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Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 02.03.2010 - 7 B 37/09 - Begriffsbestimmung eines Elektrogeräts

BVerwG v. 02.03.2010: Zur Begriffsbestimmung eines Elektrogeräts


Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 02.03.2010 - 7 B 37/09) hat entschieden:
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG sind Elektro- und Elektronikgeräte im Sinne dieses Gesetzes Geräte, die zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb elektrische Ströme oder elektromagnetische Felder benötigen. Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise festlegen, sondern hängt von den jeweiligen Einzelfallumständen, insbesondere davon ab, welchen ordnungsgemäßen Betrieb der Hersteller für das jeweilige Gerät bestimmt hat.




Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob bestimmte Kapselgehörschutzgeräte dem Anwendungsbereich des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes unterfallen.

Nach den Produktbeschreibungen der Klägerin handelt es sich bei den streitgegenständlichen Geräten (uvex dBex impulse, uvex dBex supreme und uvex dBex ww cutoff) um aktive Kapselgehörschutzgeräte mit elektronischem Geräuschfilter. Zwei an den Kapseln angebrachte Mikrofone nehmen die Umgebungsgeräusche auf und begrenzen die Lärmimpulse über eine Mikroprozessor-Steuerung auf eine für das Ohr verträgliche Lautstärke bzw. verstärken diese bei Bedarf - etwa für hörgeschädigte Nutzer - um bis zu 12 dB. Für die Funktionsfähigkeit der manuell zuschaltbaren Mikrofone und der Mikroprozessoren werden elektrische Ströme benötigt. Das Gerät uvex dBex ww cutoff verfügt zudem über eine Bluetooth-Schnittstelle. Die Preise für die streitgegenständlichen Geräte liegen zwischen 154 € bis 395 €. Ein von der Klägerin gleichfalls hergestellter rein passiver Kapselgehörschutz kostet knapp 17 €.

Ende September 2006 erhob die Klägerin Klage auf Feststellung, dass die streitgegenständlichen Kapselgehörschutzgeräte keine registrierungspflichtigen Elektro- oder Elektronikgeräte im Sinne von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 2 Satz 1 ElektroG darstellen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Kammer halte auch in Ansehung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2008 zum adidas-Sportschuh daran fest, dass ein Gerät immer dann kein Elektrogerät im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG darstelle, wenn allein eine Neben- oder Sekundärfunktion vom Vorhandensein elektrischen Stroms abhänge, die Haupt- oder Primärfunktion - wie hier der Gehörschutz - aber auch ohne elektrischen Strom zur Verfügung stehe. Abgesehen davon ließen sich die Geräte auch keiner Kategorie des § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG zuordnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme es allein darauf an, ob für den ordnungsgemäßen Betrieb des Gerätes, den der Hersteller des Produkts bestimme, elektrischer Strom erforderlich sei. Daran gemessen handele es sich bei den Gehörschutzkapseln um Elektrogeräte im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG, denn ihr Schwerpunkt liege auf der Möglichkeit der Kommunikation ohne Verzicht auf die Schonung des Gehörs. Die Kapselgehörschutzgeräte seien als Geräte der Informationstechnik im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ElektroG zu qualifizieren. Ihre Technik ermögliche es, Informationen, z.B. menschliche Sprache oder Warnsignale, durch eine elektronische Vorrichtung zu übermitteln. Das Gerät uvex dBex ww cutoff sei zudem ein Gerät der Telekommunikationstechnik, weil es über eine Schnittstelle verfüge und so z.B. Gespräche über Funktelefone möglich mache.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.


II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (1) noch wegen Divergenz (2) zuzulassen.

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Daran fehlt es hier.

Die Klägerin hält sinngemäß für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob es für die Annahme eines ordnungsgemäßen Betriebs im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG genügt, wenn ein Produkt für irgendeine vom Hersteller vorgesehene Funktion elektrischen Strom benötigt,

bzw. anders gewendet, ob ein Produkt, das ohne elektrischen Strom rechtmäßig und mängelfrei betrieben werden kann, durch eine manuell zuschaltbare elektrische Zusatzfunktion zu einem Elektro- oder Elektronikgerät wird.
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen würden. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG sind Elektro- und Elektronikgeräte im Sinne dieses Gesetzes Geräte, die zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb elektrische Ströme oder elektromagnetische Felder benötigen. Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise festlegen, sondern hängt von den jeweiligen Einzelfallumständen, insbesondere davon ab, welchen ordnungsgemäßen Betrieb der Hersteller für das jeweilige Gerät bestimmt hat (vgl. Urteil vom 21. Februar 2008 - BVerwG 7 C 43.07 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 1 Rn. 15). Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Einzelfallwürdigung insoweit die Produktbeschreibungen der Klägerin zugrunde gelegt und darauf abgestellt, dass der ordnungsgemäße Gebrauch der drei streitgegenständlichen Kapselgehörschutzgeräte danach in der Funktion als aktiver Gehörschutz mit der - durch elektronische Vorrichtungen eröffneten - Möglichkeit der Kommunikation ohne Verzicht auf die Schonung des Gehörs liege. Die Bedeutung der elektronischen Funktionen zeige sich auch darin, dass diese maßgeblichen Einfluss auf den Preis hätten (UA S. 10/11). Daraus wird deutlich, dass es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bei dem auf elektrischen Strom angewiesenen Betrieb nicht um "irgendeine" Funktion der streitigen Geräte handelt. Die Klägerin hält diese Würdigung für fehlerhaft, weil der ordnungsgemäße Betrieb der Geräte nach ihrer - auch den o.g. Grundsatzfragen zugrunde liegenden - Auffassung in der Funktion als Gehörschutz zu sehen ist, der auch ohne elektrischen Strom möglich sei. Damit greift sie der Sache nach die Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichtshofs an, wirft aber keine allgemein klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf.

Die weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob allein die wie auch immer geartete Übermittlung von Informationen auf elektronischem Wege zwischen zwei elektronischen Bauteilen für die Zuordnung zur Kategorie 3 des § 2 Abs. 1 Satz 2 ElektroG ausreicht,
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Auch diese Frage, die nach der Vorstellung der Klägerin auf eine inhaltliche Präzisierung der Begriffe zielt, die die Produktkategorien des § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG beschreiben (vgl. Seite 3 der Beschwerdebegründung), würde sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Zum einen geht sie von technischen Voraussetzungen aus, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Zum anderen übersieht die Beschwerde, dass die Beispielnennungen im Anhang I zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz zwar nicht abschließend sind, der Begriff "Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik" aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ElektroG in Nr. 3 des Anhangs I zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz aber näher definiert wird. So umfasst etwa der Begriff "Geräte der Informationstechnik" in einer Art Auffangtatbestand für solche Geräte, die keiner der in Nr. 3 genannten Beispielgruppen zugeordnet werden können, alle "Sonstigen Produkte und Geräte zur Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Darstellung oder Übermittlung von Informationen mit elektronischen Mitteln". Geräte der Telekommunikationstechnik, zu denen der Verwaltungsgerichtshof wegen der Ausstattung mit einer Bluetooth- Schnittstelle den Kapselgehörschutz uvex dBex ww cutoff gerechnet hat, sind in Anhang I Nr.3 a.E. in einem allgemeinen Auffangtatbestand als "Produkte oder Geräte zur Übertragung von Tönen, Bildern oder sonstigen Informationen mit Telekommunikationsmitteln" definiert. Inwieweit diese Beschreibungen verallgemeinerungsfähiger Präzisierung bedürfen und/oder zugänglich sind, zeigt die Beschwerde nicht auf. Inhaltlich greift sie vielmehr auch insoweit nur die Zuordnung der Kapselgehörschutzgeräte zur Kategorie Nr. 3 des § 2 Abs. 1 ElektroG durch den Verwaltungsgerichtshof als fehlerhaft an.

2. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn das Ausgangsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Dies wird in der Beschwerdebegründung nicht dargetan.

Die Beschwerde will eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 21. Februar 2008 - BVerwG 7 C 34.07 - (Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 1) darin erblicken, dass der Verwaltungsgerichtshof die Begriffe des § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ausgelegt, sondern auf die von ihm im Verfahren gewonnene Sicht abgestellt habe. Damit legt die Beschwerde keinen abweichenden abstrakten Rechtssatz dar. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 21. Februar 2008 eine Anknüpfung an den allgemeinen Sprachgebrauch nur für die Auslegung des Begriffs "Sportgerät" in Abgrenzung zum Begriff der Sportbekleidung für erforderlich erachtet. Zu den anderen Gerätekategorien des § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG verhält sich die Entscheidung nicht.

Soweit die Beschwerde eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 21. Februar 2008 auch darin sehen will, dass der Verwaltungsgerichtshof die Prüfungsreihenfolge umgedreht habe und daher zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt sei, übersieht sie schon, dass die dem Urteil vom 21. Februar 2008 zugrunde liegende Prüfungsreihenfolge keinen abstrakten Rechtssatz darstellt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).



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