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OLG Jena (Urteil vom 02.04.2008 - 2 U 906/07 - Zur unzulässigen Werbung mit einem nicht zutreffenden Gründungsjahr

OLG Jena v. 02.04.2008: Zur unzulässigen Werbung mit einem nicht zutreffenden Gründungsjahr


Das OLG Jena (Urteil vom 02.04.2008 - 2 U 906/07) hat entschieden:
  1. Zum Verkehrsverständnis betreffend das Gründungsjahr einer Porzellanmanufaktur. - Wird mit dem Gründungsjahr geworben, so ist dies dann nicht irreführend, wenn das angegebene Gründungsdatum zutreffend ist und seit dem genannten Datum eine ausreichende Kontinuität der Unternehmensführung vorliegt

  2. Zur sekundären Darlegungslast des Unterlassungsschuldners wegen einer irreführenden Angabe betreffend das Gründungsjahr, wenn dieser die Angaben zum Gründungsjahr seines Betriebes nach vielen Jahren ändert.



Siehe auch Verschiedene Werbeaussagen und Einzelfälle unerlaubter und wettbewerbswidriger Werbung


Zum Sachverhalt:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Porzellanmanufaktur. Die Verfügungsbeklagte verwendet Werbematerialien und ein Signet (Bodenmarke), im Rahmen derer zusammen mit einem Bildzeichen und der Firma „Aelteste Volkstedter“ auf das Jahr 1760 Bezug genommen wird. 1760 hatte Georg Macheleid nach seiner (Wieder-)Entdeckung des Porzellans ein Privileg durch den Fürsten Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt erhalten.

Noch bis zu einem Zeitpunkt im Jahre 2006 - im einzelnen streitig - verwendete die Verfügungsbeklagte bzw. ihre Rechtsvorgänger werbemäßig die Jahresangabe 1762.

Die Verfügungsklägerin sieht in der ihrer Auffassung nach das Gründungsdatum der Verfügungsbeklagten nicht richtig wiedergebenden Verwendung der Jahresangabe 1760 eine Irreführung der Verbraucher und hat eine Unterlassungsverfügung beantragt.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer Unterlassungsverfügung zurückgewiesen, weil die Verfügungsklägerin die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch wegen Irreführung nicht habe glaubhaft machen können. Die vorgelegten historischen Quellen seien insoweit nicht belastbar.

Mit der Berufung rügte die Verfügungsklägerin die rechtliche Bewertung durch das Landgericht und berief sich auf einen zu ihren Gunsten sprechenden Anscheinsbeweis.

Die Berufung hatte Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und zum Erlass der begehrten Verfügung, deren Vollziehung allerdings von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig ist.

1.) Der aus dem Urteilstenor erkennbare Verfügungsantrag ist, nachdem die Verfügungsklägerin ihn auf die Hinweise des Senats geändert und dabei die Formulierung „Eindruck erwecken“ ersetzt hat, ausreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

2.) Es fehlt auch nicht an der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Dringlichkeit. Für das Eilbedürfnis streitet in Wettbewerbssachen zunächst die Vermutung nach § 12 Abs. 2 UWG. Diese Vermutung ist nicht deshalb wiederlegt, weil die Verfügungsklägerin nach Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß zu lange zugewartet hätte, bis sie am 23.07.2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht eingereicht hat. Die Verfügungsklägerin trägt vor, und hat dies auch durch eidesstattliche Versicherung des Uwe Hermann glaubhaft gemacht, sie habe erst am 04.07.2007 Kenntnis von der geänderten Jahreszahlenangabe auf Produkten bzw. Werbeschreiben der Verfügungsbeklagten erhalten. Leicht abweichend hiervon trägt sie mit der Antragsschrift auch vor, seit dem 29.06.2007 seien in Rudolstadt Werbetafeln für die „Gläserne Manufaktur“ zu sehen, die ebenfalls das Signet der Verfügungsbeklagten mit der Jahreszahl 1760 zeigen. Eine Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß etwa einen Monat vor Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach der einzelfallbezogenen Rechtsprechung des Senats keinesfalls dringlichkeitsschädlich. Soweit die Verfügungsbeklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass sie bereits im Jahr 2006 auf Werbematerialien die Jahreszahl auf ihrem Signet in 1760 umgeändert hatte, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Verfügungsbeklagte, die insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist (OLG Karlsruhe GRUR 1995, 510), hat damit keine (allein maßgebliche) positive Kenntnis der Verfügungsklägerin vom Wettbewerbsverstoß vorgetragen. Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht gerade bei kleineren Unternehmen wie der Verfügungsklägerin nicht, zumal sich die geänderte Jahreszahl bei der Verwendung auf Porzellanfiguren und in vereinzelten Werbe- oder Messeprospekten der Verfügungsklägerin auch nicht aufdrängen musste (vgl. MünchKomm UWG/Schlingloff § 12 Rn. 388 ff.).

3.) Der Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Die Werbung mit dem Gründungsdatum eines Unternehmens ist eine Angabe über die geschäftlichen Verhältnisse des Unternehmens, die beim Publikum den Eindruck von Solidität, Erfahrung und Wertschätzung vermitteln soll. Das gilt nicht nur in der Lebensmittel- oder Getränkebranche, insbesondere im Brauhandwerk, sondern auch, wie hier, im Bereich der Porzellanmanufaktur, weil das Publikum den Erzeugnissen aus älteren Manufakturen erfahrungsgemäß besondere Wertschätzung entgegenbringt. Deshalb werben auch nahezu alle älteren Manufakturen sowohl auf dem Signet (Bodenmarke) als auch in sonstigen Werbeschriften mit ihrem Gründungsdatum (z.B. Meißen: 1710). Wird mit dem Gründungsjahr geworben, so ist dies dann nicht irreführend, wenn das angegebene Gründungsdatum zutreffend ist und seit dem genannten Datum eine ausreichende Kontinuität der Unternehmensführung vorliegt (so zum Beispiel im Fall OLG Dresden GRUR 1998, 171). Umgekehrt ist die Werbeangabe irreführend im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG, wenn ein unzutreffendes Gründungsjahr benannt wird und bzw. oder die erforderliche Unternehmenskontinuität nicht besteht. Um eine Irreführung feststellen zu können, ist zunächst zu ermitteln, welches Verständnis der relevante Durchschnittsverbraucher, also der durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher, der Angabe zumisst (hierzu nachfolgend unter 3 a). Ein dann vorzunehmender Vergleich mit den tatsächlichen Gegebenheiten (hierzu unter 3 b) lässt den Senat unter Berücksichtigung der Besonderheiten zur Beweislast im vorliegenden Falle zu dem Ergebnis kommen, dass eine Irreführung glaubhaft gemacht ist. Dabei hat bereits das Landgericht richtig herausgestellt, dass das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers vom Gericht selbst beurteilt werden kann, wenn und soweit es den entsprechenden Verbraucherkreisen angehört. Auch wenn Porzellanfiguren teilweise teure Sammlerstücke sind, so richtet sich de Werbung einer Porzellanmanufaktur mit dem Gründungsjahr, also auch die Angabe der Verfügungsbeklagten, nicht an ein besonderes Fachpublikum, sondern an die Allgemeinheit.

a) Unter einem richtigen Gründungsjahr versteht der verständige maßgebliche Durchschnittsverbraucher gerade im Falle einer Porzellanmanufaktur dasjenige Datum, in dem das Unternehmen seine wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen hat. Mit der Nennung des Gründungsdatums einer Manufaktur ist nicht nur die Vorstellung verbunden, in diesem Jahre sei eine Erfindung getätigt worden bzw. habe ein „Erfinder“ ein fürstliches Privileg verliehen bekommen. Das Privileg allein begründet noch keine Verbrauchererwartung in die Tradition. Das Privileg selbst, obwohl im 18. Jahrhundert zur Überwindung der Bindung an die Zunftordnungen, zur Wirtschafts- und Gewerbeförderung, aber auch als Einnahmequelle für die Herrscher eingesetzt, musste die Erfindung noch nicht einmal offenbaren, sondern setzte, wie auch hier geschehen, lediglich die Ablieferung von „Proben“ voraus (vgl. zu alledem z.B. Osterrieth, PatG, Rn. 25). Die mit dem Privileg verliehenen Rechte stellen zwar eine nicht entbehrliche Grundlage für eine Produktion durch den Berechtigten oder seine „Kompagnie“ dar, bedeuten aber keinesfalls, dass tatsächlich mit einer wirtschaftliche Tätigkeit begonnen wurde. Dies setzt die Begründung einer Manufaktur voraus, die so ausgestattet sein musste, dass sie in einem ausreichenden Umfange wirtschaftlich tätig werden konnte.

aa) Deshalb erwartet der Verkehr bei der Nennung des Gründungsdatums, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit auch gewisse Produktion gegeben hat. Ob dies bereits das Erstellen einer kleinen Serie voraussetzt oder lediglich die Herstellung einzelner verkäuflicher Stücke, kann der Senat unentschieden lassen. Jedenfalls erwartet der Verkehr insoweit, dass es eine Produktion von Porzellan in einem solchen Umfang und in einer solchen Qualität gegeben hat, dass nicht mehr nur von einem Experimentierstadium gesprochen werden kann. Außerdem erwartet der Verbraucher auch von einer gegründeten Manufaktur, gewisse „essentialia“ einer Kleinunternehmung, wie z.B. eine ausreichende Betriebsstätte sowie eine Ausstattung mit Betriebs- und Finanzmitteln, die eine wirtschaftliche Tätigkeit auf Dauer ermöglichen können. Nur dieses, im vorliegenden Falle freilich die Verhältnisse des 18. Jahrhunderts berücksichtigende, Verständnis wird den Maßstäben gerecht, die das Publikum mit der Alters- bzw. Traditionswerbung in Verbindung bringt. Denn es geht dem Verbraucher insoweit gerade darum, dass eine ausreichende Erfahrung bei der Herstellung der Kunstgegenstände wie des Porzellans erworben ist, die heute noch einen Kaufanreiz darstellt. Eine solche Erfahrung wird aber erst durch eine beginnende Produktion begründet und nicht bereits durch eine Erfindung im Experimentierstadium.

bb) Dass das Verbraucherverständnis, wie es der Senat zugrunde legt, zutreffend ist, zeigt sich auch in der Praxis der Porzellanmanufakturen, beispielhaft an der Meißener Porzellanmanufaktur: Johann Friedrich Böttger hatte allgemeinen Quellen zufolge die (Wieder-)Erfindung des Porzellans bereits 1708 bewerkstelligt. Da jedoch erst 1710 die entsprechende Porzellanmanufaktur gegründet wurde, gilt unbestritten 1710 als das Gründungsjahr dieser Manufaktur. Auch andere zur Seltmann Weiden Gruppe gehörende Manufakturen (z.B. Tettau und Plaue) oder die Nymphenburger Manufaktur bezeichnen mit der Angabe „seit...“ im Zusammenhang mit ihrem Gründungsdatum immer die Begründung einer Manufaktur im Sinne eines nachhaltigen Produktionsbetriebes und beziehen sich nicht bloß auf die Erteilung eines Privilegs. Das gilt ebenfalls für die von der Verfügungsbeklagten vorgenommenen Vergleiche mit den Gründungsdaten von anderen Betrieben, die der Senat wegen der Branchenverschiedenheit jedoch nicht für in jeder Hinsicht vergleichbar hält. Denn stets (so im Fall Witt/Weiden wie auch im Fall Carl Zeiss/Jena) beginnt die Firmengeschichte mit einer Unternehmensgründung und nicht bloß mit einer Erfindung, auch wenn dieses bisweilen zusammenfallen mag. Das mit dem Gründungsdatum verbundene Verbraucherverständnis geht also über das hinaus, was die Verfügungsbeklagte für ausreichend hält, nämlich das Vorhandensein eines Wissensträgers und einer Konzession für die Porzellanherstellung. Es genügt auch nicht eine erstmalige urkundliche Erwähnung, soweit diese sich lediglich auf das Privileg bezieht, nicht aber auf die Gründung einer Manufaktur oder die sonstige gesicherte Aufnahme eines wirtschaftlich tätigen Produktionsbetriebes in gewissem, zumindest bescheidenen Umfange.

cc) Zusätzlich erwartet der relevante Durchschnittsverbraucher von der Jahreszahl 1760 im Zusammenhang mit der Unternehmensbezeichnung „Aelteste Volkstedter“ auch, dass seit diesem Jahr eine relevante Produktion im genannten Sinne in Volkstedt stattgefunden hat. Jahres- und Ortsangabe stehen nämlich in einem derartig engen Zusammenhang, dass der Verbraucher davon ausgeht, dass eine Volkstedter Porzellanmanufaktur, gerade auch die „älteste“ unter ihresgleichen, ihre Betriebsstätte in Volkstedt hatte und hat, und nicht an einem anderen Ort (so auch in firmenrechtlichem Zusammenhang BayObLG NJW-RR 1993, 103). Dabei kann es keine entscheidende Rolle spielen, dass die örtlichen Gegebenheiten dergestalt sind, dass z.B. die Orte Volkstedt und Sitzendorf gar nicht weit auseinander liegen. Denn in einem räumlich eng begrenzten Gebiet wie Thüringen und Franken, in dem viele verschiedene Porzellanmanufakturen auch mit ihrer Tradition um die Gunst der Verbraucher werben, können auch Orte, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen, unterschiedliche Traditionen und damit auch unterschiedliche Verbrauchererwartungen begründen. Auch die anderen mit der Verfügungsbeklagten in der neuen „Gläsernen Manufaktur“ in Rudolstadt verbundenen Manufakturen sind aus Orten in einem eng umgrenzten Raum in Thüringen („Thüringer Porzellanstraße“), repräsentieren aber gleichwohl eigene Traditionen. Die Bezeichnung „Aelteste Volkstedter“ bezieht sich nach dem relevanten Verbraucherverständnis auch nicht nur auf eine rein firmenmäßige Bezeichnung einer bestimmten Porzellanmanufaktur, deren Gründungsort ein anderer gewesen sein könnte. Dies folgt auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Firmenbezeichnung „Aelteste Volkstedter“ erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat, als es zu mehrfachen Neugründungen von Porzellanmanufakturen am Ort Volkstedt gekommen war. Vielmehr verwendet die Verfügungsbeklagte Gründungsdatum und Ortsangabe ohne Trennung und ohne Bezug auf eine möglicherweise an einem anderen Ort (hier: Sitzendorf) begründete Tradition. Die Auffassung des Landgerichts, die Jahreszahl 1760 finde sozusagen „neutral“ Verwendung, also ohne Bezug auf einen Produktionsort Volkstedt, ist im Lichte dieses Verständnisses nicht maßgeblich.

dd) Ein abweichendes Verbraucherverständnis vom Gründungsjahr kann nicht daraus abgeleitet werden, dass in manchen, durchaus bedeutenden Abhandlungen über Porzellan (z.B. das Werk von Ehret, Anlage B 38) eine der Auffassung der Verfügungsbeklagten vom Gründungsjahr entsprechende Jahreszahl genannt wird. Maßgeblich ist allein, welche Vorstellungen der Durchschnittsverbraucher von einem Gründungsjahr hat, nicht hingegen kommt es darauf an, welche (richtigen oder falschen) Rückschlüsse Fachleute aus den ihnen zur Verfügung stehenden Quellen ziehen.

ee) Keine entscheidende Bedeutung hat demgegenüber, dass die Verfügungsbeklagte zusammen mit der Nennung der Jahreszahl 1760 in ihrem Signet auch eine „fürstliche“ Krone verwendet. Der relevante Durchschnittsverbraucher erwartet allein deswegen nicht eine durchgängig „fürstliche“ Tradition des Unternehmens (bzw. eine Manufaktur unter Beteiligung eines Fürsten). Dies folgt daraus, dass solche Signet-Bestandteile weit verbreitet sind und gleichwohl kein Verbraucher von einer andauernden „fürstlichen Tradition“ ausgeht, weil es solche aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen gar nicht mehr gibt.

ff) Legt man das vom Senat für zutreffend erachtete Verbraucherverständnis zugrunde, kommt es auf die von den Parteien angestellten Überlegungen, ob es für diese „Aelteste Volkstedter“ eine Unternehmenskontinuität im Rechtssinne (vgl. OLG Dresden aaO.) seit 1760 gibt, ob also eine organische Entwicklung der Unternehmenstradition aus dem Macheleid'schen „Handbetrieb“ bis zur heutigen Manufaktur existiert, nicht entscheidend an. Selbst wenn man die Auffassung der Verfügungsbeklagten teilen würde, dass die Verlegung einer Betriebsstätte in einen anderen Ort und die Änderung der Struktur eines Unternehmens (z.B. von einer Einpersonenunternehmung zu einer Sozietät, der ein Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt), die Annahme einer organischen Unternehmensentwicklung nicht hindert, solange eine Betätigung in derselben Branche mit einer vergleichbaren Produktpalette bzw. einem ähnlichen Herstellungsprogramm (vgl. hierzu BGH GRUR 190, 563 – Sektwerbung) stattfindet, so kommt es auch insoweit vielmehr entscheidend darauf an, ob 1760 eine Unternehmenstradition in Volkstedt überhaupt erst begründet wurde.

b) Die Angabe der Verfügungsbeklagten ist im Lichte dieses Verbraucherverständnisses unwahr und mithin irreführend im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Allerdings kann der Senat die maßgeblichen unternehmerischen und wirtschaftlichen Verhältnisses aufgrund der zur Glaubhaftmachung vorgelegten historischen Quellen nicht mit Sicherheit feststellen.

aa) Dies gilt zunächst für die Aufnahme eines Manufakturbetriebes als solchem bereits im Jahre 1760 durch Macheleid in Sitzendorf.

(1) Aus den wohl ausführlichsten Abhandlungen von Prof. Dr. Wilhelm Stieda (aus den Jahren 1902 und 1910, teilweise gleichlautend) ergibt sich (Seite 33 des Werkes von 1902), dass nach Erteilung des Privilegs unter dem 01.10.1760 durch den Fürsten und nach dem von Macheleid verfassten Dankesbrief vom 08.10.1760 die „Fabrik in Gang kam“, ohne dass dies näher beschrieben werden kann. Unklar bleibt auch, was genau gemeint ist, wenn bei Prof. Dr. Stieda von einer „Fabrik“ in Sitzendorf die Rede ist. Allein aus der Verwendung dieses Begriffes, der unzweifelhaft nicht mit dem heutigen Verständnis einer „Fabrik“ gleichgesetzt werden kann, ergibt sich jedenfalls nicht, dass im Jahre 1760 (in Sitzendorf) eine nennenswerte Produktion stattgefunden hat, die über das Experimentierstadium hinausging. Denn selbst Prof. Dr. Stieda kann seine Formulierung, dass die Fabrik in Gang gekommen sei, lediglich damit begründen, dass im April 1761 zur Förderung der Sitzendorfer Porzellanfabrik 100 Klafter Holz bewilligt wurden. Stieda referiert in seiner Abhandlung außerdem aus einem erhalten gebliebenen Dokument Macheleids (vorgelegt als Anlage B 30 bzw. A 2), dass dieser sich nach seinem Ausscheiden darauf berufen hat, er habe „bis Mitte 1762“ Arbeiter („Dreher und Mahler, Steinbrecher, 2 ordentliche, auch andere Daglöhner“) bezahlt und sonstige Kosten getragen. Genaue Rückschlüsse auf den Umfang einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Jahre 1760, die über das Experimentierstadium hinausgehen, lassen sich aus diesen Angaben aber ebenfalls nicht ableiten. In einer Abhandlung aus dem Jahre 1925 (Anlage A 8) spricht Stieda auch selbst nicht von einer „Fabrik“, sondern nur von einer „neuen Anlage“.

(2) Graul/Kurzwelly sprechen demgegenüber in einer Abhandlung aus dem Jahre 1909 davon, dass das „Fabrikunternehmen zunächst im bisherigen Wohnhaus von Macheleid in Sitzendorf installiert“ gewesen sei. Näheres über Art und Umfang eines unternehmerischen Tätigwerdens ist nicht bekannt, das Bestehen einer Manufaktur, die nachhaltig produzieren kann, erscheint innerhalb eines Wohnhauses eher fraglich.

(3) In einer weiteren vorgelegten Quelle, dem Werk von Helmut Scherf aus dem Jahre 1980 bzw. 1985 heißt es auf S. 18, dass die erste Manufaktur in Sitzendorf „sicher sehr bescheiden“ gewesen sein müsse und weiter: „Es sei jedoch vermerkt, dass Macheleid bis zum Zeitpunkt der bald darauf erfolgten Verlegung der kleinen Fabrik und vielleicht auch noch später in seinem Sitzendorfer Handbetrieb sowie in der Greinerschen Glashütte in Glücksthal bei Limbach weiter laborierte. Seine Fabrikate müssen demzufolge zu dieser Zeit noch verbesserungsbedürftig gewesen sein.“ Dies belegt auch eine Pro Memoria des Fürsten vom 01.05.1762 (Anlage B 31 bzw. A 12), mit der dieser sich mit der Qualität des Porzellans auseinander setzte. Dass ein über das Experimentierstadium hinausgehender Produktionsbetrieb vorlag, kann dieser Quelle also nicht sicher entnommen werden.

(4) Nicht zutreffend sein kann der Vortrag der Verfügungsbeklagten, bereits 1760 sei in dem Weiler Mankenbachsmühle bei Sitzendorf produziert worden. Denn nach den vorgelegten Quellen (z.B. Stieda 1902, Seite 33) bat Macheleid erst im April 1762 um einen Platz bei der Mankenbachschen Schmelzhütte, was urkundlich allerdings genauso wenig belegt ist wie die Gewährung dieser Bitte im Mai 1762 durch den Fürsten. Belegt ist demgegenüber, dass die 1762 gegründete Sozietät das so genannte Bergmannsche Gut erworben hat und dort eine Produktionsstätte eingerichtet wurde. Selbst wenn dabei im Unklaren bleibt, ob eine Produktion an beiden Standorten stattgefunden hat, so war dies vor 1762 jedenfalls nicht der Fall.

bb) Dass genügend Betriebsmittel für eine gewisse Produktion bereits im Jahre 1760 zur Verfügung (in Sitzendorf) standen, ist ebenfalls nicht zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht.

(1) Die bereits erwähnte, von Stieda referierte Holzlieferung von 100 Klaftern betrifft erst das Jahr 1761 und wäre für einen Produktionsbetrieb im Jahre 1760 ohnehin irrelevant. Außerdem ist nicht glaubhaft gemacht, ob diese etwa 220 Festmetern entsprechende Menge ausreicht, eine Produktion zumindest in einem gewissen Umfange zu gewährleisten. Immerhin waren im Jahre 1766 bereits 400 Klafter Holz bestimmt worden (Stieda Seite 34). Soweit sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Hort Fleischer ergibt, dass Macheleid auch bereits am 24.11.1760 36 Klafter Weichholz „zugepostet“ worden seien, ergibt sich auch daraus nichts Belastbares über Art und Umfang einer Unternehmung bzw. einer Produktion, zumal zum Zeitpunkt der Holzlieferung die Wintermonate anstanden. Während die Verfügungsbeklagte nur pauschal und ohne weitere Glaubhaftmachung behauptet, die von Macheleid bereits im November 1760 benötigte Menge Holz dokumentiere, dass Porzellan-Brände in einem handwerklich-industriellen Ausmaß stattgefunden hätten, hat die Verfügungsklägerin zuletzt unwidersprochen vorgetragen, dass in Anbetracht der Unzulänglichkeiten des von Macheleid benutzten Brennofens diese Holzmenge nur für jeweils fünf Verglüh- bzw. Gutbrände zureichend gewesen sei. Die in der eidesstattlichen Versicherung angesprochenen weiteren Holzzuteilungen betreffen nur die insoweit nicht entscheidenden Jahre 1761 und 1762.

(2) Auch dass Brennöfen in einer entsprechenden Größe und Qualität bereits im Jahre 1760 vorhanden waren, um eine gewisse Tradition begründende Produktion beginnen zu können, steht nicht sicher fest. In einer „Landeskunde des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt“ aus dem Jahre 1862 (Anlage A 3) heißt es, dass Macheleid 1760 einen kleinen Brennofen gebaut habe und durch Arbeiter Porzellangeschirre hergestellt habe. Andererseits ergibt sich aus der Anlage A 8 und den dortigen Ausführungen von Stieda aus dem Jahre 1925, dass Macheleid bei der Konstruktion des Brennofens noch nicht alle Schwierigkeiten überwunden hatte und dies in einer aufgefundenen Schrift aus dem April 1762 zum Ausdruck brachte. Entsprechend trägt die Verfügungsklägerin zuletzt unwidersprochen vor, dass sich aus § 18 des (nicht vorgelegten, aber insoweit unbestrittenen) „Arkanums“ (der zunächst geheim gehaltenen Zusammensetzung des Porzellans) ergebe, dass Macheleid nur einen „Probier-Ofen“ besessen hatte und ein neuer großer Ofen erst gebaut werden solle.

(3) Welche Erlaubnisse das 1760 erteilte Privileg enthielt und welche geschäftlichen Absichten seiner Beantragung zugrunde lagen, hat keine Bedeutung für die Frage, in welcher Art und in welchem Umfange 1760 bereits eine Unternehmung im vom Senat für erforderlich gehaltenen Mindestumfang bestanden hat, solange sich solche Absichten und Befugnisse nicht nachweisbar realisiert haben.

cc) Überwiegend unpräzise wird auch der Vorgang einer „Verlegung“ eines Produktionsbetriebes von Sitzendorf nach Volkstedt beschrieben. Zwar findet sich die Beschreibung, dass der Betrieb „verlegt“ worden sei, gleichlautend in einer Vielzahl der vorgelegten Abhandlungen über Porzellan. Schon die gelieferte Begründung ist jedoch unpräzise und teilweise nicht zweifelsfrei, weil sich z.B. ein Gesuch des Fürsten betreffend eine solche Verlegung (so die Anlage B 3) nicht belegen lässt, an anderer Stelle (z.B. Anlage B 11) die „Verlegung“ einem alleinigen Entschluss Macheleids zugeschrieben wird. Daher beruht der Gleichklang der Formulierungen in verschiedenen Abhandlungen nicht auf dem Feststehen des historischen Faktums, sondern auf der allgemeinen Unkenntnis über die genauen Vorgänge und der Übernahme eines einmal gewählten, in zeitgemäße Sprache transferierten Terminus. Auch soweit in einigen Lexika bzw. Nachschlagewerken aus jüngerer Zeit 1760 als ein Gründungsdatum einer Manufaktur in Sitzendorf genannt wird, bleibt dies historisch unexakt und ist mit den vorhandenen Quellen nicht belegbar.

dd) Erst für 1762 ist nach der Quellenlage eindeutig nachweisbar, dass bezüglich der Porzellanfabrik zum einen am 15. April tatsächlich ein Gesellschaftsvertrag („Sozietät“) unter Einbeziehung des Fürsten geschlossen wurde (der nicht mehr auffindbar ist, über dessen Zustandekommen und wesentliche Gesellschafterstruktur aber kein Streit besteht und der in Anlage B 29 in einer Quelle erwähnt ist), und dass zum anderen im Mai von der Gesellschaft das Bergmannsche Gut als Produktionsstätte erworben wurde (vgl. Anlage B 31). Auch ist erst jetzt eine Finanzausstattung des Unternehmens sicher und nachweisbar (vgl. Stieda 1910, S. 10 Anlage B 28 B, aber auch Weiß, Anlage B 6, S. 304). Außerdem wurde ab dieser Zeit für eine zweckmäßige Organisation des Absatzes (in der Regel nach Erfurt) gesorgt. Die Fabrik ist erst nach ihrer „Verlegung“ nach Volkstedt (so Stieda, 1902, S. 33, auch S. 34) „in die Höhe gekommen“ und hat sich nachweisbar positiv entwickelt (so dass sie 1795 Hunderte von Arbeitern beschäftigte). Letztlich bestätigt dies auch die Landeskunde des Fürstentums aus dem Jahre 1862 (Anlage A 3, Seite 377), die ausdrücklich von der Gründung einer Fabrik durch eine „Gewerkschaft, an deren Spitze der Landesfürst stand“, spricht und die (bald darauf) 1000 Klafter Holz erhielt und deren technischer Leiter Macheleid gewesen sei. Auch Zufriedenheit mit den Porzellanprodukten äußernde Pro Memoria des Fürsten stammen erst aus einer Zeit ab August 1762 (vgl. Anlage A 10). Auch wenn nach der von der Verfügungsbeklagten geäußerten Auffassung der Sozietätsvertrag und das Privileg voneinander unabhängig sind, so konnte die Manufaktur erst in der Folge der Niederlegung des Sozietätsvertrags, der sich daraus ergebenden Finanzierungssicherheit und des Ankaufs der Betriebsstätte seit dem Jahre 1762 wirtschaftlich nachhaltig zu produzieren beginnen, selbst wenn der führende Kopf dieser Manufaktur Macheleid war, der schon zuvor mit Porzellan experimentierte und Probestücke vorlegte.

Auch ist erst für das Jahr 1762 sicher nachweisbar, dass am Ort Volkstedt eine Manufaktur gegründet wurde. Dass es eine Volkstedter Produktionsstätte bereits 1760 gegeben hätte, wird in keiner der Quellen erwähnt und ist deshalb unzweifelhaft falsch. Soweit die Quellen den Schluss zulassen, dass sich die Volkstedter Manufaktur aus dem von Macheleid in Sitzendorf begründeten Kleinstbetrieb heraus entwickelt haben kann und Macheleid dabei auch als Person in das Unternehmen in Volkstedt integriert wurde, ändert das an der Beurteilung nichts. Denn selbst wenn die Macheleid'sche Fertigung in der 1762 gegründeten Sozietät aufgegangen ist, kann sich die Verfügungsbeklagte nicht auf eine 1760 begründete Manufaktur in Volkstedt berufen, da sie anders als historische Quellen es formulieren, nicht mit einer „Porcellainfabrique zu Volkstedt und Sitzendorf“ wirbt (vgl. z.B. Stieda 1910, Anlage B 28 B S. 10; sowie die Bestätigungen des Privilegs durch Fürst Ludwig Günther II. zu Schwarzburg, dort als Anlagen 50 und 51). Selbst wenn man - wie der Senat nicht - annehmen wollte, dass die aus Sitzendorf „verlegte“ oder „übernommene“ Fertigung Macheleids schon eine Tradition der Volkstedter Manufaktur begründen konnte, könnte dies aber auch nur dann zutreffend sein, wenn dort eine über das Experimentierstadium hinaus gehende Produktion stattgefunden hat. Dies ergibt sich, wie ausgeführt, aus den historischen Quellen jedoch nicht ausreichend.

4.) Da die für die Beurteilung der Richtigkeit der Altersangabe maßgebliche Zeitspanne von Oktober 1760 bis Mai 1762 nach der Quellenlage weitgehend im Dunkeln liegt, kommt es entscheidend darauf an, wer die Beweislast in Bezug auf die Irreführung bzw. die Richtigkeit der Altersangabe hat.

a) Im Grundsatz ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Verfügungsklägerin die Darlegungs- und Beweislast in Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen, also auch die Irreführung trägt (MünchKomm UWG/Busche § 5 Rn. 250).

b) Eine Beweislastumkehr gibt es im Zusammenhang mit § 5 UWG zwar grundsätzlich nicht (vgl. zuletzt BGH GRUR 2004, 246 – Mondpreise ?). Anerkannt sind auf der Grundlage des auch im Prozessrecht geltenden Gebots von Treu und Glauben jedoch Beweiserleichterungen, die einer Beweislastumkehr nahe kommen können bzw. eine Beweislastumkehr zur Folge haben. Insbesondere ist die Beweislastverteilung im Lichte der Irreführungsrichtlinie (Art. 6 der Richtlinie 84/540/EWG) auch gemeinschaftskonform zu beurteilen MünchKomm UWG/Busche § 5 Rn. 251; Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 5 UWG Rn. 1.18). Dies betrifft bislang anerkannt solche Konstellationen, in denen es dem Beklagten nicht möglich ist, näher vorzutragen oder zu beweisen, weil es um Umstände aus der Sphäre bzw. dem Verantwortungsbereich des Beklagten geht (vgl. BVerfG NJW 2000, 1483). Voraussetzung soll sein, dass der Kläger über einen bloßen Verdacht hinausgehende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit darlegt und unter Beweis stellt (BGH GRUR 1997, 229 – Beratungskompetenz). Schließlich hat der Bundesgerichtshof die genannten Grundsätze zur Beweiserleichterung auch dann für anwendbar erklärt, wenn es sich um Angaben aus dem betriebsinternen Bereich handelt, seien es Daten zu einem Lohnvorteil (BGH GRUR 1993, 980 - Tariflohnunterschreitung) oder zu einem verwendeten Herstellungsrezept (BGH GRUR 1963, 270 – Bärenfang). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass auch dann, wenn es sich um eine Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung handelt, insbesondere wenn zahlreiche Marktteilnehmer in die Behauptung einbezogen sind, dem Kläger eine Darlegung und ein Beweis der Unrichtigkeit unzumutbar ist, es vielmehr dem Beklagten obliegt, die Richtigkeit der Behauptung darzulegen und zu beweisen, weil dieser sich vor Aufstellung der Behauptung redlicherweise über die geschäftlichen Verhältnisse der in die Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung einbezogenen Marktteilnehmer unterrichten musste (vgl. BGH GRUR 1978, 249 – Kreditvermittlung; BGH GRUR 1983, 779 – Schuhmarkt; BGH GRUR 1985, 140 – Größtes Teppichhaus der Welt).

c) Bei der Angabe des Gründungsdatums handelt es sich allerdings nicht um die Behauptung einer Allein- oder Spitzenstellung, die die Verhältnisse bei einer Vielzahl von Marktteilnehmern überprüfen müsste. Auch aus einem für Dritte schwer zugänglichen betriebsinternen Bereich stammt die Angabe zum Gründungsdatum an sich nicht. Das Gründungsjahr eines Unternehmens ist ein Umstand, der grundsätzlich allgemeinen Quellen entnommen werden kann, auch wenn die Ermittlung des Gründungsjahres einer Sphäre entstammt, auf die das werbende Unternehmen leichteren Zugriff hat als ein außenstehender Dritter. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht allerdings darin, dass die allgemein zugänglichen Quellen nicht genügend aufschlussreich sind. Denn ihnen lässt sich nicht entnehmen, ob im Jahre 1760 bereits ein Produktionsbetrieb in einem gewissen, Tradition auslösenden Umfange vorhanden war, oder lediglich das dem Macheleid erteilte Privileg zusammen mit einer „Experimentierwerkstatt“ ohne die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Betätigung.

d) Aus der Sicht des Senats sprechen jedoch im Lichte der unter 4. b) genannten, von Treu und Glauben ausgehenden Darlegungs- und Beweislastgrundsätze sowie unter Berücksichtigung der gebotenen gemeinschaftskonformen Anwendung der Beweislastgrundsätze weitere besondere Umstände des vorliegenden Falles dafür, dass es der Verfügungsbeklagten obliegt, ausführlicher als geschehen dazu vorzutragen und ggf. auch glaubhaft zu machen bzw. zu beweisen, dass 1760 bereits tatsächlich eine traditionsbegründende Aufnahme der Produktion ihres Unternehmens stattgefunden hat. Diese besonderen Umstände sind die folgenden: Es ist unstreitig, dass im Signet der „Aeltesten Volkstedter“ in „moderner Zeit“, also möglicherweise seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, spätestens jedoch seit Beginn des 20. Jahrhunderts, die Jahreszahl 1762 verwendet wurde. Dies ergibt sich gerade auch aus den von der Verfügungsbeklagten in Bezug genommenen Anlagen B 42, vor allem aber aus den Anlagen B 12 und B 6. Soweit in der Anlage A 6 die Rede ist von „Marke ab 1951“ bezieht sich dies ersichtlich nur auf den Zusatz „VEB“, da die „Aelteste Volkstedter“ als VEB geführt wurde. Das Gründungsdatum „1762“ wurde bis mindestens ins Jahr 2005 auch auf sonstigen Werbematerialien der Verfügungsbeklagten verwendet und z.B. auch zur Grundlage für die Berechnung von Firmenjubiläen gemacht. Teilweise sind Straßenhinweisschilder heute noch mit dieser Jahreszahl versehen (vgl. Fotografie als Anlage A 10).

Auch wenn also entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht zur Anwendung kommen können, so ist es doch zumindest prozessuale Last der Verfügungsbeklagten, substantiiert darzulegen, welche „besseren Erkenntnisse“ sie im Jahre 2005 entgegen der bestehenden Tradition dazu bewogen haben, das Gründungsjahr zu ändern und obliegt ihr im Zweifel auch die Glaubhaftmachung. Selbst wenn man keine Beweislastumkehr annehmen will, so obliegt der Verfügungsbeklagten jedenfalls eine gesteigerte sekundäre Darlegungslast in Bezug auf Art und Umfang eines Produktionsbetriebs der Sitzendorfer oder Volkstedter Manufaktur bereits im Jahre 1760 in Volkstedt, die im Ergebnis einer Beweislastumkehr nahe kommt. Dies ist der Verfügungsbeklagten, die ihre Werbeangaben selbst geändert hat, auch zuzumuten.

e) Diesen Anforderungen genügen der Vortrag und die Glaubhaftmachung durch die Verfügungsbeklagte nicht. Die Bezugnahme auf die genannten, allgemein zugänglichen Quellen durch die Verfügungsbeklagte reicht nicht aus, weil insoweit dort gerade keine genauen bzw. ausreichenden Erkenntnisse betreffend das Jahr 1760 vorhanden sind, und zwar noch nicht einmal für einen Produktionsbetrieb in Sitzendorf. Neue Quellen oder Ergänzendes aus dem eigenen Unternehmensbereich hat die Verfügungsbeklagte nicht dargelegt und unter Beweis gestellt. Dass sie selbst die Quellen seit einiger Zeit anders bewertet, reicht nicht aus.

Daher ist nach allgemeinen Grundsätzen davon auszugehen, dass die Schilderung der ausreichenden und belegbaren tatsächlichen Anhaltspunkte durch die Verfügungsklägerin (vgl. BGH aaO. – Beratungskompetenz), nämlich dass es erst 1762 zur ernsthaften Aufnahme eines Produktionsbetriebs und zur Gründung einer Manufaktur in Volkstedt gekommen ist, im Lichte von § 138 Abs. 3 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legen ist (so auch Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 5 UWG Rn. 3.23) und Beweisschwierigkeiten bezüglich eines früheren Gründungsdatums zu Lasten der Verfügungsbeklagten gehen (BGH aaO. – Kreditvermittlung).

5.) Ist nach diesen prozessualen Grundsätzen vom Bestehen einer Irreführung auszugehen, so sind falsche Angaben über das Gründungsjahr auch geeignet, das Angebot des Unternehmens in einem besonderen Lichte erscheinen zu lassen und sind deshalb auch für den Kaufentschluss des Publikum von erheblicher wettbewerblicher Relevanz (vgl. zu alledem Piper/Ohly § 5 UWG Rn. 638). Die Verneinung der wettbewerblichen Relevanz mit der Begründung, Traditionswerbung könne die Kaufentscheidung des Verkehrs heute nicht mehr beeinflussen, hat der Bundesgerichtshof in einem anderen Fall als ungerechtfertigt bezeichnet (BGH GRUR 2003, 628 – Klosterbrauerei).

Es fehlt auch nicht deshalb an der erforderlichen Relevanz, weil es sich „nur“ um einen Unterschied von zwei Jahren bei der Altersangabe handelt. Denn auch wenn die Verfügungsklägerin für sich selbst erst das Gründungsjahr 1850 (damit also in einer erheblichen zeitlichen Ferne) in Anspruch nehmen kann, so gibt es doch zahlreiche andere Manufakturen, die in der Zeit um 1760 gegründet wurden (z.B. in unmittelbarer Nähe: Veilsdorf, das ebenfalls 1760 als Gründungsdatum angibt). Die Altersangabe ist für den Verbraucher wie für den Sammler daher bei der Beurteilung des Angebots der Manufakturen und in Bezug auf den Anreiz, den die Jahreszahl ausübt, von Bedeutung. Insofern ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar mit der bloßen Irreführung über eine vom Verbraucher als sowieso nicht mehr real erkannten Brautradition, wie sie der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (GRUR-RR 2001, 67) zugrunde lag. Die Alterswerbung mit einem um zwei Jahre veränderten Gründungsdatum hat aber vor allem und offensichtlich auch für den Geschäftserfolg der Verfügungsbeklagten erhebliche Bedeutung, da es sonst keinen Sinn machen würde, dass die Verfügungsbeklagte die von ihr zumindest pauschal geschilderten, erheblichen Aufwendungen und Investitionen zur Umstellung der Werbung und der Bodenmarke getätigt hat.

Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Unverhältnismäßigkeit der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruches wegen Irreführung (BGH aaO. Klosterbrauerei) gelten vorliegend gerade nicht, da es die Verfügungsbeklagte war, die erst vor Kurzem ihre Alterswerbung geändert hat. Insofern beeinträchtigt eine Unterlassungsverfügung kein berechtigtes Interesse der Verfügungsbeklagten an einer eingeführten Alterswerbung. Die Verfügungsbeklagte kann auch nichts daraus herleiten, wie die Verfügungsklägerin selbst wirbt. Dass Sitzendorf als „Geburtsstätte des Thüringer Porzellans“ bezeichnet wird, ist anhand der allgemein zugänglichen Quellen in dieser Form nachvollziehbar und stellt für den durchschnittlichen Leser keine Verbindung zum Geschäftsbetrieb der Verfügungsklägerin her.

Eine festgestellte wettbewerbliche Relevanz im Sinne von § 5 UWG bedeutet gleichzeitig, dass die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG überschritten ist (BGH GRUR 2008, 186, 188 – Telefonaktion).

6.) Sämtliche Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG liegen daher vor. Folglich war das landgerichtliche Urteil abzuändern und die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

7.) Unbeschadet der Frage, ob die Gewährung einer Aufbrauchsfrist auch im einstweiligen Verfügungsverfahren in Betracht kommt, hat die Verfügungsbeklagte ausreichende Anhaltspunkte, die ihr Interesse an der Einräumung einer Aufbrauchsfrist belegen, nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Die im Zusammenhang mit der Frage einer Sicherheitsleistung vorgebrachten Glaubhaftmachungsmittel reichen dazu nicht aus.

8.) Wegen der Unsicherheiten bei der Bewertung der historischen Vorgänge und der erheblichen Risiken in Bezug auf Schadensersatzforderungen der Verfügungsbeklagten im Falle der Aufhebung der einstweiligen Verfügung bei anderer Bewertung der Sache in einem Hauptsacheverfahren (ggf. auch erst durch den Bundesgerichtshof) hat der Senat von der in §§ 921, 108 ZPO eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, anzuordnen, dass die Vollziehung der einstweiligen Verfügung erst nach Leistung einer Sicherheit in erheblicher Höhe erfolgen darf (vgl. OLG München GRUR 1988, 709; OLG Hamm GRUR 1984, 603; Zöller/Vollkommer § 921 Rn. 4).

Da die Verfügungsbeklagte bei ihrer Aufstellung zu den drohenden Schadensersatzforderungen bzw. Investitionen auch (und nach der Bekundung ihres Geschäftsführers im Senatstermin in erster Linie) Aufwendungen gezählt hat, die mit der Vernichtung bereits produzierter Ware einhergehen, konnten die pauschalen Angaben der Verfügungsbeklagten in der eidesstattlichen Versicherung des Gerhard H. nicht einfach übernommen werden, sondern wurden vom Senat unter Berücksichtigung der Aufwendungen für veränderte Werbung und Signetierung sowie den Verkaufsstopp für kommissionierte Ware mit € 150.000,00 geschätzt. ..."










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