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OLG Stuttgart Urteil vom 19.11.2009 - 2 U 47/09 - Blickfangmäßige Rabattankündigung mit einschränkendem Sternchenhinweis

OLG Stuttgart v. 19.11.2009: Blickfangmäßige Rabattankündigung mit einschränkendem Sternchenhinweis


Das OLG Stuttgart (Urteil vom 19.11.2009 - 2 U 47/09) hat entschieden:
  1. Das Wort „alle“ in der Werbung mit "30% Rabatt auf alle * Gleitsichtbrillen" sprachlich eindeutig und keiner Erläuterung zugänglich. Der angefügte Hinweis, dass der Rabatt auf den Einsatz von Gleitsichtgläsern in die Fassung bestimmter Marken beschränkt ist, stellt inhaltlich keine Erläuterung dar, sondern eine unzulässige Einschränkung.

  2. Wenn eine Rabattankündigung (hier: Für alle ab 60: ... 30% Rabatt auf alle * Gleitsichtbrillen ...), da sie drucktechnisch aus ihrer Umgebung heraussticht, die gesamte Werbung dominiert und deren Blickfang bildet, ändert daran ein beigefügtes Hinweiszeichen (Sternchenhinweis oder vergleichbarer Zusatz) nichts, wenn der für einen am Blickfang teilnehmenden Hinweis unabdingbare eindeutige Zusammenhang zu den herausgestellten Angaben nicht gewahrt ist. Dies ist der Fall, wenn die Erläuterung sich zwar auf derselben Seite findet, sie aber drucktechnisch so in den nebenstehenden Text eingebaut ist, dass ein erheblicher Teil der Leser über 60 Jahre, auf die es rechtlich ankommt, das Erläuterungszeichen überhaupt nicht wahrnimmt oder nicht als Erläuterung des Blickfanges auffasst. Dies gilt insbesondere, wenn das Erläuterungszeichen nicht isoliert, sondern in einem Fließtext steht.



Siehe auch Brillen - Sehhilfen - Optikerprodukte und Sternchenhinweise in Werbung und Webdesign


Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Unterlassung auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Teil-​Anerkenntnis- und Schluss-​Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ellwangen vom 22. Mai 2009 (GA 44/51) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Jedoch muss es auf Seite 5 des Urteils heißen: „Die am 6. April 2009 eingereichte Klage (…)“. Es handelt sich um ein offensichtliches Schreibversehen in der Jahreszahl.

Das Landgericht hat die Beklagte ihrem Teilanerkenntnis entsprechend zu einer Unterlassung verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt:

Die in das landgerichtliche Urteil aufgenommene, angegriffene Werbung (K 3 = GA 6) sei nicht irreführend, da der maßgebliche durchschnittlich informierte, verständige und in der Situation, in der er mit der Werbung konfrontiert werde, entsprechend aufmerksame, ab 60-​jährige Mensch, der eine Gleitsichtbrille benötige, in der konkreten Werbesituation ausreichend darüber informiert werde, dass der Nachlass nur für bestimmte, ausdrücklich genannte Brillenmarken gelte; die Werbung sei ausreichend klar, deutlich und unmissverständlich gehalten. Sie sei an alle Haushalte mit der Tagespost verteilt worden, habe also in Ruhe studiert werden können. Beim Kauf einer Gleitsichtbrille handele es sich im Hinblick auf deren Wert, insbesondere aus Sicht älterer Menschen, um einen nur aus besonderem Anlass gebotenen Kauf, der nur jeweils im Abstand mehrerer Jahre erfolge, somit keinesfalls um ein alltägliches Geschäft. Im Hinblick darauf und auf das Alter des angesprochen Empfängerkreises der Werbung sei davon auszugehen, dass die Werbung zunächst nur oberflächlich überflogen, bei Interesse dann jedoch genauer gelesen werden werde. Dann sei, da in gleicher oranger Farbe auf schwarzem Hintergrund gehalten, trotz etwas geringerer Schriftgröße deutlich hinter dem Wort „alle" eine 2), somit eine Einschränkung oder Ergänzung, zu erkennen. Beim weiteren Lesen der Werbung, das von älteren und damit meist besonneneren Menschen in der konkreten Situation im Regelfall zu erwarten sei, werde dann klar, dass im unteren grauen Bereich die Fachgeschäfte genannt seien, in denen die beworbenen Brillen erworben werden könnten. Unmittelbar links der Blickfangwerbung sei in auch für ältere Menschen noch deutlich lesbarer Schriftgröße die schlagwortartige Werbeaussage nochmals in einem ganzen Satz gedruckt und ebenfalls mit einer 2) versehen. Die Schrift sei auch vom Kontrast her gut für über 60-​jährige Menschen erkennbar. Unmittelbar daran anschließend erfolge dann in derselben Aufmachung wie im vorhergehenden Satz die durch die 2) angekündigte Einschränkung/Ergänzung, wonach nur bestimmte Brillenmarken an der Rabattaktion teilhätten.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.

Er bringt vor:

Der durchschnittlich informierte, verständige, aufmerksame Verbraucher lese eine derart ins Auge stechende Werbung nicht wissenschaftlicher Arbeitsweise entsprechend und beschäftige sich nicht mit dem Kleingedruckten, sondern nur noch mit der Tatsache, wo er denn eine derart günstige Gleitsichtbrille erwerben könne. Er informiere sich im anschließenden Text, wenn er dies nicht schon vorher wisse, über die für ihn am nächsten gelegene Verkaufsstelle.

Allein das Wort "alle" sei mit einer Fußnote versehen, die von dem durch die Werbung begeisterten Durchschnittsverbraucher leicht überlesen werde, worauf es möglicherweise allerdings nicht ankomme.

Die blickfangmäßige Werbeaussage sei unrichtig, da nicht auf alle Gleitsichtbrillen ein 30 %-​iger Rabatt gewährt werde, sondern nur für wenige Gestelle verschiedener relativ unbekannter Hersteller.

Eine irrtumausschließende Aufklärung einer unrichtigen Blickfangwerbeaussage könne nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen, der am Blickfang selbst teilhabe und dadurch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben wahre.

Die blickfangmäßige Herausstellung des 30 %-​Rabattes werde noch gelesen mit dem Zusatz, dass dieser Rabatt auf alle Gleitsichtbrillen gewährt werde. Die Fußnote sei nicht geeignet den Gesamteindruck zu stören; ihr Text nehme am Blickfang nicht teil. Er sei untergeordnet und enthalte im ersten Satz nur das, was in der Blickfangwerbung sowieso schon enthalten sei, so dass selbst der ihn Lesende sofort nur an eine knappe Wiederholung der Blickfangwerbung denke und von einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Text abgehalten werde.

Der Kläger beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und zu erkennen, wie nunmehr geschehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie, die erstinstanzlich die Verjährungseinrede erhoben hatte, verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages im zweiten Rechtszug wird auf die bei Gericht eingegangenen Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 05. November 2009 Bezug genommen.


II.

A

Die Berufung ist zulässig. Der Antrag ist insbesondere hinreichend bestimmt.

B

Die Berufung ist auch begründet. Dem klagebefugten Kläger steht der geltend gemachte, nicht verjährte weitere Unterlassungsanspruch zu.

1. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Gefahren gerichtet ist, ist eine Klage nur dann begründet, wenn auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Rechtslage Unterlassung verlangt werden kann und die Handlung auch zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen ist, da es andernfalls entweder an einem Wettbewerbsverstoß oder an der Wiederholungsgefahr fehlt (vgl. statt vieler BGHZ 175, 238, Tz. 14 - [ODDSET]; BGH, GRUR 2009, 79, Tz. 25 - [Gebäckpresse]).

2. Die angegriffene Werbung war sowohl zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung als auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine unlautere Wettbewerbshandlung, weil sie die werbend angesprochenen Verbraucher in erheblicher Weise irreführte (§§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 a.F.; vgl. auch Senatsurteil vom 30. Oktober 2008 - 2 U 56/08 m.w.N. zu § 4 Nr. 4 UWG). Da die Rechtslage sich insoweit nicht zugunsten der Beklagten verändert hat, sieht der Senat von Ausführungen zum neuen Recht ab.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter i.S. von § 3 UWG, wer irreführend wirbt. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung irreführend ist, sind alle ihre Bestandteile zu berücksichtigen, insbesondere in der Werbung enthaltene Angaben über den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG).

b) Bei der beanstandeten Werbung der Beklagten handelt es sich, wovon auch das Landgericht und die Parteien ausgehen, um eine Werbung mit der Herabsetzung eines Preises. Eine solche Werbung liegt nicht nur dann vor, wenn mit der Herabsetzung für einzelne Preise geworben wird, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - mit einer Reduzierung der Preise für das gesamte Sortiment oder einen Sortimentsbereich geworben wird (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 122/06 -, GRUR 2009, 788 ff. [20% auf alles], Tz. 11 ff., m.w.N.).

c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Beklagte mit der von ihr beworbenen Rabattaktion gegen § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG verstoßen. Die angegriffene Werbung enthält keine Erläuterung, die geeignet wäre, eine Irreführung durch den Blickfang zu verhindern (dazu aa). Darüber hinaus ist die Rabattauslobung schon unrichtig (nicht nur für den Verkehr missverständlich) und von daher keiner erläuternden Klarstellung zugänglich (dazu bb).

aa) Zwar ist der Verbraucher daran gewöhnt, die näheren Einzelheiten eines Angebotes in einem Sternchenhinweis oder einem vergleichbaren Zusatz zu erfahren. Vorliegend fehlt es aber schon an dem gebotenen hinreichend deutlichen Zusammenhang zwischen dem Hinweiszeichen im Blickfang und dem Hinweistext, sodass dieser nicht mehr am Blickfang Teil hat.

Die angegriffene Rabattankündigung dominiert, da sie drucktechnisch aus ihrer Umgebung heraussticht, die gesamte Werbung und bildet deren Blickfang. Daran ändert unter den gegebenen Umständen auch das beigefügte Zeichen 2 ) nichts. Der für einen am Blickfang teilnehmenden Hinweis unabdingbare eindeutige Zusammenhang zu den herausgestellten Angaben ist vorliegend nicht gewahrt. Die Erläuterung findet sich zwar auf derselben Seite, aber sie ist drucktechnisch so in den nebenstehenden Text eingebaut, dass ein erheblicher Teil der Leser über 60 Jahre, auf die es rechtlich vorliegend ankommt, das Erläuterungszeichen überhaupt nicht wahrnimmt oder nicht als Erläuterung des Blickfanges auffasst. Es steht schon nicht isoliert, sondern in einem Fließtext. Der Absatz in den es eingesetzt ist, beginnt darüber hinaus mit derselben Werbeaussage, die schon der Blickfang enthält. Dadurch hat der Leser Anlass, die Lektüre dieses Absatzes alsbald einzustellen, da er schon nach den ersten Worten erwarten darf, keine wesentlichen neuen Auskünfte über das beworbene Angebot mehr zu erhalten.

bb) Der Verbraucher, der die Rabattauslobung der Beklagten liest, hat - altersunabhängig - keinen Anlass, mit einer wie auch immer gearteten Beschränkung des Rabatts zu rechnen und rechnet auch nicht mit ihr.

aaa) Der Verkehr versteht eine Werbung, in der das gesamte Sortiment oder ein bestimmtes Teilsortiment ab einem bestimmten Zeitpunkt zu einem prozentual reduzierten Preis angeboten wird, in der Weise, dass er beim Kauf eines beliebigen Artikels aus diesem Sortiment gegenüber dem vorher geltenden Preis eine Preisersparnis in der angekündigten Höhe erzielt (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 19 u.H. auf Busche, in: MünchKomm-​UWG, § 5 Rn. 456).

bbb) Die zu beurteilende Rabattaussage ist in diesem Sinne sprachlich eindeutig, und ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs wird sie dementsprechend dahin verstehen, dass der beworbene Rabatt dem angesprochenen Personenkreis ausnahmslos auf alle Gleitsichtbrillen gewährt werde. Das Wort „alle“ ist in dem verwendeten Kontext keiner Erläuterung zugänglich (vgl. auch BGH, a.a.O., Tz. 22). Der von der Beklagten angefügte Hinweis stellt denn auch inhaltlich keine Erläuterung dar, sondern eine unzulässige Einschränkung.

d) Diese Werbung ist geeignet, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zum Nachteil der Mitbewerber oder Verbraucher zu beeinträchtigen (§ 3 UWG; Überschreiten der Bagatellgrenze; vgl. hierzu BT-​Drucks. 15/1487 S. 17). Gerade Preisnachlässe verfügen über eine stark anlockende Wirkung. Danach hat die Verletzung der gebotenen Informationspflicht vorliegend für sich schon großen wettbewerblichen Unwertgehalt. Er wird noch verstärkt und eigenständig begründet durch die von ihm ausgehende Gefahr der Nachahmung (vgl. auch BGH, a.a.O., Tz. 24, m.w.N. und Senat, a.a.O.).


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), besteht nicht.










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