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Landgericht Essen Urteil vom 20.04.2009 - 4 O 368/08 - Zur alleinigen Zulässigkeit des Double-Opt-In-Verfahrens
 

 

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E-Mails - Werbemails - Werbung - Wettbewerbsverstöße


LG Essen v. 20.04.2009: Die Zusendung eines Newsletters stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Der Versender eines Newsletters hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu fehlerhaften Zusendungen kommt. Dementsprechend kann der Nachweis der Einwilligung durch den Werbenden nur durch das sog. Double-Opt-In-Verfahren oder ein entsprechendes Verfahren, nicht aber durch das Single-Opt-In-Verfahren geführt werden, weil dieses Verfahren den Missbrauch durch Unbefugte, die Daten anderer Personen gegen deren Willen verwenden, nicht ausschließen kann.

Das Landgericht Essen (Urteil vom 20.04.2009 - 4 O 368/08) hat entschieden:
Die Zusendung eines Newsletters stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Der Versender eines Newsletters hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu fehlerhaften Zusendungen kommt. Dementsprechend kann der Nachweis der Einwilligung durch den Werbenden nur durch das sog. Double-Opt-In-Verfahren oder ein entsprechendes Verfahren, nicht aber durch das Single-Opt-In-Verfahren geführt werden, weil dieses Verfahren den Missbrauch durch Unbefugte, die Daten anderer Personen gegen deren Willen verwenden, nicht ausschließen kann.




Zum Sachverhalt: Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er begehrte von den Beklagten die Unterlassung der Zusendung von Werbe-E-Mails ohne seine ausdrückliche Einwilligung.

Am 06.10.2008 erhielt er unter seiner beruflichen E-Mail-Adresse … einen Newsletter der Beklagten zu 2) zugesandt. Auf der Homepage der Beklagten zu 1) wurde der Kläger am 29.09.2008 als Empfänger des Newsletters eingetragen. Wer diese Eintragung vorgenommen hat, war zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte zu 2) bediente sich bei der Versendung des Newsletters des sog. Single-Opt-In-Verfahrens, bei dem der Empfänger des Newsletters durch einmalige Eintragung in die Abonnentenliste des Versenders dem Empfang zustimmt.

Der Kläger mahnte die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 06.10.2008 ab und forderte sie auf, bis zum 20.10.2008 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach, sondern entfernte die Adresse des Klägers lediglich aus ihrem Datenbestand.

Die daraufhin anhängig gemachte Unterlassungsklage war erfolgreich.


Aus den Entscheidungsgründen:

"I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, 1004 I BGB unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu.

1. Dem Kläger kommt als Rechtsanwalt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zugute. Denn durch dieses Recht werden auch Angehörige freiberuflicher Berufe geschützt (Pal., BGB, 68. Aufl., § 823 Rn. 127).

2. Die Zusendung des Newsletters stellt auch einen betriebsbezogenen Eingriff dar. Ein betriebsbezogener Eingriff ist die unmittelbare Beeinträchtigung des Betriebs als solchem und muss sich nach objektiven Maßstäben spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten (Pal., BGB, 68. Aufl., § 823 Rn. 128). Bei der Bewertung des Vorliegens eines solchen Eingriffs können die zum Wettbewerbsrecht entwickelten Regeln herangezogen werden, da die Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs auch dazu dient, Lücken im Anwendungsbereich des UWG zu schließen (OLG Naumburg, Az.: 10 U 60/06; LG Berlin, NJW-RR 2000, 1229), die sich hier daraus ergeben, dass es sich bei den Parteien nicht um Mitbewerber handelt.

Aus der parallelen Schutzrichtung des UWG und der Regeln über den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergibt sich, dass aufgrund der für das UWG geltenden Regelung des § 7 II Nr. 3 UWG auch im Rahmen der §§ 823 I, 1004 I BGB von einer unzumutbaren Belästigung und damit von einem Eingriff in den Gewerbebetrieb schon aufgrund der Zusendung einer einzigen unverlangten e-mail auszugehen ist (OLG Naumburg, Az.: 10 U 60/06; LG Berlin, NJW-RR 2000, 1229, 1230; AG Hamburg, NJW 2005, 3220; i.E. ebenso KG NJW-RR 2005,51).

Abgesehen von der Wertung des § 7 II Nr. 3 UWG ergibt sich ein Eingriff in den eingerichteten Gewerbebetrieb insbesondere daraus, dass die Zusendung unverlangter e-mails Zeit und - eigene oder fremde - Arbeitskraft des Empfängers bindet, um die unerwünschte Post auszusortieren. Dieser Gesichtspunkt ist bei einem Rechtsanwalt als Empfänger der e-mail von besonderem Gewicht, da ihm bei versehentlicher Löschung ein Haftungsfall drohen kann (AG Berlin-Mitte, Az.: 21 C 43/08). Zudem besteht bei umfangreichen und häufigen e-mails die Gefahr, dass das Postfach des Empfängers nicht mehr genügend Speicherkapazität aufweist, um für ihn wichtige Nachrichten empfangen zu können.

Ohne Bedeutung ist bei der für den offenen Tatbestand des eingerichteten Gewerbebetriebs erforderlichen Gesamtabwägung, dass die Entfernung der jeweils streitgegenständlichen e-mail für sich betrachtet keinen großen Aufwand erfordert (BGH NJW 2004, 1655, 1657). Entscheidend ist vielmehr, dass sich jede einzelne e-mail als Teil der Gesamtbelästigung des Spammings darstellt, so dass sich der Empfänger gegen jede einzelne e-mail zur Wehr setzen können muss, um sich gegen das insgesamt zu erheblichen Beeinträchtigungen führende Gesamtproblem wehren zu können (LG Berlin, NJW-RR 2000, 1229, 1230).

3. Der Eingriff war auch rechtswidrig. Denn die Beklagte zu 2) hat den ihr obliegenden Beweis für eine Einwilligung des Klägers in die Zusendung des Newsletters durch Eintragung auf ihrer Homepage nicht geführt. Ohne Bedeutung ist insofern, dass die Beklagte zu 2) ihren Newsletter nach ihrem Vortrag nicht unverlangt zusendet. Denn sie darf den Rundbrief mittels e-mail nur dann verschicken, wenn die Voraussetzungen in der Person des jeweiligen Empfängers vorliegen. Dabei hat sie durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es nicht zu fehlerhaften Zusendungen kommt (BGH NJW 2004, 1655, 1657).

Der unstreitige Umstand, dass die e-mail-Adresse des Klägers auf der Homepage eingetragen worden ist, lässt die dargestellte Beweislastverteilung unberührt. Denn es kann nicht im Wege des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass eine Eintragung tatsächlich vom Inhaber der eingetragenen e-mail-Adresse stammt. Für einen solchen Anscheinsbeweis fehlt es an einem tragfähigen Satz der Lebenserfahrung, da der Missbrauch von Internetadressen zwar nicht die Regel, aber auch keine vernachlässigenswerte Ausnahme ist (MüKo, Lauterkeitsrecht, 2. Bd., 2006, § 7 UWG, Rn. 164).

Dementsprechend kann der Nachweis der Einwilligung durch den Werbenden nur durch das sog. double-opt-in-Verfahren oder ein entsprechendes Verfahren, nicht aber durch das von der Beklagten zu 2) verwendete single-opt-in-Verfahren geführt werden, weil dieses Verfahren den Missbrauch durch Unbefugte, die Daten anderer Personen gegen deren Willen verwenden, nicht ausschließen kann (AG Berlin-Mitte, Az.: 21 C 43/08).

Durch die Einrichtung des double-opt-in-Verfahrens wird der Werbende auch nicht übermäßig belastet. Insbesondere kann gegen dieses Verfahren nicht eingewendet werden, dass es seinerseits u.U., nämlich dann, wenn die erste Eintragung tatsächlich nicht vom Inhaber der Adresse vorgenommen wurde, zur Zusendung einer unerbetenen e-mail und damit wiederum zu Unterlassungsansprüchen gegen den Versender führe. Denn sofern sich die Bestätigungsmail tatsächlich auf die Bestätigung beschränkt und nicht bereits selbst werbenden Inhalt hat, muss der Empfänger diese unverlangte e-mail hinnehmen (AG München, NJW-RR 2007, 547, 548).

4. Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits eingetretenen Verstoßes vermutet und kann nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entkräftet werden (AG Berlin, 11.06.2008 a.E.; LG Berlin NJW-RR 2000, 1229), die hier nicht erfolgt ist. Die Vermutung für die Gefahr eines neuerlichen Verstoßes gilt entgegen der Auffassung der Beklagten auch außerhalb des Wettbewerbsrechts (Palandt, BGB, 68. Aufl., v. § 823 Rn. 20.).


II.

Dem Kläger steht auch gegen die Beklagte zu 1) der dargestellte Unterlassungsanspruch zu. Die Beklagte zu 1) ist selbst - mittelbare - Störerin. Denn Störer ist auch derjenige, der, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des Rechtsgutes beiträgt (BGH NJW 2004, 3102, 3105), und zwar unabhängig von Art und Umfang seines Tatbeitrages (Pal., BGB, 67. Aufl., vor § 823 Rn. 22).

Für den mittelbaren Störer, also denjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vornimmt, ist darüber hinaus die Verletzung von Handlungspflichten erforderlich, deren Umfang sich danach bestimmt, inwieweit dem in Anspruch Genommenen eine Überprüfung des unmittelbar Handelnden zuzumuten ist (BGH NJW 2004, 3102, 3105).

Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Beklagte zu 1) erfüllt, die als Inhaberin der Internetdomain … der Beklagten zu 2) die Übersendung des Newsletters ermöglicht und damit willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des Rechtsgutes beigetragen hat. Als Komplementärin der Beklagten zu 2) hatte sie auch die rechtliche Einwirkungsmöglichkeit, die unerwünschte Versendung des Newsletters an Dritte durch Einführung des double-opt-in Verfahrens zu verhindern. Durch die Nichtimplementierung dieses Verfahrens hat sie die ihr insofern obliegenden Handlungspflichten verletzt. ..."







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