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Landgericht Berlin Urteil vom 22.12.2009 - 15 S 9/07 - Keine Anwendung von Preislisten des Rechteinhabers im Rahmen der sog. Lizenzanalogie

LG Berlin v. 22.12.2009: Keine Anwendung von Preislisten des Rechteinhabers im Rahmen der sog. Lizenzanalogie


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 22.12.2009 - 15 S 9/07) hat entschieden:

  1.  Für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs im Wege der Lizenzanalogie reicht es für die Bezifferung der Schadensersatzforderung nicht, wenn der Rechteinhaber auf die eigene Preisliste verweist, ohne belegen zu können, dass die dort angegebenen Listenpreise für Lizenzeinröäumungen am Markt tatsöächlich erzielbar sind. Andernfalls bestünde eine erhebliche Missbrauchsgefahr, da der verletzte Rechteinhaber über seine Preisliste jeden beliebigen Lizenzpreis beanspruchen könnte.

  2.  Aus der europöäischen Durchsetzungsrichtlinie vom 29.04.2004 (2004/48/EG) ergibt sich ebenfalls keine abweichende Bewertung. Der 26. Erwöägungsgrund klar, dass die Einführung einer Verpflichtung zu einem als Strafe angelegten Schadensersatz von der Richtlinie nicht bezweckt ist, sondern eine Ausgleichsentschöädigung für den Rechteinhaber auf objektiver Grundlage darstellt.

  3.  § 97 UrhG ist konform mit der europöäischen Durchsetzungsrichtlinie vom 29.04.2004 (2004/48/EG). Bereits § 97 UrhG berücksichtigte in der Fassung vor der Umsetzung der europäischen Durchsetzungsrichtlinie vom 29.04.2004 (2004/48/EG) etwaige Gewinneinbußen und immaterielle Schöäden des Rechtsinhabers, unrechtmöäßig erzielte Gewinne des Verletzers sowie die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr.

Siehe auch
Urheberschutz
und
Lizenzgebühren




Tatbestand:


Die Klöägerin wendet sich mit der am 07.09.2007 beim Landgericht eingegangenen und begründeten Berufung gegen das ihr am 16.08.2007 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 14.08.2007, 225 C 87/07, soweit die Klage darin abgewiesen worden ist.

Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird auf die Ausführungen in dem vorgenannten Urteil Bezug genommen.

Die Klöägerin höält die Entscheidung für unzutreffend und tröägt zur Begründung Folgendes vor:

Das Amtsgericht höätte nach ihrem erstinstanzlichen Vortrag von einer Größe des von dem Beklagten übernommenen Kartenausschnittes von 592 x 779 Pixel bei einer Auflösung von 72 dpi (Pixel pro Zoll) ausgehen müssen. Das entspreche einer Flöäche, die größer als DIN A5 sei.

Das Amtsgericht habe ferner die Höhe des der Klöägerin nach den Grundsöätzen der Lizenzanalogie zustehenden Schadensersatzes in fehlerhafter Anwendung des § 287 ZPO auf lediglich € 300,00 geschöätzt. Sie könne nach ihren Tarifen für die Nutzungsrechtseinröäumung an dem streitgegenstöändlichen Kartenausschnitt € 1.620,00 verlangen. Entsprechende Preise würden von ihr auch tatsöächlich am Markt erzielt. Damit sei pauschal ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht und das Recht der Aktualisierung aus dem Kartenbestand der Klöägerin verbunden. Der Preis entspreche auch den üblichen Vergütungssöätzen anderer Marktteilnehmer. Diese - von der Klöägerin im einzelnen benannt - würden mit ihr gemeinsam einen Marktanteil von 95 % für den kommerziellen Vertrieb von Kartenmaterial über das Internet erreichen.

Nach den Grundsöätzen der Lizenzanalogie dürfe der Verletzer - hier der Beklagte - nicht besser gestellt werden, als wenn er in rechtmöäßiger Weise bei der Klöägerin um ein Nutzungsrecht nachgesucht höätte. In diesem Fall wöäre die Klöägerin nicht bereit gewesen, ein Nutzungsrecht zu einem geringeren Preis einzuröäumen. Deshalb sei es dem Beklagten verwehrt, sich auf - vereinzelt vorhandene - günstigere Anbieter zu berufen.

Im Verlaufe des Berufungsrechtszugs hat die Klöägerin die Auffassung vertreten, dass es nicht darauf ankomme, welchen Wert die Einröäumung eines solchen Nutzungsrechts nach objektiven Marktpreisen habe, sondern allein darauf, welchen Preis die Klöägerin dafür nach ihren Tarifen regelmöäßig verlange. Das folge aus der europöäischen Durchsetzungsrichtlinie (2204/48/EG v. 29.04.2004). Danach müsse das nationale Recht einen wirksamen, verhöältnismöäßigen und abschreckenden Schutz gegen Verletzungen geistiger Eigentumsrechte gewöährleisten und sei ggf. entsprechend richtlinienkonform auszulegen. Abschreckend wirke § 97 Abs. 2 UrhG aber nur, wenn ein Verletzer mindestens den Betrag zu entrichten höätte, den er nach dem Tarifmodell des Rechteinhabers für die Erteilung einer Erlaubnis an diesen höätte zahlen müssen. Hinzu komme der Ersatz des Marktverwirrungsschadens, den die Klöägerin infolge der Unterlassung eines Urheberhinweises im Zusammenhang mit der Nutzung durch den Beklagten erlitten habe.

Das erstinstanzliche Urteil sei auch insoweit fehlerhaft, als es für die vorgerichtliche Abmahnung lediglich eine 0,9 anstatt einer 1,3 Geschöäftsgebühr zuerkannt habe.

Die Klöägerin beantragt,

   unter Aböänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten über den zugesprochenen Betrag von € 444,76 hinaus zu verurteilen, an die Klöägerin € 1.506,60 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil wie folgt:

Die Klöägerin habe erstinstanzlich zur Begründung einer Lizenzerzielung in der geltend gemachten Höhe fingierte Vertröäge vorgelegt. Daraus gehe außerdem hervor, dass die Klöägerin bei freihöändigem Verkauf ihrer Lizenzen allenfalls - wie vom Amtsgericht geschöätzt - € 300,00 für einen DIN A4 Kartenausschnitt erziele. Die mit der Berufung eingereichten weiteren Vertröäge seien nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht sei zutreffend von einer Größe des übernommenen Kartenausschnitts von lediglich bis DIN A6 ausgegangen, weil die im insoweit bindenden Tatbestand festgestellte Angabe der Klöägerin von 3775 x 5029 Pixel nicht plausibel gewesen sei.

Bei den vorgelegten Gutachten handele es sich um Partei- bzw. Geföälligkeitsgutachten, die inhaltlich unbrauchbar seien. Das gelte auch für den ergöänzend angebotenen Zeugenbeweis. Insofern hat der Beklagte ferner Verspöätung gerügt.

Schließlich stehe ihm ein Nutzungsrecht, erst recht kein zeitlich unbegrenztes, nicht zu, da er in Bezug auf die streitgegenstöändliche Kartenkachel eine strafbewehrte Unterlassungserklöärung habe abgeben müssen. Infolge dessen könne die Klöägerin keinen Schadensersatz für die Zukunft geltend machen und eine Lizenzgebühr verlangen, für die sie sonst ein unbegrenztes Nutzungsrecht einröäume.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 26.09.2008 eine Beweiserhebung über den Marktpreis des streitgegenstöändlichen Nutzungsrechts angeordnet. Die Beweiserhebung ist nicht durchgeführt worden, weil die Klöägerin ihr Beweisangebot mit Schriftsatz vom 04.06.2009 zurückgenommen hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsöätze nebst Anlagen Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist lediglich hinsichtlich der von der Klöägerin geltend gemachten Abmahnkosten begründet. Im übrigen hat die Berufung der Klöägerin keinen Erfolg, weil das Amtsgericht die Klage im angefochtenen Umfang zu Recht abgewiesen hat.

I.

Der Klöägerin steht gegen den Beklagten für die unberechtigte Nutzung des streitgegenstöändlichen Kartenausschnittes kein Schadensersatz in Höhe von mehr als € 300,00 zu (§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG, §§ 249 ff. BGB, § 287 ZPO). Weil der Beklagte vorprozessual bereits € 170,04 gezahlt hat (§ 362 BGB), besteht der geltend gemacht Anspruch noch in Höhe von € 129,96.

1. Zwar ist nach dem Vortrag der Parteien davon auszugehen, dass der von dem Beklagten übernommene Kartenausschnitt auf der Webseite der Klöägerin eine Größe von 592 x 779 Pixel bei einer Auflösung von 72 dpi aufwies. Das hat die Klöägerin schon in der ersten Instanz vorgetragen und hinsichtlich der Auflösung des auf ihrer Webseite bereit gestellten Kartenmaterials - worauf es ankommt - durch die Ausführungen im Gutachten der Sachverstöändigen Prof. Dr. Meng (Anlage zum Schriftsatz vom 05.07.2005 - Bl. 111/1 d. A.) untermauert. Danach betrug die Größe des Kartenausschnitts 461.168 Pixel und lag damit zwischen DIN A5 und DIN A4.

Der Beklagte hat dazu lediglich behauptet, die übernommene Kartenkachel sei "allenfalls 8 x 10 cm groß" gewesen (S. 3 der Klageerwiderung) und den Vortrag der Klöägerin damit nur unzureichend im Sinne des § 138 ZPO bestritten. Es kommt nicht darauf an, welche Dateiformate die Klöägerin im vorliegenden Rechtsstreit als Anlagen eingereicht oder in welcher Größe der Beklagte den Kartenausschnitt auf seiner Webseite verwendet hat, da die Größe veröänderbar ist. Maßgebend ist die Pixelzahl und Auflösung, die die Klöägerin auf ihrer Webseite bereit stellt. Danach bemisst sich die (fiktive) Lizenzgebühr. Es ist aber nicht behauptet, dass die Klöägerin die Auflösung oder das Format ihres Kartenmaterials seit dem Gutachten von Prof. Dr. Meng oder seit der Verletzungshandlung des Beklagten veröändert habe. Der Beklagte kann folglich - auch heute noch - nachvollziehen, welche Pixelanzahl der von ihm übernommene Ausschnitt aufwies und dazu konkret vortragen. Das hat er jedoch nicht getan, so dass die Angaben der Klöägerin zu Grunde zu legen sind.



2. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung ist durch das am 1. September 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. I, S. 1191) neu geregelt worden (§ 97 Abs. 2 UrhG). Im vorliegenden Fall kommt es für die Beurteilung der Schadensersatzpflicht des Beklagten aber allein auf die bis zum 31.08.2008 geltende Rechtslage an, da es hier um eine Rechtsverletzung geht, die im Möärz 2007 festgestellt worden ist und bei Inkrafttreten des § 97 UrhG n. F. bereits abgestellt war (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I ZR 63/06, juris Tz. 22 - Motorradreiniger; BGH GRUR 2009, 660 ff. - Resellervertrag)

a) Zur bisherigen Rechtslage hinsichtlich der Schadensberechnung bei Urheberrechtsverletzungen hat der Bundesgerichtshof erst jüngst Folgendes ausgeführt (BGH GRUR 2009, 660 ff. - Resellervertrag):

   "Dem Glöäubiger des Schadensersatzanspruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG a. F. stehen - nach seiner Wahl - drei verschiedene Berechnungsarten zur Verfügung: die konkrete Schadensberechnung, die den entgangenen Gewinn einschließt, die Herausgabe des Verletzergewinns (§ 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F.) und die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr (BGH, Urt. v. 22.9.1999 - I ZR 48/97, GRUR 2000, 226, 227 = WRP 2000, 101 - Planungsmappe, m. w. N.). Bei der - von der Klöägerin gewöählten - Schadensberechnung nach den Grundsöätzen der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner bei Abschluss eines Lizenzvertrages als Vergütung für die Benutzungshandlung des Verletzers vereinbart höätten. Hierfür ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln. Dieser besteht in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr (BGH, Urt. v. 29.5.1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 513 - Dia-Röähmchen II; Urt. v. 6.10.2005 - 1 ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Tz. 23 = WRP 2006, 274 - Pressefotos)."

In der vorgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof außerdem darauf hingewiesen, dass der Bestimmung der Schadenshöhe nur solche vom Klöäger zu diesem Zweck vorgelegte Lizenzvertröäge zu Grunde gelegt werden dürfen, die der Klöäger tatsöächlich - und zwar unter Marktbedingungen, d.h. freihöändig - abgeschlossen hat (BGH, a. a. O.):
   "Die Revision der Beklagten beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht seiner Schadensschöätzung die von der Klöägerin vorgelegten Lizenzvertröäge zugrunde gelegt hat, ohne zu prüfen, ob diese überhaupt jemals abgeschlossen worden sind. Die Beklagte hat dies in den Vorinstanzen stets bestritten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelte es sich dabei nicht um ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen der Beklagten, die keine weitere Erklöärungspflicht der Klöägerin begründeten. Die Beklagte hatte von dem behaupteten Abschluss der Lizenzvertröäge keine eigene Kenntnis; sie durfte ihn daher in zulöässiger Weise mit Nichtwissen bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Das gilt, wie die Revision der Beklagten mit Recht geltend macht, umso mehr, als die Namen der Vertragspartner in den vorgelegten Fotokopien der Lizenzvertröäge abgedeckt oder geschwöärzt sind. Die Beklagte konnte die Behauptung der Klöägerin, sie habe die vorgelegten Lizenzvertröäge tatsöächlich abgeschlossen, unter diesen Umstöänden nicht einmal ansatzweise überprüfen."

b) Diese Ausführungen treffen im Wesentlichen auch auf den vorliegenden Sachverhalt zu. Die Klöägerin hat den von ihr behaupteten und in der ersten Instanz auf die Grundsöätze der Lizenzanalogie gestützten Schaden nicht ausreichend belegt.

aa) Die von der Klöägerin erstinstanzlich eingereichten Vertröäge stützen den behaupteten Lizenzpreis für den streitgegenstöändlichen Kartenausschnitt nicht. Darauf hat der Beklagtenvertreter in seiner Stellungnahme vom 27.07.2007, auf die insoweit Bezug genommen wird, zutreffend hingewiesen. Angesichts der behaupteten etwa 500 geschlossenen Vertröäge müsste es der Klöägerin - wovon sie selbst ausgeht - ohne Mühe möglich sein, wenigstens 10 aussagekröäftige Vertröäge vorzulegen. Das hat sie aber nicht getan. Lediglich 4 der Vertröäge weisen eine Vereinbarung nach dem vorliegend geltend gemachten Tarifmodell der Klöägerin auf, wovon 2 mit anwaltlichen Vertretern der Klöägerin geschlossen worden sind. Ein weiterer Vertrag ist nicht unterzeichnet und damit gem. § 416 ZPO schon im Ansatz kein taugliches Beweismittel. Ein weiterer Vertrag ist mit einem bereits abgemahnten Kunden zustande gekommen und damit nicht unbeeinflusst geschlossen. Vier weitere Vertröäge beruhen offenbar auf einem anderen Tarif und weisen deutlich geringere Preise zwischen € 174,00 bis € 300,00 aus. Auf der Grundlage dieses Vortrags vermag sich auch die Kammer - wie schon das Amtsgericht - nicht davon zu überzeugen, dass die von der Klöägerin geforderte Lizenzgebühr der Höhe nach dem Marktpreis für die Nutzung des streitgegenstöändlichen Kartenausschnitts und damit dem objektiven Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung entspricht (§ 286 ZPO). Es kommt folglich nicht mehr darauf an, ob die Klöägerin gehalten war, ihre behaupteten Vertragspartner offen zu legen, um dem Beklagten eine überprüfung des Beweiswertes der Vertröäge zu ermöglichen.

bb) Soweit die Klöägerin in der zweiten Instanz weitere Vertröäge eingereicht und sich ergöänzend auf Zeugenbeweis berufen hat, waren diese Angriffsmittel gem. § 529 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen, weil insoweit die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Hinsichtlich des schon in der ersten Instanz in zweiter Linie angebotenen Sachverstöändigenbeweises zu der streitigen Frage, welchen Preis die Klöägerin bei einer freihöändigen Veröäußerung ihrer Lizenzen am Markt tatsöächlich erzielen kann, ist die Klöägerin vor der Kammer beweisföällig geblieben, weil sie ihr Beweisangebot mit Schriftsatz vom 04.06.2009 zurückgezogen hat.

cc) Soweit sich die Klöägerin ferner - "für die Angemessenheit ihrer Preisliste" - auf das Gutachten des Prof. Dr. Theodor Wintges (BK 9) stützt, rechtfertigt auch dieses in der Sache keine abweichende Beurteilung. Das Gutachten versucht, den objektiven Nutzungswert eines Kartenausschnitts anhand der Herstellungskosten des Kartenmaterials zu bestimmen. Als Ausgangspunkt seiner Berechnung legt der Sachverstöändige auf S. 19 des Gutachtens (BK 17) Herstellungskosten für die bundesweit flöächendeckende Kartensubstanz in Höhe von "etwa 20 Millionen € netto ohne Mehrwertsteuer" zu Grunde. Diese Zahl beruht aber nicht etwa auf Feststellungen, die der Sachverstöändige aufgrund eigener Kenntnis oder Sachkunde getroffen hat, sondern auf den "Aussagen der relevanten Hersteller von bundesweit flöächendeckenden Kartensubstanzen (Falk-Verlag, ADAC-Verlag, Euro-Cities AG)". Ferner führt der Sachverstöändige lediglich aus, dass diese Aussage "aus kartographischer Sicht als zutreffend erscheine". Damit gibt die von diesen Ausgangsbetrag abgeleitete Berechnung des Wertes einer Kartenkachel mit einer bestimmten Größe anhand der Herstellungskosten nicht mehr als den - im vorliegenden Verfahren bestrittenen - Sachvortrag der Klöägerin wieder. Darauf allein vermag die Kammer ihre überzeugung nicht zu stützen (§ 286 ZPO). dd) Soweit sich die Klöägerin zur Begründung der geforderten Lizenzgebühr außerdem auf einen Vergleich ihrer Lizenzmodelle, nöämlich den als Kaufvariante bezeichneten Lizenzerwerb für eine statischen Karte und den als Mietvariante bezeichneten Lizenzerwerb für eine Verlinkung auf das Kartenmaterial der Klöägerin, abstellt, löässt sich auch daraus für den vorliegenden Fall kein objektiver Wert des vom Beklagten in Anspruch genommenen Nutzungsrechts von mehr als € 300,00 ableiten. Die Klöägerin bietet die Nutzung eines mit der streitgegenstöändlichen Anfahrtsskizze vergleichbaren Kartenausschnitts in der Form einer Verlinkung auf ihr Kartenmaterial ab € 50,00 netto pro Jahr an. Um den vom Amtsgericht für die streitgegenstöändliche statische Karte geschöätzten Wert von € 300,00 zu erreichen, könnte ein Nutzer eine vergleichbare Karte im Miet- bzw. Linkmodell 6 Jahre lang nutzen. Es sind aber keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine statische Karte im Regelfall eine löängere Lebens- bzw. Nutzungsdauer aufweist als 6 Jahre. Die Klöägerin tröägt dazu vor, die typische Lebensdauer eines Stadtplans in gedruckter Form betrage 5-10 Jahre und die eines Atlasses in Buchform 3-6 Jahre. Daraus folgt zu Gunsten der Klöägerin nichts. Wie lange eine statische Karte von ihren Kunden durchschnittlich verwendet werde, hat die Klöägerin nicht vorgetragen. Die Kammer vermag auf dieser Grundlage keine ausreichende Schöätzungsgrundlage zu erkennen, um eine hinreichend bestimmte löängere Lebensdauer annehmen zu können.

c) Auch bei Anwendung der beiden weiteren Berechnungsmethoden für den geltend gemachten Schaden tröägt der Vortrag der Klöägerin ihren Zahlungsanspruch nicht. Ein Verletzergewinn ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dasselbe gilt für einen konkreten Schaden der Klöägerin, der ihr infolge der unberechtigten Nutzung ihres Kartenausschnitts durch den Beklagten entstanden sein müsste. Nach der geltenden Rechtslage bewirkt die Rechtsgutsverletzung, d.h. der Eingriff in ein urheberrechtliches Nutzungsrecht, noch nicht automatisch einen bestimmten ersatzföähigen Schaden. Gem. § 249 Abs. 1 BGB besteht ein Schaden in der Differenz zwischen dem tatsöächlichen und dem hypothetischem Vermögenszustand, der ohne die Rechtsgutsverletzung vorhanden wöäre. Diese Differenz muss quantifizierbar sein. Dazu hat die Klöägerin auch in der zweiten Instanz nichts Verwertbares vorgetragen.

d) Ein Marktverwirrungsschaden, der auf einer durch die Verletzung bewirkten Töäuschung der Abnehmer beruht und vor allem bei Marken- und Gebrauchsmusterrechten in Betracht kommt (dazu Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 Rn. 69) ist ebenfalls nicht dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass aufgrund der streitgegenstöändlichen Nutzung der Kartenkachel durch den Beklagten potentielle Kunden der Klöägerin etwa über die Herkunft oder den Anbieter des Kartenmaterials getöäuscht wurden und der Klöägerin dadurch ein Nachteil entstanden ist.

e) Für die Geltendmachung eines etwaigen immateriellen Schadens wegen der unterlassenen Urhebernennung gem. § 97 Abs. 2 UrhG a. F. ist die Klöägerin nicht aktiv legitimiert, weil sie nicht Urheberin, sondern lediglich Lizenznehmerin ist.

3. Aus der europöäischen Durchsetzungsrichtlinie vom 29.04.2004 (2004/48/EG), deren Umsetzungsfrist gem. Art. 20 (1) am 29.04.2006 und damit vor der hier zu beurteilenden Rechtsverletzung abgelaufen war, ergibt sich ebenfalls keine abweichende Bewertung.

a) Zwar verpflichtet die Richtlinie in ihrem Art. 3 (2) die Mitgliedstaaten, "wirksame, verhöältnismöäßige und abschreckende" Rechtsbehelfe gegen die Verletzung geistigen Eigentums zur Verfügung zu stellen, die gem. Art. 3 (1) zudem nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessen Verzögerungen mit sich bringen dürfen. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die Rechtsfolge einer Urheberrechtsverletzung aber nur dann abschreckend, wenn sie für den Verletzer nachteiliger ist, als die legale Lizenzeinholung, wenn er also mit der Rechtsverletzung ein wirtschaftliches oder persönliches Risiko eingeht. Dieser Anforderung soll es hingegen nicht genügen, wenn ein Rechtsverletzer - wie im Falle der Schadensberechnung nach den Grundsöätzen der Lizenzanalogie - nichts anderes zu erwarten hat, als die Verpflichtung zur Zahlung derselben Lizenz, die er auch im Falle eines legalen Verhaltens bezahlen müsste. In der Rege! müsse deshalb die geschuldete Schadensersatzleistung die hypothetische Lizenzgebühr übersteigen (vgl. v. Ungern -Sternberg, GRUR 2009, 460 ff. m. w.N.).







b) Bei der Frage, ob das nationale Recht im Sinne der Durchsetzungsrichtlinie hinreichend abschreckend wirkt, können - über die zivilrechtlichen Sanktionen hinaus - die von den Mitgliedstaaten vorgesehenen strafrechtlichen Folgen (im deutschen Recht die Straftatbestöände der §§ 106 ff. UrhG) nicht berücksichtigt werden. Denn die Erfordernisse der Wirksamkeit, Verhöältnismöäßigkeit und Abschreckung betreffen nur diejenigen "Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe", die Regelungsgegenstand der Durchsetzungsrichtlinie sind. Das sind aber nur die zivilrechtlichen Rechtsbehelfe, die dem Rechteinhaber oder Lizenznehmer zustehen. Aus dem 28. Erwöägungsgrund und Art. 16 der Durchsetzungsrichtlinie folgt, dass strafrechtliche Sanktionen zusöätzlich und außerhalb der Durchsetzungsrichtlinie vorgesehen werden können.

c) Andererseits löässt es Art. 13 der Durchsetzungsrichtlinie ausdrücklich zu, dass der im Falle einer Verletzung geistigen Eigentums von den Gerichten festzusetzende Schadensersatz "mindestens" dem Betrag der Vergütung entspricht und folglich nicht darüber hinaus geht, den der Verletzer höätte entrichten müssen, wenn er beim Berechtigten eine Lizenz eingeholt höätte.

d) Entscheidend sind jedoch die Ausführungen im 26. Erwöägungsgrund der Richtlinie. Darin werden beispielhaft die Aspekte aufgezöählt, die in Föällen von vorsöätzlichen oder fahrlöässigen Verletzungen geistigen Eigentums bei der Höhe des an den Rechtsinhabers zu zahlenden Schadensersatzes zur berücksichtigen sind. Söämtliche der dort genannten Aspekte, d.h. etwaige Gewinneinbußen und immaterielle Schöäden des Rechtsinhabers, unrechtmöäßig erzielte Gewinne des Verletzers sowie die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr, waren auch schon gem. § 97 UrhG a. F. für die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes maßgebend. Darüber hinaus stellt der 26. Erwöägungsgrund klar, dass die Einführung einer Verpflichtung zu einem als Strafe angelegten Schadensersatz von der Richtlinie nicht bezweckt ist, sondern eine Ausgleichsentschöädigung für den Rechteinhaber auf objektiver Grundlage. Die Durchsetzungsrichtlinie verlangt folglich keine Festsetzung des Schadensersatzbetrages über die durch objektiv nachprüfbare Umstöände belegte Einbußen des Rechteinhabers hinaus, so dass es einer erweiternden richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Schadensrechts nicht bedarf.

e) Ebenso hat es auch der deutsche Gesetzgeber des am 1. September 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. I, S. 1191) gesehen. Eine Modifikation der bisherigen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsöätze der Schadensberechnung - einschließlich derjenigen der Lizenzanalogie - war im Rahmen der Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt, wie sich aus der vorgesehenen Regelung in § 97 Abs. 2 Satz 3 des Regierungsentwurfes vom 26.1.2007 und der Begründung hierzu ergibt (ebenso LG München, ZUM 2008, 542-544 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/5048, S. 33, 37 und 48). Der im Gesetzgebungsverfahren diskutierte pauschale Verletzerzuschlag ist bewusst nicht in geltendes Recht umgesetzt worden (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 Rn. 58 m. w. N.).

4. Schließlich kann die Klöägerin von dem Beklagten auch gem. den §§ 812 ff. BGB keine weitergehende Zahlung verlangen. Der Bereicherungsanspruch ist gem. § 818 Abs. 2 BGB - wie der Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der Lizenzanalogie - ebenfalls auf die Herausgabe des objektiven Wertes der vom Verletzer ohne Rechtsgrund in Anspruch genommenen Nutzungsberechtigung gerichtet. Ebenso wie für den Schadensersatzanspruch genügt es dafür nicht, dass der Rechteinhaber lediglich auf die eigene Preisliste verweist, ohne belegen zu können, dass die dort angegebenen Betröäge für Lizenzeinröäumungen am Markt tatsöächlich erzielbar sind. Andernfalls bestünde eine erhebliche Missbrauchsgefahr, weil der Verletzte vermittelt über seine Preisliste jeden beliebigen Lizenzpreis beanspruchen könnte.




II.

Die Klöägerin konnte allerdings von dem Beklagten Abmahnkosten in Höhe von € 494,40 zuzüglich € 20,00 Auslagenpauschale verlangen. Weil der Beklagte auf diesen Anspruch vorprozessual € 76,00 bezahlt hat, ist die Klage insoweit noch in Höhe von € 438,40 begründet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die von der Klöägerin für die vorprozessuale Abmahnung geltend gemachte 1,2 Geschöäftsgebühr unter Berücksichtigung aller Umstöände nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses. Insbesondere kann für die vor allem maßgebliche Frage des Schwierigkeitsgrads der anwaltlichen Töätigkeit nicht auf den Kenntnisstand eines Fachanwalts für gewerblichen Rechtsschutz oder eines stöändig mit Abmahnungen befassten anwaltlichen Vertreters abgestellt werden. Diese Sichtweise höätte zur Folge, dass besonders qualifizierte und spezialisierte Rechtsanwöälte geringer vergütet werden müssten als weniger qualifizierte und spezialisierte Kollegen, weil Töätigkeiten für Fachanwöälte in ihrem Spezialgebiet eher als einfachere Routineangelegenheiten erscheinen werden als dies für nicht qualifizierte Kollegen der Fall ist. Abzustellen ist deshalb auf den Durchschnittsanwalt, für den eine Abmahnung in einer Urheberrechtsangelegenheit regelmöäßig eine mindestens durchschnittlich schwierige Angelegenheit darstellt.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtsauffassung der Klöägerin, sie könne den geltend gemachten Lizenzschaden allein auf der Grundlage ihrer selbst veröffentlichten Preisliste beziffern, wird auch von der Durchsetzungsrichtlinie nicht ernsthaft gestützt.

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