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OLG Karlsruhe Urteil vom 13.05.2009 - 6 U 49/08 - Zur unzulässigen Werbung eines Rechtsanwalts mit der Bezeichnung "Spezialist für Zahnarztrecht"

OLG Karlsruhe v. 13.05.2009: Zur unzulässigen Werbung eines Rechtsanwalts mit der Bezeichnung "Spezialist für Zahnarztrecht"


Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 13.05.2009 - 6 U 49/08) hat entschieden:

   Die Werbung mit der Bezeichnung „Spezialist“ stellt einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) dar. Nach § 7 Abs. 1 BORA darf – unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen – Teilbereiche der Berufstätigkeit nur benennen, wer seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die in der Ausbildung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben wurden. Wer qualifizierende Zusätze verwendet, muss zusätzlich über entsprechende Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Die Beweislast dafür trägt nach der – auch für § 7 Abs. 1 S. 2 BORA geltenden – Regel des § 7 Abs. 1 S. 1 BORA der werbende Anwalt.


Siehe auch
Anwaltswerbung
und
Werbung

Gründe:


I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Unterlassung der Werbung mit der Bezeichnung „Spezialist für Zahnarztrecht“.

Die Klägerin ist die für S. zuständige Rechtsanwaltskammer. Der Beklagte ist seit 1991 in diesem Bezirk zugelassener Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er betreibt in B./B. eine aus sechs Anwälten bestehende Rechtsanwaltskanzlei. Seit 40 Jahren berät er seine Ehefrau, eine Zahnärztin mit eigener Zahnarztpraxis, in rechtlichen Fragen. Nach einer dem Gericht vorgelegten Fallliste des Beklagten betreute er seit 1994 171 Rechtsstreitigkeiten im Zahnarztrecht, davon seit 1.1.2005 38 Fälle mit vom Beklagten angelegter Aktennummer (Anlage B 10, Nr. 122 bis 159) und 12 Fälle, die keine Aktennummer aufweisen (Anlage B 10, Nr. 160 – 171). Der Beklagte gab außerdem ein kurz gefasstes Werk „Brevier der erfolgreichen Zahnarztpraxis“ heraus (Anlage B 14) und verfasste ein Kapitel „Praxiskauf und Praxisübernahme“ in der Loseblattsammlung Börkircher, Unternehmen Zahnarztpraxis, erschienen im Springer Verlag (Anlagen B 4). 1998 beteiligte sich der Beklagte an Seminaren für Zahnärzte. In den Jahren 1999 und 2000 nahm er an zwei mehrstündigen, vom Deutschen Anwaltsinstitut durchgeführten Veranstaltungen im Vertragsarztrecht teil (Anlagen B 11 und B 12).

Der Beklagte zog sich ab dem Jahr 2000 aus Tätigkeiten wie dem Schreiben von Broschüren und Beiträgen in Büchern und der Teilnahme an Seminaren zurück und widmete sich ausschließlich seiner Anwaltstätigkeit.

Er warb im beruflichen Verkehr, unter anderem in zwei Anzeigen in der Zahnärztezeitschrift Zahnärztliche Mitteilung „ZM“ Heft 16 vom 16.8.2007 und im „Baden-Württembergischen Zahnärzteblatt“ 09/07 für seine Rechtsanwaltstätigkeit mit der Bezeichnung „Spezialist für Zahnarztrecht“ (Anlagen B 6 und B 7).

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte dürfe nicht mit der Bezeichnung „Spezialist für Zahnarztrecht“ werben, denn er habe die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung nicht dargelegt.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,

   den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im beruflichen Verkehr als Rechtsanwalt mit der Bezeichnung „Spezialist für Zahnarztrecht“ zu werben.


Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er hat geltend gemacht, er dürfe in der beanstandeten Weise werben, weil es keinen Fachanwalt für den Bereich des Zahnarztrechts gebe und weil er aufgrund seiner Lebensgeschichte hinsichtlich dieser Bezeichnung berechtigt sei. Mit dem Fachanwalt für Medizinrecht sei der Spezialist im Zahnarztrecht nicht vergleichbar, da es sich beim Recht der Zahnmedizin um ein eingeschränktes Spezialgebiet handle, das spezielle Kenntnisse über den Fachanwalt für Medizinrecht hinaus erfordere. Eine Klage sei schon wegen seines fortgeschrittenen Alters von 66 Jahren sinnlos. Die Zeit, in der er als Rechtsanwalt tätig sein könne, sei begrenzt. Aufgrund der ländlichen Umgebung der Kanzlei sei es ihm nicht möglich, nur zahnarztrechtliche Fälle zu behandeln. Zudem sei es im aufgrund der Größe seiner Kanzlei nicht möglich, alle behandelten Fälle zum Zahnarztrecht herauszusuchen.

Mit Urteil vom 19.3.2008 – 4 O 103/07 –, auf das wegen des weiteren Sach- und Streitstandes sowie der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Berufung, mit der er seinen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt, beruft sich der Beklagte ergänzend darauf, dass von ihm nicht dieselben Fallzahlen wie von einem Fachanwalt verlangt werden könnten, da er ein Sonderfall sei. Er arbeite zwar neben dem Zahnarztrecht auch im Verwaltungsrecht, aber das Verwaltungsrecht sei mit dem Kassenarztrecht hinsichtlich des Verfahrens vergleichbar. Es sei ihm nicht zuzumuten, Veranstaltungen zu besuchen, da er für den Erwerb der Qualifikation „Fachanwalt im Verwaltungsrecht“ schon Veranstaltungen besuchen müsse. Es müsse ihm überlassen werden, welche Fortbildungsmöglichkeiten er wähle. Die Lektüre von Büchern und der Zeitschriften würden für eine Fortbildung genügen. Er müsse nicht an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen. Er verfüge über umfassende Literatur im Zahnarztrecht und sei in der Lage, sich anhand von Literatur fortzubilden. Erstmals in der Berufungsinstanz trägt er vor, dass er allein im Monat Mai 2008 vier Fälle bearbeitet habe.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Widerholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend macht sie geltend, selbst bei Hinzurechnung der Mandate des Monats Mai 2008 käme nicht auf die für einen Fachanwalt erforderlichen 60-80 Mandate in den letzten 3 Jahren. Für einen Spezialisten sei entsprechend mehr erforderlich. Bereits der Fachanwalt müsse in den Lage sein, entsprechende Fälle zu belegen. Die Berufung auf die Lebensgeschichte genüge nicht einmal für die Erlangung eines Fachanwaltstitels.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.





II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Rechtsanwaltskammer ist als ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt (vgl. bereits BVerfG, NJW 2004, 3765, 3766). Die Möglichkeit, zivilrechtlich gegen berufswidrige Maßnahmen vorzugehen, besteht dabei als Alternative neben den berufsaufsichtsrechtlichen Befugnissen der Kammer ( BGH, GRUR 2002, 717 – Klagebefugnis einer Anwaltskammer). Die Möglichkeit, einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, ist ein schnellerer und einfacherer Weg zur Abwehr berufswidrigen Verhaltens ( BVerfG, NJW 2004, 3765, 3766). Der Weg einer Unterlassungsklage gegen Kammermitglieder setzt zwar voraus, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist. Bei unlauterer Werbung ist ein Einschreiten im Wege der Unterlassungsklage verhältnismäßig, denn es droht neben einer Schädigung des Ansehens eines Berufsstandes eine Beeinträchtigung der Mitbewerber und der Verbraucher ( BGH, GRUR 2006, 598, 599 – Klagebefugnis einer Zahnärztekammer für den Fall von Wettbewerbsverstößen von Kammerangehörigen).

Es besteht offensichtlich ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Allein die Tatsache, dass der Beklagte das 65. Lebensjahr überschritten hat, lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nur bei Klagen, die objektiv sinnlos sind (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., 2009, vor § 253 ZPO Rn. 18). Dies setzt voraus, dass die klagende Partei kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Grundsätzlich hat jedermann einen Anspruch auf Prüfung und Bescheidung seiner Sache. Das Rechtsschutzbedürfnis kann daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen verneint werden (Zöller/Greger, a.a.O.). Vorliegend müssten weitere Umstände hinzutreten, um das Rechtsschutzbedürfnis entfallen zu lassen. Das Alter einer Partei ist jedenfalls dann kein Versagungsgrund, wenn ein gerichtliches Verbot für einen nicht ganz unerheblichen Zeitraum Wirkung behält.



2. Die Klage ist auch vollumfänglich begründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten Unterlassung der Werbung mit der Bezeichnung „Spezialist für Zahnarztrecht“ aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 UWG in Verbindung sowohl mit § 4 Nr. 11 UWG und § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BORA als auch mit § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG verlangen. Der Beklagte verstößt durch die Bezeichnung „Spezialist“ für Zahnarztrecht sowohl gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs nach § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BORA als auch gegen das Verbot irreführender Werbung aus § 5 Abs. 1 UWG. Die UWG Novelle 2008 hat insoweit nicht zu einer Änderung der Rechtslage geführt.

a) Die Werbung mit der Bezeichnung „Spezialist“ stellt einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) dar. Nach § 7 Abs. 1 BORA darf – unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen – Teilbereiche der Berufstätigkeit nur benennen, wer seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die in der Ausbildung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben wurden. Wer qualifizierende Zusätze verwendet, muss zusätzlich über entsprechende Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Nach § 7 Abs. 2 BORA sind Benennungen nach Abs. 1 unzulässig, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind.

Mit dem Hinweis „Spezialist für Zahnarztrecht“ hat der Beklagte in der Werbung einen qualifizierenden Zusatz im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 BORA verwendet (vgl. Begründung für die Änderung der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA, BRAK- Mitt. 2006, 212; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 27. Aufl., 2009, § 4 UWG Rn. 11 100; Remmertz, Zulässigkeit der Selbsteinschätzung als „Spezialist“ nach neuem Berufsrecht, NJW 2008, 266, 270), ohne die dafür gestellten Voraussetzungen zu erfüllen. § 7 Abs. 1 S. 2 BORA setzt voraus, dass der Anwalt über die in Abs. 1 S. 1 BORA vorausgesetzten Kenntnisse hinaus den qualifizierenden Zusätzen entsprechende theoretische Kenntnisse verfügt und in erheblichem Umfang auf dem von ihm genannten Gebiet tätig gewesen ist. Die Beweislast dafür trägt nach der – auch für § 7 Abs. 1 S. 2 BORA geltenden – Regel des § 7 Abs. 1 S. 1 BORA der Beklagte. Die Beweislastverteilung betrifft nicht allein das standesrechtliche Verfahren, sondern ist auch im Zivilprozess zugrundezulegen. Sie entspricht einem insoweit allgemein geltenden Grundsatz.

§ 7 Abs. 1 S. 2 BORA begründet seinem Wortlaut nach zwar ein perse Verbot der Verwendung qualifizierender Berufsbezeichnungen ohne korrespondierende Qualifikationen, da der Satzungsgeber angenommen hat, dass der angesprochene Verkehr auf das Vorliegen der in Anspruch genommenen Qualifikation vertraut und in diesem, wegen der mangelnden Qualifikation getäuschten, Vertrauen eine Geschäftsentscheidung trifft. Insoweit handelt es sich aber in der Sache auch bei den Verboten des § 7 Abs. 1 BORA um Irreführungstatbestände. Insoweit gebietet aber der grundrechtliche Schutz der Berufsfreiheit eine restriktive Auslegung in dem soeben beschriebenen Sinne. Werbeverbote verletzen das Recht auf Berufsfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann nicht, wenn die durch das Verbot erfasste Werbung eines Anwalts nicht in sachlicher Form erfolgt oder irreführend ist ( BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657; Offermann-Burckhart, Der Spezialist – ein besserer Fachanwalt?, NJW 2004, 2617, 2618; Quaas, Der Rechtsanwalt als Spezialist, BRAK- Mitt. 2004, S. 198). Im Hinblick auf die gebotene grundrechtskonforme Auslegung ist der Umfang der im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 BORA erforderlichen Kenntnisse nach den beim rechtsuchenden Publikum geweckten Erwartungen zu bemessen ( OLG Stuttgart, GRUR-RR 2008, 177 – Verwendung eines qualifizierenden Zusatzes durch Rechtsanwalt).



Vorliegend ist die Werbung des Beklagten irreführend, weil die Qualifikationen des Beklagten nicht den durch die verwendete Bezeichnung „Spezialist“ ausgelösten Erwartungen des Verkehrs entsprechen. Der Beklagte erfüllt nicht die Anforderungen, die aus Sicht der durch die Werbung angesprochenen Verkehrskreise an einen Spezialisten gestellt werden. Zur Feststellung des Verständnisses der durch die Werbung des Beklagten angesprochenen Verkehrskreise ist der Senat nicht auf die Zuhilfenahme eines Sachverständigen angewiesen. Zum einen setzten auch die angesprochenen Zahnärzte bei der Beurteilung der Werbung des Beklagten keine besondere (zahnärztliche) Fachkunde ein (vgl. zu diesem Aspekt BGH, GRUR 2002, 77, 79 – Rechenzentrum). Zum anderen hat der Senat, der fortlaufend mit Wettbewerbssachen befasst ist, aufgrund besonderer Erfahrung die erforderliche Sachkunde erworben (vgl. zu diesem Aspekt Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 5 UWG Rn. 3.12).

Bereits nach allgemeinem Sprachverständnis muss der Spezialist auf einem bestimmten (Fach-) Gebiet über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., 2007). Wer sich als Spezialist bezeichnet, bringt dadurch auch zum Ausdruck, dass er bevorzugt, wenn nicht gar ausschließlich einen Teilbereich des Vollberufs bearbeitet ( BVerfG NJW 2004, 2656, 2558). Von einem Rechtsanwalt, der weit überwiegend Fälle aus einem bestimmten Bereich bearbeitet, erwartet das Publikum umfassende Kenntnisse, die theoretische Durchdringung und große praktische Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet. Dementsprechend schließen die von der Werbung des Beklagten angesprochenen Verkehrskreise aus der Verwendung des Begriffs „Spezialist“, dass die so bezeichnete Person Experte ist, mit dessen praktischen und theoretischen Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem betreffenden Gebiet auch der erfahrene Nicht-Spezialist nicht mithalten kann. Vor dem Hintergrund der ursprünglich vom Satzungsgeber im Sinne eines Stufenverhältnisses niedergelegten, seit mehreren Jahren und nach Aufhebung des § 7 BORA a.F. weiter verwendeten und im Verkehr bekannten qualifizierenden Angaben „Interessenschwerpunkt“, „Tätigkeitsschwerpunkt“ und „Fachanwalt“ ist die Annahme geboten, dass der Verkehr vom „Spezialisten“ zumindest die Expertise eines Fachanwalts erwartet, weil der Spezialist in Hinblick auf seine Kenntnisse und Fertigkeiten auch denjenigen, der sich noch im Spezialisierungsprozess befindet, d.h. denjenigen, der sich spezialisiert (Remmertz, Zulässigkeit der Selbsteinschätzung als „Spezialist“ nach neuem Berufsrecht, NJW 2008, 266, 268), übersteigt. Ob darüber hinausgehend weit überdurchschnittliche Kenntnisse verlangt werden (so OLG Stuttgart, GRUR-RR 2008, 177, 178) und an das Vorliegen solcher weit überdurchschnittlichen Kenntnisse die in dieser Entscheidung formulierten Anforderungen gestellt werden können, kann dahingestellt bleiben.

Der Beklagte erfüllt nach seinem eigenen Vorbringen nicht die Voraussetzungen, denen nach dem Verständnis des Verkehrs ein Spezialist für Zahnarztrecht genügen muss. Unbestritten verfügt er zwar über Kenntnisse und Fähigkeiten im Zahnmedizinrecht, welche diejenige eines durchschnittlichen Anwalts übersteigen. Der Beklagte hat indes trotz seiner 40jährigen Befassung mit Zahnarztfällen nicht das Maß an Vertiefung erreicht, das (selbst) ein Fachanwalt auf dem Gebiet des Medizinrechts erreichen muss.

Der Beklagte ist an den Maßstäben eines Fachanwalts für Medizinrecht zu messen, denn das Zahnmedizinrecht ist dem Medizinrecht zuzuordnen, wie bereits § 14b Nr. 2 FAO indiziert (gleichsetzend auch Hartung/Römermann/Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., 2008, § 14b FAO Rn. 8, 10). So muss ein Fachanwalt im Medizinrecht gemäß § 5 FAO in den letzten drei Jahren mindestens 60 Fälle, davon mindestens 50 rechtsförmliche Verfahren nachweisen. Davon ist der Beklagte mit 38 Fällen in den letzten drei Jahren weit entfernt, unabhängig davon, ob die Fälle des Monats Mai 2008, die der Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz vorträgt, berücksichtigt werden. Keine Berücksichtigung können die Fälle finden, die der Beklagte aufgrund seines Fachanwaltstitels auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts behandelt. Die Fälle eines Spezialisten für Zahnarztrecht müssen aus seinem Spezialgebiet stammen. Gewisse Ähnlichkeiten zwischen Verwaltungsrecht und Kassenarztrecht reichen insoweit nicht aus.

Auch die persönliche Lebensgeschichte, insbesondere die Ehe mit einer Zahnärztin und die äußerst langjährige Praxis, machen das Vorliegen der geforderten Anzahl an Mandaten nicht entbehrlich. Durch die Werbung mit den qualifizierten Angaben „Fachanwalt“ oder „Spezialist“ wird eine besondere Fachkunde angezeigt, welche den eine solche Bezeichnung führenden Anwalt als besonders geeignet erscheinen lässt. Der Gesetzgeber hat die zum Beleg der Erfahrung vorzuweisenden Fallzahlen auf einen bestimmten Zeitraum innerhalb der jüngsten Vergangenheit bezogen und damit die „Lebensfacherfahrung“ nicht berücksichtigt. Ein solches Vorgehen bedarf keiner Korrektur durch die Gerichte. Es berücksichtigt nämlich die Wandelbarkeit des Rechts, die dazu führen mag, dass jahrzehntelange Erfahrung entwertet werden kann.

Zusätzlich müssen, wie das erstinstanzliche Gericht zutreffend erläutert hat, theoretische Erfahrungen auf dem Gebiet nachgewiesen werden, über die der Beklagte nicht verfügt. Trotz der langjährigen Befassung des Beklagten mit Zahnarztrechtsfällen wird der Nachweis theoretischer Erfahrungen nicht verzichtbar. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Materie ist ein wesentlicher Bestandteil einer Spezialisierung, um sich auf seinem Gebiet auf dem Laufenden zu halten und um sich stellende Rechtsfragen zu identifizieren. Der Beklagte erfüllt mit zwei von ihm besuchten Seminaren im Vertragsarztrecht über einen Zeitraum von zehn Jahren ebenfalls nicht die Anforderungen, die an einen Fachanwalt gestellt werden. Es kann auch nicht dem Beklagten überlassen bleiben, wie er sich fortbildet. Denn nur beim Besuch von Theorieveranstaltungen ist es einem Spezialisten möglich, sein Rechtsgebiet in erforderlichem Maße zu durchdringen und in besonderem Maße zu studieren. Eine bloße Fortbildung aufgrund der gängigen Literatur, die der Beklagte für sich in Anspruch nimmt, genügt insoweit nicht. Wichtig ist der Austausch mit anderen Spezialisten auf dem entsprechenden Gebiet.




Der Beklagte hat – ungeachtet seiner Verdienste um die Ausbildung auf dem Gebiet des Besonderen Verwaltungsrechts in Baden-Württemberg – auf dem Gebiet des Zahnarztrechts auch nicht regelmäßig veröffentlicht oder ein bedeutendes Schriftwerk verfasst, um auf diese Weise die erforderliche theoretische Auseinandersetzung zu dokumentieren. Nach seinen eigenen Angaben hat er sich in den letzten acht Jahren aus diesem Bereich völlig zurückgezogen.

Daneben erwarten die Verkehrskreise von einem „Spezialisten“ in erster Linie eine Spezialisierung, welche die Spezialisierung selbst eines Fachanwalts übersteigt ( BVerfG, NJW 2004, 2656, 2658). Vom Spezialisten wird erwartet, dass dieser sich auf sein Fachgebiet konzentriert und andere Gebiete nicht in gleichem oder annähernd gleichem Umfang behandelt (vgl. zu diesem Aspekt BVerfG, NJW 2004, 2656, 2658; Niedersächsischer AGH, BRAK Mitt. 5/2007, 221 – Werbung – Zur Bezeichnung „Spezialist für Erbrecht“; LG Kiel, BRAK Mitt. 5/2008, 238, 239 – Werbung mit absolutem Spezialistentum). Der Beklagte hat indes keine Begrenzung seiner Tätigkeit auf dieses Gebiet nachgewiesen. Er gibt im Gegenteil selbst an, dass es ihm aufgrund der ländlichen Lage seiner Kanzlei nicht möglich sei, sich überwiegend auf das Zahnarztrecht zu konzentrieren. Zudem erfordert das Führen des Fachanwaltstitels im fachfremden Verwaltungsrecht dementsprechende Fortbildung, so dass der Beklagte schon allein deswegen nicht nur im Zahnarztrecht tätig sein kann.

Entgegen der Ansicht des Beklagten geht es nicht an, ihn an Sondermaßstäben zu messen, weil er neben seiner vermeintlichen Spezialisierung auf das Zahnarztrecht Fachanwalt für Verwaltungsrecht sei. Eine Häufung von Vertiefungen kann die Anforderungen an das Vorliegen der Vertiefung nicht verringern, sondern begründet vielmehr das Misstrauen des Gesetzgebers im Hinblick auf die den Vertrauensvorschuss des Rechtsverkehrs tragende Vertiefung der Kenntnisse, wie es etwa in § 43c Abs. 1 S. 3 BRAO zum Ausdruck gebracht wurde. Die fachliche Vertiefung im Verwaltungsrecht, welche der Beklagte als Rechtfertigung seiner mangelnden Konzentration auf das Zahnarztrecht anführt, steht im Gegenteil der Annahme einer Spezialisierung im Zahnarztrecht im Wege.

Daneben hat der Beklagte das besondere Irreführungsverbot in § 7 Abs. 2 BORA verletzt, weil die Verwendung der Bezeichnung „Spezialist für Zahnarztrecht“ irreführend war. Die Verwendung der Bezeichnung begründete wie oben ausgeführt die Gefahr einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise ü-ber die bestehenden Fähigkeiten des Beklagten.

Der Verstoß gegen § 7 BORA macht die beanstandete Werbung des Beklagten unlauter. Die Vorschrift ist auch dazu bestimmt, im Interessen der Marktteilnehmer das Markverhalten zu regeln. § 7 BORA regelt die Zulässigkeit der Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts. Zwar hat nicht jede standesrechtliche Regelung der BRAO und der BORA Wettbewerbsbezug und damit eine marktverhaltensregelnde Funktion i.S. des. § 4 Nr. 11 UWG. § 43b BRAO und seine verfassungsgemäßen Konkretisierungen in §§ 6-10 BORA sind jedoch als Marktverhaltensregeln im Sinne der Vorschrift zu qualifizieren, da sie die Berufspflichten der Rechtsanwälte in Bezug auf ihr Werbeverhalten untereinander zum Gegenstand haben ( OLG Stuttgart, GRUR-RR 2008, 177 – Verwendung eines qualifizierenden Zusatzes durch Rechtsanwalt; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 27. Auflage 2009, § 4 UWG Rn. 11.85; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/v. Jagow, UWG, 2004, § 4 Nr. 11 Rn. 76; vgl. auch Klute, Die Entwicklung des Wettbewerbsrechts in den Jahren 2006 bis 2008, NJW 2008, 2965, 2969; Ullmann, Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, 817, 822).

Die bei Verstößen gegen außerwettbewerbliche Normen stets sorgfältig zu prüfende Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung bzw. Spürbarkeit der Interessenverletzung ist zu bejahen, obgleich der Beklagte von der beanstandeten Bezeichnung im Wettbewerb nur beschränkt Gebrauch gemacht hat. Bereits die die Wiederholungsgefahr begründende Erstverletzung war nicht nur unerheblich, handelte es sich doch um Zeitungsanzeigen in den Zeitschriften „ZM“ (Zahnärztliche Mitteilungen) sowie „Baden-Württembergischen Zahnärzteblatt“, die – dem Titel folgend – vor allem von den durch § 7 BORA geschützten Adressaten gelesen werden. Die nach § 3 UWG erforderliche Breitenwirkung der Wettbewerbshandlung ist daher zu bejahen.



b) Die Werbung des Beklagten mit der Bezeichnung „Spezialist im Zahnarztrecht“ ist zugleich nach altem wie neuem UWG irreführend. Auch im Rahmen des § 5 UWG muss der Beklagte darlegen, dass er die Bezeichnung „Spezialist im Zahnarztrecht“ führen darf. Zwar ist grundsätzlich der Anspruchsteller und damit die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Davon wird aber seit jeher eine Ausnahme gemacht, wenn es um Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich des Werbenden fallen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 5 UWG Rn. 3.23). Denn in diesen Fällen ist es der Klägerin nicht möglich, das Nichtvorliegen der Voraussetzungen zur Qualifikation eines Spezialisten darzulegen bzw. zu beweisen. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu § 7 Abs. 1 BORA, dessen materieller Maßstab dem Irreführungsverbot des § 5 UWG entspricht ( OLG Stuttgart, GRUR-RR 2008, 177, 179 – Verwendung eines qualifizierenden Zusatzes durch Rechtsanwalt; Kleine-Cosack, AnwBl. 2005, 275, 277), steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte nach den Erwartungen des angesprochenen Verkehrs ein Spezialist im Zahnarztrecht ist. Die daraus resultierende Irreführungsgefahr ist auch wettbewerblich relevant.

Auf der Grundlage der in der Vergangenheit begangenen Verletzungshandlungen besteht eine Vermutung der Wiederholungsgefahr ( BGH, GRUR 2003, 450, 452 – Begrenzte Preissenkung; Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., 2006, § 8 Rn. 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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