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00000 Landgericht Berlin Urteil vom 12.01.2011 - 97 O 178/10 - Händler haftet für Angaben ausländischer Hersteller

LG Berlin v. 12.01.2011: Händler haftet für Angaben ausländischer Hersteller


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 12.01.2011 - 97 O 178/10) hat entschieden:

   Ein Händler, der ausländische Produkte verkauft, haftet für die Angaben, die der ausländische Hersteller macht, jedenflalls dann, wenn der Händler mit diesen Angaben ausdrücklich wirbt, die verspirochenen Leistengen aber tatsächlich nicht erreicht.



Siehe auch Gewährleistung - Haftung für Mängel im Internethandel und xxx


Tenor:


In dem einstweiligen Verfügungsverfahren ...

hat die Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2011 durch ... für Recht erkannt:

  1.  Die einstweilige Verfügung vom 2. September 2010 wird bestätigt.

  2.  Die Antragsgegnerin hat die weiteren Verfahrenskosten zu tragen.


Tatbestand:


Die Parteien sind Mitbewerber beim Vertrieb von kompatiblen Ersatzakkus für Notebooks als Alternative zu teureren Markenakkus. Die Antragsgegnerin bewarb Ersatzakkus mit einer Kapazitätsangabe von beispielsweise 5200 mAh entsprechend den Angaben auf dem Gehäuse, tatsächlich lagen die jeweiligen Kapazitäten deutlich niedriger, im Beispielsfall bei 4000 mAh. Der tatsächliche Wert kann sowohl mit einem technischen Hilfsmittel ausgelesen als auch nach Öffnung des Gehäuses dem Aufdruck von 2000 mAh im Beispielsfall auf jeder der beiden eingebauten Zellen entnommen werden. Diese Abweichung entspricht 23,1 %, bei anderen von der Antragsgegnerin angebotenen Eratzakkus betrug sie teils weniger, teils bis zu 27 %. Die Abmahnung der Antragstellerin wies die Antragsgegnerin u. a. mit einem Hinweis auf zulässige Toleranzen zurück.

Die Antragstellerin hält die Werbung der Antragsgegnerin für irreführend und erachtet deren Verteidigungsvorbringen als unbehelflich. Sie führt aus, chinesische Hersteller derartiger Ersatzakkus würden als Kapazitätsangabe auf dem Gehäuse den Aufdruck der Originalhersteller wählen und es dann ihrem späteren Abnehmer bzw. dem Verkäufer überlassen, welche Kapazität eingebaut und wie dafür gegenüber dem Endkunden geworben werde. Sie beruft sich als weiteren Beleg für die Abweichungen auf den Prüfbericht eines Labors.

Auf ihren Antrag ist der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung vom 2. September 2010 unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden,

   im geschäftlichen Verkehr innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Akkumulatoren (kurz „Akkus“) zum Verkauf anzubieten und/oder zu bewerben und dabei Ladekapazitätsangaben zu machen und/oder machen zu lassen (Nenn-Kapazitäten), die höher sind als die mit Laborgerät messbare tatsächliche Ladekapazität des jeweils angebotenen Akkus (Ist-Kapazität), insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:
   [folgt eine Abbildung]



Gegen die ihr im Partei betrieb zugestellte einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt, auf deren Antrag das Verfahren an die Kammer für Handelssachen verwiesen worden ist.

Die Antragstellerin beantragt,

   wie erkannt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung vom 2. September 2010 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Sie meint, keine irreführenden Angaben über die von ihr beworbenen Ersatzakkus gemacht zu haben. Eine Abweichung von 17 % bis 27 % sei nicht erheblich. Ausweislich der DIN EN 61960 sei eine Abweichung von 30 % zulässig. Der von der Antragstellerin eingeholte Prüfbericht sei untauglich, weil er nicht die DIN-Norm zugrunde gelegt habe, was sie im Einzelnen ausführt. Sie habe die Ersatzakkus nicht willentlich mit der tatsächlich niedrigeren Kapazität angeboten und zu keinem Zeitpunkt bewusst Akkus mit abweichender Kapazität bestellt oder erhalten. Sie dürfe als Händlerin den Angaben des Herstellers auf den Akkus folgen und ohne entgegenstehende Hinweise gebe es keine Notwendigkeit, jeden Ersatzakku auf die Einhaltung der Kapazitätsangaben zu überprüfen. Im Übrigen sei eine Irreführung ausgeschlossen, weil die Adressaten ihrer Werbung von derartigen Ersatzakkus keine gleichwertige Leistung wie beim Originalhersteller verlangten. Entscheidend sei nur die Kompatibilität, die Abweichung sei mangels konkreter Auswirkung nicht von Bedeutung, wozu sie sich auf den Artikel einer Fachzeitschrift beruft (Ablichtung Anlage AG 3).

Wegen des übrigen Sach- und Verfahrensstandes wird ausdrücklich auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Auf den statthaften Widerspruch der Antragsgegnerin ist die einstweilige Verfügung vom 2. September 2010 zu bestätigen, weil sie zu Recht ergangen ist, §§ 924 f ZPO.

Dem Antragsteller steht wegen der verfahrensgegenständlichen Werbung ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen Irreführung aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG gegen die Antragsgegnerin zu. Durch die Abweichung der sich nach dem Gehäuseaufdruck ergebenden 5011Kapazität von der niedrigeren Ist-Kapazität werden die angesprochenen Verkehrskreise irregeführt.

Eine Angabe ist irreführend im Sinne von § 5 UWG, wenn sie eine unzutreffende Wirkung ausübt, das heißt den von ihr angesprochenen Verkehrskreisen einen unrichtigen Eindruck vermittelt. Entscheidend ist das Verkehrsverständnis, wobei es darauf ankommt, welche Vorstellung die beanstandete Aussage hervorruft und ob dieser Eindruck mit der Wirklichkeit übereinstimmt. An der Verbreitung einer objektiv unwahren Angabe, die geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums zu beeinflussen, besteht von vornherein kein schützenswertes Interesse (vgl. BGH GRUR 2002,715,716 – Scanner-Werbung; GRUR 1992,171,172 – Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag; Köhler/Bornkamm. UWG. 29. Aufl., § 5 Rdnr. 2.69 ff. m.w.N.).

Die Ist-Kapazität der von der Antragsgegnerin beworbenen Netzakkus weicht um bis zu 27 % von der Soll-Kapazität ab, die auf dem für den Verkehr allein wahrnehmbaren Gehäuse aufgedruckt und noch dazu von der Antragsgegnerin in ihrer Werbung mit besonderer Schriftgröße herausgestellt ist. Diese Abweichung erachtet die von der Antragsgegnerin angeführte DIN EN 61960 entgegen ihrer Auffassung nicht für zulässig, ohne dass über den Anwendungsbereich dieser DIN entschieden werden müsste. Nach Ziffer 7.2.1 der DIN darf beim Entladeverhalten bei 20 Grad Celsius die abgegebene Kapazität nicht weniger als 100 % der vom Hersteller angegebenen Bemessungskapazität betragen. Die von der Antragsgegnerin angeführten Abweichungen von 30 % betreffen andere Prüfgegenstände wie Kapazität bei minus 20 Grad Celcius, Schnellentladekapazität usw., was sich aus den weiteren Unterpunkten der Ziffer 7 und der Tabelle 3 der DIN ergibt. Die Abweichung der Ist- von der Soll-Kapazität ist auch für die angesprochenen Verkehrskreise relevant, weil sie mangels entgegenstehender Hinweise davon ausgehen, dass die beworbenen Ersatzakkus nicht nur die Kompatibilität zum Notebook anstelle des Originalakkus, sondern auch die sich aus dem Gehäuseaufdruck ergebende Kapazität aufweisen. Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Antragsgegnerin selbst eingereichten Artikel einer Fachzeitschrift, der sich unter dem Untertitel „Ersatzakkus fürs Notebook: Original oder billige Kopie?“ mit der Thematik befasst und von einer gleichen Erwartungshaltung der angesprochenen Verkehrskreise ausgeht.




Die Antragsgegnerin ist Schuldnerin des Unterlassungsanspruchs, weil sie eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung mit ihrer Werbung vorgenommen hat, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG. Der Unterlassungsanspruch ist verschuldensunabhängig. Sie ist auch dann Täterin, wenn sie nicht von den Kapazitätsabweichungen der einzelnen verfahrensgegenständlichen Akkus wusste.

Täter ist zunächst, wer durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand des § 3 kausal und zurechenbar verwirklicht, wobei die Haftung für die Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten täterschaftliehe Haftung ist (vgl. Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 8 Rdnr. 115). Die Verletzung kann sowohl durch positives Tun als auch durch pflichtwidriges Unterlassen bei Verletzung u. a. einer lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht begangen werden. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen (vgl. BGH GRUR 2007, 890 Tz 36 – Jugendgefährdende Medien bei eBay). Bestehen und Umfang einer Prüfungspflicht richten sich nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Entscheidend ist. ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH a. a. 0.; GRUR 2001, 1038, 1039 ff. – ambiente.de).

Falls die Antragsgegnerin die konkreten Kapazitätsabweichungen ihrer angebotenen Ersatzakkus nicht gekannt haben sollte, so war sie durch den Vertrieb und die herausgestellte Werbung mit der aufgedruckten Kapazität an der Interessensverletzung zu Lasten der Käufer, die einen Ersatzakku mit geringerer Kapazität erhalten, beteiligt. Als Händlerin kompatibler Ersatzakkus, die deutlich günstiger als die diejenigen der Originalhersteller sind, trifft sie aufgrund der konkreten Umstände in diesem Markt eine proaktive Prüfungspflicht. Die Thematik – noch dazu deutlich – niedrigerer IstKapazität derartiger Ersatzakkus ist seit einiger Zeit im Markt bekannt, wie nicht zuletzt der von der Antragsgegnerin vorgelegte Artikel der Fachzeitschrift belegt und wovon sie als Fachhändlerin zeitnah Kenntnis erlangt haben muss. Entscheidend ist vorliegend zudem, dass die Ist-Kapazität vom Fachhändler einfach und ohne besonderen finanziellen Aufwand mittels eines technischen Hilfsmittels ausgelesen werden kann. Hinzu kommt schließlich, dass die anderen Marktteilnehmer gegen die zumeist in fernen Ländern ansässigen Hersteller nicht oder nur erschwert vorgehen können. Wie weit die Prüfungspflicht in Bezug auf derartige Ersatzakkus geht – stichprobenartig oder flächendeckend -, kann dahingestellt bleiben, weil die Antragsgegnerin unstreitig keinerlei Prüfungen vorgenommen hat.



Selbst wenn man eine proaktive Prüfungspflicht verneinen wollte, steht der Antragstellerin dennoch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, weil er bereits dann nach § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG gegeben ist, wenn eine Zuwiderhandlung gegen §§ 3, 5 UWG droht. Die bevorstehende Rechtsverletzung ergibt sich aus der eigenen Einlassung der Antragsgegnerin in ihrer Antwort auf die Abmahnung sowie nochmals bekräftigend in ihrer Widerspruchsbegründung, eine Abweichung von bis zu 27 % sei durch eine DIN-Norm gedeckt. Dadurch hat sie zu erkennen gegeben, trotz Kenntnis der Sachlage unter Aufrechterhaltung einer unzutreffenden Auffassung die verfahrensgegenständliche Werbung weiter verbreiten zu wollen, weshalb ein Wettbewerbsverstoß unmittelbar droht. Damit hat sie gegen die lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht verstoßen, ihr nunmehr bekannte Wettbewerbsverletzungen, auf die sie wie vorliegend durch Dritte hingewiesen worden ist, abzustellen. Ob sich ihre Verantwortlichkeit zusätzlich aus der Anwendung der von der Antragstellerin angeführten §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 GPSG, § 2 Batteriegesetz ergibt, kann nach alledem dahingestellt bleiben.

Der Unterlassungsantrag ist auch in dem gestellten Umfang über die verfahrensgegenständlichen Angebote hinaus begründet, weil die von einer konkreten Verletzungshandlung ausgehende Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr sonstige künftige, leicht abgewandelte Verletzungshandlungen mit umfasst, die im Kern oder Wesen der konkreten Verletzungshandlung entsprechen. Dies hat seinen Grund darin, dass eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten lässt, sondern auch eine Vermutung für die Begehung leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleiche Handlungen begründet (vgl. BGH GRUR 2002. 187 – Lieferstörung: GRUR 1996, 800 – EDV-Geräte).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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