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BayObLG Beschluss vom 19.12.2002 - 2 Z BR 7/02 - Zur Rechts- und Grundbuchfähigkeit einer ausländischen GmbH mit Verwaltungssitz in Deutschland

BayObLG v. 19.12.2002: Zur Rechts- und Grundbuchfähigkeit einer ausländischen GmbH mit Verwaltungssitz in Deutschland


Das BayObLG (Beschluss vom 19.12.2002 - 2 Z BR 7/02) hat entschieden:

   Einer innerhalb der EU gegründeten rechtsfähigen Kapitalgesellschaft kann die die Grundbuchfähigkeit in Deutschland auch dann nicht verwehrt werden, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland ist.

Siehe auch
Die deutsche GmbH mit Auslandsbezug
und
Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Aus den Entscheidungsgründen:


"I.

Die Beteiligte zu 2 ist im Grundbuch als Eigentümerin eines Hausgrundstücks, einer Eigentumswohnung und eines Doppel-Duplex-Stellplatzes zu einem Miteigentumsanteil von 1/4 eingetragen. Am 26. 7. 2000 wurden von einem Notar in Paderborn Kaufverträge beurkundet, in denen die Beteiligte zu 2 diese drei Immobilien an die Beteiligte zu 1, eine englische "private limited company", verkaufte. Zugleich wurde die Eintragung von Eigentumsvormerkungen für die Beteiligte zu 1 bewilligt und beantragt und die Auflassung erklärt. Für die Beteiligte zu 2 handelte aufgrund einer notariellen Vollmacht von 1991 deren damaliger Ehemann, der zugleich einzelvertretungsberechtigter Direktor der Beteiligten zu 1 und Geschäftsführer der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1, einer Rechtsanwalts-GmbH, ist. Für die Beteiligte zu 1 handelte eine Notariatsangestellte als vollmachtlose Vertreterin. Ihre Erklärungen wurden am 2. 8. 2000 durch einen am 20. 6. 2002 bestellten weiteren Direktor der Beteiligten zu 1 genehmigt. Am 3. 8. 2000 wurden die Eigentumsvormerkungen für die Beteiligte zu 1 in den drei Grundbüchern eingetragen.

Am 11. 9. 2000 widerrief die Beteiligte zu 2 die ihrem Ehemann erteilte notarielle Vollmacht; am 12. 9. 2000 erklärte sie die Rücknahme des Widerrufs und am 9. 10. 2000 widerrief sie durch Anwaltsschriftsatz alle ihrem Ehemann erteilten Vollmachten.

Am 26. 3. 2001 hat der Ehemann der Beteiligten zu 2, dessen Ehe inzwischen geschieden ist, die notariellen Urkunden vom 26. 7. 2000 bei dem Grundbuchamt eingereicht und die Eintragung der Beteiligten zu 1 als neue Eigentümerin unter Löschung der Eigentumsvormerkungen beantragt.

Mit Zwischenverfügungen vom 6. 4. und 9. 5. 2001 hat das Grundbuchamt u. a. die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts verlangt. Ferner hat es aufgrund von Unterlagen, die die Beteiligte zu 2 vorgelegt hatte, Zweifel an der Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1 geäußert und ihr mit Zwischenverfügungen vom 9. 5. und 10. 7. 2001 aufgegeben, Nachweise vorzulegen für eine geschäftliche Tätigkeit der Beteiligten zu 1, insbesondere durch Vorlage des Gesellschaftsvertrags, des Geschäftsberichts für das Jahr 2000 und der Steuernummer, ferner Nachweise über die Anmietung von Geschäftsräumen in London, Einstellung von Personal, Einrichtung eines Bankkontos sowie von Telefon- und Telefaxanschlüssen in Großbritannien.

Da die Beteiligte zu 1 die geforderten Auskünfte und Urkunden als Interna bezeichnete und nicht vorlegte, hat das Amtsgericht -Grundbuchamt- mit Beschluss vom 13. 8. 2001 die Eintragungsanträge der Beteiligten zu 1 abgewiesen.

Der am 29. 8. 2001 eingelegten Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Amtsgericht -Grundbuchamt- mit Beschluss vom 25. 9. 2001 nicht abgeholfen; das Landgericht hat sie mit Beschluss vom 3. 1. 2002 zurückgewiesen.

Mit der weiteren Beschwerde vom 14. 1. 2002 verfolgt die Beteiligte zu 1 ihre Eintragungsanträge weiter.




II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist nach § 78 GBO zulässig, weil ihre Erstbeschwerde erfolglos geblieben ist (Demharter GBO 24. Aufl. § 78 Rn. 2) und für die Frage der Beschwerdeberechtigung ihre Rechtsfähigkeit zu unterstellen ist (BayObLGZ 1998, 195).

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Auflassung eines Grundstücks dürfe nach § 20 GBO nur dann eingetragen werden, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt sei. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einigungserklärung der Beteiligten zu 1 sei es, dass die Beteiligte zu 1 ordnungsgemäß vertreten gewesen sei und als juristische Person ausländischen Rechts in Deutschland als rechtsfähig anerkannt werde. Bei der Prüfung der Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1 handele es sich um eine andere Eintragungsvoraussetzung im Sinn von § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO, die, soweit nicht offenkundig, grundsätzlich des Nachweises durch öffentliche Urkunden bedürfe. Die Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1 beurteile sich nach ihrem Personalstatut. Die Rechtsprechung nehme die kollisionsrechtliche Anknüpfung nach der Sitztheorie vor. Dem gemäß richteten sich die Rechtsverhältnisse der betreffenden Gesellschaft nach dem Recht des Staates, in dem der effektive Verwaltungssitz liege. Dabei sei im grundbuchrechtlichen Eintragungsverfahren von einem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft im Gründungsstaat auch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz habe. Deshalb habe das Grundbuchamt nur tatsächlich begründeten ernsthaften Zweifeln an einem Verwaltungssitz im Gründungsstaat nachzugehen. Vorliegend beständen aber ernsthafte Zweifel an einem effektiven Verwaltungssitz der Beteiligten zu 1 in Großbritannien. So gehe der Ehemann der Beteiligten zu 2 seiner Berufstätigkeit und Leitung der Beteiligten zu 1 an seinem Wohnsitz in Deutschland nach. Auf dem Geschäftspapier der Beteiligten zu 1 seien deutsche Telefon- und Telefaxnummern und eine deutsche Anschrift als Sitz angegeben. Ferner sei ein Schreiben vorgelegt worden, aus dem sich ergebe, dass die Beteiligte zu 1 in Deutschland ein Bankkonto unterhalte. Die vom Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 9. 5. 2001 zur Behebung seiner Zweifel verlangten Unterlagen und Nachweise seien im wesentlichen nicht vorgelegt worden, vor allem nicht in notariell beglaubigter und mit Apostille versehener Form. Eine bloße Bestätigung der Beteiligten zu 1 selbst, dass sie in London über Geschäftsräume, Telefon- und Faxanschluss und zwei Mitarbeiter verfüge, reiche zur Behebung der Zweifel nicht aus. Auch die Eintragung einer Zweigniederlassung der Beteiligten zu 1 im deutschen Handelsregister beseitige nicht die Zweifel am Bestehen eines effektiven Verwaltungssitzes in Großbritannien. Die Beteiligte zu 1 könne daher in Deutschland nicht als rechtsfähig anerkannt werden. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. 3. 1999 (Centros-Entscheidung) führe zu keiner anderen Betrachtung. Auch eine Eintragung einer nach deutschem Recht möglichen Gesellschaft, etwa einer "OHG, GbR oder Einzelperson", komme nicht in Betracht.




2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Beteiligte zu 1 kann als neue Eigentümerin nur eingetragen werden, wenn sie aus der Sicht des deutschen Rechts rechtsfähig ist. Dabei handelt es sich um eine weitere Eintragungsvoraussetzung im Sinn des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO, unabhängig davon, ob die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang wirksam war. Die Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1 muss nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO grundsätzlich durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden, weil § 32 GBO für ausländische juristische Personen und Handelsgesellschaften nicht gilt. Demnach muss im Eintragungsverfahren der Nachweis für alle Voraussetzungen erbracht werden, von denen die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1 als ausländischer juristischen Person im Inland abhängt. Die Behandlung einer ausländischen juristischen Person als BGB-Gesellschaft (BGH WM 2002, 1929) hilft für das Grundbuchverfahren nicht weiter, weil die BGB-Gesellschaft als solche nicht im Grundbuch eingetragen werden kann (BayObLGZ 2002 Nr. 59 ZIP 2002, 2175).

b) Die Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1 als ausländische Kapitalgesellschaft ist nach ihrem Personalstatut zu beurteilen. Das deutsche internationale Privatrecht enthält keine gesetzliche Regelung des internationalen Gesellschaftsrechts. Die Rechtsprechung beurteilte bisher die Rechtsfähigkeit einhellig nach der Sitztheorie. Das bedeutet, dass sich die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft nach dem Recht desjenigen Staates beurteilen, in dem sich der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung, der effektive Verwaltungssitz, befindet (BGHZ 97, 269/271; BGH WM 2002, 1929; BayObLGZ 1998, 195/197 f. ; OLG Hamm Rpfleger 1995, 153/154).



An dieser Rechtsauffassung kann aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 5. 11. 2002 in der Sache Überseering (NJW 2002, 3614 = ZIP 2002, 2037) nicht mehr festgehalten werden, soweit Gesellschaften betroffen sind, die in einem Mitgliedstaat des EG-Vertrags wirksam gegründet wurden und dort weiterhin ihren satzungsmäßigen Sitz haben. Denn die Versagung der Rechtsfähigkeit, zu der die Anwendung der Sitztheorie bei einer in einem anderen Staat des EG-Vertrags gegründeten und dort rechtsfähigen Gesellschaft mit faktischem Sitz in Deutschland führen würde, verstößt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. 11. 2002 gegen Art. 43 und 48 EG. Diese Vorschriften gewährleisten die Niederlassungsfreiheit für alle Angehörigen der Mitgliedstaaten (Art. 43 EG) und für Gesellschaften, die nach den Vorschriften eines Mitgliedstaates gegründet wurden und innerhalb der Gemeinschaft ihren Sitz haben (Art. 48 EG). Die Vorschriften sind unmittelbar anwendbares Recht (Geiger, WV 3. Aufl. Art. 43 Rn. 8; Scheuer in Lenz EGV-Kommentar 2. Aufl. Art. 43 Rn. 4) und verdrängen entgegenstehendes nationales Recht. Auch wenn der Europäische Gerichtshof unmittelbar nur über die Verlegung des faktischen Sitzes von einem Mitgliedstaat in einen anderen entschieden hat, ergibt sich doch aus den Erwägungen des Gerichts (insbes. Textziff. 80, 81, 92, 95), dass das Diskriminierungsverbot der Art. 43, 48 EG auch die Fälle ergreift, in denen eine Gesellschaft wirksam nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wurde und dort Rechtsfähigkeit erlangt hat, ihren faktischen Sitz aber stets nur in Deutschland hatte (s. dazu Eidenmüller ZIP 2002, 2233/2244). Das von den Vorinstanzen angenommene Eintragungshindernis besteht also nicht. Die Entscheidungen des Amtsgerichts - Grundbuchamt - und des Landgerichts sind aufzuheben.

c) Der Senat kann aber in der Sache nicht endgültig entscheiden, da das in den Zwischenverfügungen vom 6. 4. und 9. 5. 2001 angesprochene Eintragungshindernis, nämlich das Fehlen einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts (vgl. Demharter GBO 24. Aufl. § 20 Rn. 48) noch nicht beseitigt ist. Da dies ein behebbares Eintragungshindernis darstellt, kommt eine erneute Zwischenverfügung in Betracht. Hinzu kommt, dass sich aus weiteren Unterlagen, die im Verfahren der weiteren Beschwerde eingereicht wurden und die der Senat nach § 78 GBO nicht berücksichtigen darf (Demharter § 78 Rn. 11), Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Genehmigung des vollmachtlosen Handelns der Notariatsangestellten durch den weiteren Direktor der Beteiligten zu 1 gegen § 181 BGB verstößt und somit unwirksam ist (vgl. etwa Staudinger/Schilken BGB Bearbeitung 2001 § 181 Rn. 36; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 181 Rn. 29; Scholz/ Schneider GmbHG 9. Aufl. § 35 Rn. 93). Deshalb erscheint es zweckmäßig, die Sache an das Amtsgericht -Grundbuchamt- zurückzuverweisen (vgl. Demharter § 80 Rn. 21). ..."

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