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OLG Brandenburg Urteil v. 13.06.2006 - 6 U 121/05 - Erreichen der Anbieterinformationen und der Widerrufsbedingungen durch Scrollen ist unzulässig

OLG Brandenburg v. 13.06.2006: Erreichen der Anbieterinformationen und der Widerrufsbedingungen durch Scrollen ist unzulässig


OLG Brandenburg (Urteil vom 13.06.2006 - 6 U 121/05) hat entschieden:

   Es stellt einen Wettbewerbsverstoß dar, wenn über die nach § 312 c BGB i.V.m. § 1 BGB-InfoVO erforderlichen Informationen (nämlich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen) lediglich so informiert wird, daß diese Angaben bei einer Bildschirmauflösung von 768 x 1024 Bildpunkten erst nach Scrollen durch mehrere Bildschirmseiten, durch Anklicken eines Links mit der Bezeichnung „Impressum„ bzw. „Widerruf„, woraufhin man auf eine Shop-Seite gelangt, auf der man einen weiteren Link mit der Bezeichnung „Impressum„ bzw. „Widerruf„ klicken muß, erreichbar sind.




Siehe auch Stichwörter zum Thema Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen und Webseitengestaltung - Webdesign


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Verfügungsklägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte im tenorierten Umfang aus §§ 8 I, III Nr. 1; 3; 4 Nr. 11; 2 I Nr. 3 UWG i.V.m. § 6 TDG bzw. § 312 c I 1 BGB i.V.m. § 1 I BGB-InfoVO zu.

1. Die Verfügungsklägerin ist Mitbewerberin der Verfügungsbeklagten i.S.d. § 2 I Nr. 3 UWG und mithin klagebefugt nach § 8 III Nr. 1 UWG. Die Verfügungsklägerin hat mit der Vorlage von Ausdrucken ihres Internetauftrittes und der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 26.9.2005 und jedenfalls nach der anwaltlichen Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9.5.2006, wonach sie in ihrem Markt in großem Umfang Sanitärartikel, Armaturen, Waschbecken etc. verkauft, hinreichend glaubhaft gemacht, daß sie auch Sanitärartikel verkauft. Sie steht damit in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Verfügungsbeklagten, die per Internet ihre Waren in ganz Deutschland vertreibt.

2. Der Verfügungsklägerin steht ein Verfügungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 6 TDG, 312 c I 1 BGB i.V.m. § 1 I Nr. 10 BGB-InfoVO zu. Die Verfügungsbeklagte hat unlauter i.S.d. § 3 UWG gehandelt, weil sie ihren Informationspflichten aus § 6 TDG bzw. § 312 c I 1 i.V.m. § 1 I BGB-InfoVO zuwider gehandelt hat und es sich hierbei um Bestimmungen handelt, die im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regeln (§ 4 Nr. 11 UWG).

a) § 6 TDG und § 312 c I 1 BGB sowie § 1 I BGB-InfoVO sind dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das gilt für die nach § 312 I 1 BGB und § 1 I BGB-InfoVO vorgeschriebene Belehrung über das Widerrufsrecht der Verbraucher zu deren Schutz (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., Rn. 11.170 zu § 4 UWG m.w.N.). Das gilt hier auch für die Vorschriften zur Angabe von Name, Firma, Anschrift etc. nach § 6 TDG und § 312 c I 1 BGB i.V.m. § 1 I Nr. 1 BGB-InfoVO, da diese zum Schutz der Verbraucher sicherstellen sollen, daß die Verbraucher wissen, mit wem sie den Vertrag schließen, wem gegenüber sie ihre Rechte, z.B. das Widerrufsrecht geltend machen können und auf welchem Wege (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 11.158 zu § 4 UWG).

b) Die Verfügungsbeklagte hat § 6 TDG zuwider gehandelt, indem sie Namen und Anschrift, unter der sie niedergelassen ist und Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihr ermöglicht, einschließlich der Adresse der elektronischen Post nicht leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar gehalten hat (§ 6 S. 1 Nr. 1 und 2 TDG).

Bei dem streitgegenständlichen Internetauftritt der Verfügungsbeklagten handelt es sich um § 6 TDG unterliegende Teledienste i.S.d. § 2 I, II TDG. Das ist nicht im Streit.

Die über die Links „Widerruf„ und „Impressum„ zu erreichenden Angaben über die Verfügungsbeklagte und die Angaben zur Ermöglichung einer schnellen elektronischen Kontaktaufnahme waren nicht leicht erkennbar im Sinne von § 6 I TDG und unmittelbar erreichbar, weil die Links wiederum erst über Scrollen auf der achten Bildschirmseite aufzufinden waren. Leicht erkennbar im Sinne von § 6 I TDG sind Informationen, wenn die Möglichkeit einer einfachen und effektiven optischen Wahrnehmung im Sinne einer Zugangsmöglichkeit ohne wesentliche Zwischenschritte gegeben ist (OLG München NJW-RR 2004, 914). Das ist nicht mehr der Fall, wenn dem Verbraucher zugemutet wird, über mehrere, hier sämtliche acht Bildschirmseiten zu scrollen und gezielt zu suchen. Zudem sind die Links auch nicht lediglich ganz am Ende des Angebotes untergebracht, wie man als Verbraucher noch vermuten könnte, so daß man sofort an das Ende des Angebots geht und dort sucht. Nach den Links folgt vielmehr nochmals die Abbildung einer Badewanne.

Hinzu kommt, daß die weiteren Angaben lediglich über einen Link auf die Geschäftsseite der Verfügungsbeklagten zu erreichen waren. Dort waren dann über weitere sofort sichtbare Links „Widerruf„ und „Impressum„ die erforderlichen Angaben abzurufen. Wer den ersten Link betätigt hat und mithin diese Angaben abrufen wollte, konnte sie dann sofort lediglich über ein zweites Anklicken erhalten. Informationen, die im Internet über einen doppelten Link zugänglich sind, können zwar dem Transparenzgebot des § 6 S. 1 BGB genügen (OLG München NJW-RR 2004, 914). Das gilt jedoch nicht hier, wo zuvor umfangreich gescrollt und nach den Links gesucht werden muß.




c) Die Verfügungsbeklagte hat auch § 312 c BGB i.V.m. § 1 I 1 Nr. 10 BGB-InfoVO zuwider gehandelt, indem sie nicht in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechende Weise klar und verständlich über das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe informiert hat.

Die Vorschriften über Fernabsatzverträge sind anwendbar, weil das beanstandete Angebot die Lieferung von Waren beinhaltet und sich zumindest auch an den Endverbraucher richtet und einen Vertragsabschluß unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln – hier Telediensten - anbahnen (§ 312 b I, II BGB).

Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 BGB eingeräumt werden. Darüber ist der Verbraucher gemäß § 312 c I 1 BGB i.V.m. § 1 I 1 Nr. 10 BGB-InfoVO klar und verständlich vor Abgabe von Vertragserklärungen zu informieren.

Die beanstandete Widerrufsbelehrung der Verfügungsbeklagten genügt dem Transparenzgebot gemäß § 312 c I 1 BGB nicht. Der Unternehmer muß den Verbraucher insoweit klar und verständlich die nach § 1 BGB-InfoVO vorgeschriebenen Informationen zur Verfügung stellen. Dazu sind nicht nur inhaltliche, sondern auch optische Anforderungen an die Aufmachung zu erfüllen, die ein für einen durchschnittlichen Verbraucher einfaches Auffinden der geforderten Informationen ohne großes Suchen ermöglichen. Die Anforderungen dieses Transparenzgebotes gehen nicht über das in § 6 S. 1 TDG enthaltene Transparenzgebot hinaus. Nach den zu § 6 I TDG gemachten Ausführungen, die hier entsprechend gelten, ist dies aber nicht der Fall, wenn die Informationen über das Widerrufsrecht erst nach dem Scrollen über sieben Bildschirmseiten bis zur achten Seite und zweimaligem Klicken auf einen entsprechenden Link zur Verfügung gestellt werden.



d) Dem Anspruch steht nicht entgegen, daß nach Behauptung der Verfügungsbeklagten die weitaus meisten eBay-Anbieter ebenso wettbewerbswidrig handeln, so daß sie sich einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung nicht verschafft habe.

Maßstab dafür, ob sich aus einer Verletzung des Wettbewerbsrechts ein erheblicher Wettbewerbsvorsprung des Verletzers gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern ergibt, ist der Rechtstreue. Zudem hat die Verfügungsbeklagte nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, daß sich die eBay-Nutzer typischerweise in der inkriminierten Weise wettbewerbswidrig verhielten. Dagegen sprechen die von der Verfügungsklägerin vorgelegten Angebote, bei denen die entsprechenden Belehrungen/Hinweise zwar nicht auf der ersten (Bildschirm)Seite der Angebotsseite befinden, aber vollständig auf der Angebotsseite selbst. Schließlich ist der relevante Markt nicht allein die Plattform eBay, so daß auch die Rechtstreuen außerhalb der eBay-Plattform zu berücksichtigen sind. ..."

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