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Landgericht Hamburg Urteil vom 17.10.2008 - 325 O 242/08 - Zur Zulässigkeit der Veröffentlichtung eines nicht anonymisierten Urteils als Teil einer sachlichen Auseinandersetzung
 

 

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LG Hamburg v. 17.10.2008: Ein Rechtsanwalt muss die Veröffentlichung eines nicht anonymisierten Urteils im Internet mit seiner Namensnennung als Parteivertreter hinnehmen, wenn dies im Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Hintergrund der Entscheidung geschieht und wenn insbesondere der betroffene Anwalt Gegenstand von Forendiskussionen ist und er sich auch selbst in Forenbeiträgen äußert.

Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 17.10.2008 - 325 O 242/08) hat entschieden:
Ein Rechtsanwalt muss die Veröffentlichung eines nicht anonymisierten Urteils im Internet mit seiner Namensnennung als Parteivertreter hinnehmen, wenn dies im Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Hintergrund der Entscheidung geschieht und wenn insbesondere der betroffene Anwalt Gegenstand von Forendiskussionen ist und er sich auch selbst in Forenbeiträgen äußert.




Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er betätigt sich unter anderem auf den Gebieten des Markenrechts, des Computerrechts und des Internet-Rechts. Aufgrund seiner Tätigkeiten auf diesen Gebieten ist seine Berufsausübung vielfach Gegenstand von Meinungsäußerungen in Internet-Foren. Der Antragsteller äußert sich selbst auch in Internet-Foren. Die Antragsgegnerin ist als Hostprovider tätig.

Der Antragsteller trägt vor, die Antragsgegnerin halte Web-Seiten vor, die unter der Domain ....org zu erreichen seien. Unter der Domain ....org verbreite Herr R. unter dem 26. September 2008 auf der unter
http://....org/nachricht,100182, G._FG._verlor_und_muss_mal_wieder_zahlen
zu erreichenden Web-Seite eine Mitteilung über ein Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Kassel. Auf derselben Seite verbreite Herr R. Grafikdateien, die ein Faksimile einer Urteilsabschrift zu diesem Verfahren (AG Kassel, Urteil vom 4. September 2008, 413 C 2962/08) wiedergeben würden. In dem Faksimile seien u. a. die Angaben zur Person des dortigen Beklagten unkenntlich gemacht worden. Dagegen seien der Name und die Kanzleianschrift des dortigen Klägers und hiesigen Antragstellers vollständig wiedergegeben.

Vor dem Amtsgericht Kassel habe der Antragsteller als Kläger vom dortigen Beklagten Auskunft darüber verlangt, an wen der dortige Beklagte auf den Antragsteller bezogene Daten über Rechtsstreits vor Gerichten in München weitergegeben habe.

In dem – nach Vorbringen des Antragstellers durch Herrn R. veröffentlichten – Urteil heißt es unter anderem (wegen des vollständigen Inhalts wird auf die vom Antragsteller vorgelegte Anlage A 2 ergänzend Bezug genommen):
„Der Kläger nimmt regelmäßig an Internetforen teil und diskutiert dort von ihm vertretene Verfahren und Vorgehensweisen. Der Beklagte, der … und Inhaber eines … ist, schrieb in einem Internetforum Beiträge, unter anderem über den Kläger.“
Weiter ergibt sich aus der Anlage A 2, dass das Amtsgericht Kassel seine Entscheidung unter anderem damit begründet hat, dass der Antragsteller unwidersprochen selbst Internet-Foren benutze und dort auch Vorgehensweisen und Erfolgen in von ihm vertretenen Verfahren darstelle und damit freiwillig von ihm geführte Rechtsstreitigkeiten öffentlich mache (Entscheidungsgründe, S. 4).

Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. September 2008 aufgefordert, die Veröffentlichung des nicht anonymisierten Urteils zu unterlassen und eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 die Aufforderung des Antragstellers zurückgewiesen und ausgeführt, dass sie einen offensichtlichen Rechtsverstoß nicht habe feststellen können (Anlage A 3, letztes Blatt).

Der Antragsteller beantragt nunmehr,
unter Androhung von Ordnungsmitteln es der Antragsgegnerin zu untersagen daran mitzuwirken, dass über die Domain ....org unter der URL
http://....org/nachricht,100182, G._FG._verlor_und_muss_mal_wieder_zahlen

das ungeschwärzte Urteil des AG Kassel vom 4. September 2008, Az.: 413 C 2962/08 im Internet veröffentlicht wird, wie in Anlage A 2 dargestellt.


II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin ist zurückzuweisen. Ein Verfügungsanspruch liegt nicht vor.

Die Antragsgegnerin kann als Hostprovider nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Auf Unterlassung kann nur in Anspruch genommen werden, wer Störer ist. Die Antragsgegnerin ist nicht Störer. Störer ist ein Hostprovider dann, wenn er seine Prüfungspflicht verletzt hat (vgl. mit weiteren Nachweisen LG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Dezember 2007, 9 S 564/06, CR 2008, 251, 252). Eine Verpflichtung, jeden Beitrag vor Veröffentlichung auf rechtsverletzende Inhalte zu überprüfen, trifft Hostprovider regelmäßig nicht. Eine Prüfungspflicht trifft einen Hostprovider dann, wenn er Anhaltspunkte dafür hat, dass von den von ihm betriebenen Internetservern aus Rechtsverletzungen begangen werden. Hostprovider müssen daher anlässlich von konkreten Hinweisen überprüfen, ob ein Rechtsverstoß durch eine Veröffentlichung offensichtlich ist. Erst wenn die Prüfung einen offensichtlichen Rechtsverstoß ergibt, muss der Hostprovider die weitere von seinem Internet-Server ausgehende Verbreitung unterbinden (a. a. O., vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Juni 2006, 15 U 21/06 (juris) = CR 2006, 682 ff.).

Ein offensichtlicher Rechtsverstoß liegt hier aber nicht vor. Aufgrund der Würdigung des Inhalts der streitgegenständlichen Veröffentlichung, nämlich des Urteilsinhalts, stellt sich dessen Veröffentlichung unter Angabe des Namens und der ohnehin öffentlich zugänglichen Kanzleianschrift des Antragstellers und dortigen Klägers nicht als offensichtlich rechtswidrig dar. Das veröffentlichte Urteil betrifft die öffentliche Auseinandersetzung mit Erfolgen bzw. Misserfolgen des Antragstellers in Rechtsstreitigkeiten. Das Amtsgericht führt in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit Erfolgen bzw. Misserfolgen des Antragstellers in Rechtsstreitigkeiten vom Antragsteller mit Blick auf seine eigene Beteiligung an von ihm geführten Rechtsstreitigkeiten betreffenden öffentlichen Diskussionen in Internet-Foren vom Antragsteller hinzunehmen ist und seine Rechtfertigung in der Meinungsfreiheit findet.

Es kann dahin stehen, ob sich die Antragsgegnerin auf die Begründung des Amtsgerichts verlassen durfte, obwohl das Urteil möglicherweise noch anfechtbar war. Jedenfalls brauchte die Antragsgegnerin im Hinblick darauf, dass das Amtsgericht in seiner Entscheidung die Beteiligung des Antragstellers an Diskussionen über von ihm geführte gerichtliche Verfahren als unstreitig dargestellt hat, nicht nachprüfen, ob sich der Antragsteller in dieser Weise an Diskussionen in Internet-Foren beteiligt. Denn Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellung des Amtsgerichts unzutreffend ist, waren für die Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Nach derartigen Anhaltspunkten brauchte sie auch nicht zu suchen. Die Prüfungspflichten von Hostprovidern sind ähnlich wie die von Betreibern von Internet-Foren nicht umfassend, sondern durch das Kriterium der Zumutbarkeit begrenzt. Die Zumutbarkeit von eigenen Nachforschungen richtet sich zunächst danach, ob vernünftige Argumente dafür sprechen, eigene Nachforschungen anzustellen bzw. fortzusetzen. Da Anhaltspunkte dafür nicht ersichtlich sind, dass die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts unzutreffend sein könnten, darf die Antragsgegnerin eine weitere Nachprüfung unterlassen. Vernünftige Argumente für weitere Nachforschungen haben nicht vorgelegen. Tatsachenfeststellungen eines Gerichts haben eine Vermutung der Richtigkeit für sich (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), soweit im Tatbestand mündlichen Parteivorbringen wiedergegeben wird, hat das Urteil nach Maßgabe des § 314 ZPO sogar Beweisfunktion. Es hätte daher gewichtiger konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen des Amtsgerichts bedurft, damit die Antragsgegnerin hätte weitere Prüfungen anstellen müssen. Die rechtliche Folgerung des Amtsgerichts, dass der Antragsteller wegen seiner eigenen Beteiligung an der öffentlichen Diskussion über seine rechtlichen Verfahren eine Berichterstattung über seine rechtlichen Verfahren hinzunehmen habe, weist keine offensichtlichen Fehler auf, die der Antragsgegnerin als Hostprovider bei eigener Würdigung des Sachverhalts eine abweichende Wertung hätten nahe bringen müssen.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 63 Abs. 2 GKG.







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