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Landgericht Heilbronn Urteil vom 23.4.2007 - 8 O 90/07 - Zur Einhaltung der Textform durch Möglichkeit der Speicherung auf der Festplatte und zur rechtsmissbräuchlichen Abmahnung

LG Heilbronn v. 23.04.2007: Zur Einhaltung der Textform durch Möglichkeit der Speicherung auf der Festplatte und zur rechtsmissbräuchlichen Abmahnung


Das Landgericht Heilbronn (Urteil vom 23.4.2007 - 8 O 90/07 St) hat entschieden:

  1.  Die Speicherung eines Textes auf einer Internet-Seite genügt den Anforderungen an die Textform, denn der entsprechende Text ist vorbehaltlich einer Änderung oder Löschung durch die zugriffsbefugte Person zunächst einmal perpetuiert. Das bloße Aufrufen der Internet-Seite stellt jedoch keine "Mitteilung" in Textform i.S.d. § 355 Abs. Satz 2 BGB dar, weil eine Zwischenspeicherung auf der lokalen Festplatte des Verbrauchers nicht zwingend gewährleistet ist, und es im Übrigen zweifelhaft erscheint, ob eine solche Zwischenspeicherung im Cache des Rechners des Verbrauchers bereits als eine "Mitteilung" angesehen werden kann.

  2.  Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen der unvollständigen Widerrufsbelehrung auf der Internet-Seite eines Versandhändlers auf der Internet-Plattform eBay ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig, wenn der Prozessbevollmächtigte des Abmahnenden im Internet kostenneutrale Abmahnungen von eBay-Verkäufern anbietet, und der Umfang der Abmahnungen in keinem Verhältnis zu den Umsätzen des Abmahnenden steht.




Siehe auch
AGB und
Textform


Zum Sachverhalt:


Die Verfügungsklägerin macht im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens Unterlassungsansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wegen angeblich unrichtiger Information über ein Widerrufsrecht im Zusammenhang mit Versandgeschäften der Verfügungsbeklagten im Internet geltend.

Die Verfügungsbeklagte betreibt einen Internetversandhandel über eBay. Sie hat bei verschiedenen Angeboten folgendermaßen über ein Widerrufsrecht belehrt:

   „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen ..."

Die Verfügungsbeklagte trägt vor: Ein Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin bestehe nicht. Vielmehr sei die Widerrufsbelehrung der Verfügungsbekl. vollständig und zutreffend. Ein von einem Anbieter in eBay abgegebenes Angebot (nebst Widerrufsbelehrung) sei von diesem textlich nur noch sehr eingeschränkt durch Hinzufügungen, nicht aber durch Löschungen änderbar. Insoweit sei die für eine Annahme der Textform hinreichende Perpetuierung des Texts eingetreten. Hinzu komme, dass im Falle des Aufrufens einer Internetseite durch den Verbraucher die diesbezüglichen Dateien in den sog. Cache des Rechners geladen würden und dort auch verfügbar blieben, bis der Nutzer diese lösche. Insofern sei es hierdurch auch i.S.d. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB zu einer hinreichenden Mitteilung der Widerrufsbelehrung an den Verbraucher in Textform gekommen, und zwar im zeitlichen Zusammenhang mit dem, folglich nicht erst nach dem Vertragsschluss.

Jedenfalls sei die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch die Verfügungsklägerin i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin biete nämlich in einem Forum bei eBay seit dem 27.3.2006 unter einem Pseudonym kostenneutrale Abmahnungen von eBay-Verkäufern an. Seitdem sei er für die Verfügungsklägerin in einer kaum noch zu übersehenden Zahl, jedenfalls in mehr als 50 Abmahnfällen in Wettbewerbssachen tätig geworden. Die Zahl stehe in keinem Verhältnis zum Umfang des von der Verfügungskl. betriebenen Gewerbes.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen. Zwar ist die beanstandete Widerrufsbelehrung der Verfügungsbeklagten tatsächlich unkorrekt, nämlich zumindest unvollständig und damit grds. wettbewerbswidrig (vgl. unten zu 1.) Der Verfügungsklägerin ist die Geltendmachung eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs jedoch gem. § 8 Abs. 4 UWG untersagt, weil diese sich nach den Gesamtumständen als rechtsmissbräuchlich darstellt (vgl. unten zu 2.).

1. Die beanstandete Widerrufsbelehrung der Verfügungsbeklagten, wonach der potenzielle Käufer von Waren der Verfügungsbeklagten im Versandhandel seine Vertragserklärung (stets nur) innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform oder durch Rücksendung der Ware widerrufen könne, ist unkorrekt/unvollständig und damit grds. wettbewerbswidrig. Denn es sind nicht von vornherein Fälle auszuschließen, in denen es erst nach Vertragsschluss zur Mitteilung der Widerrufsbelehrung an den Käufer in der geforderten Textform kommt, sodass dann die Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat beträgt.




a) Dabei genügt zwar die Speicherung eines Texts auf einer Internetseite für sich gesehen durchaus den Anforderungen an die Textform i.S.d. § 126b BGB. Denn der entsprechende Text ist vorbehaltlich einer Abänderung oder Löschung durch die zugriffsbefugte Person zunächst einmal perpetuiert.

b) Eine „Mitteilung" in Textform i.S.d. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB an den Verbraucher setzt jedoch begrifflich voraus, dass diesem „ein Exemplar der Belehrung verbleiben muss" (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 355 Rdnr. 20), d.h. im Falle eines Internettexts eine hinreichende Perpetuierung im Zugriffsbereich des Verbrauchers eingetreten ist.

Davon kann bei einem bloßen Aufrufen der Internetseite durch den Verbraucher nicht stets ausgegangen werden. Soweit die Verfügungsbeklagte ausführt, bereits beim Aufrufvorgang würden die diesbezüglichen Dateien in den sog. Cache des Rechners des Verbrauchers geladen und dort verfügbar bleiben, ist dies keinesfalls zwingend. Vielmehr gibt es Browser, d.h. spezielle Computerprogramme, die auf eine Zwischenspeicherung des Texts auf der lokalen Festplatte des Verbrauchers verzichten. Auch erscheint es zweifelhaft, ob eine mögliche Zwischenspeicherung im Cache des Rechners des Verbrauchers bereits als „Mitteilung" im dargestellten Sinne angesehen werden kann.

2. Die Geltendmachung eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs durch die Verfügungsklägerin ggü. der Verfügungsbeklagten ist jedoch nach den Gesamtumständen rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig.

Die Verfügungsbeklagte hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin als „Abmahnanwalt" im eigenen Kosteninteresse auftritt und aktiv bei potenziellen Wettbewerbern für eine entsprechende Abmahntätigkeit gegen Verkäufer im Internetversandhandel unter Zusicherung der Kostenneutralität wirbt. Gegenüber der umfangreichen Abmahntätigkeit tritt das Wettbewerbsinteresse der Verfügungsklägerin zurück.



Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

a) Die Verfügungsbeklagte hat insbesondere glaubhaft gemacht, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungskl. seit dem 27.3.2006 in einem Forum bei eBay unter dem Pseudonym „..." kostenneutrale Abmahnungen von eBay-Verkäufern anbietet. [...]

b) Nach den Gesamtumständen liegt es nahe, dass die vom Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin für diese geführten Abmahnverfahren, auch das streitgegenständliche, auf dessen offensive Abmahnwerbung zurückzuführen sind. Hierfür spricht der zeitliche Zusammenhang zum Internetangebot des Verfahrensbevollmächtigten v. 27.3.2006 und die relativ große Zahl von mehr als 50 Abmahnverfahren seit diesem Zeitpunkt. ... Dem dürfte ... bei 5.362 Bewertungen für den Onlineshop der Verfügungsklägerin im vergleichbaren Zeitraum angesichts deren Angebotspalette im Billigpreissektor eine eher geringfügigere wirtschaftliche Tätigkeit gegenüberstehen. Hinzu kommt, dass jedenfalls die streitgegenständliche Problematik zumindest aus Sicht eines Wettbewerbers eher als „spitzfindig" beurteilt werden dürfte und wohl nur von einem einschlägig fachkundigen Juristen bemerkt und festgestellt werden konnte. Entsprechend ist der Wettbewerbsverstoß der Verfügungsbeklagten, auch wenn Verbraucherinteressen berührt werden, als nicht besonders gravierend einzustufen. Dies alles spricht dafür, dass die Initiative hinsichtlich der für die Verfügungsklägerin geführten Abmahnverfahren vorrangig aus anwaltlichem Gebühreninteresse von deren Verfahrensbevollmächtigten ausgegangen ist. Die Verfügungsklägerin hat trotz gerichtlicher Nachfrage nichts Gegenteiliges zu den Umständen der Mandatserteilung an ihren Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen. ..."

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