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OLG Köln Urteil vom 19.10.2001 - 6 U 11/01 - Wettbewerbsverstoß durch Zusendung unbestellter Ware

OLG Köln v. 19.10.2001: Wettbewerbsverstoß durch Zusendung unbestellter Ware


Das OLG Köln (Urteil vom 19.10.2001 - 6 U 11/01) hat entschieden:
  1. Die Zusendung unbestellter Ware (hier: Zeitschrift) ist unter dem Aspekt der Belästigung wettbewerbswidrig; das gilt insbesondere, wenn durch Nichtrücksendung ein Vertrag zu Stande kommen soll.

  2. Als (Mit-)Störer haftet bei Zusendung unbestellter Ware (hier: einer Zeitschrift) auf Unterlassung (auch) derjenige (hier: Verlag), der lediglich die Versendung ausführt und ein Postfach als Rücklaufadresse unterhält.



Siehe auch Unbestellte Warenlieferung - eine unzummutbare Belästigung und Stichwörter zum Thema Störer- und Betreiberhaftung


Gründe:

Die - zulässige - Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig. Die nach der Neufassung des § 13 Abs.2 Ziff.3 UWG verlangte Eintragung des Klägers in die "Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22 a des AGBG" ist unstreitig erfolgt.

Der Kläger handelt mit der Betreibung des Verfahrens auch im Rahmen seiner Satzung. Danach hat er (§ 2 Ziff.1 Abs.5) Gesetzesverstöße zu verfolgen, soweit hierdurch Verbraucherinteressen berührt werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere spricht die VDV-Wirtschaft GmbH (im Folgenden: "der VDV") mit der angegriffenen Werbung Verbraucher an. Verbraucher sind nach der Bestimmung des § 13 BGB natürliche Personen, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließen, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der VDV wendet sich mit der Publikation ersichtlich an rechtlich nicht erfahrene Vermieter. Damit sind zumindest in erster Linie solche Personen betroffen, die Immobilien nicht gewerblich oder als Selbstständige, sondern als Privatleute vermieten, also insbesondere etwa Personen, die eine ihnen gehörende Immobilie nur teilweise selbst nutzen und im übrigen vermieten oder etwa eine von ihm selbst nicht genutzte Immobilie geerbt haben. Soweit sich in Einzelfällen auch gewerbliche Vermieter für das Angebot interessieren sollten, ändert dies nichts daran, dass die Zielgruppe von Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB gebildet wird.

Das Vorgehen ist auch - von der Frage der Störerhaftung der Beklagten zunächst abgesehen - im Sinne des § 1 UWG unlauter: Die Zusendung unbestellter Ware ist aus den von dem Landgericht auf Seite 9 der angefochtenen Entscheidung (Bl.95) im einzelnen dargelegten Gründen wettbewerbswidrig. Das gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - durch die Nichtrücksendung der Zeitschrift ein Vertrag zustande kommen soll (Schweigen als Annahme). Es kommt sogar hinzu, dass das Schreiben auch völlig verschleiert, bis wann und in welcher Form die entsprechenden Vertragserklärungen abgegeben werden müssen.

Die Zusendung unbestellter Ware wird von der Rechtsprechung unter dem Aspekt der Belästigung als wettbewerbswidrig angesehen (vgl. die Darstellung bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22.Aufl., § 1 UWG Rn. 72 f.). Die Belästigung ist zutreffend darin erkannt worden, dass der Kunde ohne dies zu wollen vor die Wahl gestellt wird, die Ware entweder zu behalten und zu bezahlen, oder aber sie entweder aufzubewahren oder sogar mit entsprechendem Aufwand zurückzusenden. Das gilt nach der angeführten Kommentierung (Randziffer 73) auch dann, wenn zunächst unentgeltliche Probesendungen erfolgen mit dem Hinweis, dass bei Schweigen von einer Bestellung ausgegangen werde. Hieran ist festzuhalten. Tut man dies, so stellt sich der beanstandete Vertrieb des "Vermieter-Brief" ohne weiteres als wettbewerbswidrig dar. Der betroffene Kunde wird zwar nur angeschrieben, wenn er zunächst seinerseits auf die der Versendung zugrundeliegende Fernsehwerbung reagiert. Dies beseitigt die Wettbewerbswidrigkeit indes nicht: In der Werbung ist nämlich ausdrücklich von einer "kostenlosen" Übersendung eines Exemplars die Rede. Der Interessent geht deswegen davon aus, dass er die Zeitschrift zum einen kostenlos erhält und zum anderen keine weiteren Verpflichtungen mit der Bestellung eingeht. Er wird aus diesem Grunde zwar nicht dadurch wettbewerbswidrig belästigt, dass ihm überhaupt ein Exemplar der Zeitschrift zugesandt wird, weil er dies bestellt hat. Die Belästigung liegt aber unverändert darin, dass er nach dem - erwünschten - Erhalt des ersten Exemplars nunmehr ein zweites Exemplar erhält, das ihn ebenso in die geschilderte Alternativsituation versetzt. Der Umstand, dass der Interessent selber auf diese Weise dazu beigetragen hat, dass ihm das beschriebene "Angebot" gemacht wird, ändert an der Wettbewerbswidrigkeit nichts, weil der durch die Fernsehwerbung angelockte Kunde nicht auf die beschriebene Weise belästigt werden, sondern lediglich das versprochene kostenlose Exemplar erhalten wollte.

Für diesen mithin vorliegenden Wettbewerbsverstoß haftet auch die Beklagte als (Mit-) Störerin. Das gilt hinsichtlich sämtlicher von ihr auf Bl.133 f. eingeräumten Mitwirkungshandlungen und damit jedenfalls auch für das - vorliegend angegriffene - zur Verfügung Stellen der Postfachanschrift.

Die Haftung als Mitstörer setzt voraus, dass dieser an dem fremden Wettbewerbsverstoß adäquat ursächlich mitwirkt (vgl. z. B. Köhler/Piper, Einführung UWG, Randziffer 249). Hieran kann kein Zweifel bestehen. In subjektiver Hinsicht setzt die Haftung die Kenntnis der Tatumstände voraus, die den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit begründen (a. a. O., Randziffer 251). Auch hieran kann kein Zweifel bestehen: die Einzelheiten der wettbewerbswidrigen Vertragsanbahnung ergeben sich aus dem oben als S. 3 in dieses Urteil eingeblendeten Schreiben, das eingestandenermaßen entgegen seinem Briefkopf nicht von dem VDV, sondern eben von der Beklagten versandt wird, ihr also bekannt ist.

Ohne Erfolg stützt sich die Beklagte auch auf die Rechtsprechung zur eingeschränkten Haftung der Presse für die Veröffentlichung von Anzeigen. Die Besonderheiten des Anzeigengeschäftes sind auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen: während dort angesichts des Massenbetriebes und des Anspruchs auf Gewährleistung des Grundrechts der Pressefreiheit großzügigere Maßstäbe angemessen sind (vgl. Köhler/Piper, a. a. O., Randziffer 254), handelt es sich hier um einen Fall arbeitsteiligen Vorgehens: der VDV hat ganz wesentliche Aufgaben des Vertriebs auf die Beklagte verlagert. Hierzu gehört der gesamte Schriftverkehr, insbesondere das Mahnwesen und das Rechnungswesen. Insbesondere prüft sie, ob nach den - wettbewerbswidrigen - Vorgaben des VDV der Abonnements-Vertrag als zustande gekommen zu behandeln ist. Wollte man der so eingeschalteten Beklagten gleiche Freiräume wie der Presse einräumen, wäre ein großes Tor für wettbewerbswidriges Verhalten geöffnet. Im übrigen besteht zu einer Parallele auch kein Anlass: weder steht der Beklagten das Grundrecht der Pressefreiheit zur Seite, noch ist von irgendeinem Zeitdruck auszugehen, der sie daran hindern könnte, die von ihr versandten Schreiben auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen. Das gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass es sich um Form- also immer wiederholte Schreiben handelt. Zu allem kommt hinzu, dass die Beklagte auch nach positiver Kenntnis der Vorgehensweise des VDV aufgrund der Abmahnung und des Streitverfahrens die angegriffene Kooperation fortgesetzt hat.

Ein Anlass, die Revision gegen dieses Urteil zulassen, besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft es ersichtlich nicht zu, dass Rechtsfragen "zu Inhalt und Umfang der Störerhaftung" von im Sinne des § 546 Abs.1 S.2 Ziff.1 ZPO grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden wären. Vielmehr hält sich die Entscheidung aus den dargelegten Gründen auch bezüglich der Störerhaftung im Rahmen der gefestigten Rechtsprechung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren den Antrag neu gefasst hat, liegt hierin lediglich dessen redaktionelle Anpassung an die konkrete Verletzungsform und keine Teilklagerücknahme, die gem. §§ 269 Abs.3, 523 ZPO Kostenfolgen haben müsste.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000 DM










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