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OLG Schleswig Urteil vom 30.11.2016 - 6 U 39/15 - Bezeichnung eines Konkurrenzprodukts als Kopie oder Nachahmung

OLG Schleswig v. 30.11.2016: Bezeichnung eines Konkurrenzprodukts als Kopie oder Nachahmung ist nicht zwingend wettbewerbswidrig


Das OLG Schleswig (Urteil vom 30.11.2016 - 6 U 39/15) hat entschieden:

  1.  Die Bezeichnung der Abbildung einer Ortsangabe durch Darstellung eines Fischskeletts als Nachahmung ist als Werturteil einzuordnen.

  2.  Mit diesem Werturteil ist keine Herabwürdigung im Sinne § 4 Nr. 1 UWG verbunden.

  3.  § 823 Abs. 1 BGB ist in Bezug auf Unternehmensschutz gegenüber den UWG-Tatbeständen subsidiär.

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und
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Gründe:


I.

Der Kläger ist Goldschmied und vertreibt Produkte, die den von ihm kreierten „Kielfisch“ tragen. Der Beklagte ist Designer und vertreibt Produkte, die den von ihm entworfenen „Schleifisch“ tragen. Wegen des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat, nachdem der Rechtsstreit hinsichtlich der Klage übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, die Widerklage abgewiesen und dem Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es hat das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs verneint. Insbesondere bestehe kein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG, da die seitens des Beklagten beanstandeten Äußerungen des Klägers nicht wettbewerbswidrig seien. Es liege kein Verstoß gegen § 4 Nr. 7 UWG oder § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG vor, da aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise weder eine Herabwürdigung, noch eine Verunglimpfung der Waren oder Dienstleistungen des Beklagten durch die streitgegenständlichen Aussage vorliege. Dabei könne offen bleiben, ob es sich bei dem "Schleifisch" sowie der Idee und dem Konzept der "Schleifisch"-Edelstahlskulptur um Nachahmungen handele. Denn die Bezeichnung als Nachahmung stelle keine unzulässige Herabwürdigung oder Verunglimpfung dar. Nachahmungen seien grundsätzlich wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. § 4 Nr. 9 UWG verbiete Nachahmungen nur dann, wenn durch das Anbieten solcher Waren eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft herbeigeführt werde, das Anbieten die Wertschätzung der nachgeahmten Dienstleistung unangemessen ausnutze oder beeinträchtige oder der Anbieter die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt habe.

Daran ändere auch der Umstand nichts, dass dem durchschnittlich informierten Adressaten der Aussagen nicht bewusst sei, dass die Rechtsordnung eine Nachahmung nicht ohne weiteres missbillige. Der Kläger habe durch den Hinweis darauf, dass Nachahmungen in asiatischen Ländern als höchste Auszeichnung für den Erschaffenen gelten, hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass es sich um zulässige Nachahmungen handeln würde. Aus maßgeblicher Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten sei auch klar, dass die Nachahmung einzelner Elemente von Kunst häufig anzutreffen und daher nicht mit einem Unwerturteil verbunden sei.

Darüber hinaus seien die Aussagen des Klägers so zu verstehen, dass lediglich die Idee, einen Fisch unter Verwendung von Buchstaben so zu gestalten, dass der Name einer Stadt, eines Flusses etc. zu sehen sei, nachgeahmt worden sei. Eine Idee könne jedoch nicht Gegenstand einer Marke sein und unterliege keinem wettbewerbsrechtlichen Schutz. Die Aussage des Klägers falle daher unter die allgemeine Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Gleiches gelte für die Aussagen des Klägers bezüglich der "Schleifisch"-Edelstahlskulptur.

Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 8 UWG sei nicht festzustellen, da die Aussagen jedenfalls nicht geeignet seien, den Betrieb des Unternehmens des Beklagten oder den Kredit des Beklagten zu schädigen.

Ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten bestehe nicht, da die Abmahnung aus den genannten Gründen unrechtmäßig gewesen sei. Der Beklagte habe auch die Kosten zu tragen, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei; § 91a ZPO. Dies entspreche der Billigkeit, da die Klage bis zur Erhebung der Widerklage zulässig und begründet gewesen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Der Beklagte rügt, das Landgericht habe die Aussagen des Klägers fälschlicher Weise als zulässig eingestuft. Die Behauptung, der Beklagte habe Ideen anderer kopiert, sei unlauter, da der Kern der Tätigkeit eines Designers, eigene Ideen umzusetzen, betroffen sei. Ein Anspruch ergebe sich aus §§ 823, 1004 BGB. Das Landgericht habe sich zu Unrecht nicht mit der Frage befasst, ob die Aussagen des Klägers Tatsachenbehauptungen oder Werturteile seien. Es handele sich bei beiden Aussagen um Tatsachenbehauptungen, da der Kern jeweils dem Beweis zugänglich sei. Diese seien unstreitig unwahr. Der Kläger habe - obwohl ihn diesbezüglich die Beweislast treffe - nicht einmal vorgetragen, dass seine Aussagen wahr wären. Da unwahre Tatsachenbehauptungen nicht hingenommen werden müssten, komme es auf die Frage, ob die Aussagen geeignet sind, den Beklagten herabzuwürdigen, nicht entscheidend an.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass Nachahmungen grundsätzlich erlaubt seien. Der Rückschluss, dass deshalb die Aussage, ein Produkt sei eine Nachahmung, nicht herabsetzend wirken könne, sei fehlerhaft. Ein Hinweis auf Nachahmungen der Mitbewerber dürfe nur erfolgen, wenn der Hinweis der Wahrheit entspräche. Für die Beurteilung, ob die Aussage über einen Designer, sein Werk stelle die Nachahmung eines anderen Werkes dar, herabsetzend wirke, komme es darauf an, dass dem Designer die Fähigkeit zur eigenen Gestaltung abgesprochen und damit der Kern seiner beruflichen Tätigkeit negiert werde.



Schlussendlich wären die Aussagen auch dann nicht zulässig, wenn man sie so verstehen wollte, dass lediglich eine Idee nachgeahmt worden sei. Denn dies stelle ebenfalls eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Sie wäre nur wahr, wenn der „Kielfisch“ weltweit der erste Fisch gewesen wäre, der eine Zusammenstellung von Buchstaben in Fischform aufgewiesen hätte. Dies behaupte aber noch nicht einmal der Kläger. Im Gegenteil räume dieser selbst ein, dass die Idee vorbekannt gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

   das angefochtene Urteil zu ändern und

  1.  auf die Widerklage nach den im ersten Rechtszug gestellten, aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ersichtlichen Anträgen des Beklagten zu erkennen,

  2.  dem Kläger die Kosten der erledigten Klage aufzuerlegen.



Der Kläger beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die Aussage, dass es viele Nachahmer des „Kielfisches“ gebe, sei ein Werturteil. Denn die Antwort auf die Frage, ob etwas eine Nachahmung sei oder nicht, liege letztlich im Auge des Betrachters und sei daher dem Beweis nicht zugänglich. Da nicht der Vorwurf der Rechtswidrigkeit erhoben werde, sei die Aussage nicht diskriminierend. Der Kläger habe nie das Werk des Beklagten und damit dessen designerische Leistung als Kopie bezeichnet. Der „Schleifisch“ sei vielmehr eine (gelungene) Adaption des „Kielfisches“. So verstehe auch der Verkehr die streitgegenständliche Äußerung des Klägers.

Die Aussage, die Idee und das Konzept der „Kielfisch“-Edelstahlskulptur sei vom „Schleifisch“ kopiert worden, sei ebenfalls wahr und jedenfalls nicht diskriminierend. Idee und Konzept seien frei und in diesem Sinne gar nicht schutzfähig.

Der Beklagte könne seine Widerklage nicht auf die nunmehr in der Berufungsinstanz zitierten Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB stützen. Diese Regelungen seien nicht anwendbar, da sie von den spezielleren Vorschriften des UWG verdrängt würden.




II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Dem Beklagten steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Kläger auf Unterlassung der Äußerungen, der „Schleifisch“ sei eine Nachahmung des „Kielfisches“ bzw. die Idee und das Konzept einer „Kielfisch“- Edelstahlskulptur seien vom "Schleifisch“ kopiert worden, weder unter dem Blickwinkel des Wettbewerbsrechts noch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts zu. Ebenso besteht kein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten.

1. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 1 UWG. Hiernach kann ein Mitbewerber denjenigen, der eine u.a. nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Äußerungen des Klägers stellen zwar geschäftliche Handlungen dar, sie sind jedoch - soweit der Beklagte aktivlegitimiert ist - nicht unlauter.

a. Die von dem Beklagten beanstandeten Äußerungen des Klägers sind als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu qualifizieren. Hiernach bedeutet „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Der erforderliche Unternehmensbezug der Äußerungen des Klägers ergibt sich daraus, dass der Kläger durch die Äußerung unterstreicht, das Original des streitgegenständlichen Schriftzugs anzubieten und daher zumindest auch in der Absicht handelte, den Absatz der von ihm vertriebenen Produkte zu fördern. Auch wenn sich der „Schleifisch“ und der „Kielfisch“ auf unterschiedliche Regionen Schleswig-Holsteins beziehen, sprechen die von den Parteien vertriebenen Produkte mit dem jeweiligen Schriftzug doch einen einheitlichen Nachfragerkreis an, so dass die Parteien in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG stehen.

b. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Aussage des Klägers, die Idee und das Konzept der „Schleifisch“-Edelstahlskulptur seien vom „Kielfisch“ kopiert, geeignet sein könnte, die Wertschätzung für die Leistung des Beklagten herabzusetzen. Denn seine Aktivlegitimation ist nicht feststellbar. Der Beklagte hat nicht behauptet, die Edelstahlskulptur selbst entwickelt zu haben. In der Gegendarstellung des Beklagten auf seiner Homepage heißt es im Gegenteil: “… Idee und Konzept wurden von Herrn F P, K, eigenständig entwickelt.“ Wenn aber der Kläger gar nicht behauptet, dass die Entwicklung auf seiner Leistung beruhe, so kann die Behauptung, die Idee sei vom „Kielfisch“ kopiert, auch nicht dazu führen, das Ansehen der Leistung des Beklagten herabzusetzen. Betroffen könnte lediglich Herr P sein.

c. Die weitere beanstandete Äußerung ist nicht unzulässig, weil nicht unlauter i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG alter wie neuer Fassung. Wann Unlauterkeit vorliegt, wird durch den Katalog des § 4 UWG konkretisiert.

aa. Nach § 4 Nr. 1 UWG, welcher § 4 Nr. 7 UWG a.F. ohne inhaltliche Änderung abgelöst hat (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 160/14, juris Rn. 35 - Im Immobiliensumpf), handelt unlauter, wer Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönliche oder geschäftliche Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft. Ob diese Vorschrift vorliegend durch den spezielleren Tatbestand der vergleichenden Werbung aus § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG verdrängt werden könnte (vgl. hierzu Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, § 4 Rn. 1.7), kann dahin stehen, da keine Herabsetzung oder Verunglimpfung vorliegt und somit im Ergebnis beide Vorschriften nicht greifen.

Herabsetzung i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG ist die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers, seines Unternehmens oder seiner Leistungen in den Augen des angesprochenen Verkehrskreises. Dies kann durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung erfolgen. Verunglimpfung ist eine gesteigerte Form der Herabsetzung und besteht in der Verächtlichmachung in Gestalt eines abträglichen Werturteils oder einer abträglichen unwahren Tatsachenbehauptung ohne sachliche Grundlage (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016, aaO, Rn. 38; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, aaO, § 4 Rn. 1.12; Jänich, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl., § 4 Nr. 7 Rn. 33). Allerdings ist nicht jede negative Äußerung als Herabsetzung zu qualifizieren. Zur Beantwortung der Frage, ob eine Aussage im geschäftlichen Verkehr einen Mitbewerber herabsetzt, bedarf es einer Gesamtwürdigung, die die Umstände des Einzelfalls wie insbesondere den Inhalt und die Form der Äußerung, ihren Anlass, den Zusammenhang, in dem sie erfolgt ist, sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs berücksichtigt. Dabei kommt es weder auf die Intention des Äußernden noch darauf an, wie der Betroffene die Aussage versteht. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten (BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - I ZR 147/09, GRUR 2012, 74, 76 Rn. 22 m.w.N.- Coaching-Newsletter; Köhler aaO. § 4 Rn. 1.13). Für die Bewertung maßgeblich ist daher der Sinngehalt der Äußerung, wie sie vom angesprochenen Verkehr verstanden wird.

In die Gesamtwürdigung sind betroffene Grundrechtspositionen einzubeziehen (vgl. BGH, aaO, 77 Rn. 26 ff. - Coaching-Newsletter). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Behauptung wahrer Tatsachen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fällt, soweit sie Voraussetzung für die Meinungsbildung ist (vgl. BVerfGE 85, 1, 15; Ohly, in: Piper/Ohly/Sosnitza, § 4 Rdnr. 7, 16). Zulässig sind wahre, aber geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen gleichwohl nicht in jedem Falle. Betrifft die angegriffene Äußerung einen Gegenstand, an dessen Klärung die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat, so ist eine im wesentlichen wahrheitsgemäße, in sachlicher Form gehaltene Darstellung in der Regel aber durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt (BGH, Urteil vom 21. Februar 1964 - Ib ZR 108/62, GRUR 1964, 392, 394 - Weizenkeimöl). Stets nach § 4 Nr. 1 UWG unzulässig ist dagegen die Behauptung unwahrer und damit nicht mehr von der Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG erfasster Tatsachen, die einen Mitbewerber herabsetzen (BGH, Urteil vom 19. Mai 2011, aaO, 77 Rn. 27 - Coaching-Newsletter; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 4 Rdnr. 7.15). Auch im Falle von Werturteilen ist zu differenzieren. Nicht mehr vom Grundrecht des Art 5 Abs. 1 S. 1 GG gedeckt und damit stets nach § 4 Nr. 1 UWG unzulässig sind kritische Äußerungen über einen Mitbewerber, die eine Formalbeleidigung enthalten oder die Menschenwürde verletzen oder eine reine Schmähkritik darstellen (BVerfGE 86, 1, 13). In den übrigen Fällen ist auch hier eine Abwägung der Güter und Interessen der Beteiligten und der Allgemeinheit vorzunehmen, bei der einerseits dem Schutz des Geschäftsrufs des Betroffenen nach Art 2 Abs. 1, 12 GG, andererseits dem Bedeutungsgehalt des Art 5 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen ist (BGH, Urteil vom 19. Juni 1997 - I ZR 16/95, GRUR 1997, 916, 919 - Kaffeebohne; BGH, Urteil vom 19. Mai 2011, aaO, Rn 31, 33 - Coaching-Newsletter).

Nach diesen Grundsätzen ist die Aussage, der „Schleifisch“ sei eine Nachahmung des "Kielfisches", im konkreten Einzelfall aus maßgeblicher Sicht eines durchschnittlich informierten Adressaten in Übereinstimmung mit der Auffassung des Landgerichts nicht geeignet, die Wertschätzung der Leistung des Beklagten zu verringern.

(1.) Die Äußerung ist als Werturteil einzuordnen. Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen sind Werturteile nicht dem Beweis ihrer objektiven Richtigkeit zugänglich. Oft steckt jedoch in einem Werturteil zugleich die Behauptung einer Tatsache; dann ist der an Tatsachenbehauptungen anzulegende Maßstab anzuwenden. Ist die Abgrenzung nicht durchführbar, kommt es darauf an, ob nach der Auffassung der Verkehrskreise das Gewicht mehr auf dem tatsächlichen oder mehr auf dem wertenden Moment liegt (Köhler, aaO, Rn. 1.17). Die Formulierung des Klägers, dass der „Kielfisch“, seit es ihn gebe, viele Nachahmer gefunden habe, stellt im Hinblick auf den Umstand, dass es letztlich lediglich um die Umsetzung des hinter dem „Kielfisch“ stehenden Konzepts auf andere Ortsnamen und Begriffe geht, unter Berücksichtigung des Kontextes der Aussage und der Benennung diverser vergleichbarer Gestaltungen ein Werturteil dar. Anders als bei dem Vorwurf, es handele sich um ein Plagiat, geht es vorliegend um ein Anlehnen der beiden Entwürfe aneinander oder wie vom Beklagtenvertreter in der Berufungsbegründung zutreffend formuliert, das Aufgreifen einer grundsätzlichen Gestaltungsidee durch beide Parteien. Es geht damit aber um eine Wertungsfrage, ob in dem Design des Beklagten auch Teile des Entwurfs des Klägers eingeflossen sind oder nicht. Belastbare Anknüpfungspunkte, auf die eine Einordnung der Äußerung als unrechtmäßig gestützt werden könnte und die einem Beweis zugänglich wären, so dass ein greifbarer Tatsachenkern der Äußerung festgestellt werden könnte (vgl. hierzu OLG München, GRUR-RR 2004, 309, 310), sind nicht ersichtlich.

(2.) Dieses Werturteil ist nicht herabwürdigend. Für eine Herabsetzung mag zwar sprechen, dass eine Nachahmung i.d.R. nicht die gleiche Anerkennung und Wertschätzung erhält wie ein Original. Denn damit kann der Vorwurf einhergehen, fremde Leistungen auszunutzen bzw. nicht in der Lage zu sein, ein eigenes Werk zu kreieren (vgl. OLG Stuttgart, NJWE-WettbR 1997, 271, 272 zum Begriff des „Nachmachens“). Dies ist jedoch kein allgemein gültiger Grundsatz. Vielmehr kann es im Einzelfall auch so sein, dass eine (rechtmäßige) Nachahmung besonders gelingt und somit eine im Verhältnis zum Original gesteigerte Wertschätzung erhält. Insofern entzieht sich die Frage einer generalisierenden Betrachtung und hängt deren Beantwortung vom Einzelfall ab. Die Bewertung hängt zunächst vom konkreten Inhalt der Äußerung ab, also was der angesprochene Verkehrskreis unter der Bezeichnung als Nachahmung versteht. Anders als der Begriff Plagiat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, GRUR 1960, 500, 503 - Plagiatsvorwurf) ist der Begriff der Nachahmung wertungsneutral. Je eher lediglich ein Abbild der Vorlage damit gemeint ist, desto mehr ist er herabsetzend. Demgegenüber wird eine Herabsetzung fernliegen, wenn der eigenschöpferische Anteil größer ist, also insbesondere dann, wenn die Vorlage lediglich der Inspiration diente (siehe zu den verschiedenen Formen Köhler, aaO, § 4 Rn. 3.34b ff.; Wiebe, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht § 4 Rn. 66).



Die Aussage ist nicht so zu verstehen, dass der „Schleifisch“ eine exakte Kopie des „Kielfisches“ darstellt. Dies folgt schon daraus, dass die Fische unterschiedliche Wörter darstellen und der „Schleifisch“ sich auch farblich abhebt. Eine exakte Kopie des „Kielfisches“ wäre als Souvenir bzw. Identifikationszeichen für die Schlei offensichtlich sinnlos. Einem durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten ist durchaus bewusst, dass es viele verschiedene „Fische“ gibt, die jeweils nach dem gleichen Prinzip gestaltet sind und sich - abgesehen von dem dargestellten Namen - nur im Detail unterscheiden. Dies ergibt sich bereits aus der Aufzählung des Klägers in dem streitgegenständlichen Internetauftritt, in der er acht weitere Fische nennt. Infolgedessen verstehen die angesprochenen Verkehrskreise unter Nachahmung in diesem Zusammenhang lediglich eine solche derselben Idee, nämlich der Darstellung eines Namens durch Abbildung eines Fischskeletts.

Auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalles ist die Äußerung nicht herabsetzend. Zwar äußert der Kläger sich auch kritisch, indem er den „anderen Fischen“ eigene Ideen wünscht und einwendet, viele Nachahmungen könnten zu Einfalt führen. Es handelt sich aber um mäßige Kritik, die sich insbesondere gegen die Vielzahl von Nachahmungen und nicht speziell gegen den „Schleifisch“ richtet. Darüber hinaus äußert der Kläger ebenfalls, dass Nachahmungen im asiatischen Raum als höchste Auszeichnung für den Erschaffenden gelten und er dies ebenfalls so versteht. Darin kommt zum Ausdruck, dass er Nachahmungen nicht generell negativ sieht. Der Umstand, dass der Kläger dem Beklagten keine rechtswidrige Nachahmung vorwirft und Nachahmungen außerhalb von § 4 Nr. 3 UWG zulässig sind, spricht dem Grunde nach ebenfalls gegen eine Herabsetzung. Eine Herabsetzung setzt zwar nicht zwingend den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens voraus. Die Wertschätzung der Leistung des Beklagten kann im Einzelfall aber auch durch den Vorwurf legaler Nachahmung verringert werden. Maßgebend ist die konkrete Form der Nachahmung. Die Bezeichnung als Nachahmung schmälert die Wertschätzung der Leistung des Beklagten stärker, wenn die Anerkennung der Leistung darauf beruht, etwas Neues geschaffen zu haben. Geht es jedoch um Gestaltungen der gleichen Art, hängt die Wertschätzung von der konkreten Ausgestaltung und nicht von der Idee ab. Zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles zählt daher auch die erhebliche Anzahl an verschiedenen Fischen, die bereits existieren. Gibt es - wie vorliegend - viele Umsetzungen einer Idee, so erwartet der maßgebende Verkehrskreis i.d.R. nicht, dass eine Leistung auf einer eigenen Idee beruht. Die Adressaten gehen daher nicht davon aus, dass der Beklagte der erste war, der eine solche Idee umgesetzt hat. Wer der erste war, der auf diese Idee gekommen ist, ist überhaupt nicht ersichtlich und ist für eine Kaufentscheidung auch nicht relevant. Bezeichnet ein Mitbewerber die Leistung eines anderen als Nachahmung, ohne dass damit der Vorwurf der Rechtswidrigkeit oder ein sonstiges sittliches oder moralisches Unwerturteil verbunden ist, so verringert dies die Wertschätzung der Leistung des Mitbewerbers in den Augen des angesprochenen Verkehrskreises, wenn überhaupt, lediglich geringfügig, wenn es eine unübersichtliche Vielzahl an Umsetzungen derselben Idee gibt. Die Wertschätzung für den „Schleifisch“ beruht daher auf der konkreten Ausgestaltung, auf die sich der Vorwurf der Nachahmung nicht bezieht. Insofern steht der Vorwurf, eine bereits öffentlich bekannte Idee umgesetzt zu haben, den Erwartungen eines durchschnittlich informierten Adressaten nicht entgegen und ist schon deshalb nicht geeignet, die Wertschätzung in die Leistung des Beklagten in den Augen des angesprochenen Verkehrskreises zu verringern. Dafür spricht auch, dass der Erwerb der von dem Beklagten vertriebenen „Schleifisch“- Artikel in erster Linie dazu dient, ein Souvenir zu erwerben oder aber der öffentlichen Identifikation mit der Schlei und Umgebung, etwa als Aufkleber auf einem Fahrzeug. In diesem Zusammenhang spielt es keine ausschlaggebende Rolle, ob der Fisch eine eigene Idee des Beklagten war oder aber eine Nachbildung des „Kielfisches“ ist.

Darauf, dass der Beklagte sich als Designer herabgewürdigt fühlt, kommt es nicht an. Maßgebend ist - wie ausgeführt - allein die Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten. Der Einwand des Beklagten, dass der Vorwurf einer Nachahmung einem Designer gegenüber stets herabwürdigend ist, verfängt nicht. Dies folgt schon daraus, dass auch eine Nachahmung eine erhebliche eigene Gestaltungsleistung beinhalten kann und die entsprechende Bezeichnung daher nicht generell herabsetzend ist.

bb. Die Äußerungen sind auch nicht unlauter nach § 4 Nr. 2 UWG. Dafür müssten sie geeignet sein, den Betrieb oder Kredit des Beklagten zu gefährden. Dafür genügt zwar, dass die Äußerung Nachteile für die Erwerbstätigkeit mit sich bringen kann. Dies ist etwa der Fall, wenn die Äußerung das Potential hat, bisherige Abnehmer dazu zu verleiten, sich in Zukunft anderen Anbietern zuzuwenden (Brammsen/Doehner in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht § 4 Rn. 62; Köhler aaO. § 4 Rn. 2.19). Solche Auswirkungen macht der Beklagte jedoch nicht geltend und es ist aus den oben genannten Gründen auch fernliegend, dass die Äußerungen Einfluss auf Kaufentscheidungen hinsichtlich der vom Beklagten vertriebenen „Schleifisch“-Artikeln hat.

2. Ein Anspruch auf Unterlassung folgt auch nicht aus § 1004 BGB analog. Die Vorschrift ist schon nicht anwendbar. Liegt - wie vorliegend - eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor, so ist das allgemeine Deliktsrecht grundsätzlich verdrängt.

Zwar können bei Kreditgefährdung § 824 BGB, bei vorsätzlich sittenwidriger Schadenszufügung § 826 BGB, bei schuldhafter Schutzgesetzverletzung § 823 Abs. 2 BGB iVm zB §§ 185 ff StGB sowie bei schuldhafter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Namensrechts § 823 I BGB eingreifen (vgl. BGH GRUR 1986, 759 - BMW). Doch scheidet ein Rückgriff auf § 823 Abs. 1 BGB zum Unternehmensschutz aus. In einem solchen Falle ist § 823 Abs. 1 BGB gegenüber den UWG-Tatbeständen subsidiär (Köhler/Bornkamm/Köhler, aaO, § 4 Rn. 1.8).



3. Da ein Unterlassungsanspruch nicht besteht, war die Abmahnung unrechtmäßig und die Abmahnkosten sind nicht zu ersetzen.

4. Da Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand betreffen, folgt aus der Unbegründetheit der Widerklage, dass die Klage ursprünglich begründet war. Daher hat der Beklagte nach § 91a ZPO die auf die übereinstimmend für erledigt erklärte Klage entfallenen Kosten zu tragen. Die Entscheidung des Landgerichts ist auch insoweit nicht zu beanstanden.

5. Die Kostenentscheidung beruht aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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