Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Naumburg Urteil vom 13.07.2007 - 10 U 14/07 (Hs) - Das Indiz "Vielzahl der Abmahnungen" ist aber allein nicht geeignet, um den Missbrauchstatbestand in einer umfassenden Abwägung zu begründen.
 

 

Home  |   Gesetze  |   Verkehrslexikon  |   Datenschutz  |   Impressum  |      

 





 

Abmahnung - Abmahnungskosten - Rechtsmissbrauch - Wettbewerbsverstöße

OLG Naumburg v. 13.07.2007: Das Indiz "Vielzahl der Abmahnungen" allein ist nicht geeignet, um den Missbrauchstatbestand in einer umfassenden Abwägung zu begründen. Nach §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG kann jeder Mitbewerber andere Mitbewerber bei einer Zuwiderhandlung auf Beseitigung und gegebenenfalls auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Eine zahlenmäßige Beschränkung sieht das Gesetz nicht vor. Daraus folgt, dass ein Wettbewerber auch eine Vielzahl von Mitbewerbern belangen kann, wenn sich eben eine Vielzahl von Mitbewerbern wettbewerbswidrig verhält.

Das OLG Naumburg (Urteil vom 13.07.2007 - 10 U 14/07 (Hs)) hat entschieden:
Das Indiz "Vielzahl der Abmahnungen" allein ist nicht geeignet, um den Missbrauchstatbestand in einer umfassenden Abwägung zu begründen. Nach §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG kann jeder Mitbewerber andere Mitbewerber bei einer Zuwiderhandlung auf Beseitigung und gegebenenfalls auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Eine zahlenmäßige Beschränkung sieht das Gesetz nicht vor. Daraus folgt, dass ein Wettbewerber auch eine Vielzahl von Mitbewerbern belangen kann, wenn sich eben eine Vielzahl von Mitbewerbern wettbewerbswidrig verhält.
Aus den Entscheidungsgründen:

"... 2. ... Der Senat folgt der rechtlichen Würdigung des Landgerichts München insoweit nicht.

28 a) Von einem Missbrauch i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich gesehen nicht schutzfähige Interessen und Ziele sind. Ein Fehlen oder ein gänzliches Zurücktreten legitimer wettbewerblicher Ziele ist indessen nicht erforderlich; die sachfremden Erwägungen müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, allerdings überwiegen und den beherrschenden Zweck der Rechtsverfolgung darstellen (BGH „Mega Sale WRP 2006, 354 ff.; OLGR Naumburg, 2006, 499 f. jeweils m. w. N.). Ob ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, ist unter der umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Falles festzustellen.

Indizien für ein Rechtsmissbrauch können sein: ein systematisches, massenhaftes Vorgehen, eine enge personelle Verflechtung zwischen dem Abmahnenden und dem beauftragten Anwalt, eine weit überhöht in Ansatz gebrachte Abmahngebühr, und kein nennenswertes wirtschaftliches Eigeninteresse.

b) Von den genannten Indizien findet sich im vorliegenden Fall nur die "Vielzahl der Abmahnungen". Dieses Indiz ist aber allein nicht geeignet, um den Missbrauchstatbestand in einer umfassenden Abwägung zu begründen.

Nach §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG kann jeder Mitbewerber andere Mitbewerber bei einer Zuwiderhandlung auf Beseitigung und gegebenenfalls auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Eine zahlenmäßige Beschränkung sieht das Gesetz nicht vor.

Daraus folgt, dass ein Wettbewerber auch eine Vielzahl von Mitbewerbern belangen kann, wenn sich eben eine Vielzahl von Mitbewerbern wettbewerbswidrig verhält. Dass damit finanzielle Nachteile für den Gegner und Einnahmen für die Anwälte beider Parteien verbunden sind, liegt in der Natur der Sache. Der Abmahnende selbst hat jedenfalls keine finanziellen Vorteile. Immerhin trägt er bei Zahlungsunfähigkeit des Gegners das Risiko, für die Gerichts- und Anwaltskosten zu haften (Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 12. Dezember 2006, Az.: 6 W 2908/06, GRUR-RR 2007, 55).

Bei einem Markt, der sich so in Bewegung befindet, wie der Vertrieb von Computerteilen über das Internet, ist es angesichts der erst in jüngerer Zeit eingeführten Belehrungsvorschriften, nicht verwunderlich, wenn die gesetzlichen Vorgaben noch nicht in allen Fällen beachtet werden. Der Gesetzgeber selbst hat weder eine staatliche Institution geschaffen, um die Einhaltung dieser Vorgaben zu kontrollieren, noch den Unterlassungsanspruch zahlenmäßig begrenzt. Es wäre systemwidrig, wenn ein Unternehmer nur wenige Mitbewerber abmahnen dürfte.

Nach der von der Verfügungsklägerin in Bezug genommenen Berufungsbegründung, gegen die fragliche Entscheidung des Landgerichts München I, hat sie bei einem Jahresumsatz von ca. 50 Millionen Euro und ca. 100 Mitbewerber abgemahnt. Das Verhältnis zwischen Umsatz und Abmahnverhalten gibt daher keinen Anlass, einen Missbrauch anzunehmen.

Darüber hinaus setzt die Verfügungsklägerin verschiedene Anwälte für die Abmahnungen ein. Insofern ist auch nicht zu sehen, dass ihr Verhalten alleine dazu dient, einem Anwalt besondere Einnahmen zu verschaffen.

Auch der von der Verfügungsklägerin angenommene Streitwert kann, angesichts der im Wettbewerbsrecht üblichen Sätze, nicht als weit überhöht bezeichnet werden.

Schließlich ist auch die Ausnutzung des "fliegenden" Gerichtsstandes des §§ 14 Abs. 2 UWG, 35 ZPO keine unzulässige Rechtsausübung. Die Gerichtswahl nach § 35 ZPO kennt grundsätzlich keine Einschränkung.

Zwar mag die Verfügungsklägerin auf diese Weise die Rechtsprechung verschiedener Gerichte sozusagen "testen". Die gesetzlichen Vorschriften eröffnen ihr jedoch diese Möglichkeiten. Im übrigen liegt die Befassung verschiedener Gerichte mit diesen Fragen im Interesse der Allgemeinheit. Denn auf diese Weise wird eine schnellere Klärung der Rechtsfragen vorbereitet.

Der Senat sieht nicht, dass hier das Wettbewerbsrecht "als Mittel des Angriffs" gegen Wettbewerber eingesetzt wird oder werden könnte. Zum einen hätte es den Mitbewerbern freigestanden, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, um diese Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Zum anderen liegt die Streitwertfestsetzung und damit die Kosten, die durch die Verfahren verursacht werden, zum größeren Teil in der Hand der Gerichte. Durch die Gerichtswahl des Anspruchsstellers werden daher letztlich nur Reisekosten der Anwälte verursacht. ..."




Datenschutz Impressum