt hat und dann den "jetzt bestellen"-Knopf gedrückt hat. Dieses Angebot ist der Beklagten ebenfalls unstreitig zugegangen. Sie hat es auch entgegen der von ihr geäußerten Rechtsansicht wirksam angenommen. Wenn die Beklagte nämlich in ihrem Online-Shop die Möglichkeit anbietet, eine Lieferauskunft abzufragen, die auch noch durch erneutes Übersenden einer E-Mail bestätigt wird, kann nach §§ 133, 157 BGB diese Erklärung bei dem Erklärungsempfänger nur so verstanden werden, dass damit der Vertrag angenommen also geschlossen worden ist. Dieses ergibt sich daraus, dass der Inhalt der Bestätigungs-E-Mail so eindeutig ist, dass dieser nur als Vertragsschluss gewertet werden kann. Wenn die Beklagte nämlich angibt, dass die vorrätigen Gegenstände innerhalb von einer Woche an den Kunden geliefert werden, also die Erfüllung der sich aus § 433 Abs. 1 BGB ergebenden Vertragspflichten in Aussicht stellt, muss der zwingende Schluss lauten, dass man nur die Erfüllung der Vertragspflichten bestätigen kann, wenn ein Vertrag auch zustande gekommen ist und daraus sich erst die Vertragspflichten ergeben. Anderenfalls würde die Bestätigungs-E-Mail der Beklagten überhaupt keinen Sinn machen, denn wenn die Beklagte sich nicht verpflichtet gefühlt hätte, die bestellten Gegenstände zu liefern, hätte sie auch nicht bestätigen müssen, dass und innerhalb welchen Zeitraumes sie die gewünschten Gegenstände wohin liefern wird.

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt dieser Fall auch nicht so wie beim üblichen Versandhandel, wo in der Tat nach ständiger Meinung die Annahmeerklärung erst in dem Fertigmachen der ausgesonderten Ware zur Absendung liegt. Bei der üblichen Bestellung im Versandhandel weiß der Besteller nämlich, dass eine Bestätigung des Versandhauses gerade nicht abgeschickt wird. Er erfährt erst von der Annahmeerklärung, wenn das Paket mit den gewünschten Gegenständen ankommt bzw. von einer fehlenden, wenn kein Paket eingeht. Da aber die Beklagte ausdrücklich eine Bestätigung ihrer Bestellung anbietet, muss sie sich auch daran festhalten lassen, dass diese als Annahmeerklärung verstanden werden muss. Dieses läge genauso, wenn die Beklagte ausnahmsweise bei schriftlichen Bestellungen im Versandverkehr vor der Absendung der Ware beispielsweise mittels Postkarte eine schriftliche Bestätigung der Lieferung absenden würde. Auch in diesem Fall läge der Vertragsschluss nämlich bereits in dem Absenden der Bestätigungskarte und nicht erst in dem Fertigmachen der Ware zur Versendung.

Die Erklärung des Klägers gerichtet auf Abschluss eines Kaufvertrages ist auch wirksam gewesen und nicht im Sinne von § 118 BGB nichtig. Eine sogenannte Scherzerklärung liegt vor, wenn vom Erklärenden erwartet wird, dass der Empfänger die abzugebende Willenserklärung gerade nicht ernst werde (vgl. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB 61. Auflage, § 118, Rd.-Nr. 2 mit weiteren Nachweisen). Hier aber gerade lag es nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers so, dass er eben gerade erwartete, dass die Beklagte die Erklärung ernst nehme und ihm die gewünschten Geräte übersenden werde.

Es steht auch § 312 e Abs. 1 Nr. 3 BGB der Einordnung der Erklärung der Beklagten als Annahmeerklärung nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass darin geregelt ist, dass im elektronischen Geschäftsverkehr dem Kunden unverzüglich eine Bestätigung des Zugangs seiner Bestellung zu übermitteln ist, als welches man die Bestätigungs-E-Mail der Beklagen ansehen könnte. Dagegen spricht allerdings, dass diese Bestätigung nicht automatisch versandt wird, sondern nur auf Wunsch des Kunden. Dieses mag jedoch dahingestellt bleiben, weil auch den Gesetzesmaterialien zur Entstehung von § 321 e nicht zu entnehmen war, dass die Bestätigungserklärung nicht einhergehen darf mit der Annahmeerklärung. Dagegen spräche im übrigen auch, dass dadurch die Abwicklung elektronischen Geschäftsverkehrs überaus und unnötig kompliziert werden würde.

Die Beklagte kann sich auch nach Auffassung des Gerichts nicht im Wege der Anfechtung von dem einmal geschlossenen Vertrag wieder lösen. Es erscheint schon fraglich, ob überhaupt ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum auf Seiten der Beklagten hinsichtlich ihrer Annahmeerklärung vorliegt. Da nämlich nach dem eigenen Vortrag der Beklagten die fälschliche Preisauszeichnung in ihrem Hause durch Verwechslung von Bestellnummern erfolgt ist, liegt der eigentliche Irrtum nicht so sehr in der Annahmeerklärung, sondern vielmehr in der vorliegenden invitatio at offerendum als welche man die Einstellung der entsprechenden Artikel in die Seite ihres Online-Shops anzusehen hat. Selbst wenn man aber mit Teilen der Literatur ein Fortwirken des Irrtums bei Abgabe der invitatio at offerendum auf die Annahmeerklärung annehmen will, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Der Beklagten bleibt der Erfolg ihrer Anfechtung nämlich wegen § 121 Abs. 1 BGB versagt. Die unter dem 25.3.2003 erklärte und per Brief versandte Anfechtungserklärung der Beklagten ist nämlich nicht unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 BGB gewesen. Es entspricht herrschender Meinung, dass der Anfechtende zu Wahrung der vom Gesetz verlangten Unverzüglichkeit alle Anstrengungen zu unternehmen hat, damit die Anfechtungserklärung schnellstmöglich dem Erklärungsempfänger zugehen kann (vgl. Palandt-Heinrichs, § 121 Rd.-Nr. 3 f). Damit darf man erwarten, dass in einem Großunternehmen wie dem der Beklagten Vorkehrungen getroffen werden, dass Daten von Kunden, die Waren bestellt haben schnellstmöglich beschafft werden können. Eine so lange Dauer, wie sie sich bei den Abläufen im Hause der Beklagten ergeben hat, kann diesen erforderlichen Anstrengungen nicht genügen. Nach herrschender Meinung müssen Zögerungen immer zu Lasten des Erklärenden gehen (Palandt-Heinrichs, a. O.). Im übrigen war die Erklärung der Beklagten aber auch deshalb nicht unverzüglich, weil sie auch bei Abgabe der selben sich nicht um schnellstmögliche Übermittlung bemüht hat. Die Beklagte kannte die E-Mail-Anschrift des Klägers, entschied sich aber gleichwohl für die Übersendung der Anfechtungserklärung durch Brief. Auch hier hat sie nicht die schnellstmögliche Übermittlungsart gewählt, sodass sie nicht unverzüglich handelte.

Das Gericht ist des weiteren der Auffassung, dass das Handeln des Klägers auch nicht rechtsmissbräuchlich ist. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bei näherem Besehen der Internetseite mit den zahlreichen angebotenen Handys festzustellen ist, dass alle anderen Geräte ohne Vertragsbindung deutlich teurer sind und im übrigen Zubehörartikel wie eine Tragetasche zum Aufbewahren des Handys 699,00 EUR kosten sollen. Allerdings begründet das noch nicht rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers, denn selbst wenn diesem – was nicht vorgetragen ist – diese Preise und die auffallenden Unterschiede aufgefallen sein sollten, ist die Abgabe einer auf Erwerb der billigen Geräte gerichteten Willenserklärung nicht rechtsmissbräuchlich. Dem Gericht ist aus eigener Sachkunde bekannt, dass in Zeiten besonders starken Wettbewerbs – wie zur Zeit – Preisgestaltungen nicht immer für den Kunden nachvollziehbar sind. Das beginnt schon mit zahlreichen Sonderpreisaktionen hinsichtlich Geräten der Telekommunikation und Unterhaltungselektronik, die fast täglich als Beilagen in den Tageszeitungen liegen. Auch dort finden sich häufig Geräte, die lange Zeit zu hohen Preisen angeboten wurden, plötzlich zu erheblich reduzierten Preisen, bei denen der Verbraucher sich fragen wird, wie die Preisgestaltung möglich ist, diese aber gleichwohl von den Anbietenden ernst gemeint ist. Gerade wenn aber beim heutigen Wirtschaftsleben die Preisgestaltung für den Kunden nicht mehr nachvollziehbar ist, kann es auch nicht rechtsmissbräuchlich sein, sich auf ein besonders günstiges Angebot – wie hier das der Beklagten – zum Abschluss eines Vertrages zu entschließen.

Auch die erheblichen Unterschiede zwischen dem Erwerb von Handys mit Vertrag und Handys ohne Vertrag und dem Preis der Handytasche begründen keinen Rechtsmissbrauch. Zwar sind diese Unterschiede in der Tat auffallend, jedoch ist auch hier dem Gericht bekannt, dass es immer wieder Fälle im Wirtschaftsleben gibt, wo beispielsweise der Erwerb von 5 Stücken Backwerk günstiger angeboten wird als der Erwerb von 4 Stücken des selben Backwerks. Wenn schon in diesem alltäglichen Bereich heute Preisgestaltung für Kunden nicht mehr nachvollziehbar ist, so kann es durchaus möglich sein, dass aus geschäftsinternen Gründen (z. B. Lagerräumung) die angebotenen Geräte günstig abgegeben werden, womöglich unter Einstandspreis, was häufig in der Presse zu lesen ist.

Auch aus dem Umstand, dass der Kläger nicht nur ein einziges Gerät, sondern gleich 3 Geräte bestellt hat erkennt das Gericht kein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Da durchaus denkbar ist, dass er diese im Familien- oder Freundeskreis weitergeben möchte, hält das Gericht derartige Fürsorge für andere für vollkommen nachvollziehbar, gerade wenn es um die Wahrnehmung eines so günstigen Angebotes geht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.



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