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OLG Köln Beschluss vom 28.08.2008 - I-6 W 110/08 - Zum Urheberrechtsschutz von nichtamtlichen Leitsätzen zu Gerichtsentscheidungen

OLG Köln v. 28.08.2008: Zum Urheberrechtsschutz von nichtamtlichen Leitsätzen zu Gerichtsentscheidungen


Das OLG Köln (Beschluss vom 28.08.2008 - I-6 W 110/08) hat entschieden:
Auch die Leitsätze zu einer Gerichtsentscheidung, die keine innovativen Rechtserkenntnisse enthält, können eine den Urheberrechtsschutz begründende Schöpfungshöhe aufweisen. Raum für eine eigenschöpferische Leistung des Leitsatzverfassers ist gerade dann, wenn die Entscheidung - hier: Beschluss in einem Eilverfahren - nicht stringent untergliedert ist und von der Formulierung von Obersätzen abgesehen hat. Abweichende Leitsätze anderer Verfasser können den Gestaltungspielraum belegen.




Siehe auch Die urheberrechtliche Gemeinfreiheit von Gerichtsentscheidungen und amtlichen Leitsätzen und Stichwörter zum Thema Urheberrecht und Urheberschutz


Gründe:

Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 30.07.2008 zurückweisenden Beschluss des Landgerichts hat in der Sache Erfolg und führt zur Anordnung des begehrten Unterlassungsgebots. Die Einblendung der konkreten Verletzungsform in den Tenor der Verfügung stellt hierbei keine Beschränkung des Verfügungsanspruchs dar, sondern dient lediglich der Klarstellung, nachdem auch der Antragsteller auf den fraglichen, aus der Anlage Ast 6 ersichtlichen Internetauftritt der Antragsgegner in seinem Verfügungsantrag abgehoben hatte.

Nach Auffassung des Senats erreichen die streitgegenständlichen, von dem Antragsteller formulierten Leitsätze schon urheberrechtlichen Schutz nach Maßgabe der §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, weshalb sich die angegriffene Vervielfältigung und Veröffentlichung in dem Internetauftritt der Antragsgegner als widerrechtliche Verletzung der Bearbeiterurheberrechte des Antragstellers i.S. des § 97 Abs. 1 UrhG darstellt.

1. Das Landgericht hat die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und namentlich in der zitierten Entscheidung "Leitsätze" des BGH (GRUR 1992, 382 = NJW 1992, 1316) entwickelten Grundsätze zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit nichtamtlicher Leitsätze von gerichtlichen Entscheidungen zutreffend und erschöpfend dargestellt. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss wird Bezug genommen. Die Kammer hat sich überdies im Zuge der danach im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Beurteilung und Würdigung (vgl. BGH a.a.O.) ausführlich mit der Schöpfungshöhe der fraglichen beiden Leitsätze auseinandergesetzt und richtig hervorgehoben, dass die Anforderungen wegen der zwangsläufig engen Anlehnung des Leitsatzes an die Gerichtsentscheidung nur relativ niedrig anzusetzen sind. Soweit das Landgericht die Schutzfähigkeit indes letztlich verneint hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen: Beide Leitsätze verfügen über eine zwar nur geringe, aber schon ausreichende Schöpfungshöhe.

Entscheidende Bedeutung kommt im Rahmen der einzelfallbezogenen Beurteilung zunächst der gerichtlichen Entscheidung selbst zu, welche zur Grundlage der Leitsatzformulierung gemacht worden ist. Im Streitfall handelt es sich um die Beschwerdeentscheidung eines Oberlandesgerichts in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Die den Beschluss tragenden Gründe sind nicht durch Zahlen oder Buchstaben gegliedert, und bei dem Aufbau der Entscheidung ist von der urteils- bzw. beschlusstypischen Formulierung von das Ergebnis darstellenden Obersätzen mit anschließender Subsumtion unter die angewendeten Rechtsnormen abgesehen worden. Im Hinblick auf diese Vorlage bedurfte es deshalb der eigenständigen Vornahme einer Gliederung und einer Auswahl der für einen Leitsatz geeigneten Entscheidungsgründe. Diese eigenschöpferische Leistung hat der Antragsteller vorgenommen und in der hierfür nötigen knappen, aber präzisen Formulierung eingefasst, ohne dass die Leitsätze sich etwa in einer wörtlichen Wiedergabe der gerichtlichen Gründe erschöpfen würden.

In der Zubilligung eines eigenschöpferischen Werts der Bearbeitung des Antragstellers sieht der Senat sich bestärkt durch die von Dritten verfassten und veröffentlichten Leitsätze zu derselben Gerichtsentscheidung. So hat der Bearbeiter des auch in die JURIS-Datenbank eingestellten Beschlusses des fraglichen Oberlandesgerichts folgende Leitsätze formuliert:
"1. Die Veröffentlichung eines nicht anonymisierten, rechtskräftigen Urteils von natürlichen Personen als Prozessparteien bedarf neben einem öffentlichen Informationsinteresse der Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Positionen des Rechts auf freie Meinungsäußerung einerseits und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen andererseits.

2. Ein öffentliches Informationsinteresse zur Veröffentlichung eines nicht anonymisierten, rechtskräftigen Urteils natürlicher Personen als Prozessparteien liegt dann nicht vor, wenn offensichtlich die Herabsetzung der unterlegenen Prozesspartei dadurch bezweckt wird, dass der Betroffene als jemand dargestellt wird, der andere mit unbegründeten Klagen überzieht.

3. Die Bekanntgabe der Privatanschrift einer natürlichen Person als Prozesspartei berührt grundsätzlich dessen Privatsphäre."
In dieser exemplarischen Parallelbearbeitung werden zum Teil abweichende Schwerpunkte gesetzt, und insbesondere die - ebenfalls an die gerichtliche Entscheidung stark angelehnten, diese aber nicht wörtlich übernehmenden - Formulierungen unterscheiden sich von den Leitsätzen des Antragstellers. In Anbetracht der hierdurch verdeutlichten Möglichkeiten, zu der fraglichen Gerichtsentscheidung in einer eigenständigen Bearbeitung Leitsätze zu bilden, kommt denen des Antragstellers durchaus Werkqualität i.S. der §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu.

Die identische Wiedergabe der Leitsätze rechtfertigt das Unterlassungsbegehren, nachdem die Wiederholungsgefahr infolge der von den Antragsgegnern in ihrer Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 17.07.2008 vorgenommenen inhaltlichen Einschränkung nicht entfallen ist.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

3. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung gilt Folgendes: Den Einzelwert der Unterlassungsansprüche gegen die mehreren, nicht gesamtschuldnerisch haftenden Antragsgegner bemisst der Senat nicht mit jeweils 7.500 € und den Gesamtwert deshalb nicht mit 22.500 €. Angemessen erscheint ein Betrag von 7.500 € auf der Grundlage der Schätzung des Antragstellers in der Antragsschrift nur, soweit er mit der Antragsgegnerin zu 1) die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anspruch nimmt. Demgegenüber ist die Intensität einer daneben durch ihre Gesellschafter, die Antragsgegner zu 2) und 3), zu verantwortenden Verletzungshandlung geringer und mit allenfalls 3.750 € zu bemessen. Insgesamt ergibt dies einen Wert von 15.000 €. Der Senat hat insoweit von der durch § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, auch die erstinstanzliche Wertfestsetzung von Amts wegen entsprechend zu ermäßigen.



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