Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

BGH Urteil vom 14.01.2010 - I ZR 138/07 - Auch ein häufig einzunehmendes Erzeugnis kann ein Lebensmittel und nicht ein Arzneimittel sein

BGH v. 14.01.2010: Auch ein häufig einzunehmendes Erzeugnis kann ein Lebensmittel und nicht ein Arzneimittel sein (Diabetruw® Zimtkapseln)


Der BGH (Urteil vom 14.01.2010 - I ZR 138/07) hat entschieden:
Ein Erzeugnis, dessen Wirkungen durch einen Stoff erzielt werden, der in entsprechender Menge in angemessener Weise auch mit der normalen Nahrung aufgenommen werden kann, kann auch dann als Lebensmittel und nicht als Arzneimittel anzusehen sein, wenn die empfohlene Häufigkeit der Aufnahme (hier: täglich) nicht den üblichen Ernährungsgewohnheiten entspricht.




Siehe auch Lebensmittel - Genussmittel - Inhaltsstoffe - Kennzeichnung und Rechtsprechung zu einzelnen Substanzen im Arznei- und Lebensmittelrecht


Tatbestand:

Der Kläger ist der Verband Sozialer Wettbewerb. Unter Berufung auf das Wettbewerbsrecht nimmt er die Beklagte auf Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung eines nicht zugelassenen Arzneimittels in Anspruch.

Die Beklagte vertreibt das Produkt „Diabetruw® Zimtkapseln“, das sie als „diätetisches Lebensmittel zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus im Rahmen eines Diätplans“ bewirbt.

Der Kläger ist der Ansicht, bei dem Mittel der Beklagten handele es sich um ein nicht zugelassenes Arzneimittel, weil es nicht Ernährungszwecken, sondern pharmakologischen Zwecken diene. Mit dem in dem Produkt enthaltenen Bestandteil MHCP (Methylhydroxychalson-Polymer) solle zur Behandlung von Diabetes der Blutzuckerspiegel beeinflusst werden.

Der Kläger hat beantragt,
der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel „Diabetruw® Zimtkapseln“ als „diätetisches Lebensmittel“ zu bewerben und/oder zu vertreiben.
Ferner hat der Kläger Zahlung einer Abmahnkostenpauschale von 139,20 € nebst Zinsen verlangt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, ihr Produkt sei als diätetisches Lebensmittel zu qualifizieren.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte auf die Berufung des Klägers zur Unterlassung und zur Zahlung der Abmahnkostenpauschale verurteilt ( OLG Hamm ZLR 2007, 730).

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt.


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger könne von der Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 3a HWG, § 21 AMG die Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung ihres Produkts „Diabetruw® Zimtkapseln“ als diätetisches Lebensmittel und Ersatz seiner Abmahnkosten von 139,20 € verlangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Das Produkt der Beklagten sei wegen seiner pharmakologischen Wirkung und seiner Zweckbestimmung gerade auch zur Linderung der Erkrankung Diabetes mellitus als ein Arzneimittel zu qualifizieren, für das die nötige arzneimittelrechtliche Zulassung fehle. Eine pharmakologische Wirkung sei insbesondere dann anzunehmen, wenn von außen zugeführte Stoffe eine aktive Rolle im Hinblick auf die körpereigenen (physiologischen) Funktionen des Körpers übernähmen, indem sie auf diese verändernd einwirkten, also über dasjenige hinausgingen, was physiologisch auch mit der bloßen Nahrungsaufnahme im menschlichen Körper ausgelöst werde. Für die rechtliche Einordnung des Produkts der Beklagten als Arzneimittel sei entscheidend, dass es nicht in erster Linie ernährungsphysiologischen Zwecken diene und dienen solle wie ein Zimtprodukt als Gewürz oder Genussmittel oder auch als diätetisches Lebensmittel. Es diene vielmehr pharmakologischen Zwecken, weil mit den Inhaltsstoffen der Insulinstoffwechsel des Körpers dahingehend beeinflusst werden solle, dass Diabetes gelindert werde. Es handele sich bei dem Mittel der Beklagten nicht mehr um den allseits als Genuss- und Lebensmittel bekannten Zimt, sondern um ein Präparat, das mit einer entsprechend hohen Dosis als spezielles Konzentrat konkret zur Linderung der Zuckerkrankheit eingesetzt werden solle.

Bei Produkten, die nach ihrer Zusammensetzung und Beschaffenheit sowohl als Lebensmittel als auch als Arzneimittel verwendet werden könnten, wie dies bei Kräutern, Gewürzen und hier bei Zimt der Fall sei, sei die objektive Zwecksetzung des Produkts maßgeblich. Das Produkt der Beklagten werde gerade zu dem Zweck angeboten und beworben, die physiologischen Körperfunktionen zur Behandlung des Krankheitsbilds der Diabetes mellitus zu beeinflussen. Dagegen sei es unerheblich, dass die Beklagte ihr Mittel selbst als ein diätetisches Lebensmittel bezeichne. Für die rechtliche Einordnung des Mittels der Beklagten sei es ferner ohne Bedeutung, dass dessen Wirkung lebensmitteltypisch mild und frei von erkennbaren Nebenwirkungen sei.


II.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei dem Produkt der Beklagten handele es sich um ein Arzneimittel, wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.

1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch des Klägers ist das UWG 2008 anzuwenden. Da das Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, ist es allerdings nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war. Der hier in Rede stehende Unlauterkeitstatbestand nach § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 3a HWG, § 21 AMG hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren, so dass eine Unterscheidung zwischen altem und neuem Recht nicht geboten ist.

2. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Begriff des Funktionsarzneimittels nach § 2 AMG im Sinne des europarechtlichen Arzneimittelbegriffs nach den Richtlinien 2004/27/EG vom 31. März 2004 und 2001/83/EG vom 6. November 2001 zu bestimmen ( BGH, Urt. v. 26.6.2008 – I ZR 61/05, GRUR 2008, 830 Tz. 12, 16 = WRP 2008, 1213 – L-Carnitin II; Urt. v. 26.6.2008 – I ZR 112/05, GRUR 2008, 834 Tz. 14 = WRP 2008, 1209 – HMB-Kapseln). Danach sind bei der Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, alle seine Merkmale und insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern sowie die Risiken zu berücksichtigen, die seine Verwendung mit sich bringen kann ( EuGH, Urt. v. 9.6.2005 – C-211/03, C-299/03 und C-316/03 bis C-318/03, Slg. 2005, I-5141 = WRP 2005, 863 Tz. 51 – HLH Warenvertrieb und Orthica; Urt. v. 15.11.2007 – C-319/05, Slg. 2007, I-9811 = GRUR 2008, 271 Tz. 55 – Kommission/Deutschland [Knoblauchkapseln]; Urt. v. 15.1.2009 – C-140/07, GRUR 2009, 511 Tz. 37 – Hecht-Pharma/Staatliches Gewerbeaufsichtsamt, vgl. ferner BGHZ 151, 286, 293 – Muskelaufbaupräparate; BGH GRUR 2008, 830 Tz. 18 – L-Carnitin II; GRUR 2008, 834 Tz. 19 – HMB-Kapseln). Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind dabei der Faktor, auf dessen Grundlage – ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses – zu beurteilen ist, ob dieses im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann ( EuGH, Urt. v. 30.4.2009 – C-27/08, GRUR 2009, 790 Tz. 20 = WRP 2009, 728 – BIOS Naturprodukte/Saarland, m.w.N.).

Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen, dürfen nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 60 – Knoblauchkapseln; GRUR 2009, 511 Tz. 41 – Hecht-Pharma/Staatliches Gewerbeaufsichtsamt; EuGH, Urt. v. 5.3.2009 – C-88/07, ZLR 2009, 321 Tz. 75 – Kommission/Königreich Spanien; BGH GRUR 2008, 830 Tz. 19 – L-Carnitin II; GRUR 2008, 834 Tz. 20 – HMB-Kapseln). Der Begriff des Funktionsarzneimittels soll nur diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 61 – Knoblauchkapseln). Enthält ein Erzeugnis im Wesentlichen einen Stoff, der auch in einem Lebensmittel in dessen natürlichem Zustand vorhanden ist, so gehen von ihnen keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel aus, wenn bei einem normalen Gebrauch des fraglichen Erzeugnisses (vgl. EuGH GRUR 2009, 790 Tz. 22 – BIOS Naturprodukte/Saarland) seine Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann ( BGH GRUR 2008, 830 Tz. 19 – L-Carnitin II). Es kann dann nicht als ein Erzeugnis eingestuft werden, das die physiologischen Funktionen wiederherstellen, bessern oder beeinflussen könnte (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 68 – Knoblauchkapseln). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat demgemäß die Arzneimitteleigenschaft eines Knoblauchextrakt-Pulvers, das bei angabegemäßer Dosierung dieselbe Menge Allicin enthielt wie 7,4 g roher frischer Knoblauch, mit der Begründung verneint, die physiologischen Wirkungen des Pulvers könnten auch durch den Verzehr der entsprechenden Menge Knoblauch als Lebensmittel erzielt werden (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 66 – Knoblauchkapseln).

3. Nach diesen Grundsätzen wird die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem Produkt der Beklagten handele es sich um ein Arzneimittel, von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen. a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Produkt der Beklagten um einen wässrigen Extrakt des Zimts mit sekundären Pflanzeninhaltsstoffen vom Typ der Polyphenole einschließlich des Bestandteils MHCP handelt, bei dem die ätherischen Öle des Zimts herausgelöst sind, und dass dieses Produkt eine positive Wirkung auf den Blutzuckerspiegel hat, indem gezielt die reduzierte Insulin-Sensitivität der an Diabetes mellitus erkrankten Patienten beeinflusst wird. Den Umstand, dass es sich bei Zimt auch um ein bekanntes Lebensmittel handelt, sowie die Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. D.… und anderer Gutachter, dass das Mittel der Beklagten ein typisches diätetisches Lebensmittel mit pflanzlichen Sekundärstoffen sei, hat das Berufungsgericht für unbeachtlich gehalten. Zur Begründung hat es entscheidend darauf abgestellt, dass mit dem Extrakt der Beklagten bei dem Krankheitsbild der Diabetes mellitus eine gezielte Beeinflussung der Körperfunktionen bewirkt werden solle und ihm daher unter Abwägung sämtlicher Umstände eine pharmakologische Wirkung beizumessen sei. Für diese Einordnung spreche ferner, dass auch die hohe Dosierung des Extraktes, insbesondere in den Sommermonaten, nicht mehr einer normalen Aufnahme des Lebensmittel Zimt entspreche und die hohe Konzentration es auch gebiete, die potentiell Nebenwirkungen verursachenden ätherischen Öle zu entfernen.

b) Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht sich in diesem Zusammenhang nicht ausreichend mit den Ausführungen in dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. L.… sowie mit den Angaben der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. D.… und der Feststellung des Landgerichts zu dem Vergleich der im Mittel der Beklagten enthaltenen Menge an Zimt und der mit der normalen Ernährung aufgenommenen Menge auseinandergesetzt hat. Danach ist die Menge von etwa 3 g Zimt, die sich beim Mittel der Beklagten nach der Dosierungsangabe von dreimal einer Kapsel täglich ergibt, eine in Deutschland „verzehrähnliche“ Zimtmenge, wie das Landgericht festgestellt hat. Der Sachverständige Prof. Dr. L.… hat angegeben, die mit dem Mittel der Beklagten aufgenommenen Wirkstoffe des Zimts entsprächen Mengen, wie sie auch bei der Zubereitung von Speisen Verwendung fänden. Die gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. D.… hat in ihrem Gutachten vom 9. Januar 2006 die empfohlene Tagesdosis als eine „rational vertretbare Menge“ bezeichnet. Das Berufungsgericht hätte sich mit der Feststellung des Landgerichts sowie mit diesen Angaben der Sachverständigen, die sich die Beklagte erkennbar zu eigen gemacht hat, befassen müssen, weil danach davon auszugehen ist, dass die von dem Mittel der Beklagten bezweckte physiologische Wirkung der Senkung des Blutzuckerspiegels auch durch eine verzehrübliche und damit angemessene Menge Zimt über die normale Ernährung erzielt werden kann.

Soweit das Berufungsgericht demgegenüber angenommen hat, die hohe Dosierung des Extraktes der Beklagten, insbesondere in den Sommermonaten, entspreche nicht mehr einer normalen Aufnahme des Lebensmittels Zimt, legt es zum einem nicht dar, worauf seine abweichende Würdigung beruht. Zum anderen liegt dieser Erwägung des Berufungsgerichts ersichtlich die Annahme zugrunde, für die Feststellung, ob ein Erzeugnis deshalb kein Arzneimittel ist, weil seine Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann, komme es darauf an, ob es bereits zu den normalen Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher gehört, eine entsprechende Menge des betreffenden Stoffes mit der normalen Ernährung aufzunehmen. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dem von ihm entschiedenen Fall nicht darauf abgestellt, dass es zu den normalen Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher gehört, eine Menge von 7,4 g rohen, frischen Knoblauch zu sich zu nehmen. Maßgeblich war vielmehr die Erwägung, dass durch die Aufnahme einer solchen Menge an Knoblauch dieselben physiologischen Wirkungen erzielt werden könnten wie durch das betreffende Mittel und dass es sich dabei noch um eine für den Verzehr als Lebensmittel angemessene Menge handelt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann folglich die Arzneimitteleigenschaft des Mittels der Beklagten nicht allein damit begründet werden, der Verbraucher verzehre bei normaler Ernährung gewöhnlich nicht eine solche Menge an Zimt, insbesondere nicht in den Sommermonaten. Der Einordnung als Arzneimittel steht vielmehr schon entgegen, dass durch die tägliche Einnahme von ca. 3 g reinem Zimt mit der Ernährung dieselben physiologischen Wirkungen erzielt werden könnten wie mit dem Mittel der Beklagten. Selbst wenn eine solche tägliche Aufnahme nicht zu den normalen Ernährungsgewohnheiten gehören sollte, also nicht üblich wäre, stünde dies der Annahme, es handele sich gleichwohl um den Verzehr einer angemessenen Menge, nicht entgegen. Die Erwägung des Berufungsgerichts, die hohe Konzentration gebiete es auch, die potentiell Nebenwirkungen verursachenden ätherischen Öle zu entfernen, vermag eine Einordnung des Mittels der Beklagten als Arzneimittel gleichfalls nicht zu rechtfertigen, wenn diese Nebenwirkungen auch bei dem Verzehr einer entsprechenden Menge reinen Zimts auftreten und diese Menge in Deutschland „verzehrähnlich“ ist. Dass im Produkt der Beklagten die im Zimt befindlichen ätherischen Öle herausgelöst sind und es nur zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus bestimmt ist, führt allein noch nicht zur Annahme der Arzneimitteleigenschaft. Als (diätetische) Lebensmittel können vielmehr auch Produkte einzuordnen sein, die sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden ( § 1 Abs. 2 Nr. 3 DiätV ) und für die besondere Ernährung bestimmter Gruppen in besonderen physiologischen Umständen bestimmt sind ( § 1 Abs. 2 Nr. 1 lit. b DiätV); dazu können auch Lebensmittel für Personen gehören, die unter einer Störung des Glucosestoffwechsels leiden (Diabetiker, vgl. Anlage 8 Nr. 8 zu § 4a Abs. 1 DiätV ). Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber geltend macht, die mit dem Produkt der Beklagten erzielte physiologische Wirkung der Senkung des Blutzuckerspiegels würde bei Aufnahme reinen Zimts erst durch eine gegenüber dem normalen Umfang deutlich höhere und kontinuierliche Zufuhr erreicht, zeigt sie nicht auf, dass das Berufungsgericht eine entsprechende Feststellung getroffen hat oder diese Tatsache in den Vorinstanzen zwischen den Parteien unstreitig war.


III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses weitere Feststellungen dazu treffen kann, ob die mit dem Mittel der Beklagten bezweckte physiologische Wirkung (Senkung des Blutzuckerspiegels) auch durch Aufnahme einer entsprechenden Menge an (reinem) Zimt über die Ernährung erreicht werden kann. Dabei wird das Berufungsgericht gegebenenfalls etwaige schädliche Nebenwirkungen des Verzehrs von reinem Zimt in einer bestimmten Menge über eine längere Zeitdauer zu beachten haben. Zwar kann eine negative Auswirkung auf die Gesundheit als solche allein die Arzneimitteleigenschaft eines Mittels nicht begründen (vgl. EuGH GRUR 2009, 790 Tz. 25 ff. – BIOS Naturprodukte/Saarland). Geht es wie im vorliegenden Fall jedoch um die Frage, ob dieselben physiologischen Wirkungen durch den Verzehr eines Lebensmittels in einer angemessenen Menge erzielt werden können, so kann von einer angemessenen Nahrungsaufnahme nicht mehr ausgegangen werden, wenn die betreffenden Wirkungen über die Ernährung nur durch den Verzehr einer von den normalen Ernährungsgewohnheiten abweichenden, die Gesundheit gefährdenden Menge des betreffenden Lebensmittels erreicht werden könnten.


IV.

Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV (früher: Art. 234 EG ) bedarf es nicht, weil sich die durch den Streitfall aufgeworfenen Fragen zum europarechtlichen Arzneimittelbegriff anhand der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs beantworten lassen.



Datenschutz    Impressum