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OLG Koblenz Urteil vom 16.10.2003 - 2 U 55/99 - Rechts- und Parteifähigkeit einer nach us-amerikanischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft

OLG Koblenz v. 16.10.2003: Zur Rechts- und Parteifähigkeit einer nach us-amerikanischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft


Das OLG Koblenz (Urteil vom 16.10.2003 - 2 U 55/99) hat entschieden:
Eine in dem US-Bundesstaat Delaware nach dortigem Recht ordnungsgemäß gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft ist auch in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähig.

Das auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 5 S. 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29. Oktober 1954 im Vergleich zu den USA geltende Gründungsrecht wird von dem sog. genuine-link-Erfordernis nicht überlagert.




Siehe auch Die deutsche GmbH mit Auslandsbezug und Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung


Tatbestand:

Am 6.5.1997 schlossen die Parteien zwei Rahmenverträge über die Lieferung von Aluminium aus S./Russland an die Beklagte. Die Klägerin beansprucht die Zahlung von Rechnungen über insgesamt 12.270.005,91 DM sowie eine Vertragsstrafe wegen verspäteter Zahlungen i.H.v. 1.216.986,79 DM. Die Klage wurde am 17.8.1998 im Namen der Klägerin von den Rechtsanwälten L. und Sch. eingereicht.

Gegenüber der auf Zahlung des Gesamtbetrages gerichteten Klage hat die Beklagte u.a. eingewandt, dass die Klägerin eine Scheinfirma ohne Büro, ohne Telefon- oder Faxanschluss, ohne Mitarbeiter und ohne Geschäftstätigkeit sei. Unter der Anschrift befinde sich lediglich das Büro des Registrierungsagenten. Ihre 100 %ige Muttergesellschaft, die S.-​Holdings Inc., D./USA, sei ebenfalls eine Briefkastenfirma. Deren 100 %ige Muttergesellschaft sei die I.-​Metall AG in M. Die Klägerin existiere nicht wirklich, sondern sei nur ein unselbständiges Glied der I.-​Metall. Alle Entscheidungen würden nicht in Delaware, sondern in M. bei der I.-​Metall AG getroffen.

Die Klägerin ist dem entgegengetreten. Sie sei eine nach dem Recht des Staates Delaware/USA errichtete Gesellschaft. Ihr postalischer Geschäftssitz in D./USA sei zugleich der, von dem aus die grundlegenden Unternehmensentscheidungen getroffen würden. Der Vortrag der Beklagten zu der Firmenverflechtung sei unzutreffend.

Das LG hat die Beklagte in vollem Umfang verurteilt (Bl. 66-​78 GA).

Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die Klägerin sei rechtsfähig. Sie sei in dem Register für Corporations des Staates Delaware/USA eingetragen, so dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass sie existiere. Auch streite Art. 25 Abs. 5 S. 2 des deutsch-​amerikanischen Freundschafts-​, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.1954 zu Gunsten der Klägerin, wonach Gesellschaften, die gem. den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaften dieses Vertragsteils gelten. Ihr rechtlicher Status werde in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt.

Für das deutsch-​amerikanische Verhältnis gelte, dass eine in den USA wirksam gegründete und bestehende Kapitalgesellschaft in jedem Fall rechtsfähig sei, gleichgültig, wo ihr effektiver Verwaltungssitz liege. Die Behauptungen der Beklagten, die Klägerin habe in D./Delaware/USA weder ein Büro noch Telefon oder Fax und auch keine Mitarbeiter und entfalte dort auch keine Geschäftstätigkeit, seien beweislos vorgetragen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt und ausführt:

Die Klägerin existiere im Grunde nicht. Die Behauptung, die Klägerin sei bei einem Register in Delaware/USA gemeldet, werde bestritten und sei für sich genommen nicht geeignet, deren Existenz, Rechtsfähigkeit oder Parteifähigkeit darzulegen oder zu beweisen. Jedenfalls habe die Klägerin keine Organe, durch die sie handeln könnte, und auch keine Vertreter, die in der Lage oder berechtigt seien, für sie rechtswirksame Erklärungen abzugeben. Daher werde auch die Bevollmächtigung ihrer Prozessvertreter bestritten. Nicht bestritten werde die Bevollmächtigung von Rechtsanwältin Sch. durch die Rechtsanwälte St. und die Echtheit der Unterschriften eines Herrn S. auf zwei Vollmachtsurkunden.

Sämtliche die Klägerin betreffenden Entscheidungen würden in M. bei der I.-​Metall getroffen. Die Ansicht, dass eine in den USA gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft aufgrund des deutsch-​amerikanischen Freundschafts-​, Handels- und Schifffahrtsvertrages immer rechts- und parteifähig sei, finde keine Anwendung, wenn tatsächliche Verbindungen zum Staat des Gründungsrechts (sog. „genuine link”) fehlten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 2.12.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und trägt vor:

Die Frage, ob die Klägerin rechtsfähig und damit parteifähig sei, beurteile sich nach dem Recht des US-​Bundesstaates Delaware. Nach dem Gesellschaftsrecht dieses Staates könne jede natürliche oder juristische Person eine Kapitalgesellschaft gründen. Der Gründer brauche nur beim „Secretary of State” des Staates Delaware eine Gründungsurkunde einreichen und die notwendigen Gebühren bezahlen. Eine so wirksam gegründete Kapitalgesellschaft behalte ihre Rechtsfähigkeit, bis der Staat sie ihr wieder entziehe. Die wirksame Gründung der Klägerin am 6.9.1996 durch die Incorporating Services, Ltd. ergebe sich aus dem vorgelegten „Certificate of Incorporation”. Dass die Gesellschaft auch heute noch existiere, ergebe sich aus dem vorgelegten „Certificate of Good Standing”.

Die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten für die Klageerhebung werde durch die Vorlage der Originalvollmacht vom 15.7.1998 belegt. Die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten für die Berufungsinstanz ergebe sich aus der Originalvollmacht vom 22.1.1999. Der Unterzeichner der Urkunden, Herr S., sei befugt gewesen, die Kläger zu vertreten. Herr S. sei durch Erklärung der Gründungsfirma zum Vertretungsorgan bestellt worden. Regelungen zur Vertretungsmacht enthalte die Gründererklärung vom 9.9.1996 und die am selben Tage von S. errichtete Satzung. Bei der am 26.3.1998 abgehaltene Gesellschafterversammlung sei neben S. Z. zum weiteren Direktor bestellt worden. Da die Direktoren lt. Satzung bis zur nächsten Gesellschafterversammlung im Amt bleiben, folge daraus, dass S. im Amt war, als er die beiden Vollmachten erteilt habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien - insb. zur Parteifähigkeit der Klägerin, deren Vertretungsverhältnissen und den Prozessvollmachten - wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat durch Beschluss vom 25.9.2003 die abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

I.

Das LG war gem. §§ 12, 17 Abs. 1 S. 1 ZPO wegen des Sitzes der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland international zuständig.

Die Zuständigkeit folgt aus den deutschen Verfahrensvorschriften über die örtliche Zuständigkeit, die die internationale Zuständigkeit mitregeln.

II.

Die Klägerin ist parteifähig.

Die Parteifähigkeit beurteilt sich nach der lex fori, also nach deutschem Prozessrecht. Gemäß § 50 Abs. 1 ZPO ist eine Gesellschaft parteifähig, wenn sie rechtsfähig ist.

Nach der bisherigen Rspr. des BGH zum deutschen internationalen Gesellschaftsrecht ist bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person außerhalb des EG-​Bereichs grundsätzlich entspr. der Sitztheorie das Recht des Staates maßgebend, in dem die juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, wobei es nicht auf den in der Satzung genannten, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt (BGHZ 53, 181 [183]; BGH v. 5.11.1980 - VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 [334]). Ob dem noch zu folgen ist, kann offen bleiben.

Von den Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts kann durch Staatsverträge abgewichen werden (Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB). Ein solcher Staatsvertrag besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika in Form des Freundschafts-​, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.1954.

Art. 25 Abs. 5 S. 2 dieses Abkommens knüpft an das Gründungsrecht und nicht an das Sitzrecht der amerikanischen und deutschen Gesellschaften an; denn es bestimmt, dass als Gesellschaft eines Vertragsteils diejenigen Gesellschaften gelten, die gem. den Gesetzen und sonstigen Vorschriften dieses Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet worden sind. Durch die Regelung in Art. 25 Abs. 5 S. 2 Halbs. 2 des deutsch-​amerikanischen Vertrages, wonach der rechtliche Status in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt wird, ist festgelegt, dass die Gesellschaften, die entspr. dem ersten Halbsatz des zweiten Satzes von Art. 25 Abs. 5 im Gebiet eines Vertragsteils errichtet worden sind, als Rechtssubjekte in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt werden.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 29.1.2003 (BGH, Urt. v. 29.1.2003 - VIII ZR 155/02, MDR 2003, 647 = GmbHR 2003, 534 = BGHReport 2003, 613 = WM 2003, 699 ff.) entschieden, dass nach dieser Vertragsbestimmung eine in Übereinstimmung mit US-​amerikanischen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft als in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähiges Gebilde anzuerkennen ist. Die Anerkennung des rechtlichen Status durch Art. 25 Abs. 5 S. 2 des deutsch-​amerikanischen Vertrages bedeute zugleich, dass für eine Gesellschaft, die in dem Gebiet des einen Vertragsteils errichtet worden ist, die Regeln der Rechtsordnung dieses Vertragsteils die Voraussetzungen festlegen, unter denen diese Gesellschaft in dem Gebiet des anderen Vertragsteils als Rechtssubjekt handeln kann. Dem folgt der Senat. Die Rechts- und Parteifähigkeit ist dementsprechend nach dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika zu beurteilen.

Nach dem danach anwendbaren US-​amerikanischen Gesellschaftsrecht ist die Klägerin ordnungsgemäß gegründet worden. Die Rechtsverhältnisse der Klägerin, deren Sitz sich nach ihrer Satzung im Bundesstaat Delaware befindet, richten sich nach dem Delaware General Corporation Law.

Der Inkorporationsprozess in Delaware, der in verschiedenen deutschen Aufsätzen, Lehrbüchern und Entscheidungen beschrieben wird, ist einfach und schnell. Eine Delaware-​Gesellschaft wird von einem Gründer inkorporiert, der eine natürliche oder juristische Person sein kann. Üblicherweise werden die Gründeraufgaben von einem Anwalt oder von einer privaten corporation service organisation erledigt. Er übernimmt die Vorbereitung des Gründungszertifikats (certificate of incorporation), den ersten Schritt der Gründung der Gesellschaft. Er hat das Gründungszertifikat zusammen mit einer Zweitschrift beim Delaware of State einzureichen und die Gründungsgebühr zu bezahlen. Erfüllt das Gründungszertifikat alle gesetzlichen Anforderungen, versieht der Secretary of State das Original und die Zweitschrift mit dem Vermerk „filed” und nimmt diesen Vorgang in ein Register auf. Von diesem Zeitpunkt an existiert die Gesellschaft rechtlich. Die Zweitschrift wird beim County Recorder eingereicht. Das Original verbleibt bei der Corporation.

Danach können weitere Schritte wie z.B. die Annahme einer Satzung unternommen werden (vgl. hierzu Aufsatz von Brent Hatzis-​Schoch, RIW, 1992, 539 und Prof. Dr. Hanno Merkt, US-​amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rz. 225 ff.; vgl. ferner OLG Naumburg, Urt. v. 19.12.1995 - 7 U 146/95, JURIS unter KORE 400679900 zu BGH § 179 Abs. 2).

Die entscheidende Erlangung der Rechtspersönlichkeit der Corporation regelt sich nach § 106 des Delaware General Corporation Law, der lautet:
㤠106 Commencement of Corporate Existence

Upon the filing with the Secretary of State of the certificate of incorporation, executed and acknowledged in accordance with section 103, the incorporator or incorporators who signed the certificate, and his or their successors and assigns, shall, from the date of such filing, be and constitute a body corporate, by the name set forth in the certificate, subject to the provisions of section 103 (d) of this title and subject to dissolution or other termination of its existence as provided in this chapter.”
Danach erlangt eine Gesellschaft Rechtsfähigkeit, wenn der Secretary of State den Vermerk „filed” auf das Certificate of Incorporation anbringt.

Die Klägerin hat das Original-​Gründungszertifikat vom 6.9.1996, die Bescheinigung des ersten Staatsministers (Secretary of State) Edward J. Freel vom 9.9.1996 und die Apostille in der mündlichen Verhandlung vom 25.9.2003 vorgelegt. Kopien und deutsche Übersetzungen befinden sich als Anlagen K8 und K36 bei den Akten.

Daraus ergibt sich, dass die Gesellschaft von der Incorporating Services, Ltd. gegründet und am 6.9.1996 um 9.00 Uhr beim Secretary of State registriert (filed) wurde.

Mit dieser Urkunde (certificate of incorporation mit dem Vermerk „filed”) ist nach dem Recht des Staates Delaware der ordnungsgemäße Gründungsvorgang und die Erlangung der Rechtsfähigkeit der Klägerin bewiesen. Diese Beweiskraft ist der Urkunde auch im deutschen Prozess beizumessen (vgl. Dr. Hartwin Bungert, Rechtsfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften und Beweislast, DB 1995, 963 [968]). Dass es sich bei dem certificate of incorporation um eine echte ausländische öffentliche Urkunde handelt, wird durch die Apostille bestätigt.

Darüber hinaus belegt das in der mündlichen Verhandlung vom 25.9.2003 im Original vorgelegte Certificate of Good Standing vom 29.4.2003, dass die Klägerin auch weiterhin existiert. Einer solchen Urkunde wird vom US-​amerikanischen einzelstaatlichen Gesellschaftsrecht die Wirkung beigemessen, dass sie als „conclusive evidence” dafür dient, dass die Kapitalgesellschaft existiert und ihr die Geschäftstätigkeit innerhalb des Einzelstaates gestattet ist (vgl. Dr. Bungert, Rechtsfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften und Beweislast, DB 1995, 963 [967, 968]).

In der Urkunde der ersten Staatsministerin des Bundesstaates Delaware, Harriet Smith Windsor, vom 29.4.2003 wird bescheinigt, dass „Highbell Trading Corp.” ordnungsgemäß in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Bundesstaates Delaware gutes Ansehen genießt und rechtmäßig als Unternehmen besteht, soweit aus den Unterlagen ersichtlich. Ferner wird bescheinigt, dass die Gesellschaft am 6.9.1996 gegründet wurde und dass die Konzessionssteuern bis auf den heutigen Tag bezahlt sind. Kopien der Bescheinigung nebst Apostille und deutschen Übersetzungen befinden sich als Anlage K87 und K88 bei den Akten. Die in den USA wirksam gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft ist somit in Deutschland rechtsfähig und damit parteifähig.

Die Behauptung der Beklagten, es handele sich um eine bloße Schein- bzw. Briefkastenfirma, bleibt für die Frage der Rechts- und Parteifähigkeit der US-​amerikanischen Kapitalgesellschaft wegen der für das Rechtsfähigkeitsstatut geltenden Gründungsanknüpfung ohne Auswirkung.

Das vom internationalen Gerichtshof im „Nottebohm Case” entwickelte, völkergewohnheitsrechtliche genuine-​link-​Prinzip überlagert die Gründungsanknüpfung nicht. In Rspr. und Lit. wird zwar zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Grundsatz des genuine link besagt, dass eine tatsächliche, effektive Bindung der Gesellschaft zu dem Gründungsstaat bestehen müsse. Fehle eine solche Verbindung - liege somit ein Formenmissbrauch vor -, sei ihr in der Bundesrepublik Deutschland die Anerkennung zu versagen (vgl. OLG Düsseldorf v. 15.12.1994 - 6 U 59/94, GmbHR 1995, 595 = RiW 1995, 508; OLG Naumburg, Urt. v. 19.12.1995 - 7 U 146/95).

Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Bereits der klare Wortlaut von Art. 25 Abs. 5 S. 2 des deutsch-​amerikanischen Freundschafts-​, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.1994 spricht gegen eine Restriktion. Da die beteiligten Völkerrechtssubjekte mit dem Abkommen für die betroffene Gesellschaft eine eindeutige Regelung getroffen haben, kann zumindest auf der Ebene der Anerkennung der Rechtsfähigkeit das genuine-​link-​Erfordernis nicht eingreifen. Andernfalls würde man letztlich die staatsvertraglich vereinbarte Gründungstheorie aushebeln und „über die Hintertür” die Sitztheorie einführen (vgl. RiW 2003, 458 [459]; Dr. Hartwin Bungert, Rechtsfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften und Beweislast, DB, 1995, 963 [966]).

Auch das US-​amerikanische Gesellschaftsrecht lässt bei einer Briefkastengesellschaft oder einer sog. pseudo-​foreign Corporation (bei der sich Gründungsrecht und der Ort des tatsächlichen Sitzes von vornherein unterscheiden) für die Frage der Rechtsfähigkeit Gründungsrecht gelten und wendet nur für die Innenbeziehungen der Gesellschaft gewisse zwingende (Schutz-​)Normen des Tätigkeitsstaates an (vgl. Bungert, Rechtsfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften und Beweislast, DB, 1995, 963 [966]).

Im Übrigen liegt eine tatsächliche und reale Bindung der Klägerin zu den Vereinigten Staaten vor, so dass das genuine-​link-​Erfordernis, wenn man es verlangen wollte, bejaht werden könnte. So werden sämtliche Aktien der Klägerin von einer amerikanischen Gesellschaft - der Benett Holding Inc. - gehalten. Außerdem wurde am 25.1.2001 eine amerikanische Gesellschaft - die Sabine Enterprises S.A. - zum Vorstand der Klägerin bestellt.

Die Klägerin ist daher in Deutschland rechtsfähig.

III.

Die Klage ist durch die Rechtsanwälte Sch. und L. auch ordnungsgemäß erhoben worden.

Der behauptete Mangel der Vollmacht war auf die Rüge der Beklagten hin zu prüfen.

Die Erteilung der Prozessvollmacht und ihr Umfang sind nach der lex fori und damit nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Prozessvollmacht vom 15.7.1998 ist unstr. von S. unterschrieben und den Rechtsanwälten St. und Partner in K. sowie den Rechtsanwälten L. und Sch. in Ko. in Sachen H. Ltd. ./. I.-​GmbH erteilt worden. Sie liegt im Original vor (Anlage K28), so dass der erforderliche Nachweis gem. § 80 Abs. 1 ZPO geführt ist.

Unter einem Mangel der Vollmacht i.S.v. § 88 ZPO fallen auch alle rechtlichen oder inhaltlichen Mängel der Bevollmächtigung, wie z.B. die Erteilung durch eine Person, die für die Partei nicht vertretungsbefugt ist (MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 88 Rz. 2).

Von der Erteilung der Prozessvollmacht und deren Umfang ist daher die hier str. Frage zu unterscheiden, ob S. nach dem Gesellschaftsstatut berechtigt war, für die Klägerin eine Prozessvollmacht zu erteilen (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rz. 2232).

Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass S. mit der entspr. Vertretungsmacht ausgestattet war, als er die Prozessvollmacht vom 15.7.1998 für die Klägerin unterzeichnete.

Wie oben bereits ausgeführt, ist die Klägerin am 6.9.1996 von der I.-​Services, Ltd. wirksam gegründet worden. Am 9.9.1996 ist S. durch eine „Erklärung” der Gründerfirma zum Vertretungsorgan der Klägerin bestellt worden.

§ 108c des Allgemeinen Gesellschaftsrechts von Delaware regelt, dass durch Erklärung des Gründers das Vertretungsorgan der Gesellschaft bestellt werden kann.

§ 108c lautet:
„§ 108 Organization Meeting of Incorporators or Directors Named in Certificate of Incorporation (c) Any action permitted to be taken at the organization meeting of the incorporators or directors, as the case may be, may be taken without a meeting if each incorporator or director, where there is more than one, or sole incorporator or director where there is only one, signs an instrument which states the action so taken.”
In dem in Kopie vorgelegten, entspr. „Statement by incorporator of action taken in lieu of organization meeting” vom 9.9.1996 (Anlage K24; deutsch: Aussage des Gründers bezüglich einer anstelle einer Gründungsversammlung durchgeführten Maßnahme; Anlage K34) heißt es in der Übersetzung, dass S. zum Geschäftsführer/einzigen Vorstandsmitglied der Firma (director/sole director) bis zur ersten Jahreshauptversammlung der Aktionäre oder bis zur Wahl oder Ernennung und Annahme seiner Nachfolger ernannt wurde.

S. ist somit zum einzigen Vertretungsorgan (sole director) bestellt worden.

Seine Rechte ergeben sich aus der Aussage des Gründers und aus der Satzung. In der Aussage des Gründers heißt es, dass der Direktor berechtigt ist, für die Firma Bankkonten zu eröffnen, diese zu verwalten sowie die Firma in sämtlichen finanziellen und geschäftlichen Angelegenheiten zu vertreten; der einzige Geschäftsführer (sole director) ist berechtigt, im Namen der Firma verbindliche Vereinbarungen zu unterzeichnen.

Auch aus der in Kopie vorgelegten Satzung (By-​Laws, Anlage K23; deutsch: Anlage K33) ergeben sich Regelungen zum Firmenvorstand und seinen Befugnissen. Nach Art. 3, Abschn. 2 ist der Vorstand für die Leitung und Verwaltung der Angelegenheiten, des Eigentums und der Interessen der Firma verantwortlich und zu allen Handlungen im Namen der Firma befugt, außer wenn diese in der Gründungsurkunde oder in der Satzung ausdrücklich den Aktionären vorbehalten sind.

Danach hatte S. nach seiner Bestellung zum einzigen Firmenvorstand (sole director) umfassende Befugnisse. Ein Vorbehalt hinsichtlich der Erteilung einer Prozessvollmacht findet sich in der Gründungsurkunde und der vorgelegten Satzung nicht.

Als S. die Prozessvollmacht erteilte, befand er sich auch noch im Amt. Am 26.3.1998 wurde eine Sonderversammlung der Aktionäre (special meeting) abgehalten. Das Protokoll der Sonderversammlung liegt in Kopie und in Übersetzung vor (Anlagen K38/K39). In dem Protokoll heißt es, dass S. und Z. zu Direktoren des Unternehmens bis zur nächsten Jahresversammlung der Aktionäre des Unternehmens und bis zur Ernennung ihrer Nachfolger ernannt sind und dass beide Direktoren autorisiert sind, mit ihrer alleinigen Unterschrift rechtsverbindliche Vereinbarungen für das Unternehmen einzugehen.

Danach war S. zumindest ab 26.3.1998 bis zur nächsten Jahreshauptversammlung zur Vertretung der Klägerin und Erteilung von Vollmachten befugt.

Aus Art. 2, Abschn. 1 der Satzung ergibt sich, dass die Jahreshauptversammlung der Aktionäre der Firma innerhalb von fünf Monaten nach Ende des Steuerjahres durchgeführt wird. Als S. am 15.7.1998 die Vollmacht ausstellte, war er demnach noch im Amt.

Dies gilt i.Ü. auch für die am 22.1.1999 unstr. von ihm sowohl für die Rechtsanwälte L. und Sch. als auch für die Rechtsanwälte St. ausgestellte Prozessvollmacht für das Berufungsverfahren, die ebenfalls im Original vorliegt (Anlage K25).

Die Klage war somit insgesamt zulässig.

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht; sie bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Der Streitwert des Zwischenstreits wird auf 6.895.789,80 Euro festgesetzt.



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