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OLG Brandenburg Beschluss vom 29.06.2009 - 6 W 100/09 - Zur rechtsmissbräuchlichen Gerichtswahl an weit entferntem Gerichtsort
 

 

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Abmahnungen - Abmahnkosten - Fliegender Gerichtsstand - Rechtsmissbrauch - Wettbewerb - Zuständigkeit


OLG Brandenburg v. 29.06.2009: Macht ein Mehrfachabmahner den Unterlassungsanspruch bei einem weit von seinem und dem Wohnort des Abgemahnten entfernten Gericht anhängig und will er seine Mitwettbewerberstellung lediglich durch ein einen Tag vor der mündlichen Verhandlung bei eBay eingestelltes Angebot beweisen, dann indizieren diese Vorgehenweisen die Rechtsmissbräuchlichkeit des geltend gemachten Anspruchs und führen dazu, dem Abmahner die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Da OLG Brandenburg (Beschluss vom 29.06.2009 - 6 W 100/09) hat entschieden:
Macht ein Mehrfachabmahner den Unterlassungsanspruch bei einem weit von seinem und dem Wohnort des Abgemahnten entfernten Gericht anhängig und will er seine Mitwettbewerberstellung lediglich durch ein einen Tag vor der mündlichen Verhandlung bei eBay eingestelltes Angebot beweisen, dann indizieren diese Vorgehenweisen die Rechtsmissbräuchlichkeit des geltend gemachten Anspruchs und führen dazu, dem Abmahner die Verfahrenskosten aufzuerlegen.




Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Händler, die ihre Waren auf der Internet-Plattform eBay anbieten. Der Verfügungskläger hat dem Verfügungsbeklagten nach vorheriger erfolgloser Abmahnung im Wege der einstweiligen Verfügung - zu erlassen wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung - untersagen lassen wollen, Zubehör für Spielkonsolen bei eBay ohne hinreichende Widerrufsbelehrung anzubieten.

Der Verfügungsbeklagte hat das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien bestritten. Der Verfügungskläger vertreibe ausschließlich Konsolenzubehör und Rechnersysteme von historischem Wert; er - der Verfügungsbeklagte - vertreibe ausschließlich Handyzubehör.

Das Landgericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 28. April 2009 anberaumt. In diesem Termin hat der Verfügungskläger als Beleg seiner Mitbewerberstellung im Bereich Handyzubehör ein bei eBay eingestelltes Angebot über ein Doppelpack i… Adapter - gültig ab 27. April 2009 - eingereicht.

Der Verfügungsbeklagte hat daraufhin die vom Verfügungskläger begehrte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben; anschließend haben die Parteien das Verfahren der einstweiligen Verfügung übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.

Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO dem Verfügungskläger auferlegt. Es hat die Zulässigkeit des Verfügungsantrags bejaht - insbesondere diesen als „wohl nicht“ rechtsmissbräuchlich angesehen - und ist ferner vom Vorliegen eines Verfügungsanspruchs ausgegangen. Unter Berücksichtigung des aus § 93 ZPO resultierenden Rechtsgedankens ist das Landgericht jedoch zu dem Ergebnis gekommen, es entspreche billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Verfügungskläger aufzuerlegen, weil erst im Termin zur mündlichen Verhandlung das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses durch den Verfügungskläger glaubhaft gemacht worden sei.

Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Verfügungskläger gegen die Auferlegung der Kosten.

II.

1. Die zulässige sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers bleibt ohne Erfolg. Im Ergebnis und weitgehend auch aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses sind die Kosten des Rechtsstreits zu Recht dem Verfügungskläger auferlegt worden.

2. Nach dem im Rahmen des § 91 a ZPO zu berücksichtigenden Rechtsgedanken des § 91 ZPO hat der Verfügungskläger die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Verfügung bereits deshalb zu tragen, weil seine Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hatte, sein Antrag bei Fortführung des Verfahrens daher zurückgewiesen hätte werden müssen.

An der Erfolgsaussicht fehlte es, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gem. § 8 Abs. 4 UWG unzulässig war. Denn die Rechtsverfolgung des Verfügungsklägers stellte sich unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als rechtsmissbräuchlich dar.

Für Rechtsmissbrauch spricht eine tatsächliche Vermutung, die aus den im Folgenden dargestellten Anzeichen resultiert:
  • Der nahe St… ansässige Verfügungskläger ist gegen den nahe K… ansässigen Verfügungsbeklagten durch einen nahe D… ansässigen Anwalt weder in St… noch in K… noch in D…, sondern in C… gerichtlich vorgegangen. Zur abstrakten Zulässigkeit eines derartigen Vorgehens hat er in der Antragsschrift Ausführungen gemacht, jedoch kein Wort zu den Gründen seines Vorgehens verloren. Unter diesen Umständen spricht viel dafür, dass durch die Einreichung des Antrags bei dem vom Wohnort des Verfügungsbeklagten fast weitestmöglich entfernt liegenden Gericht C… der Verfügungsbeklagte von der unter diesen Umständen für ihn besonders kostspieligen Rechtsverteidigung abgehalten werden sollte.

  • An der Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens musste der Verfügungskläger großes Interesse haben, weil ihm der geltendgemachte Unterlassungsanspruch offensichtlich nicht zustand. Zum einen hat der Verfügungskläger seine bestrittene Aktivlegitimation nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Nach dem unbestrittenen Vorbringen wirbt auf der Internet-Site, auf die sich der Verfügungskläger beruft, nicht er, sondern - wie aus der M…-Seite des Internetshops hervorgeht - eine S… limited. Dass diese Mitbewerberin auf dem vom Verfügungsbeklagten bedienten Marktsegment Handyzubehör ist, hat der Verfügungskläger erst mit der Anlage seines im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. 4. 2009 überreichten Schriftsatzes vom 27. 4. 2009 darzulegen versucht, das die Einstellung eines Angebots „Doppelpack i… Adapter zum Preis von 2.99 €“ bei eBay belegt.
Zusammengenommen deutet dies darauf hin, dass es dem Verfügungskläger einerseits darum ging, den Verfügungsbeklagten bewusst unberechtigt in Anspruch zu nehmen, andererseits - da ihm aus einem wettbewerbwidrigen Verhalten des auf einem anderen Marktsegment tätigen Verfügungsbeklagten keinerlei Schäden drohten und die Rechtsverfolgung damit nicht einem wenigstens vorgestellten sonstigen Interesse des Verfügungsklägers diente - unberechtigte Gebührenforderungen seines Verfahrensvertreters entstehen zu lassen. Seine Rechtsverfolgung war damit unzulässig.

Darauf, ob der Senat bei seiner Beurteilung der Zulässigkeit des Antrags auch die Tatsache berücksichtigen durfte, dass der Verfügungskläger bei einer Recherche im Internet unter dem Aufruf „E…/En…/Abmahn“ als Mehrfachabmahner in Blogs und Gegnerlisten erscheint, kam es unter diesen Umständen nicht an.

3. Selbst wenn im übrigen von der Zulässigkeit des Antrags ausgegangen werden könnte, hat das Landgericht aus den insoweit zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die Bezug genommen wird, zu recht die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen dem Verfügungskläger auferlegt. Richtig ist zwar, dass der Verfügungskläger im Termin zur mündlichen Verhandlung die zur Glaubhaftmachung erforderlichen Unterlagen einreichen konnte. Allerdings hat der Verfügungskläger mit diesen Unterlagen seine Mitbewerberstellung weder überhaupt noch wenigstens bezogen auf das Datum der Abmahnung oder der Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung glaubhaft gemacht. Damit fehlte es am Anlass für den vorangegangenen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung; da der Verfügungsbeklagte die Wiederholungsgefahr durch Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung sofort ausgeräumt hat, kommt der im Rahmen des § 91 a ZPO zu berücksichtigende Rechtsgedanke des § 93 ZPO zum Tragen, der die Auferlegung der Kosten auf den ohne Anlass klagenden, sofort klaglos gestellten Kläger anordnet.


III.

Die Kosten der erfolglosen sofortigen Beschwerde waren dem Verfügungskläger gem. § 97 I ZPO aufzuerlegen; die Festsetzung des Werts des Beschwerdeverfahrens orientiert sich am Wert der Kostenlast, die der Verfügungskläger auf den Verfügungsbeklagten überwälzen will.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil es an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen mangelt.







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