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OLG Köln Beschluss vom 12.12.2008 - 6 U 41/08 - Zur Notwendigkeit der Zustimmung des Bankkunden zu Marktforschung durch Bank
 

 

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OLG Köln v. 12.12.2008: Wenn eine Bank Kundenbefragungen am Telefon durch Meinungsforschungsinstitute durchführen will, benötigt sie die ausdrückliche Zustimmung des Befragten.


Das OLG Köln (Beschluss vom 12.12.2008 - 6 U 41/08) hat entschieden:
Wenn eine Bank Kundenbefragungen am Telefon durch Meinungsforschungsinstitute durchführen will, benötigt sie die ausdrückliche Zustimmung des Befragten.




Aus den Entscheidungsgründen:

"I.

Die Beklagte, die S-Bank, wandte sich im Jahre 2007 an zumindest einen Teil ihrer Kunden und kündigte einen Anruf des von ihr mit einer Kundenbefragung zu Service und Beratung beauftragten Marktforschungsinstitutes TNS Infratest für den Fall an, dass die angeschriebenen Kunden dem nicht binnen einer hierfür gesetzten Frist widersprachen. Wegen der Einzelheiten wird auf das aus Seite 3 dieses Urteils ersichtliche Schreiben verwiesen.

Der Kläger hat hierin einen Verstoß gegen §§ 3, 7 UWG gesehen. Auf seinen Antrag ist die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung und Einblendung des Schreibens bei Klageabweisung im übrigen verurteilt worden, es zu unterlassen,
bei Wettbewerbshandlungen Verbraucher anzurufen oder anrufen zu lassen, wenn sie, die Verbraucher, nicht zuvor einer telefonischen Kontaktaufnahme zugestimmt haben (Antrag zu 1.1);

Verbraucher schriftlich aufzufordern, ihr, der Beklagten, telefonisch oder schriftlich mitzuteilen, wenn sie, die Verbraucher, keinen Telefonanruf wünschen (Antrag zu 1.2),
wenn dies geschieht wie in dem Schreiben „Ihre Meinung zur ‚S-Bank‘ ist uns wichtig“ angekündigt worden ist.

Der Kläger hatte in der Klageschrift neben einem Zahlungsantrag zunächst einen weitergehenden, nicht auf die konkrete Verletzungsform des Schreibens abstellenden Unterlassungsantrag gestellt und diesen in der mündlichen Verhandlung wie aus ihrem Schriftsatz vom 18.12.2007 (Bl. 52) ersichtlich neu gefasst.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der vollständigen Abweisung der Klage mit der Begründung weiter, jedenfalls im Hinblick auf die vorherige Ankündigung stellten sich die Anrufe von Meinungsforschungsinstituten nicht als unlautere Wettbewerbshandlungen dar. Der Kläger ist im Berufungsverfahren anwaltlich nicht vertreten. Seine erstinstanzliche Bevollmächtigte hat sich in zweiter Instanz nicht bestellt, sondern lediglich mitgeteilt, dass der Kläger in dem Verhandlungstermin keinen Antrag stellen und sie nicht auftreten werde. Im Termin ist für den Kläger dementsprechend niemand erschienen. Die Beklagte beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache nur teilweise Erfolg.

1.) Der Kläger ist - was die Beklagte auch nicht in Abrede stellt - als qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert und befugt, die in Rede stehenden Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

2.) Der Unterlassungsantrag zu 1.1 ist auch angesichts des Berufungsvorbringens der Beklagten im oben tenorierten Umfang aus §§ 3, 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3 UWG begründet. Insofern ist trotz der Säumnis des Klägers im Berufungsverfahren gem. § 539 Abs. 2 S. 2, 2. Hs ZPO (durch „unechtes Versäumnisurteil“, vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 539 Rz 15) zu seinen Gunsten zu entscheiden. Soweit der Kläger darüber hinaus auch das Anrufen von Verbrauchern durch die Beklagte selbst untersagt wissen will, fehlt es an einer Begehungsgefahr. In diesem Umfang ist der Antrag auf die Berufung der Beklagten durch (echtes) Versäumnisurteil gem. § 539 Abs. 2 S. 2 1. Hs ZPO abzuweisen.

Das mit dem Schreiben der Beklagten angekündigte Anrufen von Verbrauchern durch ein Marktforschungsinstitut in ihrem Auftrag stellt eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG dar und hat daher zu unterbleiben. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte ihr Vorhaben auch umgesetzt hat. Denn das ernstgemeinte und von ihr verteidigte Schreiben begründet zumindest die (Erstbegehungs-) Gefahr, dass die Beklagte zukünftig, wenn das nicht ohnehin schon geschehen ist, Verbraucher tatsächlich entsprechend der Vorankündigung anrufen lassen wird. Die Beklagte sieht sich zur Durchführung der telefonischen Befragung weiterhin berechtigt, weswegen die durch das Schreiben begründete Erstbegehungsgefahr auch angesichts des dort vorgesehenen inzwischen abgelaufenen Befragungszeitraumes vom 4.7. bis zum 3.8.2007 fortbesteht.

Der beanstandete Anruf durch das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest stellt eine von der Beklagten veranlasste Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Die Anrufe sind im Sinne der Vorschrift Handlungen, die darauf gerichtet sind, die Erbringung von Dienstleistungen durch die Beklagte zu fördern. Dem steht nicht entgegen, dass die Angesprochenen bereits Kunden der Bank sind. Denn eine Absatzförderung muss nicht auf das Gewinnen neuer Kunden, sondern kann auch auf den Erhalt des bereits vorhandenen Kundenstamms gerichtet sein ( BGH GRUR 1986, 615, 618 - „Reimportierte Kraftfahrzeuge“; KG GRUR-RR 2005 Rz 33). So liegt es hier: Durch die angekündigte telefonische Umfrage verfolgt die Beklagte das Ziel, die Meinung ihrer Kunden über den von ihr erbrachten Service und ihre Beratung zu erfahren, um diese Leistungen künftig verbessern zu können. Das ergibt sich aus der Formulierung, mit der das Schreiben eingeleitet wird. Die so angesprochenen Kunden werden annehmen, dass die Beklagte die Ergebnisse der Befragung umsetzen und ihre Leistungen in einer Weise verändern werde, die sich aus der Sicht der Kunden als Verbesserung darstelle und ihnen zugute komme. Auf diese Weise verfolgt die Beklagte mit der Umfrage das Ziel, ihren Kundenstamm zu halten und die Erbringung von Bankdienstleistungen zu fördern.

Diese Wettbewerbshandlung ist im Sinne der §§ 3, 7 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2 UWG unlauter, weil die Telefonanrufe Werbung zum Gegenstand haben und der angerufene Verbraucher in diese Anrufe nicht eingewilligt hat. Werbung wird nach der Rechtsprechung des BGH durch einen Telefonanruf betrieben, wenn der Angerufene unmittelbar zu einem Geschäftsabschluss bestimmt oder eine geschäftliche Verbindung angebahnt oder vorbereitet werden soll ( BGH GRUR 95, 220 - „Telefonwerbung V“; GRUR 2004, 520f - „Telefonwerbung für Zusatzeintrag“). Diese Definition steht im Einklang mit Art. 2 lit a der Richtlinie 2006/114/EG, wonach Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels … mit dem Ziel,… die Erbringung von Dienstleistungen,… zu fördern“ ist. Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 UWG liegt darüber hinaus nach der Rechtsprechung des BGH auch vor, wenn nicht der Absatz gefördert wird, sondern Nachfragehandlungen vorgenommen werden (vgl. zu einer Anfrage per E-Mail BGH GRUR 2008, 925f, Rz 15 - „FC Troschenreuth“). Unter welchen Voraussetzungen Umfragen eines Meinungsforschungsinstitutes, die im Auftrag eines Unternehmens durchgeführt werden, unlautere Telefonwerbung darstellen können, ist höchstrichterlich - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden. Nach einhelliger Auffassung liegt ein Fall liegt ein Fall des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG dann nicht vor, wenn die Umfrage von einem neutralen Institut zu wissenschaftlichen Zwecken durchgeführt wird und nicht unmittelbar der Absatzförderung eines bestimmten Auftraggebers dient (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 7 Rz 42; Piper/Ohly, § 7 Rz 40; MünchKomm UWG Leible, § 7 Rz 201, § 7 Rz 201; Harte/Henning/Ubber § 7 Rz 38; Hug/Gaugenrieder, WRP 2006, 767f). Nach Auffassung des OLG München ( NJWE-WettbR 1996, 12) und des OLG Stuttgart ( GRUR 2002, 457) ist jedenfalls dann eine unlautere Telefonwerbung anzunehmen, wenn ein solcher Anruf zumindest mittelbar der Absatzförderung dient (ebenso Köhler und Hug/Gaugenrieder a.a.O.). Dem schließt sich der Senat an. Danach sind die Anrufe zu unterlassen. Die beabsichtigte Umfrage betrifft ausschließlich die Zufriedenheit der Kunden mit den Dienstleistungen der Beklagten und dient, wie bereits dargelegt worden ist, dem Ziel, diese durch eine Verbesserung der Serviceleistungen unter Berücksichtigung ihrer Wünsche als Kunden zu erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Angerufenen gegenüber einem Meinungsforschungsinstitut häufig schwerer fallen wird, auf den Schutz seiner Privatsphäre zu dringen und das Gespräch zu beenden, weil er dessen Intention nicht so leicht wie bei einer ausdrücklichen Absatzwerbung für ein konkretes Produkt durch einen Händler erkennen kann. Die Beklagte betreibt auf diese Weise Werbung für sich. Soweit die Beklagte einwendet, bei dieser Auslegung komme dem Tatbestandsmerkmal „Werbung“ in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG gegenüber dem der „Wettbewerbshandlung“ in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UWG keine eigene Bedeutung zu, ist ihr einzuräumen, dass insoweit Überschneidungen bestehen. Indes geht der Begriff der Wettbewerbshandlung über den der Werbung hinaus und erfasst nicht wie dieser nur Äußerungen zur Absatzförderung, sondern auch sonstige Handlungen, die diesem Ziel dienen (vgl. näher Köhler a.a.O. § 2 Rz 4c). Überdies würde für die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Beklagten kaum ein Anwendungsbereich verbleiben.

Es fehlt auch an einer Einwilligung durch die angerufenen Verbraucher. Die Beklagte hat beabsichtigt, diejenigen ihrer Kunden anrufen zu lassen, die sich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist dagegen verwehrt haben. Diese Verbraucher haben eine Einwilligung nicht erteilt. Eine Einwilligung muss ausdrücklich oder doch konkludent erklärt werden. Eine solche Erklärung liegt nicht vor. Vielmehr haben die anzurufenden Kunden auf das Schreiben überhaupt nicht reagiert. Darin liegt nicht etwa eine konkludente Erklärung, sondern ein Schweigen. Ein solches Schweigen stellt nach allgemeinen Grundsätzen eine Willenserklärung nicht dar.

Liegt damit ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG vor, so ist der Anspruch begründet. Einer Prüfung der Erheblichkeit des Verstoßes im Sinne des § 3 UWG bedarf es nicht, weil § 7 UWG nur unzumutbare Belästigungen erfasst und diese nicht unerheblich sein können (vgl. BGH GRUR 2007, 607, Rz 23 - „Telefonwerbung für ‚Individualverträge‘“). ..."









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