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Amtsgericht Essen Urteil vom 09.03.2010 - 11 C 510/09 - Einbeziehung der AGB-Klauseln bei Bereitstellen im Internet

AG Essen v. 09.03.2010: Zur Einbeziehung der AGB-Klauseln bei Bereitstellen im Internet


Das Amtsgericht Essen (Urteil vom 09.03.2010 - 11 C 510/09) hat entschieden:

   Gemäß § 305 Absatz 2 Nummer 2 BGB ist weiterhin - neben einem Aushang der AGB im Geschäftslokal - Voraussetzung, dass der Verwendung der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Eine solche zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme kann auch in dem Bereitstellen der AGB im Internet liegen, wenn es in dem strittigen Vertrag gerade um die Internetnutzung geht.




Siehe auch Allgemeine Geschäftsbedingungen - AGB - bei Online-Verträgen und Wettbewerbsverstöße und Stichwörter zum Thema Onlinehandel und Internetverträge




  • Tatbestand:


    Die Parteien sind durch Telekommunikationsvertrag vom 21.02.06 (Tag der Antragstellung) verbunden.

    Der Kläger begab sich am 21.02.06 in eine Filiale der Beklagten, um einen Vertrag über das DSL-​Paket Flatrate 6000 abzuschließen. Er hatte sich bereits vor dem Besuch der Filiale über DSL-​Anschlüsse informiert, und es war ihm insbesondere von seinem Sohn zum Abschluss des Pakets DSL Flatrate 6000 geraten worden.

    In dem Antragsformular heißt es unter anderem:

       "Es gelten unsere allgemeinen produktbezogenen Geschäftsbedingungen, die entsprechenden Leistungsbeschreibungen und Preislisten."

    In der zugehörigen Leistungsbeschreibung der Beklagten ist unter Punkt 11 Punkt 1 bestimmt:

       "Die Mindestvertragslaufzeit (...) beträgt jeweils 24 Monate. Die Mindestvertragslaufzeit beginnt zum vereinbarten Zeitpunkt der Freischaltung des Dienstes. Das Vertragsverhältnis ist für beide Vertragspartner mit einer Frist von drei Monaten auf das Ende der Vertragslaufzeit kündbar. Erfolgt keine Kündigung, so verlängern sich die Vertragszeiten jeweils um weitere 12 Monate."

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Antragsformulars (Blatt 24) verwiesen.

    Die Beklagte teilte dem Kläger mit der Auftragsbestätigung vom 02.03.06 den Inbetriebnahmetermin 21.03.06 mit. Unter dem 23.12.07 kündigte der Kläger den Vertrag. Mit Schreiben vom 18.02.08 bestätigte die Beklagte den Eingang der Kündigung, wies jedoch darauf hin, den Kündigungswunsch des Klägers auf Grund der aktuellen Vertragslaufzeiten nicht umsetzen zu können. Mit anwaltlichem Schreiben der Beklagten vom 21.10.09 forderte sie den Kläger zur Zahlung von insgesamt 1.175,21 € auf, welcher sich aus verschiedenen Rechnungen aus den Jahren 2008 und 2009 zusammensetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das vorliegende Schreiben vom 21.10.09, Blatt 6 der Akte, Bezug genommen.

    Der Kläger behauptet, die AGB sowie die Leistungsbeschreibung der Beklagten habe er nie erhalten. Beim Vertragsabschluss habe lediglich der Mitarbeiter der Beklagten das Antragsformular für ihn ausgefüllt und ihm zur Unterschrift vorgelegt. Es seien ihm in diesem Rahmen keine weiteren Unterlagen überreicht worden. Auch ansonsten habe er nicht die Möglichkeit gehabt, von den AGB und der Leistungsbeschreibung Kenntnis zu erlangen, insbesondere hätten diese auch nicht in der Filiale zur Einsichtnahme ausgelegen. Er ist daher der Ansicht, das streitgegenständliche Vertragsverhältnis sei zum 29.02.08 beendet.

    Der Kläger beantragt,

      1.  festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 21.02.06 geschlossene Vertrag mit der Vertragsnummer ... wirksam zum 29.02.08 beendet wurde,

      2.  ferner festzustellen, dass der Beklagten keine Forderung gegen den Kläger aus dem vorgenannten Vertrag bzw. aus sonstigem Grund zustehe,

      3.  die Beklagte ferner zu verurteilen, an die hinter dem Kläger stehende Rechtsschutzversicherung, die NRV, zu der Vertragsnummer ..., einen Betrag in Höhe von 55,30 € angesichts der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten und -gebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,
       die Klage abzuweisen.

    Sie behauptet, die streitgegenständliche Leistungsbeschreibung habe in der Filiale jederzeit zur Einsichtnahme ausgelegen. Sie ist der Ansicht, dies reiche unproblematisch zur Einbeziehung der Vereinbarungen in dem Vertrag aus.





    Entscheidungsgründe:


    Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

    Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich aus der fortwährenden Inanspruchnahme durch die Beklagte aus Rechnungen für Zeiträume nach der vom Kläger behaupteten Vertragsbeendigung.

    Es kann nicht festgestellt werden, dass das Vertragsverhältnis zum 29.02.08 beendet wurde. Denn nach der Vereinbarung in Ziffer 11.1 der Leistungsbeschreibung verlängerte sich das Vertragsverhältnis nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit um ein weiteres Jahr.

    Inbetriebnahmetermin ist unstreitig der 21.03.06. Die Mindestvertragslaufzeit endete daher am 21.03.08. Eine gemäß der Vereinbarung in den Leistungsbeschreibungen fristgemäße Kündigung hätte daher drei Monate vorher, nämlich zum 21.12.07 zugehen müssen. Die auf den 23.12.07 datierte Kündigung des Klägers ging der Beklagten jedenfalls nach dem 21.12.2007 zu.




    Es handelt sich bei der Leistungsbeschreibung um eine allgemeine Geschäftsbedingung, da es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt, handelt und da gemäß § 305 Absatz 1 gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.

    Die Vereinbarung in Ziffer 11.1 der Leistungsbeschreibung ist wirksam in den Vertrag gemäß § 305 Absatz 2 BGB einbezogen worden.

    § 305 a BGB ist demgegenüber nicht einschlägig, da der streitgegenständliche Vertrag nicht unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem Mal erbracht wurde.

    Gemäß § 305 Absatz 2 Nummer 1 BGB ist Voraussetzung für die wirksame Einbeziehung der Geschäftsbedingung, dass der Verwender die andere Vertragspartei ausdrücklich oder unter besonderen Voraussetzungen durch deutlich sichtbaren Aushang auf die Geschäftsbedingung hinweist. Das vom Kläger unterschriebene Antragsformular enthält den ausdrücklichen Hinweis auf die Leistungsbeschreibung.

    Gemäß § 305 Absatz 2 Nummer 2 BGB ist weiterhin Voraussetzung, dass der Verwendung der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, dem Vertragspartner die Gelegenheit zu verschaffen, sich bei Vertragsschluss mit den Regelungen vertraut zu machen (BGH NJW 1990, 715, 716).

    Eine solche zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme kann auch in dem Bereitstellen der AGB im Internet liegen (Staudinger-​Schlosser § 305 Rn. 146). Vorliegend ist im ausdrücklichen Hinweis auf die Leistungsbeschreibung zwar keine ausdrückliche Bezugnahme auf die Internetseiten der Beklagten erfolgt. Vor dem Hintergrund, dass der streitgegenständliche Vertrag die Bereitstellung eines Internetzugangs zum Gegenstand hat und dass AGBs und Leistungsbeschreibungen offenkundig (§ 291 ZPO) von der Beklagten im Internet vorgehalten werden, ist der allgemeine ausdrückliche Hinweis jedoch ausreichend. Die Beklagte stellt ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen und die jeweiligen Leistungsbeschreibungen ins Internet ein. Es ist eine offenkundige Tatsache, dass diese dort abrufbar sind. Beim Abschluss eines Vertrages, der die Bereitstellung eines Internetanschlusses zum Hauptgegenstand hat und bei ausdrücklichem Hinweis auf die Leistungsbeschreibung stellt es eine Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme für den Kunden dar, die Leistungsbeschreibung dem Internet zu entnehmen. Insbesondere dann, wenn ein Kunde sich bereits über die unterschiedlichen Tarife informiert und also schon vor Beginn der Vertragsverhandlungen offenbar Kenntnis von den unterschiedlichen Paketen hat, die sich darin zeigt, dass er direkt ein bestimmtes Paket bestellt, kann der Verwender der AGB davon ausgehen, dass die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme für den Kunden gegeben ist.



    Darüber hinaus ist die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme gegeben, wenn die AGB wie vorliegend in der Geschäftsstelle des Verwenders für den Fall des Vertragsschlusses unter Anwesenden zur Einsichtnahme bereit gehalten werden (vgl. MüKo-​Basedow § 305 Rn. 62 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung).

    Die Beklagte behauptet vorliegend, die Leistungsbeschreibung in ihrer Geschäftsstelle zur Einsichtnahme bereitgehalten zu haben. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Leistungsbeschreibungen üblicherweise in den Geschäftsstellen vorgehalten werden. Der Kläger hat die Tatsache, dass die Bedingungen zur Einsichtnahme auslagen, lediglich pauschal bestritten. Dieses Bestreiten ist einem Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Absatz 4 ZPO gleichzustellen. Ein solches Bestreiten mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei, noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmungen gewesen sind. Gegenstand der eigenen Wahrnehmung sind dabei alle konkreten Umstände in Zusammenhang mit einem selbst getätigten Vertragsschluss, auch wenn der Vertragschließende in dem damaligen Zeitpunkt nicht auf sie geachtet oder sie nicht wichtig genommen hat.

    Die, wie oben dargestellt, bezogen auf den Kündigungszeitpunkt 29.02.08 verspätet eingegangene Kündigung des Klägers ist jedoch als ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 20.03.09 wirksam. Dementsprechend endete das Vertragsverhältnis, zu diesem Zeitpunkt; da die Beklagte nichts zu einer einvernehmlichen Fortsetzung des Vertrags nach erfolgter Kündigung vorgetragen hat. Aus dem Vertrag stehen der Beklagten für den Zeitraum nach diesem Zeitpunkt daher keine Ansprüche mehr zu.

    Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten an seine Rechtsschutzversicherung in Höhe des tenorierten Betrages. Dabei ist der Streitwert von bis 600,00 € zu Grunde gelegt. Dies beruht darauf, dass aus der zwischen den Parteien im Raum stehenden Rechnung über 1.175,21 €, rund die Hälfte der Einzelbeträge jeweils vor und nach dem Beendigungszeitpunkt des Vertrages angefallen ist.

    Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 92 Absatz 1, 708 Nummer 11, 711 ZPO.

    Streitwert: 1175,21 €.

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