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OLG Brandenburg Urteil vom 26.06.2012 - 6 W 72/12 - Angabe von Filialanschriften bzw. fehlende Angabe des Unternehmenssitzes

OLG Brandenburg v- 26.06.2012: Wettbewerbswidrige Angabe von Filialanschriften bzw. fehlende Angabe des Unternehmenssitzes in einem Werbeprospekt


Das OLG Brandenburg (Urteil vom 26.06.2012 - 6 W 72/12) hat entschieden:
  1. Wird in einem Werbeprospekt mit einem konkreten Produkt unter Angabe des Verkaufspreises geworben, hat das werbende Unternehmen seine Identität und seine Anschrift anzugeben, wenn sich diese Informationen nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben.

  2. Die anzugebende Anschrift ist die nach der jeweiligen Unternehmensform maßgebliche Geschäftsanschrift. Der in der Rechtsform einer GmbH handelnde Werbende hat seine inländische Geschäftsanschrift anzugeben, die ausschlaggebend dafür ist, bei welchem Gericht die Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist.

  3. Dieser Verpflichtung genügt der Werbende nicht, wenn er lediglich Filialanschriften angegeben hat, er jedoch an keiner dieser Anschriften seinen Unternehmenssitz unterhält, auch wenn er durch die Angabe der Filialanschrift den Verbraucher in den Stand versetzt, mit ihm Schriftverkehr zu führen und ihn im Gerichtsstand der Niederlassung zu verklagen.

  4. Es reicht auch nicht aus, dass im Prospekt die Internetadresse angegeben und im Internet die Geschäftsadresse ermittelbar ist.



Siehe auch Impressum - Anbieterkennzeichnung und Scheinsitz - Scheinwohnsitz - Briefkastenfirma


Gründe:

I.

Der Antragsteller beanstandet den Werbeprospekt der Antragsgegnerin "S…" (Anlage 1) als wettbewerbsrechtswidrig, weil am Ende des Prospekts vier Filialanschriften angegeben worden sind, jedoch nicht die Anschrift des Geschäftssitzes der Antragsgegnerin.

Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 15.2.2012 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, ihm zugestellt am selben Tag, richtet sich die am 29.2.2012 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das Landgericht mit Beschluss vom 27.3.2012 nicht abgeholfen hat.

Das Beschwerdegericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, in dem der Antragsteller beantragt,
nach seinem Verfügungsantrag zu erkennen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin meint, die Angabe von Anschriften von vier ihrer Filialen auf dem streitgegenständlichen Prospekt genüge den gesetzlichen Anforderungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Verfahrensbeteiligten gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.


II.

Die gemäß den §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Auf seinen Antrag hin ist der Antragsgegnerin gemäß den §§ 935, 940 ZPO zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Geschäfts-Anschrift des Unternehmens anzugeben. Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 2, 5a Abs. 2, 3 Nr. 2 UWG zu. Die Antragsgegnerin hat entgegen § 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 UWG irreführend geworben, weil sie in dem beanstandeten Verkaufsprospekt ihre Anschrift nicht angegeben hat.

Nach § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkung des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Nach § 5a Abs. 3 UWG gelten bestimmte Informationen dann als wesentlich, wenn Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer Weise angeboten werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich diese Informationen unmittelbar aus den Umständen ergeben.

Ein abschlussfähiges Angebot in diesem Sinne ist auch in einem Werbeprospekt zu sehen, der - wie hier - die "essentialia negotii" in Gestalt des beworbenen Produkts und des Verkaufspreises bezeichnet (OLG München, Urteil vom 31.3.2011, 6 U 3517/10, WRP 2011, 1213, zitiert nach Juris; Senat, Beschluss vom 19.3.2012, 6 U 79/11, Magazindienst 2012, 591, zitiert nach Juris Rn 3 m. w. N.).

Zu den als wesentlich anzusehenden Informationen gehören nach der in Umsetzung der UGP-Richtlinie (2005/29/EG) eingeführten Vorschrift des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG die Identität und die Anschrift des Unternehmens.

Zwar hat die Antragsgegnerin in dem beanstandeten Prospekt vier Filialanschriften in B… und im Umland von B… angegeben. Damit ist den Erfordernissen des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG aber nicht genügt. Denn an keiner dieser Anschriften unterhält die Antragsgegnerin ihren Unternehmenssitz.

Zweck der Vorschrift des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG ist es nicht nur, dem Verbraucher eine Zuordnung eines Angebotes zu einer bestimmten Verkaufsstelle zu ermöglichen. Vielmehr soll die Informationspflicht nach § 5a Abs. 3 Nr.2 UWG dem Verbraucher klare und unmissverständliche Angaben darüber verschaffen, mit wem er gegebenenfalls in geschäftlichen Kontakt tritt. Diese Informationen sollen es dem Verbraucher ermöglichen, ohne Schwierigkeiten Kontakt mit dem anbietenden Unternehmen aufzunehmen (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. 2012, § 5a Rn 33). Damit soll nicht nur der Abschluss des angestrebten Kaufes ermöglicht, sondern u. a. auch verhindert werden, dass der Verbraucher im Falle einer Auseinandersetzung die exakte Identität und eine Anschrift seines Vertragspartners erst ermitteln muss, an die gegebenenfalls eine Zustellung von Schriftverkehr erfolgen kann (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 20.10.2011, 5 W 134/11, Magazindienst 2012, 55, zitiert nach Juris Rn 5).

Zwar hat die Antragsgegnerin Anschriften der Filialen nach Postleitzahl, Ort und Straße angegeben und damit den Verbraucher in den Stand versetzt, mit der Antragsgegnerin Schriftverkehr zu führen und sie im Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 ZPO zu verklagen. § 21 ZPO begründet allerdings nur den Gerichtsstand, in dem gegen die Antragsgegnerin geklagt werden kann. Die Vorschrift regelt jedoch nicht, dass Zustellungen und Ladungen an die Antragsgegnerin unter dieser Postanschrift vorgenommen werden können.

§ 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG fordert zwar nicht die Angabe einer "ladungsfähigen" Anschrift. Das Gesetz spricht von "Identität und Anschrift" als anzugebenden wesentlichen Informationen. Der gesetzlichen Regelung ist umgekehrt jedoch nicht zu entnehmen, dass die Angabe einer Filialanschrift ausreichend sein soll. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der dort verwendete Begriff der "Anschrift" jedenfalls auch die nach der jeweiligen Unternehmensform maßgebliche Geschäftsanschrift meint. Die in der Rechtsform einer GmbH handelnde Antragsgegnerin hat mithin ihre inländische Geschäftsanschrift gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG anzugeben, die ausschlaggebend dafür ist, bei welchem Gericht die Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist, § 7 GmbHG. Hierfür spricht auch der aus dem Gesetz hervortretende Zweck, es dem Verbraucher zu ermöglichen, die Identität des Unternehmers festzustellen, mit dem er in geschäftlichen Kontakt tritt. Die Identifizierung einzelner Filialen ohne einen Hinweis auf das Unternehmen und seinen Firmensitz ist deshalb unzureichend (so auch OLG München, Urteil vom 31.3.2011, 6 U 3517/10, WRP 2011, 1213, zitiert nach Juris).

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf das Arbeitspapier der Dienststellen der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher der Europäischen Kommission vom Dezember 2009 "Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken". Dort heißt es auf Seite 57 der deutschsprachigen Fassung schon, dass im Zusammenhang mit Kaufaufforderungen die Informationspflichten nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie den Sinn haben, bei entscheidenden Aspekten für größtmögliche Rechtssicherheit zu sorgen. Weiter heißt es dort, dass die Informationsanforderungen nicht zum Ziel haben, dass Gewerbetreibende künftig unnötige oder unverhältnismäßig viele Informationen bereitstellen müssen; es solle vielmehr sichergestellt werden, dass die Verbraucher bei Kaufentscheidungen nicht irregeführt werden. Auf Seite 58 dieser Leitlinien wird zwar ausgeführt, dass bei einer landesweiten Werbung einer großen Einzelhandelskette die Anschrift einer lokalen Niederlassung als offensichtlich oder als sich unmittelbar aus den Umständen ergebend betrachtet werden könne, so dass keine expliziten Angaben zur Anschrift erforderlich seien, dass jedoch dann eine Anschrift anzugeben sei, wenn sich die Werbung nur auf einzelne Verkaufsstellen beziehe. Diese Ausführungen scheinen zwar für die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin zu sprechen. Ein dem entsprechendes Verständnis der Richtlinie 2005/29/EG würde jedoch ihrem Zweck nicht genügen, für Rechtssicherheit zu sorgen. Der Senat vermag sich dem deshalb nicht anzuschließen. Diese Leitlinien binden den Senat im Übrigen nicht. Sie beanspruchen auch keine Bindungswirkung, wie sich aus dem "Haftungsausschluss" zu Beginn der Leitlinien ergibt, wonach diese weder eine formelle situationsbezogene Auslegung des Gemeinschaftsrechts noch Rechtsberatung zu Fragen einzelstaatlicher Rechtsvorschriften bieten.

Die vom Senat vorgenommene Auslegung des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG bürdet der Antragsgegnerin auch keine übermäßigen Pflichten auf. Es ist nicht ersichtlich, dass die Information des Verbrauchers über die Identität und Geschäftsanschrift des werbenden Unternehmens in Werbeprospekten unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursachen würde. Vielmehr können diese Informationen, die üblicherweise auf dem Briefpapier eines jeden Unternehmens angegeben werden, auch auf dem hier vorliegenden, 22seitigen Werbeprospekt ohne weiteres untergebracht werden.

Es reicht nicht aus, dass die Antragsgegnerin im Prospekt ihre Internetadresse angegeben hat und im Internet ihre Geschäftsadresse ermittelbar ist. Aus dem Gesetz ergibt sich, dass die geforderten Angaben bereits in dem Werbeträger selbst anzugeben sind und dem angesprochenen Verbraucher nicht angesonnen werden kann, die Anschrift anderweitig, etwa aus dem Internet zu recherchieren (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2011, 4 W 84/11, GRURPrax 2011, 563; OLG Hamm, Beschluss vom 11.8.2011, 4 W 66/11, Magazindienst 2011, 809, jeweils zitiert nach Juris).

Im Falle einer Verletzung der in § 5a Abs. 3 UWG statuierten Informationspflichten ergibt sich die Relevanz der Verletzung ausdrücklich aus dem Gesetz (Köhler/Bornkamm, UWG 30. Aufl. 2012, § 5a Rn 57; OLG München, Urteil vom 20.10.2011, 29 U 2357/11, WRP 2012, 230, zitiert nach Juris). Eine gesonderte Prüfung der Relevanz ist deshalb nicht erforderlich.

Hinsichtlich des Verfügungsgrundes gilt § 12 Abs. 2 UWG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Rechtskraft dieses Urteils folgt aus § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.










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