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Landgericht Berlin Beschluss vom 02.07.2004 - 15 O 653/03 - Zur Geltungsdauer einer erteilten Einwilligung in die Zusendung von Werbemails und Newslettern

LG Berlin v. 02.07.2004: Zur Geltungsdauer einer erteilten Einwilligung in die Zusendung von Werbemails und Newslettern


Das Landgericht Berlin (Beschluss vom 02.07.2004 - 15 O 653/03) hat entschieden:

   Selbst bei einer erteilten Zustimmung in den Empfang einer E-Mail muss der Adressat allenfalls in der darauf folgenden Zeit mit der Zusendung einer Werbe-E-Mail des Absenders rechnen. Wenn dieser jedoch erst zwei Jahre später von der angeblich oder tatsächlich erteilten Zustimmung Gebrauch machen will, muss er sich bei dem Adressaten noch einmal erkundigen, ob auch noch zwei Jahre später ein Interesse an der Zusendung eines Schreibens besteht.

Siehe auch
Einwilligungserklärung
und
Wettbewerb>


Gründe:


I.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Rechtsanwaltskanzlei, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts auftritt. Der Beklagte betreibt eine sogenannte Wirtschaftsdetektei.

Am 26. September 2003 erhielt die Klägerin von dem Beklagten eine E-Mail (K1, Bl. 6 d. A.). In dieser E-Mail beschrieb der Beklagte sein Tätigkeitsfeld und warb in diesem Zusammenhang um eine Kooperation mit der Klägerin, um seinen Auftraggeberstamm zu vergrößern. Die E-Mail wurde dabei an Herrn Rechtsanwalt M F adressiert, der allerdings bereits Anfang 2001 als Mitarbeiter bei der Klägerin ausschied. Die Klägerin antwortete auf diese E-Mail nicht. Am 30. September 2003 erhielt die Klägerin eine weitere E-Mail des Beklagten (K2, Bl. 7 f. d.A.), in der dieser erneut für eine Kooperation mit der Klägerin warb. Diese E-Mail wurde im Gegensatz zu der E-Mail vom 26. September 2003 nicht an Herrn Rechtsanwalt F, sondern an Herrn Rechtsanwalt H adressiert. Bei beiden E-Mail-Kontakten bediente sich der Beklagte stets der allgemeinen E-Mail-Adresse der Klägerin kanzlei{a}h....de.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2003 (K3, Bl. 9-11 d. A.) mahnte die Klägerin den Beklagten ab und forderte ihn auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 (K4, Bl. 12 d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er den Vorfall bedauere und keine weiteren E-Mails an sie versenden werde. Die Unterlassungserklärung der Klägerin unterschrieb er jedoch nicht.

Die Klägerin behauptet, dass sie mit dem Beklagten nicht in vorherigem Geschäftskontakt gestanden habe. Weiter behauptet die Klägerin, dass sie zu keinem Zeitpunkt mit der Übersendung von Werbung per E-Mail durch den Beklagten einverstanden gewesen sei und für den Beklagte auch kein Anlass bestanden hätte, ein solches Einverständnis zu vermuten.

Mit der am 15. November 2003 eingereichten und dem Beklagten am 08. Dezember 2003 zugestellten Klage hat die Klägerin angekündigt, zu beantragen,

   der Beklagten bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, ihr per E-Mail Werbung an ihre E-Mail-Adresse kanzlei{a}....de zu übersenden, es sei denn, sie hat der Übersendung zugestimmt oder ihr Einverständnis kann vermutet werden.

Der Beklagte hat angekündigt zu beantragen,

   die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 18.05.2004 (Bl. 31-33 d. A.) hat der Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Nunmehr erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

   dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt,

   der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Er behauptet, dass es anlässlich eines Telefonates mit dem ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin, Herrn Rechtsanwalt F am 09.01.2001 zu einem Austausch der E-Mail-Adressen gekommen sei. Weiter behauptet der Beklagte, dass ihm in diesem Zusammenhang gestattet worden sei, seine Info übersenden zu dürfen.





II.

Nach § 91 a Abs. 1 ZPO waren dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen aufzuerlegen, da er unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes voraussichtlich im Rechtsstreit unterlegen wäre.

Denn die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Die Zusendung unerwünschter E-Mails mit werbenden Inhalt stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (Palandt/Sprau, BGB, 63. Auflage 2004, § 823 Rn. 132).

Bei den streitgegenständlichen E-Mails des Beklagten handelt es sich um Werbung. Dafür kommt es weder auf die Form und Gestaltung noch auf den Umfang des Schreibens an. Maßgeblich ist, dass der Beklagte damit auf die von ihm angebotene Dienstleistung aufmerksam machen wollte.

Voraussetzung für eine Rechtsverletzung ist ein unmittelbar zielgerichteter Eingriff in den Gewerbebetrieb, der gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen ist und nicht von dem Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter. Die hier in Rede stehende Beeinträchtigung ist für die Klägerin von solcher Intensität, dass sie als "Eingriff" in ihren Geschäftsbetrieb angesehen werden kann. Da die zugesendete E-Mail Online abgerufen wird, werden für den Nutzer durch die Werbe-E-Mails, die die Übertragungszeit des Abrufs der Nachrichten verlängern, zusätzliche Telekommunikationsgebühren verursacht. Darüber hinaus muss der Empfänger Arbeitszeit aufwenden, um die unerwünschten Werbe-E-Mails auszusondern. Zwar ist das Löschen von E-Mails mit werbendem Inhalt durchaus möglich, ohne diese vorher zu öffnen; dies erfordert aber gerade für einen Rechtsanwalt, dass eine sorgfältige Vorprüfung anhand der Absenderangabe und des Betreffs erfolgt, um ein versehentliches Löschen von Nicht-Werbe-E-Mails zu verhindern. Denn das versehentliche Löschen eine wichtigen Nachricht, kann für den Rechtsanwalt unter Umständen einen Haftungsfall nach sich ziehen. Das Aussondern von Werbe-E-Mails verursacht eine Störung des Betriebsablaufs, indem Arbeitszeit hierfür aufgewendet werden muss (vgl. BGH Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 81/01 – S. 13).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine Werbung mittels E-Mail sehr geringe Kosten beim Werbenden entstehen lassen aber gleichzeitig an eine Vielzahl von Personen erreichen kann. Würde man das Versenden von Werbe-E-Mails ohne weiteres als zulässig erachten, würde dies zu einer unübersehbaren Flut von gleichartigen E-Mails führen, da deren Versendung ungleich billiger ist, als das Versenden von Werbung per Post, das Kosten für Druck und Porto mit sich bringt. Insofern gelten hier ähnliche Grundsätze wie bei der Telefax Werbung, wobei die dadurch verursachten Kosten noch deutlich über denjenigen der E-Mail-Werbung liegen dürften. Es ist auch nicht entscheidend, dass die E-Mails, die der Beklagte an die Klägerin versandt hat, für sich allein nicht geeignet waren, in erheblichem Umfang die oben genannten nachteiligen Folgen für die Klägerin zu verursachen. Denn aufgrund der Ausuferungsgefahr, die die Werbung durch E-Mails mit sich bringt, muss jeder einzelne Verursacher für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden. Schließlich ist eine Werbeart schon immer dann als unzulässig anzusehen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich trägt und damit erst zu einer untragbaren Belästigung und zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten führt.

Der Eingriff ist auch als rechtswidrig anzusehen.

Jedoch wird bei den offenen Verletzungstatbeständen, zu denen auch der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gehört, die Rechtswidrigkeit nicht indiziert. Die notwendige Interessenabwägung führt aber zu dem Ergebnis, dass die Übersendung einer unerbetenen Werbe-E-Mail rechtswidrig ist. Das Interesse des Empfängers an der ungestörten Ausübung seines Gewerbebetriebes ist höher zu bewerten als das Interesse des Absenders an dieser für ihn bequemen und kostengünstigen Werbemethode.




Gerechtfertigt ist der Versand einer werbenden E-Mail allein dann, wenn der Empfänger der Werbung vorher zugestimmt hat oder das Einverständnis vermutet werden kann (BGH Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 81/01 – S. 13; LG Berlin, NJW 2002, S. 2569 ff. (2570 f.); LG Berlin, MMR 1999, S. 43 ff. (44); MMR 2000, S. 704).

Der Beklagte trägt die Beweislast für die Rechtfertigung des Eingriffs, also dafür, dass der Empfänger der jeweiligen Sendung vorher zugestimmt hat oder sein Einverständnis aufgrund einer bestehenden Geschäftsverbindung vermutet werden kann (BGH Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 81/01 – S. 14; LG Berlin, NJW 2002, S. 2569 ff. (2571); LG Berlin, NJW 1998, S. 3208).

Vorliegend trägt der Beklagte vor, Anfang des Jahres 2001 Kontakt zu dem Mitarbeiter der Klägerin, Herrn Rechtsanwalt Franke gehabt zu haben. Unabhängig davon, dass nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung eine Beweisaufnahme im Rahmen des von dem Beklagten angebotenen Beweises in Form der Zeugenaussage des Herrn F, nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache gemäß § 91 a ZPO nicht mehr in Betracht kommt (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann/Hartmann, ZPO, 61. Auflage 2003, § 91 a Rn. 114 ff., 121 m.w.N.), kann dahinstehen, ob der ehemalige Mitarbeiter der Klägerin tatsächlich dem Beklagten seine Zustimmung erteilt hat. Denn selbst bei einer erteilten Zustimmung durch den Zeugen Franken Anfang des Jahres 2001, hätte die Klägerin allenfalls in der darauf folgenden Zeit mit der Zusendung einer Werbe-E-Mail von dem Beklagten rechnen müssen. Da dieser jedoch erst zwei Jahre später von der angeblich erteilten Zustimmung Gebrauch machte, hätte sich der Beklagte bei der Klägerin noch einmal erkundigen müssen, ob auch noch im Jahre 2003 ein Interesse an der Zusendung seines Schreibens besteht. Darüber hinaus bezog die sich das im Jahre 2001 angeblich erklärte Einverständnis der Klägerin lediglich auf die Übersendung einer "Info". Unabhängig davon, dass die erste E-Mail des Beklagten an die Klägerin vom 26. September 2003, auf die die Klägerin nicht antwortete, verhältnismäßig kurz gefasst war, geht die zweite E-Mail des Beklagten vom 30. September 2003 hinsichtlich des Umfanges und des Inhalts über eine reine "Info" weit hinaus. Hier bewirbt der Beklagte detailliert und sehr intensiv seine Tätigkeit. Er informiert nicht nur, sondern gibt deutlich zu verstehen, dass er an einer Kooperation mit der Klägerin interessiert ist, um seinen Auftraggeberstamm zu vergrößern. Insofern deckt die angebliche Zustimmung des ehemaligen Mitarbeiters der Klägerin allenfalls die Zusendung einer "Informations-E-Mail", jedoch keinesfalls eine solche, in der der Beklagte massiv seine Tätigkeit bewirbt.



Auch ein vermutetes Interesse seitens der Klägerin am Erhalt der streitgegenständlichen E-Mails scheidet vorliegend aus. Denn als Grundlage einer solchen Vermutung kommen nur konkrete tatsächliche Umstände in Betracht. Solche konkreten Umstände liegen nach der Rechtsprechung stets dann vor, wenn die Zusendung der Werbe-E-Mail innerhalb oder aufgrund einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung erfolgt. Vorliegend erfolgte nach Aussage des Beklagten lediglich ein einziges Telefonat mit dem ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin. Zu einer Mandatsübertragung bzw. einer Kooperation kam es zwischen den Parteien jedoch nicht. Insofern kann von einer zwischen den Parteien bestehenden bzw. bestandenen Geschäftsbeziehung nicht die Rede sein. Insbesondere gab es für den Beklagten nach Versendung der ersten E-Mail, die von der Klägerin nicht beantwortet wurde, keinen Anlass, zu vermuten, dass die Klägerin an der Übersendung einer weiteren, umfangreicheren Werbe-E-Mail interessiert sei. Denn das Schweigen auf die erste E-Mail ist grundsätzlich keine Willenserklärung. Vielmehr sind weitere Umstände notwendig, welche geeignet gewesen wären ein Einverständnis der Klägerin zu vermuten (AG Rostock, NJW-RR 2003, S. 1282 ff. (1283)). Solche Umstände sind vorliegend nicht gegeben.

Auch die von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geforderte Wiederholungsgefahr ist gegeben. Eine vorausgegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, welche der Störer in der Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausräumen kann (vgl. Palandt/Bassenge a.a.O., § 1004 Rn. 32). Eine solche von der Klägerin geforderte Unterlassungserklärung hat der Beklagte nicht abgegeben.

Auch eine vom Sach- und Streitstand abweichende Billigkeitsentscheidung hinsichtlich der Kostenverteilung, kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar findet im Rahmen des § 91 a ZPO die Regelung des § 93 ZPO entsprechende Anwendung, wenn der Beklagte die Klageforderung ausdrücklich oder durch Erfüllung konkludent anerkennt (Thomas/Putzo, ZPO § 91 a Rn. 48). Vorliegend hat der Beklagte jedoch deutlich gemacht, dass er dem Anspruch des Klägers ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nachkommt. Ein unter einer solchen Einschränkung erklärtes Anerkenntnis führt regelmäßig nicht dazu, dass dem Kläger – abweichend vom Sach- und Streitstand – die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.

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