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Landgericht Heidelberg Urteil vom 09.12.2015 - 12 O 21/15 - Impressumspflicht für Rechtsanwaltsprofil auf einem Internet-Portal

LG Heidelberg v. 09.12.2015: Impressumspflicht für Rechtsanwaltsprofil auf einem Internet-Portal


Das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 09.12.2015 - 12 O 21/15) KfH hat entschieden:

   Werden auf einem Internet-Portal Angaben eines Rechtsanwalts mit einem Link zu seiner Webseite präsentiert, so hängt die Frage, ob es sich bei dem Rechtsanwalt um einen Diensteanbieter i.S.d. § 5 TMG mit entsprechenden Informationspflichten handelt davon ab, ob es sich bei dieser Internet-Veröffentlichung um ein eigenes Telemedium des Anbieters handelt, ob er selbst über den Inhalt und das Bereithalten des Dienstes im Rahmen des Internet-Portals bestimmen kann und sich sein Angebot für einen objektiven Dritten als eigenständiger Auftritt des Anbieters darstellt.




Siehe auch Impressum und Stichwörter zum Thema Wettbewerb


Tatbestand:


Die Klägerin, eine Gesellschaft bestehend aus Rechtsanwälten, begehrt vom Beklagten, ebenfalls Rechtsanwalt, Unterlassung.

Die Klägerin betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei als Sozietät in H.,der Beklagte ist als Einzelanwalt in D. tätig. Beide Parteien unterhalten Internet-​Auftritte auf verschiedenen Portalen und bieten dort ihre Dienstleistungen bundesweit an.

Der Beklagte mahnte mit Schreiben vom 28.07.2014 die Klägerin wegen behaupteter Wettbewerbsverstöße auf der Internetseite "Anwalt-​Seiten.de" ab. Dies nahm die Klägerin zum Anlass, die gewerblichen Auftritte des Beklagten zu überprüfen. Auf dem Internet-​Portal - c..de - fand sich der Beklagte mit der aus Anlage (K1) ersichtlichen Einträgen. Angegeben waren sowohl Adresse, Telefonnummer, Fax und E-​Mail. Des Weiteren fand sich folgende Firmenbeschreibung:

   "Rechtsanwalt R. ist als erfahrener Reiter und Reitervereinsvorstand interessiert, sowie fach- und sachkundig im Bereich des Vereinsrechts und des Pferderechts.

Durch langjährige ..... "

Ebenfalls findet sich in dem Eintrag folgender Vermerk:

   "Bestätigter Eintrag aktualisiert vor zwei Monaten."

Des Weiteren befindet sich ein Link zur Webseite des Beklagten. Auf der in Rede stehenden Internet-​Präsenz, wobei streitig ist, ob der Beklagte diese bearbeitet hat, fehlen folgende Angaben: "Die Kammer, welcher der Beklagte angehört, die gesetzliche Berufsbezeichnung und der Staat, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist und die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und Angaben dazu, wie diese zugänglich sind, sowie die Umsatzsteuer-​Identifikationsnummer." Ein am unteren Rand des Internet-​Auftritts befindlicher Impressum-​Link enthält lediglich die Pflichtinformation des Plattformbetreibers, nicht die des Beklagten.

Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 08.08.2014 abgemahnt und aufgefordert, bis zum 18.08.2014 eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben.

Die Klägerin hat ein einstweiliges Verfügungsverfahren angestrengt. Die von der Klägerin begehrte Unterlassungsverfügung wurde erlassen und durch Urteil der Kammer vom 11.02.2015 (Az.: 12 O 57/14 kfh) bestätigt.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sein Profil auf der Seite C. bearbeitet. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte Diensteanbieter sei. Der Beklagte sei im Übrigen Wettbewerber.

Die Klägerin beantragt:

   Der Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes ersatzweise Ordnungshaft, es zu unterlassen, geschäftsmäßige Telemedien anzubieten, ohne die gemäß § 5 TMG erforderlichen Pflichtinformationen vorzuhalten, so wie auf dem Portal c..de gemäß Anlage K 2 geschehen.

Der Beklagte beantragt Klagabweisung.

Der Beklagte behauptet, dass er das Profil erst nach der Abmahnung im August 2014 bearbeitet habe. Der Beklagte sei nicht Diensteanbieter, da er das Profil nicht bearbeitet habe. Im Übrigen sei das Impressum des Beklagten über zwei Klicks über die Homepage und deren Verlinkung auf der Seite erreichbar. Schließlich sei der Verstoß unerheblich. Darüber hinaus sei die Berufsbezeichnung angegeben. Für den Verbraucher sei die zuständige Kammer leicht ermittelbar. Es liege daher kein erheblicher Wettbewerbsverstoß vor.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Akten des einstweiligen Verfügungsverfahrens 12 O 57/14 KfH verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG, 5 TMG auf Unterlassung. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Beklagte Diensteanbieter ist.

Die Klägerin und der Beklagte sind Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die Parteien stehen zueinander in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Sie bieten Dienstleistungen gleicher bzw. verwandter Art innerhalb desselben Abnehmerkreises auf einem räumlich und sachlich identischen Markt an. Beide sind als Rechtsanwälte tätig.

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Klägerin ist nicht rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG. Nach allgemeiner Ansicht ist die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche als rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig anzusehen, wenn sie überwiegend der Verfolgung sachfremder, für sich gesehen, nicht schutzwürdiger Interessen und Ziele dient und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Dagegen setzt die Bejahung eines Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG nicht voraus, dass legitime wettbewerbsrechtliche Ziele beim Agieren vollständig fehlen oder gänzlich in den Hintergrund treten. Vielmehr genügt es, dass sachfremde Beweggründe überwiegen. Die Frage eines Missbrauchs ist dabei im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen, wobei nicht nur Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen sind, sondern alle äußeren Umstände - wie Art und Umfang des Wettbewerbsverstoßes - "Nachtatverhalten" des Verletzers, aber auch des Verhaltens des Anspruchsberechtigten bei der Rechtsverfolgung - welche Rückschlüsse auf Motiv und Zweck der Anspruchsverfolgung erlauben (OLG München, Schluss-​Urteil vom 14.11.2013 - 6 U 1888/13 - , zitiert nach Beck). Der Umstand, dass ein Mitbewerber, wie im Streitfall die Klägerin, erst aus Anlass einer eigenen vorangegangenen Inanspruchnahme (Abmahnschreiben des Beklagten) im Sinne einer "Retourkutsche" einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch diesem gegenüber geltend macht, begründet kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, denn ein Mitbewerber geht seiner Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht schon dadurch verlustig, dass er sich selbst in der Vergangenheit einer "erfolgreichen" Abmahnung ausgesetzt gesehen hat. Vielmehr müssen zusätzliche Gesichtspunkte hinzutreten, aus denen die sachfremden Motive deutlich werden. Dies ist ersichtlich nicht der Fall. Die Klägerin hat beispielsweise auch keinen exorbitant hohen Streitwert angegeben, um die anwaltlichen Gebühren in die Höhe zu treiben. Des Weiteren sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, die einen Rechtsmissbrauch begründen. Vielmehr hat die Klägerin in der Klagschrift die vorangegangene Abmahnung durch den Beklagten offengelegt.




Der Beklagte hat aber nicht durch Veröffentlichung seines Profils im Rahmen der Internet-​Plattform C. gemäß §§ 3, 4 Nr.11 UWG gegen die Marktverhaltensregel des § 5 Abs. 1 Nr. 5 und 6 TMG in erheblicher Weise (§ 3 UWG) verstoßen. § 5 Abs. 1 Nr. 5 und 6 TMG enthalten Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr.11 UWG.

Der Beklagte ist kein Diensteanbieter im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 TMG. Diensteanbieter ist gemäß § 2 Nr. 1 TMG jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Telemedien in diesem Sinne sind gemäß § 1 Abs. 1 TMG alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, mit Ausnahme der in § 2 Abs. 1, Halbsatz 2 TMG im Einzelnen genannten Telekommunikationsdienste nach dem TKG. Bei der streitgegenständlichen Internetveröffentlichung auf der Internet-​Plattform C. handelt es sich um einen eigenen Informations- und Kommunikationsdienst und somit um ein eigenes Telemedium, das zur Nutzung bereitgehalten wird, § 2 Nr. 1 TMG. Bei Veröffentlichung und Anbieten im Rahmen eines Internet-​Portals ist Diensteanbieter nicht nur der Plattformbetreiber, sondern je nach Lage des Einzelfalls, auch der einzelne Anbieter, der eine eigene Internet-​Veröffentlichung in das Portal einstellt. Entscheidend dafür, ob es sich bei dieser Internet-​Veröffentlichung um ein eigenes Telemedium des Anbieters handelt, ist, ob er selbst über den Inhalt und das Bereithalten des Dienstes" also der konkreten Einzelveröffentlichung "im Rahmen des Internet-​Portals bestimmen kann und sich sein Angebot für einen objektiven Dritten als eigenständigen Auftritt des Anbieters darstellt." (Landgericht Stuttgart, MMR 2014, 674; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.04.2006 - 4 U 119/04 -; Landgericht Stuttgart, Urteil vom 04.06.2014 - 11O101/14 - zitiert nach Beck -).

Die Kammer ist nach den vorgelegten Urkunden nicht mit ausreichender Sicherheit davon überzeugt, dass der Beklagte die Dienste auf dem Portal C. als Diensteanbieter selbst anbietet. Zwar hat die Klägerin einen Screenshot der entsprechenden Seite vorgelegt, deren Ausgestaltung für eine Bearbeitung spricht, da beispielsweise die Firmenbeschreibung individualisiert die Tätigkeitsbereiche des Beklagten angibt, z.B. Vereinsrecht und Pferderecht. Außerdem spricht für die Eigenschaft des Beklagten als Diensteanbieter, dass ausweislich des Screenshots der Eintrag vor 2 Monaten aktualisiert wurde. Allerdings hat der Beklagte substantiiert bestritten, die auf der Seite "C." vorhandenen Einträge selbst erstellt zu haben. Darüberhinaus hat der Beklagte in Anlage (B1) eine E-​Mail mit einem Auszug aus dem "Änderungsverlauf" der Seite vorgelegt. Erst mit Anmeldung im August 2014 ergibt sich ein "personalisierter" Benutzer. Der Beklagte hat darüberhinaus vorgetragen, dass es sich bei C. um eine im Ausland ansässige Firma handelt, die Daten- ungefragt - in der Hoffnung sammelt, dass die möglichen Kunden, die Dienste in Anspruch nehmen. Damit hat die Kammer allein aufgrund der Vorlage des Screenshots nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Beklagte die Seite auf C. selbst erstellt hat. Einen weitergehenden Beweis für die Eigenschaft als Diensteanbieter hat die Klägerin nicht angeboten.



Für die Klägerin streitet auch nicht der Beweis des ersten Anscheins. Bei Sachverhalten, die nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten typischen Geschehensablauf hinweisen, ist diese Ursache bzw. dieser Ablauf als bewiesen anzusehen, wenn der Fall das Gepräge des Üblichen oder Gewöhnlichen trägt (BeckOK-​Schubert BGB § 249 Rn, 171). Der Anscheinsbeweis gilt nur für typische Geschehensabläufe, die sich erfahrungsgemäß regelmäßig in einer bestimmten Form ereignen (BeckOK a.a.O Rn. 173). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist im Gegenteil nicht unüblich, dass - ohne Kenntnis und Einfluss des Betroffenen - einmal an anderer Stelle veröffentlichte Daten im Netz gesammelt, archiviert und wiederum veröffentlicht werden. Es ist auch durchaus üblich, dass - im Regelfall - kostenpflichtige Portale Daten von Gewerbetreibenden - zunächst ohne Auftrag - sammeln, um die Seite für Nutzer wegen der Daten attraktiv zu machen und die Anmeldung durch Gewerbetreibende bzw. Selbständige zu befördern. Insofern muss es nicht typischerweise der Betroffene sein, der ein Profil anlegt und bestätigt. Damit liegt die Beweislast für die Eigenschaft des Beklagten als Diensteanbieter und damit für einen Verstoß gegen § 5 TMG nach wie vor bei der Klägerin. Da die Klägerin über den vorgelegten Screenshot hinaus keinen weitergehenden Beweis angeboten hat, ist sie beweisfällig geblieben.

Nach Auffassung der Kammer kann von einem Diensteanbieter nur dann ausgegangen werden, wenn dieser im Rahmen eines Portals zum einen die Möglichkeit hat, Einfluss auf die Einzelveröffentlichung zu nehmen, und zum anderen zumindest die Erstveröffentlichung selbst vorgenommen hat oder diese jedenfalls durch Anmeldung gebilligt hat. Dass dies beim Beklagten der Fall ist, hat die Klägerin nicht bewiesen. Der Beklagte hat auch ohne Anlass keine Verpflichtung das Netz nach von ihm nicht autorisierten Veröffentlichungen zu durchforsten und mögliche Verstöße gegen das TMG zu korrigieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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