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Landgericht Hamburg Urteil vom 14.02.2008 - 315 O 869/07 - Zur Unzulässigkeit einer formularmäßigen Einverständniserklärung auf einer Teilnehmerkarte für ein Gewinnspiel

LG Hamburg v. 14.02.2008: Zur Unzulässigkeit einer formularmäßigen Einverständniserklärung auf einer Teilnehmerkarte für ein Gewinnspiel


Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 14.02.2008 - 315 O 869/07) hat entschieden:
Eine Einwilligungsklausel stellt dann eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, wenn sie sich nicht auf Werbung im Rahmen des angebahnten konkreten Vertragsverhältnisses beschränkt, sondern auch die Werbung für sonstige Vertragsschlüsse ermöglichen soll. Denn damit wird ein vom Kunden nicht überschaubares und von seinem Interesse nicht abgedecktes Risiko geschaffen.




Siehe auch Adressenhandel und Einwilligungserklärungen und Zustimmungsklauseln zur Verwertung der eigenen Personendaten für Werbung


Zum Sachverhalt:

Bei dem Antragsteller handelt es sich um eine Vereinigung zur Förderung gewerblicher Belange.

Die Antragsgegnerin ist eine Tochter der A.… AG. Es handelt sich um eine WBZlerin, d.h. eine Angehörige der Branche werbender Buch- und Zeitschriftenhändler. Sie aquiriert Zeitungs- und Zeitschriftenarrangements, die dann an die jeweiligen Verlage weiterveräußert werden. Auf einem Gewinncoupon konnte die Telefonnummer des Gewinnspielteilnehmers angegeben werden; darunter befindet sich der kleingedruckte Hinweis:
„Zur Gewinnbenachrichtigung und für weitere interessante telefonische Angebote der Z. GmbH aus dem Abonnentenbereich, freiwillige Angabe, das Einverständnis kann jederzeit widerrufen werden.“
Die Antragsgegnerin hatte in Zusammenhang mit der Gewinnspielkarte Kontakt zu Frau S., der Ansprechpartnerin des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten für die Bereiche „Werbung, Adresshandel, Markt- und Meinungsforschung, Personalwesen und Arbeitnehmerdatenschutz“ aufgenommen. In einem Gespräch beanstandete Frau S. eine frühere Version der Gewinnspielkarte. Dort wurde das Einverständnis zur Verwendung der Telefonnummer für Werbeanrufe mit einem „z.B.“-Hinweis eingeleitet. Die von der Antragsgegnerin aktuell verwendete Formulierung ist nicht beanstandet worden.

Der Antragsteller ließ die Antragsgegnerin erfolglos abmahnen.

Die Antragstellerin erwirkte eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist,
für die Teilnahme an einem Gratis-Gewinnspiel wie aus der mit diesem Beschluss in Kopie verbundenen Anlage ersichtlich zu werben, soweit sich unter der Rubrik „Telefon-Nr. “ folgender Hinweis befindet:
„(Zur Gewinnbenachrichtigung und für weitere interessante telefonische Angebote der Z. GmbH aus dem Abonnentenbereich, freiwillige Angabe, das Einverständnis kann jederzeit widerrufen werden)“
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller trug vor, die Antragsgegnerin versuche, sich das Einverständnis zur Telefonwerbung zu erschleichen. Dies verstoße gegen das Transparenzgebot (§ 4 UWG) sowie gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Zudem stelle eine derartige Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine unangemessene Benachteiligung dar. Er verwies auf eine einen vergleichbaren Fall betreffende Entscheidung der Kammer vom 23.11.2006 - 315 O 365/06 sowie auf die Entscheidung des BGH „Telefonwerbung VI“ ( NJW 1999, 1864). Diese Entscheidung sei auch bereits unter Zugrundelegung eines geänderten Verbraucherleitbildes ergangen.

Die Antragsgegnerin meinte, die Entscheidung „Telefonwerbung VI“ sei nicht einschlägig. Aufgrund des geänderten Verbraucherleitbildes sei nicht auf einen flüchtigen Verbraucher - wie er offenbar der genannten Entscheidung zugrunde lag -, sondern auf den situations-adäquat aufmerksamen Verbraucher abzustellen. Dies gelte auch bei AGB-Klauseln.

So habe das OLG München ( MMR 2007, 47) in einem vergleichbaren Fall nicht darauf abgestellt, dass die beanstandete Klausel leicht überlesen werden konnte, sondern habe ausdrücklich auf einen situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher abgestellt. Auch aus der Literatur zu § 4a BDSG, welcher die Einwilligung in die Verwendung von Daten betreffe, folge einhellig, dass eine solche Einwilligung auch durch AGBs erfolgen könne. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die beanstandete Werbekarte vergleichsweise übersichtlich gestaltet sei. Anders als in den zitierten Entscheidungen sei die Einwilligung nicht „versteckt“ in umfangreichen AGBs enthalten. Schließlich sei die Klausel auch nicht überraschend, denn der Verbraucher rechne - wenn auch nur zur Gewinnmitteilung - mit einem Anruf.

Die einstweilige Verfügung wurde bestätigt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"I. Die einstweilige Verfügung erweist sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als zu Recht ergangen. Sie ist zu bestätigen, weil der zulässige Verfügungsantrag begründet ist.

1. Gegenstand des Antrags ist die konkrete Verwendungsform, wie sie sich aus der mit dem Beschluss verbundenen Anlage ergibt.

2. Der Unterlassungsanspruch stützt sich auf §§ 3, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG. Mitarbeiter der Antragsgegnerin haben einen Werbeanruf ohne Einwilligung durch den Verbraucher getätigt. Die von der Antragsgegnerin verwendete Einwilligungserklärung ist unwirksam.

a) Es ist vorliegend schon zweifelhaft, ob die in der angegriffenen konkreten Ausführungsform enthaltene Einwilligungsklausel überhaupt in das rechtliche Verhältnis zwischen Antragsgegnerin und den Teilnehmern an dem Gewinnspiel einbezogen werden kann. § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB bestimmt, dass dem Vertragspartner die Möglichkeit verschafft werden muss, in zumutbarer Weise von dem Inhalt der jeweiligen Klauseln Kenntnis zu nehmen. Dazu gehört insbesondere, dass die AGB für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar sein müssen (Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. 2008, § 305 Rn. 39). Vorliegend ist die Einwilligungsklausel in derart kleiner Schrift gehalten, dass sie von erheblichen Teilen des Verkehrs kaum zu entziffern sein dürfte. Insoweit kann sich die Antragsgegnerin auch nicht darauf berufen, dass nach dem gewandelten Verbraucherleitbild ein aufmerksamer Leser die Klausel nicht überlesen wird.

b) Es kann letztlich jedoch dahinstehen, ob die Klausel in zu kleiner Schrift gehalten ist, denn sie stellt jedenfalls einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Es kann eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers und damit einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen, wenn eine vorformulierte Einverständniserklärung verwendet wird ( BGH GRUR 2000, 818, 819 f. - Telefonwerbung VI). Denn wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist, dass die Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung darstellt. Der wettbewerbsrechtlichen Missbilligung unerbetener Telefonwerbung im privaten Bereich liegt der Gedanke zugrunde, dass der Schutz der Individualsphäre vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben ist und dass die berechtigten Interessen der gewerblichen Wirtschaft, ihre Produkte werbemäßig anzupreisen, es angesichts der Vielfalt der Werbemethoden nicht erfordern, mit der Werbung auch in den privaten Bereich des Verbrauchers einzudringen.

Dabei kann offen bleiben, ob eine Einwilligung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon grundsätzlich unwirksam ist (so der IV. und XI. Senats des BGH - BGHZ 141, 124, 128; BGHZ 141, 137, 149 - Private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit).

Denn jedenfalls im vorliegenden Fall stellt die von der Antragsgegnerin vorformulierte Einwilligungserklärung eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Eine Einwilligungsklausel stellt dann eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, wenn sie sich nicht auf Werbung im Rahmen des angebahnten konkreten Vertragsverhältnisses beschränkt, sondern auch die Werbung für sonstige Vertragsschlüsse ermöglichen soll (so der I. Senat des BGH; vgl. BGH GRUR 2000, 818, 820 - Telefonwerbung VI). Denn damit wird ein vom Kunden nicht überschaubares und von seinem Interesse nicht abgedecktes Risiko geschaffen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, WettbR, 26. Aufl. 2008, § 7 Rn. 47).

Das ist hier der Fall. Dem Verbraucher wird die Teilnahme an einem Gewinnspiel ermöglicht. Im Zusammenhang mit diesem Gewinnspiel ist es zwar zulässig, dass die Antragsgegnerin - auch in AGB - die Einwilligung in Telefonanrufe vorformuliert. Diese Einwilligung darf sich aber nur auf den konkreten Zweck, die Teilnahme an einem Gewinnspiel, beziehen, zumal nicht ersichtlich ist, dass es sich bei einer Gewinnbenachrichtigung um einen Werbeanruf handeln könnte. Jeder über diesen Zweck hinausgehende Anruf steht aber nicht mehr mit dem konkreten Anlass, der konkreten Beziehung zwischen Verbraucher und Antragsgegnerin in einem Zusammenhang. Vielmehr bezieht sich die Einwilligung auf Angebote „aus dem Abonnementbereich“, der aber nicht weiter spezifiziert ist.

Hinzu tritt, dass durch die streitgegenständliche Klausel eine Verknüpfung zwischen dem Gewinn („Anruf zur Gewinnbenachrichtigung“) und der Einwilligung in „weitere interessante telefonische Angebote aus dem Abonnementbereich“ hergestellt wird. Dem so angesprochenen Verbraucher wird auf diese Weise vermittelt, dass er den Gewinn nur erhalten kann, wenn er auch in die telefonische Kontaktaufnahme zwecks weiterer interessanter Angebote einwilligt. Der vorliegende Sachverhalt weicht damit von dem der Entscheidung Traumcabrio ( BGH GRUR 2005, 599) zugrunde liegenden Fallkonstellation ab. Dort war in der Teilnahmekarte ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Teilnahme an dem Gewinnspiel nicht von einer Bestellung abhängig ist und die Teilnehmer in jedem Fall die gleiche Gewinnchance hätten. Ein entsprechender Hinweis, etwa dahingehend, dass die Angabe der Telefonnummer keinen Einfluss auf die Teilnahme an dem Gewinnspiel habe, findet sich in der Einwilligungserklärung nicht.

Auch vor dem Hintergrund eines gewandelten Verbraucherleitbilds stellt die hier streitgegenständliche Einwilligungsklausel eine unangemessene Benachteiligung dar. Dass ein gewandeltes Verbraucherleitbild Auswirkungen darauf hat, dass eine Einwilligung in Werbeanrufe in AGB nicht nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Vielmehr sind zwei Fragen grundsätzlich zu trennen: Auf der einen Seite ist es dem Verbraucher sicherlich zuzubilligen, selbst zu entscheiden, ob er überhaupt in Werbeanrufe einwilligen möchte. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach dem „wie“ der Einwilligung. Insoweit ist von der gesetzgeberischen Grundentscheidung auszugehen, wonach solche Anrufe - ohne Einwilligung - eine unzumutbare Belästigung darstellen. Dies spricht gegen eine pauschale von einer Vertragsbeziehung gelöste Einwilligung in AGB.

Nach Auffassung der Kammer lässt sich der Entscheidung des OLG München ( MMR 2007, 47 ff.) nicht entnehmen, dass eine Einwilligungserklärung, welche den Anforderungen des § 4a BDSG entspricht, nicht wettbewerbswidrig ist. Das OLG hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob durch eine Einwilligungserklärung wie die hier streitgegenständliche eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB deswegen vorliegen könnte, weil von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG abgewichen worden ist. Die Entscheidungsgründe befassen sich vielmehr ausschließlich mit der Frage, ob die dort streitgegenständlichen Einwilligung die Vorgaben des § 4a BDSG erfüllte und insoweit keine Abweichung von einer Grundentscheidung gegeben war. Allein aus der Formulierung „bereichsspezifische Vorschrift des § 4a BDSG“ (OLG München a.a.O., S. 49) lässt sich nicht ableiten, dass § 4a BDSG eine dem § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorrangige Vorschrift ist. Vielmehr haben beide Vorschriften einen unterschiedlichen Anwendungsbereich. Während § 4a BDSG bestimmte inhaltliche Anforderungen an eine Einwilligung in die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung stellen, soll § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Verbraucher vor unzumutbaren Belästigungen schützen.

Die Kammer verkennt nicht, dass bei dieser Bewertung der Einwilligungsklausel das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin massiv gefährdet ist. Ein Vertragsverhältnis zwischen Verbrauchern und der Antragsgegnerin, innerhalb dessen eine telefonische Kontaktaufnahme zulässig sein könnte, besteht, - jenseits der ausgelobten Gewinnchance - gerade nicht. Denn die Antragsgegnerin steht noch nicht in einer geschäftlichen Beziehung zu Verbrauchern; ihr primäres Ziel ist es vielmehr, über die telefonische Akquise eine solche Geschäftsbeziehung erst aufzubauen. ..."










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