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Landgericht Hamburg Beschluss vom 22.10.2015 - 308 O 375/15 - Unterlassungsanspruch beim Einsatz von Filtersoftware zur Ausblendung von Werbung in Internetangeboten

LG Hamburg v. 22.10.2015: Unterlassungsanspruch beim Einsatz von Filtersoftware zur Ausblendung von Werbung in Internetangeboten


Das Landgericht Hamburg (Beschluss vom 22.10.2015 - 308 O 375/15) hat entschieden:
Der Betreiber einer Internetplattform, der urheberrechtlich geschütztes Material an Dritte gegen Zahlung eines Entgeltes (hier: Abonnement) oder alternativ gegen Einfügung von Werbung in den jeweiligen Abruf abgibt, hat gegen einen Anbieter von Filtersoftware, die es ermöglicht, die eingeblendete Werbung auf der Plattform bei der entgeltfreien Nutzung zu unterdrücken und damit einen wirksamen Schutzmechanismus zu umgehen, einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Verbreitung der Filtersoftware. Dieser Anspruch erstreckt sich auch auf Hilfeleistungen für Nutzer in Online-Foren zur Anwendung der Filtersoftware.




Siehe auch Die Verwendung von Adblockern und deren Umgehung und Google Adsense-Werbung


Gründe:

I.

Der auf Antrag der Antragstellerin ergangenen Entscheidung liegen prozessual die Regelungen der §§ 935 ff., 922 ZPO zugrunde. Die Zuständigkeit des Gerichts folgt aus § 32 ZPO. Die beanstandeten Programmcodes sind auch im hiesigen Gerichtsbezirk über das Internet abrufbar. Der – verschuldensunabhängige – Verbots- bzw. Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 97 Abs. 1, 95a UrhG, die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 ZPO.

II.

Die Antragstellerin hat einen aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95a Abs. 3 UrhG, 1004 Abs. 1 BGB folgenden Anspruch gegen die Antragsgegnerin, das Verbreiten von Programmcodes, mit denen die A.-Erkennungssoftware der Antragstellerin umgangen werden kann, zu unterlassen, dargelegt und glaubhaft gemacht.

1. Die Antragstellerin ist als Betreiberin der Internetseite „www. b..de“ aktivlegitimiert.

2. Die Internetseite „www. b..de“ enthält urheberrechtlich geschützte Werke, u.a. Lichtbildwerke und Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5, Abs. 2 UrhG, sowie Lichtbilder im Sinne von § 72 UrhG.

3. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, die auf ihrer Internetseite abrufbaren urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen für Internetnutzer nur unter der Bedingung öffentlich zugänglich zu machen, dass diese ein bezahlpflichtiges Abonnement abschließen oder aber die auf der Seite „www. b..de“ geschaltete Werbung abrufen. Um Internetnutzer, die den Abruf der Werbung auf der Internetseite „www. b..de“ mit einer Software (sog. A.-Software) zu unterdrücken versuchen, von der Nutzung auszuschließen, hat die Antragstellerin seit dem 13.10.2015 eine Softwareverschlüsselung eingeführt, die einen Aufruf ihrer Internetseite bei Verwendung einer A.-Software durch den Nutzer unterbindet.

4. Die Antragsgegnerin vertreibt die Software A.- p., die in Verbindung mit Filterlisten (sog. Easy-Lists) die Unterdrückung von Werbung beim Ansehen von Internetseiten - u.a. die der Antragstellerin - ermöglicht. Sie betreibt außerdem unter der Internetadresse a. p..org/f. ein Diskussionsforum.

a) In diesem Forum wurde am 13.10.2015 um 11:21 Uhr von dem Nutzer W. unter der Überschrift „b..de a. d. u.“ ein Thread eröffnet, in dem er um Hilfe bat, die A.-Erkennungssoftware auf der Internetseite der Antragstellerin zu umgehen, wie aus Anlage AS 11 (Anlage zu diesem Beschluss) ersichtlich. Daraufhin stellte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin, der Forenmoderator „m.“ (vgl. Anlage AS 21), in dem aus Anlage AS 11 ersichtlichen Thread kurze Zeit darauf um 12:18 Uhr einen Programmcode zur Verfügung, mit dem die A.-Erkennungssoftware der Antragstellerin umgangen werden konnte. Die Wirksamkeit der Programmcodes hat die Antragstellerin u.a. durch Vorlage von Screenshots und einer eidesstattlichen Versicherung ihres COO J. W. vom 21.10.2015 (Anlage AS 20) glaubhaft gemacht. Sie ergibt sich auch unmittelbar aus der Reaktion des Nutzers „W.“ im benannten Thread (“works great!“, vgl. Anlage AS 11). Die Programmcodes sind Vorrichtungen zur Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen im Sinne des § 95a Abs. 3 UrhG. Sie dienen ausschließlich der Umgehung der A.-Erkennungssoftware der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin ist für diese durch ihren Mitarbeiter, der ausweislich der Anlage AS 21 als Moderator und „Group Member“ zum Team des Forums zählt, verbreiteten Programmcodes verantwortlich.

b) Derselbe Mitarbeiter „m.“ der Antragsgegnerin stellte darüber hinaus am 14.10.2015 um 13:54 Uhr in dem bereits benannten Thread „b..de a. d. u.“ (Anlage AS 11, dort Seite 6) den Link http:// f.. l..us/v.. p.= #p zur Verfügung, in dem er auf u.a. von ihm selbst in dem Forum L. eingestellte Programmcodes zur Umgehung der A.-Erkennungssoftware der Antragstellerin verwies (vgl. Anlage AS 24). Der Nutzer „i.“ in dem Forum L. ist nach eigenem Bekunden ausweislich der Anlage AS 12 mit dem Nutzer „m.“ des Forums der Antragsgegnerin personenidentisch. Auch für diese von ihrem Mitarbeiter zur Verfügung gestellte Umgehungscodes ist die Antragsgegnerin verantwortlich.

c) Darüber hinaus fügte, wie von der Antragstellerin glaubhaft gemacht wurde, ein weiterer Mitarbeiter der Antragsgegnerin, der Mitarbeiter A. K. (“M.“), bereits am 13.10.2015 um 10:08 Uhr in die Filterlisten der Antragsgegnerin drei Filterbefehle ein, die ebenfalls der Umgehung der A.-Erkennungssoftware dienen sollten, wie aus Anlage AS 18 (dort Ziffer 1.12, 1.29, 1.47) ersichtlich. Diese Befehle waren zwar nicht wirksam und wurden eine Stunde später wieder gelöscht (Anlage AS 19), daraus ergibt sich allerdings die konkrete Gefahr, dass die von dem Mitarbeiter „m.“ in dem Forum verbreiteten Befehle ebenfalls in die Filterlisten aufgenommen werden könnten. Administrator des Forums ist neben dem Mitarbeiter „m.“ u.a. auch der Mitarbeiter „M.“ (Anlage AS 21). Für diese eine konkrete Begehungsgefahr auslösenden Handlungen des Mitarbeiters M. ist die Antragsgegnerin ebenfalls verantwortlich.

5. Die Bestimmung des § 95a UrhG ist ein Schutzgesetz im Sinne von §§ 823 Abs. 2 (vgl. BGH, I ZR 124/11, Urteil vom 27.11.2014 - Videospiel-Konsolen II, Rn. 39). Wer gegen diese Bestimmung verstößt kann daher von dem Rechtsinhaber bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr gem. § 1004 Abs. 1 BGB auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (BGH a.a.O.). Dabei begründet eine Rechtsverletzung die Vermutung der Wiederholungsgefahr. Die Antragsgegnerin hat im Übrigen trotz Abmahnung durch die Antragstellerin vom 15.10.2015 (Anlage AS 16) den Thread mit den darin enthaltenen wirksamen (“works great!“) Programmcodes nicht gelöscht. Dieser war vielmehr, wie aus Anlage AS 11 ersichtlich, noch am 19.10.2015 abrufbar, obwohl die Antragsgegnerin bereits am 16.10.2015 auf die Abmahnung reagiert hatte (Anlage AS 17). Das Auffinden des Threads war der Antragsgegnerin aufgrund des in der Abmahnung befindlichen Links ohne weiteres möglich. Die Antragsgegnerin hat die durch die ihren Mitarbeiter M. begründete Erstbegehungsgefahr der Ergänzung der Filterlisten auch nicht durch eine Unterlassungserklärung ausgeräumt.

III. Der Verfügungsgrund folgt bereits aus der Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Sache geboten dringlich behandelt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Gegenstandswerte sind nach §§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO geschätzt worden.



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