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EuG Urteil vom 22.01.2009 - T-316/07 - Keine Markenrechtsverletzung, wenn die angebotenen Dienstleistungen unterschiedlich sind

EuG v. 22.01.2009: Keine Markenrechtsverletzung, wenn die angebotenen Dienstleistungen unterschiedlich sind (EasyHotel)


Der EuG (Urteil vom 22.01.2009 - T-316/07) hat entschieden:
Verwechslungsgefahr ist bei identischen Wortmarken nur dann gegeben, wenn bewiesen wird, dass eine Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Eine Software, die dazu dient, ein System zur Reservierung, Buchung und Bezahlung von Unterkünften zu schaffen und es einem Unternehmen zu ermöglichen, ein solches System in seinem Internetauftritt zu installieren, ist nicht ähnlich einem System, bei dem es sich im Wesentlichen um Auskunfts- und Reservierungsleistungen sowie um Leistungen zur Buchung von Reisen und Hotelunterkünften handelt (EasyHotel).




Zum Sachverhalt Am 21. September 2000 meldete die Streithelferin, die easyGroup IP Licensing Ltd, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen easyHotel.

Die Eintragung der Marke wurde für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 25, 32, 33, 35, 36, 38, 39, 41 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung beantragt.

Am 30. Juni 2004 wurde die Gemeinschaftsmarke unter der Nummer 1 866 706 für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen eingetragen.

Am 11. Februar 2005 reichte die Klägerin, die Commercy AG (im Folgenden: Commercy), gemäß Art. 55 der Verordnung Nr. 40/94 einen Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Marke ein, da diese unter Verletzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung eingetragen worden sei.

Der Antrag auf Nichtigerklärung stützte sich auf die ältere nationale Wortmarke EASYHOTEL, die in Deutschland für verschiedene Waren und Dienstleistungen u.a. der Klassen 9 und 42 eingetragen ist, die den folgenden Beschreibungen entsprechen:
Klasse 9: „Computer-Software zur Erstellung von plattformunabhängigen Internet-Shops und Internet-Autorensystemen, vornehmlich zur Reservierung, Buchung und Bezahlung von Unterkünften“;

Klasse 42: „Entwicklung und Design von Computer-Software, nämlich für Internet-Shops und Internet-Autorensysteme, vornehmlich zur Reservierung, Buchung und Bezahlung von Unterkünften“.
Der Antrag auf Nichtigerklärung richtete sich gegen alle für die streitige Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Am 12. Februar 2005 verzichtete die Streithelferin gemäß Art. 49 der Verordnung Nr. 40/94 auf die streitige Marke für alle Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 38 sowie für einen Teil der Dienstleistungen der Klasse 42, für die diese eingetragen worden war. Dieser Verzicht wurde am 28. Juni 2005 durch das HABM eingetragen.

Zu den für die streitige Marke nach diesem Verzicht beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 39 und 42 gehören die, die für diese beiden Klassen den folgenden Beschreibungen entsprechen:
Klasse 39: „Informationen in Bezug auf Transportleistungen einschließlich online aus einer Computerdatenbank oder dem Internet bereitgestellte Informationen; Reisereservierungen und Reisebuchungen über das World Wide Web“;

Klasse 42: „computergestützte Hotelreservierung“.
Mit Entscheidung vom 31. Juli 2006 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung zurück, weil ihrer Ansicht nach eine der notwendigen Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, nämlich die Identität oder Ähnlichkeit der für die einander gegenüberstehenden Marken beanspruchten Waren und Dienstleistungen, nicht erfüllt sei.

Am 29. September 2006 legte die Klägerin nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein, soweit diese den Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Marke für die Dienstleistungen der Klassen 39 und 42 zurückgewiesen hatte. In ihrer Beschwerde stützte sich die Klägerin nur auf die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen den für die ältere Marke beanspruchten und oben unter Randnr. 6 erwähnten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 einerseits und den für die streitige Marke beanspruchten und oben unter Randnr. 9 erwähnten Dienstleistungen der Klassen 39 und 42 andererseits.

Mit Entscheidung vom 19. Juni 2007 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), die der Klägerin am 20. Juni 2007 zugestellt wurde, wies die Zweite Beschwerdekammer die Beschwerde der Klägerin unter Bestätigung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung zurück.

Die Beschwerdekammer war im Wesentlichen der Ansicht, dass die streitigen, für die einander gegenüberstehenden Marken beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder identisch noch ähnlich seien und dass daher Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 keine Anwendung finde.


Die Klägerin hat beantragt,
die streitige Marke für nichtig zu erklären.
Das HABM und die Streithelferin haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zum Antrag auf Prozesskostenhilfe

(... wird ausgeführt)

Zur Klage

Die Klägerin beantragt die Nichtigerklärung der fraglichen Marke. Zur Begründung hat sie in ihrer Klageschrift als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 geltend gemacht. Wegen der Identität der einander gegenüberstehenden Marken bestehe Verwechslungsgefahr, da die betroffenen Waren und Dienstleistungen entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zumindest eine schwache Ähnlichkeit aufwiesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jedoch ausgeführt, dass durch einen Tippfehler in der Klageschrift im einzigen Klagegrund versehentlich Art. 8 Abs. 1 Buchst. a anstelle des in der vorliegenden Rechtssache einschlägigen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b angeführt worden sei. Die anderen Beteiligten haben keine Einwände gegen diese Klarstellung erhoben. Die entsprechenden Äußerungen sind im Sitzungsprotokoll festgehalten worden.

Das HABM und die Streithelferin machen geltend, der einzige Antrag der Klägerin sei unzulässig, weil das Gericht nach Art. 63 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 nicht dafür zuständig sei, die streitige Marke für nichtig zu erklären oder eine entsprechende an das HABM gerichtete Anordnung zu erlassen.

Hilfsweise führen das HABM und die Streithelferin aus, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen weder identisch noch ähnlich seien und dass somit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

Das Gericht hält es für zweckmäßig, sich zunächst zur Begründetheit der Klage zu äußern, d.h. zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung der von der Klägerin in ihrem einzigen Klagegrund vorgebrachten Argumente, um erst danach gegebenenfalls die vom HABM und der Streithelferin in Frage gestellte Zulässigkeit der Klage zu prüfen.

Nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 wird die Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim HABM oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt, wenn eine in Art. 8 Abs. 2 genannte ältere Marke besteht und die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 oder Abs. 5 erfüllt sind.

Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 setzt für seine Anwendbarkeit voraus, dass die fragliche Marke wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii der Verordnung Nr. 40/94 versteht man unter älteren Marken u.a. die in einem Mitgliedstaat eingetragene Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

Im vorliegenden Fall gingen sowohl die Nichtigkeitsabteilung als auch die Beschwerdekammer von der Identität der einander gegenüberstehenden Marken aus. Sie waren jedoch der Ansicht, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen weder identisch noch ähnlich seien und dass folglich Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 der Eintragung der streitigen Marke nicht entgegenstehe.

Die Klägerin untermauert ihren einzigen Klagegrund damit, dass sie dieses Ergebnis angreift und geltend macht, dass es auf einer zu engen Auslegung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 beruhe. Nach der Rechtsprechung sei diese Bestimmung dahin auszulegen, dass zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr der Abstand der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sehr groß sein müsse, wenn - wie hier - die einander gegenüberstehenden Marken identisch seien.

Nach der Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen. Diese umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den berücksichtigten Faktoren, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2008, Ferrero Deutschland/HABM und Cornu, C-108/07 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 44 und 45 sowie die dort zitierte Rechtsprechung).

Aus der Rechtsprechung geht auch hervor, dass für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 eine Verwechslungsgefahr voraussetzt, dass eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und eine Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen mit denen besteht, für die die ältere Marke eingetragen ist. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 12. Oktober 2004, Vedial/HABM, C-106/03 P, Slg. 2004, I-9573, Randnr. 51, und vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C-234/06 P, Slg. 2007, I-7333, Randnr. 48).

Folglich ist für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 selbst bei Identität zwischen den einander gegenüberstehenden Marken noch zusätzlich der Beweis zu erbringen, dass eine Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 9. März 2007, Alecansan/HABM, C-196/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 24, und Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, Mülhens/HABM - Minoronzoni [TOSCA BLU], T-150/04, Slg. 2007, II-2353, Randnr. 27).

Aufgrund dieser Erwägungen und da die Identität der einander gegenüberstehenden Marken nicht bestritten worden ist, ist - um den einzigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegrund würdigen zu können - zu prüfen, ob die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Feststellung der Beschwerdekammer zutrifft, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien; in diesem Zusammenhang ist auch das Vorbringen der Klägerin zu untersuchen, dass zwischen diesen Waren und Dienstleistungen zumindest eine schwache Ähnlichkeit bestehe.

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Dazu gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Mai 2006, Sunrider/HABM, C-416/04 P, Slg. 2006, I-4237, Randnr. 85, und Beschluss Alecansan/HABM, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 28).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer die betroffenen Waren und Dienstleistungen in den Randnrn. 18 bis 21 der angefochtenen Entscheidung miteinander verglichen. Sie hat ausgeführt, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen Bestandteile eines Internetauftritts seien oder dazu dienten, im Rahmen eines solchen Auftritts ein System zur Reservierung, Buchung und Bezahlung von Unterkünften zu schaffen und es einem Unternehmen zu ermöglichen, ein solches System in seinem Internetauftritt zu installieren. Diese Systeme unterschieden sich - so die Beschwerdekammer - von den von der streitigen Marke erfassten fraglichen Dienstleistungen, bei denen es sich im Wesentlichen um Auskunfts- und Reservierungsleistungen sowie um Leistungen zur Buchung von Reisen und Hotelunterkünften handele, die es einer breiten Öffentlichkeit erlauben sollten, beruflich, für Erholungsreisen oder zu anderen Zwecken Buchungen einer Hotelunterkunft oder einer Reise vorzunehmen.

Die Beschwerdekammer hat auch darauf hingewiesen, dass die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen einem spezialisierten Sektor gehörten, nämlich zu dem der Waren und Dienstleistungen, die die Aktualisierung und den Betrieb von Computersystemen beträfen, und dass sie ein begrenztes Publikum ansprächen, insofern als sie allein dazu bestimmt seien, es einem Unternehmen des Hotel- oder Reisegewerbes zu ermöglichen, ein über das Internet zugängliches Online-Buchungssystem zu installieren. Das aus diesen Unternehmen bestehende begrenzte Publikum unterscheide sich klar von der breiten Öffentlichkeit, an die sich die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen richteten.

Da die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht an dasselbe Publikum verkauft würden, stünden sie auch nicht miteinander im Wettbewerb.

Ferner hat die Beschwerdekammer geprüft, ob die betroffenen Waren und Dienstleistungen einander ergänzen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass dies hier auszuschließen sei, da sich die breite Öffentlichkeit, an die sich die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen richteten, nicht die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen beschaffe und diese ausschließlich für Unternehmen bestimmt seien, die dann Dienstleistungen für die breite Öffentlichkeit erbrächten.

Schließlich hat die Beschwerdekammer im selben Kontext festgestellt, dass die Internetnutzer, die Reisedienstleistungen online kauften, wahrscheinlich nicht wüssten, wer die einem Online-Anbieter seine Geschäftstätigkeit ermöglichende Software geliefert habe; jedenfalls seien sie in der Lage, zwischen einem Unternehmen, das eine komplexe Technologie liefere, und einem anderen Unternehmen, das Reisedienstleistungen über das Internet vertreibe, zu unterscheiden.

Dem ist zuzustimmen. Mit diesen Ausführungen wird rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen, deren Art, Verwendungszweck und Nutzung unterschiedlich sind und weder miteinander konkurrieren noch einander ergänzen. Zunächst ist festzustellen, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen informationstechnischer Art sind, während die von der streitigen Marke erfassten Auskunfts-, Buchungs- und Reservierungsleistungen anderer Art sind und sich der Informatik lediglich zur Weitergabe von Informationen oder zur Ermöglichung der Reservierung von Unterkünften oder Reisen bedienen.

Weiter ist festzustellen, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen speziell für die Unternehmen des Hotel- und Reisegewerbes und die von der streitigen Marke erfassten Auskunfts-, Buchungs- und Reservierungsleistungen für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen zur Ermöglichung des Betriebs eines Informatiksystems, genauer: eines Internetshops, dienen, während die von der streitigen Marke umfassten Auskunfts-, Buchungs- und Reservierungsleistungen zur Reservierung von Unterkünften und Reisen genutzt werden.

Der Umstand allein, dass die von der streitigen Marke erfassten Auskunfts-, Buchungs- und Reservierungsleistungen ausschließlich über das Internet erbracht werden und somit eines Datenträgers desjenigen bedürfen, der durch die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen bereitgestellt wird, reicht nicht aus, um die erheblichen Unterschiede in Bezug auf Art, Verwendungszweck und Nutzung zwischen den betroffenen Waren und Dienstleistungen zu überdecken.

Waren und Dienstleistungen informationstechnischer Art werden nämlich in fast allen Sektoren genutzt. Oft können dieselben Waren oder Dienstleistungen, etwa eine bestimmte Software oder ein bestimmtes Betriebssystem, zu sehr unterschiedlichen Zwecken verwendet werden, ohne dass sie dadurch zu anderen oder unterschiedlichen Waren oder Dienstleistungen würden. Umgekehrt ändert sich die Art, der Verwendungszweck oder die Nutzung der Dienstleistungen von Reisebüros nicht allein dadurch, dass sie über das Internet erbracht werden. Dies gilt umso mehr, als heutzutage die Nutzung von Computeranwendungen für das Erbringen solcher Dienstleistungen praktisch unentbehrlich ist, selbst wenn diese Dienstleistungen nicht von einem Internetshop erbracht werden.

Überdies sind die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht gegeneinander austauschbar, da sie nicht für dasselbe Publikum bestimmt sind. Die Beschwerdekammer ist somit zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Waren und Dienstleistungen nicht miteinander konkurrieren.

Schließlich ergänzen diese Waren und Dienstleistungen einander auch nicht. Insoweit sei daran erinnert, dass Waren oder Dienstleistungen einander ergänzen, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinn besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen (Urteile des Gerichts vom 1. März 2005, Sergio Rossi/HABM - Sissi Rossi [SISSI ROSSI], T-169/03, Slg. 2005, II-685, Randnr. 60; vom 15. März 2006, Eurodrive Services and Distribution/HABM - Gómez Frías [euroMASTER], T-31/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35, und vom 17. Juni 2008, El Corte Inglés/HABM - Abril Sánchez und Ricote Saugar [Boomerang TV], T-420/03, Slg. 2008, II-0000, Randnr. 98).

Nach dieser von der Rechtsprechung entwickelten Definition können einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen zusammen genutzt werden, was voraussetzt, dass sie sich an dasselbe Publikum richten. Somit kann zwischen den Waren oder Dienstleistungen, die für den Betrieb eines Handelsunternehmens erforderlich sind, einerseits und den Waren und Dienstleistungen, die dieses Unternehmen herstellt oder erbringt, andererseits kein Ergänzungsverhältnis bestehen. Diese beiden Gruppen von Waren oder Dienstleistungen werden nicht zusammen genutzt, da die Waren und Dienstleistungen der ersten Gruppe vom betroffenen Unternehmen selbst, die Waren und Dienstleistungen der zweiten Gruppe aber von dessen Kunden genutzt werden.

Die Klägerin räumt zwar ein, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen sich nicht an dieselben Endadressaten richten, macht aber geltend, dass hier eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könne, da die von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen allein dazu bestimmt seien, die Erbringung der von der streitigen Marke erfassten Auskunfts-, Buchungs- und Reservierungsleistungen zu ermöglichen. Im Allgemeinen wisse das durch diese Dienstleistungen angesprochene Publikum nicht, wer die erforderliche Software entwickelt habe, und es könne bei den im Internetauftritt der Streithelferin enthaltenen Informationen auch nicht zwischen den von der Streithelferin selbst stammenden Informationen und den Informationen unterscheiden, die auf die Software oder die Dienstleistungen zurückzuführen seien, die ein - wie die Klägerin - auf Datenverarbeitung spezialisiertes Unternehmen geliefert oder erbracht habe. Schließlich seien im Internetauftritt der Streithelferin die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen mit den von der älteren Marke erfassten fraglichen Waren und Dienstleistungen verschmolzen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die betriebliche Herkunft der Software und der informationstechnischen Leistungen, die den Internetauftritt der Streithelferin ermöglichen, im Allgemeinen für das Publikum, das durch die von der streitigen Marke erfassten, in diesem Internetauftritt angebotenen Dienstleistungen angesprochen werde, nicht im Geringsten von Interesse sind. Für dieses Publikum stellt der Internetauftritt der Streithelferin lediglich ein Hilfsmittel zur Online-Reservierung von Reisen und Unterkünften dar. Worauf es ankommt, ist, dass der Auftritt gut funktioniert, und nicht, wer die Software geliefert und die informationstechnischen Leistungen erbracht hat, die für den Auftritt erforderlich sind.

Wenn aber einzelne Kunden der Streithelferin die betriebliche Herkunft der für den Internetauftritt der Streithelferin erforderlichen Software und der Dienstleistungen, durch die diese Software entwickelt und designt wurde, hinterfragen, können sie - wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat - zwischen dem spezialisierten Unternehmen, das diese Waren und Dienstleistungen liefert oder erbringt, und der Streithelferin, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Tourismus- und Reisebranche im Internet erbringt, unterscheiden. Da die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen per definitionem ausschließlich über das Internet erbracht werden, ist anzunehmen, dass die Kunden der Streithelferin zumindest über Grundkenntnisse der Datenverarbeitung verfügen. Sie sind sich daher bewusst, dass die Einführung eines Online-Reservierungssystems nicht von einem beliebigen Computernutzer vorgenommen werden kann und dass dafür eine Software und Dienstleistungen zur deren Entwicklung und Design erforderlich sind, die von einem spezialisierten Unternehmen geliefert und erbracht werden.

Die Behauptung der Klägerin, die Kunden der Streithelferin könnten die von dieser selbst stammenden Informationen nicht von denen unterscheiden, die auf die Software und die von der älteren Marke erfassten Computerdienstleistungen zurückzuführen seien, trifft ebenfalls nicht zu. Die Informationen, die die Kunden der Streithelferin interessieren könnten, betreffen die Modalitäten einer Reise, die Verfügbarkeit von Unterkünften und deren Preis. Die von der streitigen Marke erfassten Dienstleistungen bestehen gerade im Bereitstellen dieser Informationen. Die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen dienen lediglich der Weitergabe dieser Informationen und übertragen selbst keine weiteren gesonderten Informationen an die Betroffenen.

Schließlich beanstandet die Klägerin die Bezugnahme in der angefochtenen Entscheidung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 12. Mai 2006, das die Streithelferin im Verfahren vor der Beschwerdekammer angeführt hatte. In diesem Urteil kam das Oberlandesgericht Dresden, das über einen Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Streithelferin wegen eines markenrechtlichen Verstoßes zu entscheiden hatte, zu dem Ergebnis, dass Software und Dienstleistungen zur Entwicklung und Design von Software und die Dienstleistungen, die sich dieser Software bedienten, nicht ähnlich seien, da den Verkehrskreisen bewusst sei, dass weite Bereiche der Dienstleistungen elektronisch gestützt erbracht würden. In Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung schließt sich die Beschwerdekammer der Argumentation und dem Ergebnis des fraglichen Urteils in vollem Umfang an.

Die Klägerin macht jedoch geltend, dass durch diese Bezugnahme die unzutreffende Feststellung der Beschwerdekammer bestätigt werde, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien. Nach Ansicht der Klägerin betrifft das vom Oberlandesgericht Dresden in seinem oben angeführten Urteil erwähnte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2003 (I ZR 103/01, GRUR 2004, S. 241) eine Rechtssache, in der die Art der Übertragung bestimmter Informationen und Aufträge, nämlich ihrer Übertragung mittels eines computergestützten Systems oder auf andere Weise, etwa auf dem gewöhnlichen Postweg, als unerheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits angesehen wurde. Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich hiervon, da die von der streitigen Marke erfassten fraglichen Dienstleistungen ausschließlich über das Internet erbracht würden.

Wie oben ausgeführt wurde, reicht allein der Umstand, dass die von der streitigen Marke erfassten fraglichen Dienstleistungen der Streithelferin ausschließlich über das Internet erbracht werden, nicht aus, um von einer Ähnlichkeit zwischen diesen Dienstleistungen und den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen auszugehen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin wird somit durch die Bezugnahme auf das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden in der angefochtenen Entscheidung keineswegs nachgewiesen, dass das Ergebnis betreffend die fehlende Ähnlichkeit zwischen den durch die einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen falsch sei. Dies gilt, ohne dass zu prüfen wäre, ob das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ordnungsgemäß angewendet hat, denn diese Frage fällt nicht unter die Zuständigkeit des Gerichts und ist jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich.

Nach alledem ist der einzige Klagegrund der Klägerin als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

Da der einzige von der Klägerin zur Begründung ihrer Klage geltend gemachte Klagegrund zurückgewiesen wird, ist die Klage auf jeden Fall als unbegründet abzuweisen, ohne dass über die vom HABM und von der Streithelferin in ihren Klagebeantwortungen geltend gemachten Einreden der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C-23/00 P, Slg. 2002, I-1873, Randnr. 52, und vom 23. März 2004, Frankreich/Kommission, C-233/02, Slg. 2004, I-2759, Randnr. 26). ...



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