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BGH Urteil vom 02.07.2009 - I ZR 147/06 - Zur Unzulässigkeit der Verbindung des Handels mit Vorratsgesellschaften mit einem Gewinnspiel BGH v. 02.07.2009: Zur Unzulässigkeit der Verbindung des Handels mit Vorratsgesellschaften mit einem Gewinnspiel

Der BGH (Urteil vom 02.07.2009 - I ZR 147/06) hat entschieden:
Eine Werbung für die Vermittlung des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft, bei der den als Vermittlern angesprochenen Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern für die Vermittlung die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit einem attraktiven Gewinn (hier: Smart-Cabriolet) angeboten wird, ist unlauter i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG.




Siehe auch Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung


Tatbestand:

Die Beklagte, die F. AG, gründet Gesellschaften auf Vorrat und veräußert diese. Im Zeitraum vom 15. November 2004 bis zum 28. Februar 2005 führte sie im Internet eine als „Winteraktion“ bezeichnete Werbemaßnahme durch, in der es unter anderem hieß: Die F.-Winter-Aktion vom 15. November 2004 bis zum 28. Februar 2005 Große F.-Vorratsgesellschaft mit kleinem Smart-Cabrio? …

Im oben genannten Zeitpunkt verschenkt die F. AG unter allen Vermittlern (Anwaltskanzleien/Steuerberatern/Wirtschaftsprüfern etc.) und allen Erwerbern einer „großen“ F.-Vorratsgesellschaft ein „kleines“ Smart-Cabriolet.

… Was müssen Sie dafür tun?

Bei der Vermittlung oder dem Erwerb einer F.-Vorratsgesellschaft erhalten Sie alle Gesellschaftsunterlagen in einem F.-Ordner „Firma, fertig, los“. In jedem Gesellschaftsordner befindet sich während der F.-Winteraktion ein Faxvordruck mit dem Namen der erworbenen Gesellschaft. Bitte schätzen Sie die Anzahl der Ordner, die in ein Smart-Cabrio ohne Insassen mit geschlossenem Verdeck passen, und teilen Sie uns Ihre Schätzung auf diesem Faxdokument mit. …
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat diese Werbung als wettbewerbswidrig beanstandet und die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 189 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben ( LG Bonn, Urt.v. 30.11.2005 - 16 O 14/05, juris). Das Oberlandesgericht ( OLG Köln GRUR-RR 2007, 49) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Werbeaktion für die Vermittlung von eigenen Angeboten oder Produkten, bei der eine Teilnahme an einem Gewinnspiel beworben wird, durchzuführen, die sich unter anderem auch an Personen wendet, die die Interessen Dritter bei ihrer Entscheidung zu beachten haben, nämlich Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, wenn mit wörtlich oder inhaltsgleichen nachstehenden Ankündigungen [geworben wird]: … (es folgt der oben wiedergegebene Werbetext).

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die Klageansprüche zu, weil die beanstandete Werbeaktion der Beklagten geeignet sei, die Entscheidungsfreiheit sonstiger Marktteilnehmer i.S. von § 4 Nr. 1 UWG durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen.

Zwar genüge, wie im Umkehrschluss aus § 4 Nr. 6 UWG folge, die Koppelung des Absatzgeschäfts mit einem Gewinnspiel gegenüber anderen Marktteilnehmern als Verbrauchern für sich gesehen nicht, um eine Beeinträchtigung durch unangemessenen unsachlichen Einfluss i.S. des § 4 Nr. 1 UWG anzunehmen. Das schließe es aber nicht aus, im Einzelfall auch eine Werbeaktion, die ein Absatzgeschäft mit einem Gewinnspiel koppele, gegenüber sonstigen Marktteilnehmern als unlauter i.S. des § 4 Nr. 1 UWG anzusehen, wenn diese Werbeaktion sich aufgrund eines weiteren Umstandes als unangemessene unsachliche Beeinflussung darstelle. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, weil die von der Werbung angesprochenen Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der Tätigkeit, für die ihnen die Teilnahme an dem Gewinnspiel versprochen werde, nämlich der Vermittlung einer „großen“ F.-Vorratsgesellschaft, die Interessen Dritter, nämlich der Erwerber, zu wahren hätten. Die Gefahr, der in diesen Fällen gemäß § 4 Nr. 1 UWG zu begegnen sei, bestehe darin, dass die umworbene Person die gebotene kritische Prüfung des Produkts vernachlässige und den Dritten unsachlich berate, nur um in den Genuss der in Aussicht gestellten Vergünstigung zu kommen.

Die Gefahr einer unsachlichen Beratung sei bei einem zur Objektivität und Neutralität verpflichteten Berater nicht erst dann zu bejahen, wenn damit zu rechnen sei, dass er im Ergebnis wegen der Möglichkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel ein für den Dritten nachteiliges Angebot oder Produkt empfehle. Vielmehr genüge es, dass die Möglichkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel geeignet sei, in die von dem Berater zu treffenden Wertungen einzufließen, welche Angebote oder Produkte er eingehender prüfen und welchen Angeboten oder Produkten er im Falle ihrer Gleichwertigkeit den Vorzug geben solle. Dann werde die Objektivität des Beworbenen mehr als vom verständigen Verbraucher erwartet und mehr als geschäftlich notwendig und üblich beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall sei das unter Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Dritten, der Stellung des Vergünstigungsempfängers sowie des Wertes und der Art der Vergünstigung anzunehmen.


II.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Revision bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 1 UWG von der Beklagten Unterlassung der beanstandeten Werbemaßnahme verlangen kann.

1. Nach der Verkündung des Berufungsurteils ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949), in Kraft getreten am 30. Dezember 2008, geändert worden. Die für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Rechtslage hat sich dadurch allerdings inhaltlich nicht verändert. Im Streitfall geht es um die Beurteilung einer (auch) an Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gerichteten Werbemaßnahme unter dem Gesichtspunkt, ob diese dadurch als sonstige Marktteilnehmer durch unangemessene unsachliche Einflussnahme in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern ist daher nicht betroffen (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie).

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine unangemessene unsachliche Einflussnahme i.S. von § 4 Nr. 1 UWG in Betracht kommt, wenn der angesprochene Verkehr bei von ihm zu treffenden Entscheidungen auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat und er durch die beanstandete Werbemaßnahme veranlasst werden kann, seine Entscheidung nicht allein an dem Interesse des Dritten auszurichten, sondern sich bei ihr auch davon leiten zu lassen, ob ihm ein versprochener Vorteil oder eine Vergünstigung zufließt (vgl. BGH, Urt.v. 30.1.2003 - I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 626 = WRP 2003, 886 - Kleidersack; Urt.v. 21.4.2005 - I ZR 201/02, GRUR 2005, 1059, 1060 = WRP 2005, 1508 - Quersubventionierung von Laborgemeinschaften; Urt.v. 8.11.2007 - I ZR 60/05, GRUR 2008, 530 Tz. 14 = WRP 2008, 777 - Nachlass bei der Selbstbeteiligung; vgl. ferner Fezer/Steinbeck, UWG, § 4-1 Rdn. 212; Stuckel in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 1 Rdn. 84, 86; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 Rdn. 1.84; Seichter in jurisPK-UWG/Ullmann, 2. Aufl., § 4 Nr. 1 Rdn. 146). Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung, im Streitfall sei eine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S. von § 4 Nr. 1 UWG anzunehmen, die Erwartungshaltung derjenigen Personen berücksichtigt, die sich hinsichtlich des Erwerbs von Vorratsgesellschaften der Beklagten von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern beraten ließen. Weiter hat es auf die Stellung dieser Berater als mögliche Empfänger der mit dem Gewinnspiel ausgelobten Vergünstigung sowie auf deren Wert und Art abgestellt. Diese Beurteilung begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken.

a) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, an die sich die beanstandete Werbung als Vermittler von Vorratsgesellschaften der Beklagten richtet, als unabhängige Berater und Vertreter ihrer Auftraggeber in Rechtssachen sowie in steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten (vgl. §§ 1, 3, 43a Abs. 1 BRAO; § 33 Satz 1, § 57 Abs. 1 StBerG; §§ 2, 43 Abs. 1 WPO) grundsätzlich zu einer objektiven und neutralen Entscheidung verpflichtet sind, die die Interessen ihrer Auftraggeber wahrt. Aus dieser Stellung als unabhängige, nur den Interessen der Mandanten verpflichtete Berater folgt - unabhängig von der Frage, ob im Einzelfall ein Verstoß gegen bestimmte berufsrechtliche Vorschriften wie etwa § 43a Abs. 1 BRAO gegeben ist -, dass Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sich bei der Beratung von Mandanten, die den Kauf einer Vorratsgesellschaft erwägen, allein von dem Interesse des potentiellen Erwerbers leiten und sich nicht dadurch beeinflussen lassen sollen, ob ihnen bei der Empfehlung eines bestimmten Angebots möglicherweise persönlich eine Vergünstigung zufließt.

b) Eine nach den vorstehend angeführten Grundsätzen unzulässige Einflussnahme auf Personen, die die Interessen Dritter zu beachten haben, kann auch in dem Angebot der Teilnahme an einem Gewinnspiel für die Vermittlung des beworbenen Produkts bestehen, wenn die Teilnahmebedingungen und insbesondere der ausgelobte Gewinn geeignet sind, die Entscheidung des Vermittlers zu beeinflussen. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die im Streitfall eröffnete Möglichkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel könne in die von dem Berater zu treffenden Wertungen einfließen, welche Angebote oder Produkte er eingehender prüfen und welchen Angeboten oder Produkten er bei Gleichwertigkeit den Vorzug geben soll, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei dem ausgelobten Smart-Cabrio handele es sich zumindest seinem Wert nach auch für die hier angesprochenen Berufskreise um einen interessanten Gewinn, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

c) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung, im Streitfall liege eine unangemessene unsachliche Einflussnahme i.S. des § 4 Nr. 1 UWG vor, nicht die sich aus der Wertung des § 4 Nr. 6 UWG ergebenden Folgen verkannt. Wie auch die Revision sieht, ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass (jedenfalls) gegenüber sonstigen Marktteilnehmern nicht jedwede Kopplung des Absatzgeschäfts mit einem Gewinnspiel als nach § 4 Nr. 1 UWG unlauter anzusehen ist. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es im Streitfall auch nicht darauf an, ob das mit dem Absatzgeschäft verknüpfte Angebot der Teilnahme an dem Gewinnspiel geeignet ist, die Rationalität der Nachfrageentscheidung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer vollständig in den Hintergrund treten zu lassen, und ob im Blick auf die Regelung des § 4 Nr. 6 UWG bei sonstigen Marktteilnehmern insoweit ein anderer Maßstab anzulegen ist als bei Verbrauchern. Die Unlauterkeit der beanstandeten Werbemaßnahme der Beklagten folgt nicht daraus, dass mit dem Angebot der Teilnahme an dem Gewinnspiel für die Vermittlung einer großen F.-Vorratsgesellschaft deshalb eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die als Vermittler angesprochenen Berater ausgeübt wird, weil etwa wegen der Höhe oder der Art des ausgelobten Gewinns die Gefahr besteht, dass die Rationalität der Entscheidung der Berater vollständig in den Hintergrund tritt.

Die beworbene Teilnahme an dem Gewinnspiel ist vielmehr als unlautere unangemessene unsachliche Einflussnahme zu beanstanden, weil sich die angesprochenen Berater bei ihrer Empfehlung für ein bestimmtes Angebot ausschließlich von dem Interesse ihres Mandanten und nicht (auch) von einer ihnen zufließenden möglichen persönlichen Vergünstigung leiten lassen sollen. Die Gefahr einer solchen unangemessenen unsachlichen Beeinflussung entfällt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, auch nicht deshalb, weil die Mandanten der angesprochenen Berater nach ihrer Entscheidung über den Erwerb einer Vorratsgesellschaft möglicherweise infolge der Aushändigung des Ordners mit den Gesellschaftsunterlagen von dem Gewinnspiel und den Teilnahmebedingungen Kenntnis erlangen und eventuell gemäß § 667 BGB Herausgabe eines etwaigen Gewinns verlangen können (vgl. BGH, Urt.v. 2.4.2001 - II ZR 217/99, NJW 2001, 2476, 2477 m.w.N.).

d) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass es im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG nicht darauf ankommt, ob das betreffende Verhalten auch gegen berufsrechtliche Regelungen verstößt, die die Wahrung der beruflichen Unabhängigkeit des Beraters zum Gegenstand haben. Insbesondere kann eine unangemessene unsachliche Beeinflussung i.S. von § 4 Nr. 1 UWG schon dann zu bejahen sein, wenn die beanstandete Werbemaßnahme geeignet ist, die angesprochenen Berater auch ohne Eingehen einer Bindung i.S. von § 43a Abs. 1 BRAO im Hinblick auf die angebotene Teilnahme an dem Gewinnspiel zu einer Vermittlung des beworbenen Produkts zu veranlassen (vgl. - zum Verhältnis des § 4 Nr. 1 UWG zu Verbotstatbeständen der ärztlichen Berufsordnung - BGH GRUR 2005, 1059, 1060 f. - Quersubventionierung von Laborleistungen).

3. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.


III.

Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.



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