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OLG Hamburg Urteil vom 25.03.2010 - 3 U 126/09 - Zur Medikamentenpreisbindung im Internet, zur Wettbewerbswidrigkeit eines Bonusmodells und zum Gerichtsstand

OLG Hamburg v. 25.03.2010: Zur Medikamentenpreisbindung im Internet, zur Wettbewerbswidrigkeit eines Bonusmodells und zum Gerichtsstand


Das OLG Hamburg (Urteil vom 25.03.2010 - 3 U 126/09) hat entschieden:
  1. Auf den Internet-Versandhandel von DocMorris ist nach dem Marktortprinzip deutsches Wettbewerbsrecht als Recht des Ortes anzuwenden, auf den die geschäftliche Tätigkeit dieser Internet-Apotheke ausgerichtet ist. Die Ausrichtung auf den deutschen Markt ergibt sich daraus, dass das Angebot in deutscher Sprache und an deutsche Kunden erfolgt sowie daraus, dass Medikamente vertrieben werden, die in Deutschland zugelassen sind, und dass die Abrechnung mit deutschen Krankenkassen erfolgt.

  2. Die Arzneimittelpreisverordnung stellt zwingendes öffentliches Recht im Sinne von Art. 34 EGBGB dar. Der niederländische Anbieter DocMorris ist daher verpflichtet, die deutschen Arzneimittelpreisvorschriften bei einem Vertrieb nach Deutschland einzuhalten.

  3. Das "Bonus-Modell" des Anbieters DocMorris stellt einen Verstoß gegen § 78 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV sowie gegen § 7 HWG dar. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung sind die §§ 1,3 AMPreisV und § 7 HWG in der Regel nebeneinander anwendbar.



Siehe auch Medikamentenpreise und Internetapotheke


Gründe:

A.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Der Kläger ist der Landesapothekerverband … e.V. Gemäß seiner Satzung verfolgt der Kläger u.a. den Zweck, die fachlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. Hierzu gehört gem. § 1 Nr. 2 f der Satzung die Förderung des lauteren Wettbewerbs und die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sowie anderer Missstände und schädigender Auswüchse im geschäftlichen Verkehr (Anlage K 1).

Die Beklagte ist ein großes deutsches Versandhandelsunternehmen. Sie hat Ende April 2006 unter der Überschrift „… empfiehlt DocMorris“ auf der Internetseite „www. ….de/docmorris“ eine Werbung für die niederländische Versandapotheke 0800DocMorris N.V (nachfolgend: DocMorris/Anlage K 2) veröffentlicht. Die Klägerin hat darüber hinaus ihrem Katalog vom April 2006 eine entsprechende Werbebroschüre als Einleger beigefügt (Anlage AS 4 des Verfügungsverfahrens 3 U 225/06). Für diese Werbemaßnahmen erhielt sie von DocMorris ein Entgelt.

In der angegriffenen Werbebroschüre hieß es u.a. „… empfiehlt DocMorris“ und „Sparen Sie heute 100% Ihrer Zuzahlung“ und „Sparen auf Rezept“ und „100 % sparen auf Rezept“. Danach sollten gesetzlich Versicherte bei einer Erstbestellung für jedes Medikament ihres Kassenrezeptes einen „Sofort-Bonus in Höhe Ihrer kompletten Zuzahlung“ erhalten und „bei jedem Medikament bis zu 10 Euro!“ sparen. Bei allen nachfolgenden Bestellungen sollte der „Sofort-Bonus immer 50 %“ der Zuzahlung betragen. Die von der Zuzahlung befreiten gesetzlich Versicherten , sollten bei einer Erstbestellung eine Gutschrift in Höhe des 100%-Bonus auf ein Sammelkonto erhalten Bei allen weiteren Bestellungen sollte der Sofort-Bonus 50% betragen. Sobald auf dem Sammelkonto ein Betrag von € 30 erreicht war, sollte der Betrag an den Versicherten überwiesen werden. Im Hinblick auf Privatversicherte wurde ausgeführt, dass diese „ebenfalls Plus“ machen könnten. Sie sollten bei einer Erstbestellung für jedes rezeptpflichtige Medikament (ausgenommen Lifestyle-Präparate) einen Treue-Bonus von € 5,00 erhalten. Bei allen weiteren Bestellungen sollte der Treue-Bonus € 3,00 betragen. Auch diese Beträge sollten auf ein Sammelkonto übertragen werden. Sobald auf dem entsprechenden Sammelkonto ein Betrag von € 30 erreicht war, sollte der Betrag an den Privatversicherten überwiesen werden (vgl. Anlage AS 4 des Verfügungsverfahrens 3 U 225/06).

Im Rahmen des Internetangebots der Beklagten hieß es ebenfalls „Sparen Sie heute 100% Ihrer Zuzahlung“, „gesetzlich Versicherte sparen bei DocMorris 100% Ihrer Rezeptzuzahlung“, „Privat Versicherte erhalten 5 Euro Treuebonus“ und „Bei rezeptfreien Medikamenten sparen Sie bis zu 30%“ (Anlage K 2).

Unter dem 3. Mai 2006 hat das Landgericht Hamburg der Beklagten im Wege der Beschlussverfügung, Az. 315 O 340/06, bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Apotheke DocMorris wie im nachfolgenden eingeblendet zu empfehlen
[es folgten 8 Seiten = Anlage AS 4 der Verfügungsverfahrens sowie Anlage K 2 des hiesigen Hauptsacheverfahrens].

Auf den Widerspruch der Beklagten bestätigte das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 17. August 2006 seine einstweilige Verfügung vom 3. Mai 2006 (Anlage K 4). Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde mit Urteil des Senats vom 19. Februar 2009, Az. 3 U 225/06, zurückgewiesen (Anlage K 5).

Am 18. April 2009 hat der Kläger die vorliegende Hauptsacheklage erhoben.

Der Kläger hat ausgeführt, dass die Empfehlung der Beklagten eine Förderung fremden Wettbewerbs sei. Das beworbene Geschäftsmodell sei wettbewerbswidrig und verstoße gegen §§ 4 Ziff. 1, 4 Ziff. 11 UWG, 7 HWG, 78 AMG i.V.m. AMPreisV. Darüber hinaus fordere das beworbene Bonus-Modell zu einem Verstoß gegen § 200 VVG i.V.m. dem jeweiligen Versicherungsvertrag von Privatversicherten heraus.

Durch das Angebot von Bonuszahlungen und Ersparnissen werde der einheitliche Apothekenabgabepreis (§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG) unterlaufen. Ein Modell, bei dem im preisgebundenen Rahmen finanzielle Anreize für den Bezug von Arzneimitteln bzw. die Einlösung von Rezepten geschaffen werde, sei rechtswidrig und unlauter. Die Regelung des § 78 AMG und die darauf beruhende Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sowie die Regelungen des SGB V seien auch von ausländischen Versandapotheken, welche die Versorgung von in Deutschland ansässigen Patienten mit in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln durchführten, einzuhalten. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelungen. Es handele sich um eine zwingende Regelungen im Sinne von Art. 34 EGBGB.

Das System der mittelbaren Niederlassungsregulierung durch die Arzneimittelpreisregelung werde unterwandert und seiner Funktion beraubt, wenn die Patienten ihren planbaren Bedarf an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über billigere ausländische Apotheken decken könnten und auf die Apotheken vor Ort nur noch in Notfällen zurückgreifen würden. Aus der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA.DE) vom Januar 2007 ergebe sich, dass aufgrund des Wettbewerbsdrucks rund 30% der stationären Apotheken vom Markt verschwinden würden (Anlage B 11). Die Erträge der Apotheken seien rückläufig (Anlage K 18). Dies sei auch auf den Bezug von Arzneimitteln durch Versandapotheken zurück zu führen.

Die Geltung der deutschen Arzneimittelpreisbindung auf den beworbenen Arzneimittelvertrieb verstoße nicht gegen die Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (nachfolgend: RL 2001/83/EG).

Auch ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EGV liege nicht vor, da es sich schon nicht um eine Maßnahme gleicher Wirkung handele. Im Übrigen sei die Arzneimittelpreisbindung zum Schutze der Gesundheit nach Art. 30 EG gerechtfertigt. Bei der Risikoabwehr gelte der Grundsatz „in dubio pro securitate“. Zur Gewährleistung der jederzeitigen, flächendeckenden, gleichmäßigen, ordnungsgemäßen gesundheits- und lebensrettenden Verfügbarkeit von Arzneimitteln für die Bevölkerung seien mildere Mittel als die Preisbindung nicht ersichtlich. Zur Sicherstellung dieser Versorgung könnten die Versandapotheken mit ihren langen Lieferzeiten und der fehlenden Dienstbereitschaft strukturell keinen Beitrag leisten.

Dem Gesetzgeber komme insoweit auch ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu. Die Prognose des Gesetzgebers, dass Preiswettbewerb zu einem Verdrängungswettbewerb führe, und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gefährden könne – insbesondere, wenn der Wettbewerb zugunsten einer Seite verzerrt werde - entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und der Theorie des Wettbewerbs. Es sei weltweit anerkannt, dass insbesondere im Gesundheitswesen ein freier Wettbewerb allein nicht zu dem erforderlichen Maß an Gesundheitsschutz - insbesondere dem gleichen und gleichmäßigen Zugang aller zur Versorgung im Krankheitsfall - führe. Hinzu komme, dass es sich bei dem Schutzgut Leben sowie Gesundheit um ein überragendes Gemeinschaftsgut handele und Gefährdungen nicht in Kauf genommen werden könnten.

Der Kläger hat beantragt,
der Beklagten bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Apotheke DocMorris wie nachfolgend eingeblendet zu empfehlen:
[es folgen 8 Seiten = Seiten 3 - 10 des landgerichtlichen Urteils].

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass das beworbene Bonussystem nicht gegen § 7 HWG verstoße. Es handele sich um reine Imagewerbung, da ein Bezug auf ein konkretes Produkt nicht vorliege. § 7 HWG sei zudem gegenüber der AMPreisV oder den Zuzahlungsregelungen als lex spezialis anzusehen. Darüber hinaus verstoße die Regelung des § 7 HWG gegen Gemeinschaftsrecht, nämlich die RL 2001/83/EG (Anlage B 9).

Die Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, dass sie bzw. DocMorris nicht gegen die Arzneimittelpreisverordnung verstoßen hätten. Zur Begründung hat sie insbesondere auf die Urteile des OLG Hamm vom 21. September 2004, Az. 4 U 74/04, (MMR 2005, 101 ff. = Anlage B 4 = Anlage BK 2), des OLG Köln vom 8. Mai 2009, Az. 6 U 213/08 (= Anlage B 12 = Anlage BK 3) und des BSG vom 28. Juli 2008, Az. B 1 KR 4/08 R, (PharmR 2008, 595 ff., Anlage B 3 = Anlage BK 1) Bezug genommen.

Die Beklagte hat weiter ausgeführt, dass DocMorris ohnehin nicht der deutschen Arzneimittelpreisbindung unterliege, insbesondere fehle es auch an einer eindeutigen Erklärung des deutschen Gesetzgebers, die deutsche Arzneimittelpreisverordnung auch für den Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach Deutschland für verbindlich zu erklären. Vielmehr sei die Einführung des grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandels mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) auch deshalb erfolgt, um entsprechende Einsparungen zu erzielen. Auch die Bundesgesundheitsministerin sei bei Einführung des Versandhandels davon ausgegangen, dass die ausländischen Versandapotheken nicht der deutschen Arzneimittelpreisbindung unterliegen. Dies belegten zwei Zeitungsartikel aus dem Handelsblatt von März und Mai 2002 (Anlagen B 8 und B 6 = Anlagen BK 6 und BK 4) sowie eine Stellungnahme des Bundesversicherungsamtes vom November 2003 (Anlage B 7 = Anlage BK 5).

Der Anbieter DocMorris vereinbare mit seinen Kunden, nämlich den jeweiligen Krankenkassen, wirksam die Anwendung niederländischen Rechts. Die arzneimittelpreisrechtlichen Regelungen seien auch keine zwingenden Normen im Sinne von Art. 34 EGBGB.

Werde die Preisbindung auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel im grenzüberschreitenden Versandhandel angewendet, verstoße dies gegen Art. 28 EGV. Durch die Preisregulierung werde der Marktzutritt von DocMorris verhindert. Der Verstoß gegen Art. 28 EGV sei auch nicht nach Art. 30 EGV gerechtfertigt.

Die von der Klägerin heraufbeschworenen Gefahren für den Bestand der öffentlichen Apotheken in Deutschland entbehrten jeder Grundlage (Anlagen B 10 = Anlage BK 8 sowie Anlage B 11).

Die Nichtanwendbarkeit der AMPreisV auf EU-ausländische Versandapotheken führe zwar zu einer unterschiedlichen Behandlung von inländischen Apothekern und EU-ausländischen Versandapotheken. Die damit verbundene Diskriminierung der inländischen Präsenzapotheken sei jedoch gemeinschaftsrechtlich gewollt und stelle weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, noch gegen Art. 12 EGV dar.

Es liege auch keine unangemessene Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG vor. Dem stehe schon entgegen, dass die beworbene Abgabe verschreibungspflichtige Arzneimittel betreffe. Weiter stehe der Anwendung der Norm die Richtlinie 2005/29/EG gegen unlautere Geschäftspraktiken (nachfolgend: RL 2005/29/EG oder UGP-Richtlinie) entgegen. Die beworbene Bonus-Gewährung führe auch nicht zu einem Verstoß gegen § 200 VVG.

Beide Parteien haben zahlreiche Gerichtsentscheidungen (Anlagen K 3 bis K 11, K 13 bis K 14, K 17 sowie B 1 bis B 5 und B 12) Aufsätze (Anlagen K 15 und K 16) und Gesetzgebungsmaterialien (Anlage K 12) zur Akte gereicht, auf welche sie zur Stützung ihres jeweiligen Rechtsstandpunkts Bezug genommen haben.

Mit Urteil vom 4. August 2009 hat das Landgericht Hamburg der Klage stattgegeben. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 1, 8 UWG und §§ 3, 8, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV analog begründet sei. Ein Verstoß gegen § 7 HWG liege hingegen nicht vor.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte frist- und formgerecht Berufung eingelegt und diese auch fristgerecht unter -nahezu wortidentischer- Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages begründet. Zudem hat ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen auch durch Bezugnahme zum Gegenstand des Berufungsrechtszuges gemacht.

Die Beklagte wiederholt ihren Standpunkt, wonach der niederländische Anbieter DocMorris nicht den deutschen Preisregelungen für Arzneimittel unterliege. Auch eine analoge Anwendung der AMPreisV sei ausgeschlossen. Im Hinblick auf die Behauptung, dass das streitgegenständliche Angebot von DocMorris nicht den Bestand der deutschen Präsenzapotheken und die ausreichende flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten gefährde, hat die Beklagte erstmalig in der Berufungsinstanz Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten.

Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte zudem behauptet, der deutsche Gesetzgeber habe im Jahr 2004 eine ausdrückliche Geltung der AMPreisV auf EU-ausländische Versandapotheken nicht vorgesehen, weil er die Arzneimittelausgaben im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel habe senken wollen. Eine ausdrückliche Regelung in diesem Sinne sei nur deshalb unterblieben, weil sich die deutsche Apothekenlobby aktiv gegen eine solche Regelung gewehrt habe. Gleichwohl sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die deutschen Preisvorschriften für die im Ausland ansässigen Apotheken nicht gelten (Anlagen BK 13 und BK 14)

Das im Zusammenhang mit EU-ausländischen Versandapotheken bestehende Einsparpotential betrage rund 2 Milliarden Euro (Anlagen BK 11 und BK 12).

Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz zahlreiche Anlagen zur Akte gereicht, die sie bereits erstinstanzlich vorgelegt hatte (Anlagen BK 1 bis BK 8). Darüber hinaus hat sie weitere Gerichtsentscheidungen (Anlagen BK 9 und BK 10), Gesetzgebungsmaterialien (Anlagen BK 13 und BK 14) und sonstige Unterlagen (Anlagen BK 11 bis BK 14) zur Stützung ihres Sach- und Rechtsstandpunktes zur Akte gereicht.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. August 2009, Az. 407 O 82/09, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält die Berufungsbegründung der Beklagten für prozessual unzureichend (§ 520 Abs. 3 Ziffer 2 und Ziffer 3 ZPO). Es genüge nicht, auf den Vortrag erster Instanz zu verweisen. Es genüge auch nicht, das erstinstanzliche Vorbringen nahezu wortgleich zu wiederholen. Beides sei hier geschehen.

Der Kläger hat das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages verteidigt. Er ist jedoch weiterhin der Ansicht, dass auch ein Verstoß gegen § 7 HWG vorliege. Das ergebe sich u.a. aus der BGH-Entscheidung „DeguSmiles & More“ (Urt. v. 26. März 2009, Az. I ZR 99/07/Anlage K 19 = GRUR 2009, 1082 ff.).

Zudem hat er weitere Gerichtsentscheidungen (Anlagen K 19 bis K 25) zur Stützung seines Rechtsstandpunktes zur Akte gereicht.

Der Senat hat die Akte des vorangegangenen Verfügungsverfahrens, Az. 3 U 225/06 (LG-Az. 315 O 340/06), beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung gemacht.

Hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 4. Februar 2010 Bezug genommen.


B.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.

I.

Die Berufung ist zulässig , insbesondere entspricht die Berufungsbegründung vom 6. Oktober 2009 gerade noch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.

1) Das bloße Abschreiben des Textes der Klagerwiderung und die reine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag würden nicht ausreichen, um den prozessualen Anforderungen des § 520 ZPO zu genügen (BGH NJW 1999, 3126 f; BAG NJW 2005, 1884; BGH NJW-RR 2007, 414, 415; BGH, Beschluss vom 18.09.2008, Az. IX ZR 172/05).

Nach § 520 Abs. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden. Gericht und Gegner sollen schnell und sicher erfahren, wie der Berufungsführer den Streitfall beurteilt wissen will, damit sie sich auf die Angriffe erschöpfend vorbereiten können. Demnach muss die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH NJW 1995, 1559; BGH, NJW 1998, 3126; BGH NJW 1997, 1787; BGH NJW 1997, 3449; BGH NJW-RR 1998, 354, 355; BGH NJW 1999, 3126).

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die das rechtliche Gehör in verfassungsrechtlich zulässiger Weise einschränkenden Formvorschriften in gleicher Weise wie Fristvorschriften einschneidende Folgen für die Parteien nach sich ziehen und sich regelmäßig im grundrechtsrelevanten Bereich bewegen. Daher müssen die Auslegung und Anwendung dieser, das rechtliche Gehör beschränkenden Vorschriften durch die Fachgerichte strengen verfassungsgerichtlichen Anforderungen genügen (BVerfG NJW 2004, 3551, 3552; BVerfG NJW 1987, 2733).

2) Bei Berücksichtigung des Vorgenannten ist die Berufungsbegründung der Beklagten gerade noch als ausreichend anzusehen.

Zwar ist die 24-seitige Berufungsbegründung zu rund 95% wortidentisch mit der Klagerwiderung vom 12. Mai 2009. Die Abweichungen sind marginal und überwiegend kosmetischer Natur. Neu sind jedoch der „Vorspann“ auf den Seiten 1 und 2 (bis zu Gliederungspunkt 1.1.) der Berufungsbegründung, die zweite Hälfte des dritten Absatzes auf Seite 18 der der Berufungsbegründung („Entgegen der Auffassung des Landgerichts …, noch war sie tatsächlich gewollt“), das Beweisangebot auf Seite 20 der Berufungsbegründung, die Darstellung der Entscheidung des LG Ulm auf der Seite 22 der Berufungsbegründung und der vierte Absatz der Seite 23 der Berufungsbegründung („In diesem Zusammenhang … in festgelegter Höhe liegt“).

Gleichwohl ergibt sich für Gericht und Gegner auch aus dieser Berufungsbegründung, wie die Beklagte den Streitfall beurteilt wissen will. Der Kläger ist daher auch nicht gehindert, sich auf die Angriffe erschöpfend vorzubereiten.

Es besteht daher -bei Berücksichtigung der strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen- kein hinreichender Anlass, die Berufungsbegründung der Beklagten als formell unzureichend anzusehen.

Die Berufung der Beklagten ist somit zulässig.


II.

Sie ist jedoch unbegründet.

1) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV begründet.

Diese auch auf den grenzüberschreitenden Versandhandel anwendbaren Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, werden durch das beworbene Angebot von Bonus-Erteilungen (für gesetzlich Versicherte) und Bonuszahlungen (für von der Zuzahlung befreite gesetzlich Versicherte sowie für privat Versicherte) verletzt.

a) Auf den von der Beklagten beworbenen Internet-Arzneimittelversandhandel von DocMorris ist nach dem kollisionsrechtlichen Marktortprinzip deutsches Wettbewerbsrecht (UWG) als Recht des Ortes anzuwenden, auf dessen Markt die wettbewerblichen Interessen der Parteien aufeinandertreffen (BGH GRUR 2006, 513, 515, Rn. 25 - Arzneimittelwerbung im Internet). Bis zum Beginn der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 der Rom II-Verordnung am 11. Januar 2009 (vgl. Art. 32 der Rom II-Verordnung) ist diese wettbewerbsspezifische Bestimmung des Tatortes auf die Ausweichklausel des Art. 41 Abs. 1 EGBGB zu stützen (LG München NJOZ 2008, 4133, 4135 - Versandhandel einer ausländischen Apotheke mit einer Zugabe - Geld verdienen auf Rezept II unter Hinweis auf Bundestagsdrucksache 14/343, S.10 rechte Spalte). Wegen der Ausrichtung des Arzneimittelversandhandels auf den deutschen Markt (Verkauf an deutsche Kunden, Angebot und Abwicklung in deutscher Sprache, Abrechnung mit deutschen Krankenkassen, Verkauf in Deutschland zugelassener Medikamente) sind folglich die Vorschriften des UWG, und damit auch § 4 Nr. 11 UWG anwendbar.

Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ist auch nicht durch das Herkunftslandprinzip des § 3 Abs. 2 S. 1 TMG (vormals: § 4 Abs. 2 S. 1 TDG) ausgeschlossen, denn die Beklagte hat die streitgegenständliche Werbung in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen.

Soweit die Beklagte mit ihrer Werbung auch Teledienste des Anbieters DocMorris i.S. der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (im Folgenden: E-Commerce-Richtlinie) angeboten hat, unterliegt dies gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 2 TMG (vorher: § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 TDG) den innerstaatlichen Beschränkungen, denn das maßgebende innerstaatliche Recht dient dem Schutz der öffentlichen Gesundheit.

Soweit das Unterlassungsbegehren des Klägers -wofür es keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt- auch auf ein Verbot des Vertriebs gerichtet sein sollte, sind die aufgrund der E-Commerce-Richtlinie ergangenen Bestimmungen für die Beurteilung des Vertriebsverbots nicht einschlägig, denn die E-Commerce-Richtlinie, deren Umsetzung die Novellierung des Teledienstegesetzes durch das elektronische Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG) gedient hat, regelt nicht die Lieferung von Produkten (BGH GRUR 2006, 513, 515: Rn. 28 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH GRUR 2007, 67, 68: Rn. 16 – Pietra di Soln).

b) Das von der Beklagten beworbene DocMorris-Angebot stellt mit den angebotenen und gewährten Boni einen Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung dar; siehe nachfolgend aa). Der niederländische Anbieter DocMorris ist zudem verpflichtet, die deutschen Arzneimittelpreisvorschriften bei einem Vertrieb nach Deutschland einzuhalten; siehe nachfolgend bb). Ein Verstoß gegen Europarecht liegt nicht vor; siehe nachfolgend cc).

aa) Die auf der Grundlage des § 78 AMG erlassene AMPreisV schreibt in ihren §§ 1 und 3 für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel die Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises vor. Diese Bestimmungen werden auch dann verletzt, wenn DocMorris für ein preisgebundenes Medikament zwar den korrekten Preis ansetzt, dem Kunden aber unmittelbar gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Boni gewährt, sei es in Form reduzierter Zuzahlungen, sei es in Form von überwiesenen oder ausgezahlten Geldbeträgen. Dass im Streitfall nicht nur -wie sonst bei Rabattgewährungen- eine vom Kunden zu erbringende Zahlung reduziert wird, sondern der Kunde (hier: die von der Zuzahlung befreiten gesetzlich Versicherten sowie die privat Versicherten) ein Geldgeschenk erhält, dem keinerlei eigene Vermögenshingabe gegenübersteht, ist unerheblich. Durch die Arzneimittelpreisverordnung sollen alle wirtschaftlichen Vorteile, die ein Patient dadurch erzielen könnte, dass er ein Rezept bei einer bestimmten Apotheke einlöst, vermieden werden, da auch solche Boni jedenfalls mittelbar einen Preiswettbewerb unter den Apotheken auslösen würden, der aber gerade durch die Festpreisbindung verhindert werden soll.

Das von der Beklagten beworbene „Bonus-Modell“ des Anbieters DocMorris stellt somit einen unmittelbaren Verstoß gegen § 78 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV dar.

bb) Entgegen der Ansicht der Beklagte ist DocMorris auch an die Vorschriften der deutschen AMPreisV gebunden , da die Preisbindungsregelung als international zwingende Eingriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel gilt. Ein Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht ist darin nicht zu sehen.

Welches Recht auf die Verträge zwischen der Internetapotheke DocMorris und ihren Kunden, seien es die Patienten selbst, seien es deren Krankenkassen, anwendbar ist, ob also, wie von der Beklagten vorgetragen, eine wirksame Rechtswahl zugunsten des niederländischen Rechts nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB vorliegt, oder ob über die objektive Anknüpfung nach Art. 29 Abs. 2 bzw. 28 Abs. 5 EGBGB deutsches Recht als Vertragsstatut berufen ist, kann offen bleiben, da die Arzneimittelpreisverordnung als zwingendes öffentliches Recht gemäß Art. 34 EGBGB ohnehin nicht vom Vertragsstatut erfasst ist (vgl. zum Preisrecht der HOAI: BGH NJW 2003, 2020, 2021).

Als öffentlich-rechtliche Verordnung regelt sie nicht reines Vertragsrecht, sondern stellt vielmehr zwingendes Preisrecht dar, indem sie den Preis jedenfalls für verschreibungspflichtige Medikamente verbindlich festlegt. Zwar wirkt sie sich auch auf die Verträge zwischen dem Anbieter DocMorris und seinen Kunden aus, doch ist primäres Ziel der Preisbindung nicht die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Vertragspartnern, sondern vielmehr die im öffentlichen Interesse liegende Verhinderung eines Preiswettbewerbs der Apotheken untereinander mit schweren Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Damit regelt die AMPreisV nicht lediglich eine reine Erfüllungsmodalität i.S.d. Art. 32 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB (vgl. Magnus in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 32 EGBGB Rn. 85). Ihre Anwendbarkeit auf Fälle mit Auslandsberührung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 EGBGB richtet sich damit allein nach Art. 34 EGBGB.

Voraussetzung für die zwingende Geltung der Bestimmungen der AMPreisV nach Art. 34 EGBGB ist neben einem Inlandsbezug des zu beurteilenden Sachverhalts, dass diese inländischen Bestimmungen – ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck – nach dem Willen des Gesetzgebers auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel Geltung beanspruchen (vgl. Magnus in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 34 EGBGB Rn. 51). Sowohl der Wortlaut und die Systematik der Vorschriften, als auch die mit der Preisbindung für Medikamente verfolgten ordnungs- und gesundheitspolitischen Interessen lassen hier den Schluss auf einen solchen Regelungswillen des deutschen Gesetzgebers zu.

Bereits aus dem Regelungsgefüge des § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG i.V.m. § 11 a S. 1 Nr. 1, S. 2 ApoG ergibt sich, dass die §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV auch auf den grenzüberschreitenden Online-Versandhandel und damit auch auf die Verträge von DocMorris mit seinen deutschen Abnehmern anwendbar sind. Die gegenteilige Ansicht des OLG Hamm (MMR 2005, 101, 102 - Preisbindung bei Arzneimittelversand ausländischer Internetapotheken), auf welche sich die Beklagte maßgeblich stützen will, vermag den Senat nicht zu überzeugen.

Die Regelung des § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG ordnet für den Versand von Arzneimitteln an Endverbraucher durch eine versandberechtigte ausländische Apotheke ausdrücklich die Geltung der „deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel“ an. Zu den entsprechenden deutschen Vorschriften zählt auch § 11 a ApoG, wonach der Versand aus einer Apotheke „zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb und nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen [muss], soweit für den Versandhandel keine gesonderten Vorschriften bestehen“. Zu den Regelungen des üblichen Apothekenbetriebs gehören aber gerade auch die preisrechtlichen Regelungen der § 78 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV.

Entgegen der Ansicht des OLG Hamm erfasst die Regelung des § 11 a ApoG nicht nur die Erfüllung der bereits -in den Niederlanden- abgeschlossenen Kaufverträge, sondern auch den vorgelagerten Bereich des Vertragsschlusses, bei dem sich bereits die Frage der Preisbindung stellt. Schon der Wortlaut der Generalverweisung des § 11 a ApoG, der pauschal auf die für den üblichen Apothekenbetrieb geltenden Vorschriften verweist, bietet keinen Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung der Regelung. Zudem regelt die Norm gerade nicht nur die Risiken des Versendens, sondern stellt sogar selbst Regelungen für ein Qualitätssicherungssystem auf, die teilweise schon vor dem Vertragsschluss eingreifen, wie etwa die Pflicht zur Beratung nach § 11 a S. 1 Nr. 1 d ApoG.

Auch die Entstehungsgeschichte der Freigabe des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch das am 14. November 2003 verkündete Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Preisbindung auch auf den grenzüberschreitenden Versandhandel anwenden wollte.

Ausweislich des Vorläufer-Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems (Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz - GMG) der SPD-Fraktion sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 16. Juni 2003 war zunächst eine Regelung vorgesehen, nach der abweichend von § 3 AMPreisV die Preise für den Versand von Arzneimitteln sollten gesondert vereinbart werden können (Bundestagsdrucksache 15/1170, S. 52, 53, 139). Diese Regelung ist -worauf die Beklagte in der Berufungsinstanz hingewiesen hat- aufgrund des Widerstandes der deutschen Apothekenlobby fallen gelassen worden. Dieser Umstand zeigt, dass der Gesetzgeber von der zunächst beabsichtigten Regelung Abstand genommen hat.

In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG), welches nachfolgend verabschiedet wurde, wurde demgegenüber ausdrücklich darauf abgestellt, dass durch die gesetzliche Neuregelung faire Wettbewerbsbedingungen zwischen öffentlichen Apotheken und Versandapotheken geschaffen werden sollten (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1525, S. 75 rechte Spalte). Die Nichtgeltung der AMPreisV für ausländische Apotheken würde diesem gesetzgeberischen Ziel massiv entgegen wirken. Es kann dem Gesetzgeber -wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat- nicht unterstellt werden, dass er die damit einhergehende Inländerdiskriminierung sehenden Auges in Kauf nehmen wollte. Weiter kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber die mit der Arzneimittelpreisbindung verfolgten gesundheitspolitischen Ziele aufgeben wollte. Dies ergibt sich auch nicht aus den verschiedenen von der Beklagten vorgelegten Unterlagen.

Die beiden Zeitungsartikel aus dem Handelsblatt vom 14. März 2002 und vom 27. Mai 2002 (Anlagen B 6 und B 8) können die Behauptung der Beklagten nicht belegen. Dies gilt schon deshalb, weil das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) rund 1 ½ Jahre nach diesen Veröffentlichungen, nämlich am 14. November 2003, verkündet worden ist, und hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die an der Gesetzgebung Beteiligten die in den Zeitungsartikeln genannte Rechtsauffassung zu diesem Zeitpunkt geteilt hätten, nicht bestehen. Die Stellungnahme des Bundesversicherungsamtes vom November 2003 (Anlage B 7) gibt für den Standpunkt der Beklagten schon inhaltlich nichts her.

Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Klaus Theo Schröder vom 28. Januar 2003 auf eine Frage der Abgeordneten Maria Michalk (Bundestags-Drucksache 15/391, S. 51/Anlage BK 14) gibt für den Rechtsstandpunkt der Beklagten nichts her. Der Antwort kann nicht entnommen werden, dass die durch den Arzneimittelversandhandel erhofften Einsparpotentiale gerade dadurch entstehen sollten, dass die deutschen Preisregelungen nicht auf ausländische Anbieter anwendbar sein sollten.

Zwar könnte die Antwort des Staatssekretärs Dr. Klaus Theo Schröder vom 22. Januar 2004 auf eine Frage des Abgeordneten Jens Spahn (Bundestags-Drucksache 15/2380, S. 49 f./Anlage BK 13) für die Ansicht der Beklagten sprechen. Die Frage des Abgeordneten betraf jedoch nach ihrem Wortlaut in erster Linie den Geltungsbereich der Regelung des § 130a SGB V. Eine nähere Begründung dafür, dass die deutschen Preisvorschriften für die im Ausland ansässigen Versandapotheken nicht gelten sollten, enthält die Antwort jedoch nicht.

Die erstmalig mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010 zur Frage des Willens des Gesetzgebers angebotene Zeugenvernehmung der Bundesgesundheitsministerin a.D. … ist schon deshalb nicht zu erheben, weil das Beweisangebot nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, und damit verspätet erfolgt ist. Zudem ist auch nicht erkennbar, dass die Vernehmung der Zeugin den von der Beklagten vorgetragenen Willen des Gesetzgebers beweisen könnte.

Allerdings ist dem OLG Hamm darin zuzustimmen, dass der deutsche Gesetzgeber die Geltung der AMPreisV bei der Legalisierung des Versandhandels aus ausländischen Apotheken nicht ausdrücklich angeordnet hat, obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Dies kann jedoch -anders als die Beklagte meint- nicht als ausreichender Beleg dafür herangezogen werden, dass der Gesetzgeber die Regelung gerade nicht auf den grenzüberschreitenden Handel erstrecken wollte. Vielmehr spricht der Umstand, dass eine ausdrückliche Erwähnung unterblieben ist, dafür, dass der Gesetzgeber die Geltung der deutschen arzneimittelpreisrechtlichen Regelungen über die Verweisungskette der §§ 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG, § 11a S. 1 Nr. 1a ApoG für ausreichend erachtet und eine explizite Sonderregelung für nicht erforderlich gehalten hat. Aus diesem Grund vermag der Senat auch der Entscheidung des BSG vom 28. Juli 2008, Az. B 1 KR 4/08 R, welche davon ausgeht, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe, die ausländischen Internetapotheken der deutschen Arzneimittelpreisbindung zu unterwerfen (BSG, PharmaR 2008, 595, 598), nicht zu folgen.

Der internationale Geltungswille, der hinter den Regelungen der AMPreisV steht, ergibt sich auch aus dem Schutzzweck der Normen. Nach § 78 Abs. 2 AMG sollen die Preise den berechtigten Interessen der Verbraucher, Tierärzte, Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. Der einheitliche Festpreis soll also vor allem einen ruinösen Preiswettbewerb unter den Apotheken ausschließen, um so eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherzustellen. Für die Gefährdung dieses Schutzzwecks ist es unerheblich, ob eine in- oder ausländische Apotheke zu niedrigeren als den festgelegten Preisen verkauft (so auch OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 3307 06, - Bonusgewährung auf Arzneimittel durch Versandapotheke). Der befürchtete Preiskampf kann nur durch eine Bindung aller auf dem deutschen Markt tätigen Apotheken an die Festpreise unterbunden werden.

Der für die Anwendung der international zwingenden Regelungen der AMPreisV über Art. 34 EGBGB erforderliche Inlandsbezug des Sachverhalts (vgl. Magnus, in: Staudinger, EGBGB/Internationales Privatrecht, Neubearbeitung 2002, Art. 34 EGBGB Rn. 80) ist aufgrund der eindeutigen Ausrichtung des Online-Angebots von DocMorris auf deutsche Kunden zu bejahen. Die Internetseite ist in deutscher Sprache abgefasst, es werden in Deutschland zugelassene Medikamente in die Bundesrepublik Deutschland vertrieben und die Abrechnung erfolgt mit den deutschen Krankenkassen bzw. Patienten. Damit ist der Wettbewerb im Inland unmittelbar und spürbar betroffen.

cc) Die Anwendung der AMPreisV auf DocMorris ist auch mit vorrangigem europäischen Sekundär- und Primärrecht vereinbar. Es liegt kein Verstoß gegen die Richtlinie 2001/83/EG oder gegen die Warenverkehrsfreiheit der Art. 34 ff AEUV (vormals 28 ff EGV) vor.

aaa) Die Regelung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bestimmt, dass die „Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise“ durch die Regelung nicht berührt werden. Daraus ergibt sich die Befugnis, Arzneimittelpreise für den eigenen Mitgliedstaat festzulegen. Damit beschränkt sich aber -entgegen der Ansicht der Beklagten- die Preisfestsetzungskompetenz nicht allein auf Regelungen für inländische Apotheken, sondern erfasst gerade auch die Anwendung nationaler Preisbindungen auf ausländische Versandapotheken, sofern diese auf dem inländischen Markt tätig werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Erwägungsgrund 38 der Richtlinie die Möglichkeit vorgesehen ist, Großhändlern im Interesse des Schutzes der Volksgesundheit bestimmte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen. Aus der Nichterwähnung der Preisbindung von Apotheken kann nicht im Umkehrschluss deren Unzulässigkeit abgeleitet werden, da in den Erwägungsgründen ausweislich der einleitenden Worte „einige Mitgliedstaaten erlegen Großhändlern […]“ nur bestimmte Regelungen einiger Staaten herausgegriffen und beurteilt werden, nicht aber eine abschließende Aussage zur Preisfestsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten getroffen werden sollte. Diese erfolgte vielmehr in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG (so auch LG München NJOZ 2008, 4133, 4138 - Geld verdienen auf Rezept II).

bbb) Die Preisbindung ist auch mit der Warenverkehrsfreiheit der Art. 34 ff. AEUV (vormals: Art. 28 ff. EGV) vereinbar.

Zum einen ist schon nicht erkennbar, dass DocMorris seine günstigeren Einkaufspreise nicht an deutsche Kunden weitergeben könnte. Vielmehr zeigt das Geschäftsmodell verschiedene Parallelimporteure, welche unter Beachtung der preisrechtlichen Vorschriften auf dem deutschen Markt agieren, das dies grundsätzlich möglich ist. Ein entsprechender Marktzutritt wäre DocMorris mithin ohne weiteres möglich.

Zum anderen kann auch dahinstehen, ob die Bindung ausländischer Versandapotheken an die Festpreisregelung eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Dassonville-Formel ist, wie dies die Beklagte mit Blick auf die dadurch verwehrte Anlockung von Patienten durch Preisvorteile behauptet (befürwortend OLG Hamm MMR 2005, 101 ff., Rn. 64 ff.; ablehnend: OLG Frankfurt, GRUR-RR 2008, 306, 307 - Bonusgewährung auf Arzneimittel durch Versandapotheke), denn jedenfalls wäre eine solche Maßnahme nach Art: 36 AEUV (vormals Art. 30 EGV) zum Schutze der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt. Der Einholung des von der Beklagten zum Beleg ihres verhinderten Marktzutritts angebotenen Sachverständigengutachtens bedurfte es daher nicht.

Wie dargelegt dient das Festpreissystem der Sicherstellung einer flächendeckenden, zeit- und ortsnahen sowie qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und damit einem gesundheitspolitischen Ziel. Das Schutzgut Gesundheit rechtfertigt dabei auch Vorsorgemaßnahmen, die bereits im Vorfeld Risiken für Gesundheit und Leben auszuschalten versuchen, damit konkrete Gefahren erst gar nicht entstehen. Auch das Arzneimittel- und Apothekenrecht, mag es auch wirtschafts- und wettbewerbspolitische Mittel einsetzen, stellt ein solches Risikoabwehrrecht dar.

Dabei handelt es sich nicht um eine unzulässige Umdeutung einer an sich rein wirtschaftlichen und damit nicht dem Art. 36 AEUV (vormals Art. 30 EGV) unterfallenden Zielsetzung. Vielmehr hat der EuGH in seiner Entscheidung DocMorris (NJW 2004, 131 ff.) klargestellt, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass eine nationale Festpreisregelung deshalb beizubehalten sei, weil sie einen integralen Bestandteil des nationalen Gesundheitswesens bilde. Dass der EuGH im Fall DocMorris eine Rechtfertigung der AMPreisV abgelehnt hat, lag lediglich daran, dass die Beteiligten in jenem Verfahren keine hinreichenden Argumente für deren Erforderlichkeit vorgebracht hatten (EuGH NJW 2004, 131, 137, Rn. 123 - Doc Morris), und ändert daher nichts an der Aussage des EuGH, dass eine Festpreisregelung dem anerkannten Schutzgut der Gesundheit dienen könne. Die Beteiligten haben im Doc Morris-Verfahren im wesentlichen Rechtfertigungsgründe für das damals noch bestehende grundsätzliche Verbot des Arzneimittelversandhandels angeführt (fehlende persönliche Beratung, erschwerte Kontrolle bei Versandapotheken; vgl. EuGH NJW 2004, 131, 134: Rn. 82 ff. - Doc Morris), da allein dies streitgegenständlich war. Dagegen kam es in diesem Verfahren nur inzidenter auf eine mögliche Rechtfertigung der Festpreisregelung an. Das hier entscheidende Argument der Gesundheitsgefährdung durch Verdrängung von Apotheken infolge eines Preiskampfes wurde nicht in den Vordergrund gerückt.

Die Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung auf den grenzüberschreitenden Versandhandel ist zur Erreichung eines effektiven Gesundheitsschutzes durch flächendeckende Arzneimittelversorgung auch erforderlich.

Dabei ist zu beachten, dass der EuGH den Mitgliedstaaten eine Einschätzungsprärogative zubilligt hinsichtlich der Frage, auf welchem Niveau und auf welchem Wege sie den Gesundheitsschutz ihrer Bevölkerung sicherstellen wollen (EuGH, Urteil vom 21.03.1991, C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 53; EuGH, EuZW 2004, 499, 501: Rn. 33 - Loi Evin). Innerhalb der deutschen Rechtsordnung ist wiederum dem Gesetzgeber gegenüber den Gerichten ein Einschätzungs- und Prognosevorrang eingeräumt (BVerfG, NJW 1969, 499, 501 - Mühlengesetz; BVerfG NJW 1988, 1195, 1196 - Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe).

Der deutsche Gesetzgeber hat sich zum Schutz der Gesundheit aus nachvollziehbaren Gründen für ein Festpreissystem entschieden, das auch ausländische Versandapotheken, die auf dem deutschen Markt tätig werden, bindet. Könnten im grenzüberschreitenden Versandhandel Medikamente zu günstigeren als den festgelegten Preisen angeboten werden, so bestünde die Gefahr einer Verdrängung von Präsenzapotheken, da die Kunden aus Preisgründen die Versandapotheken privilegierten. Dies wiederum würde die flächendeckende und vor allem orts- und zeitnahe Versorgung der Bevölkerung insbesondere in ländlichen Gegenden gefährden. Entgegen der Ansicht der Beklagten bedarf es keiner weiteren Substantiierung durch den Kläger, dass die Gewährung der beworbenen Boni die Absatzchancen inländischer Apotheken erheblich beeinträchtigt, da es für eine Rechtfertigung nach Art. 36 AEUV (vormals Art. 30 EGV) nicht erforderlich ist, dass ein Schaden bereits eingetreten ist. Vielmehr rechtfertigt der Schutzgedanke, der hinter dieser Norm steht, gerade ein präventives Tätigwerden der nationalen Gesetzgeber (LG München, NJOZ 2008 4133, 4139 f.- Geld verdienen auf Rezept II). Der Einholung des von der Beklagten zum Beleg einer nicht bestehenden Gefährdung des Bestandes der deutschen Präsenzapotheken sowie der fehlenden Gefährdung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten -zudem verspätet- angebotenen Sachverständigengutachtens bedurfte es daher nicht.

Zudem soll durch die Festpreisregelung verhindert werden, dass Verbraucher vor dem Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments Preisvergleiche zwischen den Apotheken anstellen, da der dabei entstehende Zeitverlust gerade bei ernsthaften Krankheiten eine Gefahr für die Gesundheit darstellen kann. Zu beachten ist, dass die Festpreisregelung von vornherein nur für rezeptpflichtige Medikamente gilt, also solche, die wegen des ihnen innewohnenden Gefährdungspotentials in der Regel nur zur Behandlung schwerwiegenderer Krankheiten eingesetzt werden (LG München, NJOZ 2008 4133, 4140 - Geld verdienen auf Rezept II).

Für eine Rechtfertigung nach Art. 36 AEUV (vormals Art. 30 EGV) spricht zudem die Tatsache, dass der EuGH im Fall Doc Morris sogar ein generelles Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten für zulässig erachtet hat, so dass die bloße Bindung ausländischer Versandapotheken an die AMPreisV als milderes Mittel jedenfalls verhältnismäßig ist. Dem steht nicht, wie die Beklagte meint, die Tatsache entgegen, dass der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit des Versandhandelsverbots keinen Gebrauch gemacht und stattdessen den deutschen Apothekenmarkt für das EU-Ausland geöffnet hat. Dies bedeutet nämlich nicht, dass deshalb der Versandhandel ohne jegliche Einschränkungen zulässig sein muss. Vielmehr muss es den nationalen Gesetzgebern im Interesse einer Förderung des Binnenmarktes möglich sein, zwischen den beiden Extremlösungen des kompletten Verbotes und der schrankenlosen Zulassung Mittelwege zu wählen, also -wie hier- eine Zulassung unter bestimmten Vorgaben. Andernfalls wären Staaten, die Nachteile aus der Zulassung des Versandhandels vermeiden wollen, darauf verwiesen, von ihrem umfassenden Verbotsrecht Gebrauch zu machen, was für die Schaffung eines grenzenlosen Binnenmarktes auf dem Gebiet der Arzneimittel gerade kontraproduktiv wäre (LG München, NJOZ 2008 4133, 4140 - Geld verdienen auf Rezept II).

Mithin liegt also kein Verstoß gegen die Art. 34 ff.. AEUV (vormals Art. 28 ff. EGV) vor.

Somit hat die Beklagte durch die Bewerbung des „Bonus-Modells“ des Anbieters DocMorris gegen §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV verstoßen.

c) Ein solcher Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, da die §§ 1, 3 AMPreisV gerade ihrem Zweck nach dazu bestimmt sind, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apothekern zu regeln (BVerfG NJW 2002, 3694, 3695). Auch Normen, die den Wettbewerb in der Weise beeinflussen, dass sie ihn auf dem Gebiet des Preises unterbinden, regeln das Marktverhalten unter den Apothekern, und weisen daher den für § 4 Nr. 11 UWG erforderlichen Wettbewerbsbezug auf (OLG Hamm MMR 2005, 101, 102 -Preisbindung bei Arzneimittelversand ausländischer Internetapotheken).

d) Die Beklagte hat selbst das „Bonus-Modell“ des Anbieters DocMorris beworben („… empfiehlt DocMorris“) und damit den Wettbewerb dieses Anbieters unmittelbar gefördert.

Mithin ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, §§ 1, 3 AMPreisV begründet.

2. Der zuerkannte Anspruch ist darüber hinaus auch aus §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 HWG begründet.

a) Streitig ist insoweit, ob im Bereich der Gewährung von Rabatten die Regelung des § 7 HWG als lex specialis zu den Normen der AMPreisV anzusehen ist. Die „Saartaler“-Entscheidung des erkennenden Senats (GRUR-RR 2007, 403, 404) ist in diesem Sinne aufgenommen worden. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung - § 7 HWG unterbindet unsachlich beeinflussende Wertreklame, während die AMPreisV einen Preiswettbewerb auf der letzten Handelsstufe ausschließen möchte – sind jedoch beide Normen in der Regel nebeneinander anwendbar (OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 306 - Bonussystem ausländischer Versandapotheken).

b) Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG sind Zuwendungen, die in einem auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden, unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des AMG gelten.

Einbezogen in den Anwendungsbereich des § 7 HWG ist allerdings nur die produktbezogene Werbung, nicht aber eine allgemeine Firmen-, Unternehmens- oder Imagewerbung, die nur dem Ansehen des Unternehmens allgemein dient (BGH GRUR 1997, 761, 765 – Politikerschelte). Das hierzu aufgestellte Abgrenzungskriterium der Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Arzneimittel (BGH GRUR 1992, 873 – Pharma-Werbespot) ist nur dort tauglich, wo es gilt, die Werbung eines Herstellerunternehmens zu beurteilen, weil bei diesem Firmenwerbung immer auch Werbung für seine Erzeugnisse und damit Werbung für die von ihm hergestellten Arzneimittel ist (vgl. OLG München GRUR-RR 2007, 297, 298 - Geldverdienen auf Rezept I).

Im Zusammenhang mit Händlerwerbung ist die Ansicht, § 7 Abs. 1 HWG untersage unterschiedslos lediglich Zuwendungen mit unmittelbarem Bezug zu einem oder mehreren bestimmten Heilmitteln (vgl. OLG Naumburg, GRUR-RR 2006, 336 f. – Einkauf-Gutschein), so dass eine Zuwendung für nur abstrakt, etwa als rezeptfrei beschriebene Medikamente nicht erfasst werde (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 2005, 135, 136), verschiedentlich verworfen worden. So haben das OLG Frankfurt die Rabattgewährung eines Hörgeräte-Einzelhändlers auf alle bei ihm erhältlichen digitalen Hörsysteme (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2005, 393 – Barrabatt für Hörgeräte) und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg die Werbung eines Augenoptikers für dessen gesamtes Brillenfassungssortiment von mehr als 1.500 Fassungen mit bestimmten Kunststoffgläsern in allen Glasstärken und Ausführungen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2005, 397 - Unzulässiger Barrabatt für Brillenkauf) an § 7 Abs. 1 HWG gemessen.

Die einschränkende Auffassung, auch bei Händlerwerbung unterfielen nur Zuwendungen für bestimmte Heilmittel der Regelung des § 7 Abs. 1 HWG, ist jedenfalls durch das Urteil des Bundesgerichtshofs „Kunden werben Kunden“ (GRUR 2006, 949 ff.) überholt. Darin hat der Bundesgerichtshof die Werbung eines Augenoptikerunternehmens für Gleitsichtgläser ohne Unterscheidung nach Hersteller oder sonstigen konkretisierenden Merkmalen nicht als bloße Unternehmenswerbung, sondern als eine den Verboten des Heilmittelwerbegesetzes unterfallende Produktwerbung angesehen (vgl. BGH GRUR 2006, 949, 952: Rn. 23 - Kunden werben Kunden). In die gleiche Richtung weist auch die im Hinblick auf Medizinprodukte ergangene Entscheidung“ DeguSmiles & more“ des BGH (GRUR 2009, 1082, 1084).

Im Streitfall stellt die Bewerbung des „Bonus-Modells“ für jegliche verschreibungspflichtige Medikamente keine Unternehmens-, sondern eine Produktwerbung dar. Aus der Gesamtheit der von DocMorris vertriebenen Produkte werden die verschreibungspflichtigen Medikamente herausgegriffen, deren Absatz durch die Auslobung der Boni gefördert wird. Für jedes einzelne der von der Beklagten vertriebenen Arzneimittel gilt das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb für die Gesamtheit der verschreibungspflichtigen Arzneimittel etwas anderes gelten sollte.

Die Gegenansicht würde dazu führen, dass der vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehene Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen wäre, wenn diese Form der Wertreklame für eine besonders große Zahl von Arzneimitteln angewandt wird. Die Eignung einer Zuwendung, den Absatz von Medikamenten unsachlich zu beeinflussen, hängt aber gerade nicht davon ab, ob diese (nur) für genau bestimmte Medizinprodukte, eine nicht näher eingegrenzte Vielzahl oder sogar für das ganze Sortiment angekündigt oder gewährt wird. Entscheidend ist allein, dass die Zuwendung an den Absatz eines Arzneimittels gekoppelt wird, da dann der Effekt einer unsachlichen Beeinflussung eintreten kann, den die Vorschrift verhindern will. Hierin liegt der konkrete Produktbezug, der den Fall von der produktunabhängigen Gewährung von Zuwendungen im Rahmen einer reinen Imagewerbung unterscheidet (LG München, NJOZ 2008, 4133, 4141 f. - Geld verdienen auf Rezept II).

Die angegriffene Zugabe ist damit unzulässig, da sie auch keinem der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG unterfällt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Auslegung des § 7 Abs. 1 HWG und dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall mit der Richtlinie 2001/83/EG vereinbar. Nach deren Art. 86 Abs. 1 gelten als „Werbung für Arzneimittel“ unter anderem alle Maßnahmen zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern, insbesondere die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel. Folgt man der Ansicht der Beklagten, dass mit Blick auf die in Art. 89 Abs. 1 festgelegten genauen Anforderungen an die Öffentlichkeitswerbung für ein Medikament die Richtlinie nur produktbezogene Werbung erfasst, und legt gleichzeitig die Ansicht des Senats zugrunde, dass es sich bei der streitgegenständlichen Gewährung von Boni um eine solche handelt, so ist der Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnet.

Diese regelt in ihrem Art. 87 Abs. 3, dass die Arzneimittelwerbung einen „zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern [muss], indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt“. Es ist nicht ersichtlich, wie die Gewährung von Boni diese Anforderung erfüllt. Zudem findet sich im Erwägungsgrund 45 der Hinweis auf die Notwendigkeit, übertriebene unvernünftige Werbung, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, zu verhindern. Die Auslobung der Gewährung von Boni, die an den Absatz eines Arzneimittels gekoppelt ist, ist geeignet, auch den Absatz von verschreibungspflichtigen Medikamenten unsachlich zu beeinflussen, und wirkt sich damit mittelbar auf die öffentliche Gesundheit aus. Dabei ist zu beachten, dass nach dem Wortlaut der Richtlinie ein „Auswirken“ auf die öffentliche Gesundheit ausreicht und nicht eine „Gefährdung“ verlangt wird.

Der Vereinbarkeit des Verbotes der Werbung nach § 7 Abs. 1 HWG mit der Richtlinie steht auch nicht entgegen, dass diese in Art. 94 Abs. 1 nur für zur Verschreibung oder Abgabe von Medikamenten berechtigte Personen ausdrücklich ein Verbot der Prämiengewährung vorsieht, da dies keine abschließende Regelung, sondern vielmehr nur eine Spezialregelung für diese Berufsgruppen darstellt, während für die Werbung gegenüber dem Verbraucher auf die Generalklausel des Art. 86 Abs. 3 zurückgegriffen werden kann.

Unterstellt man dagegen mit der Beklagten, dass nach der Richtlinie die streitgegenständliche Werbung als Imagewerbung einzustufen ist, so ist bereits bei angenommener Beschränkung der Richtlinie auf Produktwerbung deren Anwendungsbereich gar nicht eröffnet. Da es sich dann nicht um Werbung für Arzneimittel im gemeinschaftsrechtlichen Sinne handeln würde, müssen die nationalen Vorschriften insoweit keine vorrangigen sekundärrechtlichen Harmonisierungsvorgaben beachten. Ein Wille des europäischen Gesetzgebers, den Bereich der produktunabhängigen Imagewerbung von jeglichen nationalen Regeln freizuhalten, und ein diesbezüglicher Regelungsgehalt lassen sich der Richtlinie nicht entnehmen (LG München, NJOZ 2008, 4133, 4142 - Geld verdienen auf Rezept II).

Für die Vereinbarkeit mit Primärrecht gelten die obigen Ausführungen zur Arzneimittelpreisverordnung entsprechend.

Da das Verbot des § 7 Abs. 1 HWG den Schutz der Verbraucher bezweckt, ist der Verstoß gegen diese Vorschrift zugleich unlauter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG (vgl. BGH GRUR 2006, 949, 952: Rn. 25 - Kunden werben Kunden).

Mithin ist der Unterlassungsanspruch sowohl aus §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG iVm § 7 Abs. 1 HWG, als auch aus §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV begründet.

3. Da der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bereits gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG iVm § 7 Abs. 1 HWG und nach §§ 3, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 78 Abs. 2 S. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV begründet ist, kann die Frage, ob auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG oder § 200 VVG vorliegt, offen bleiben.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.


IV.

Zu der von der Beklagte angeregten Vorlage des Rechtsstreits an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV sieht der Senat sich nicht veranlasst.


V.

Die Revision ist gemäß § 543 ZPO zuzulassen. Die vorliegende Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Zudem dient die Revisionszulassung der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.










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