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OLG Koblenz Beschluss vom 09.02.2011 - 9 W 680/10 - Zum Ausschluss des Widerrufsrechts bei Hygieneartikeln - Badeenten

OLG Koblenz v. 09.02.2011: Zum Ausschluss des Widerrufsrechts bei Hygieneartikeln - Badeenten


Das OLG Koblenz (Beschluss vom 09.02.2011 - 9 W 680/10) hat entschieden:
Die mögliche Verwendung der Badeente unterfällt nicht dem herkömmlichen Begriff der Hygiene, unter dem "die Gesundheitslehre und -fürsorge" und "die Gesamtheit aller Bestrebungen und Maßnahmen der Gesundheit zur Verhütung von Krankheiten und Gesundheitsschäden" zu verstehen ist. Ein Widerrufsausschluss für Hygieneartikel erfasst daher keine als Fanartikel vertriebenen Badeenten.




Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 8 UWG ist nicht gegeben.

Zwischen den Beteiligten besteht ein Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Der Antragsteller verkauft im Rahmen eines Online-Shops unter der Internet-Adresse www...de Badeenten im gesamten Bundesgebiet. Die Antragsgegnerin bietet über ihre Internetseite http://....de neben anderen Verkaufsartikeln ebenfalls Badeenten im gesamten Bundesgebiet an.

Der Antragsteller hat beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Badeenten zu bewerben und dabei in Bezug auf das den Verbrauchern zustehende Widerrufs- bzw. Rückgaberecht in Bezug auf "Hygieneartikel" mit dem nachfolgenden Hinweis auszuschließen:
"Bitte beachten Sie, dass entsiegelte Software, entsiegelte Datenträger sowie entsiegelte Hygieneartikel vom Rückgaberecht ausgeschlossen sind."
Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen, hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

Ein Wettbewerbsverstoß gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 8 UWG ist nicht gegeben. Die Antragsgegnerin hat keine irreführende geschäftliche Handlung vorgenommen, insbesondere hat sie in Bezug auf von ihr zum Verkauf angebotene Badeenten auf ihrer Internetseite keine zur Täuschung geeigneten Angaben über die Widerrufsrechte ihrer Kunden gemacht.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die von der Antragsgegnerin vertriebenen Badeenten von den angesprochenen Verkehrskreisen als "Hygieneartikel" im Sinne der Widerrufsbelehrung, die der Antragsteller beanstandet, angesehen werden. Der Senat vermag auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht aufgrund eigener Sachkunde festzustellen, ob die von der Antragsgegnerin als Fanartikel angebotenen Badeenten, die in den Vereinsfarben von Fußballbundesligavereinen gefärbt sind, und die Badeente "Paris" mit Federboa, die im Rahmen einer "Sommernachtstraum"-Aktion vertrieben wurde und die über eine Vibratorfunktion verfügt, nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise dem Begriff "Hygieneartikel" unterfallen oder nicht. Die weitere Prüfung, ob entsiegelte Hygieneartikel vom allgemeinen Widerrufsrecht des § 312 d BGB - wie in der Widerrufsbelehrung der Antragsgegnerin vorgesehen - ausgenommen werden dürfen oder nicht, erübrigt sich damit.

Die Frage, was unter dem Begriff "Hygieneartikel" zu verstehen ist, ist nicht zweifelsfrei zu beantworten. Eine allgemein gültige Definition dieses Begriffs existiert nicht. Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff "Hygiene" im engeren Sinn die Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten, insbesondere Reinigung, Desinfektion und Sterilisation.

Die Auffassung des Antragstellers trifft zu, dass es bei der Entscheidung der Frage, ob Badeenten als Hygieneartikel anzusehen sind, nicht darauf ankommt, welche Produkte aus ihrem Sortiment die Antragsgegnerin selbst vom Widerrufsrecht ausschließen will. Vielmehr ist das mögliche Verbraucherverständnis entscheidend. Danach reichte es aus, wenn nur ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher von einem dahingehenden Verständnis geleitet würde. Denn dann könnte dieser Teil der Verbraucher durch eine wettbewerbswidrige Widerrufsbelehrung davon abgehalten werden, sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß auszuüben.

Die Badeenten mit Bundesliga-Emblem werden ausdrücklich als Fan-Artikel angeboten. Ihre Zuordnung zu Hygieneartikeln wie den in der Gutschriftentabelle genannten Zahnbürsten und Rasierern ist nicht zwingend. Die Badeente "Paris" könnte wegen ihrer Vibratorfunktion von den Verbrauchern ausschließlich als Erotikspielzeug benutzt und angesehen werden.

Als solches unterfällt die mögliche Verwendung der Badeente nicht dem herkömmlichen Begriff der Hygiene, unter dem "die Gesundheitslehre und –fürsorge" (Duden – Die deutsche Rechtschreibung, 25. Auflage, 2009) und "die Gesamtheit aller Bestrebungen und Maßnahmen der Gesundheit zur Verhütung von Krankheiten und Gesundheitsschäden" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1986) zu verstehen ist. Der Begriff der Hygiene beinhaltet somit die Gesundheitsfürsorge und –pflege. Sprachgebräuchlich unterfällt dem Begriff im weiteren Sinne auch die Körperreinlichkeit.

Zwar ist einem Teil der Mitglieder des Senats bekannt, dass im Laufe der sogenannten Aufklärungs- und Sexwelle in den 1950er und darauffolgenden Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Begriff der Hygiene oder Ehehygiene als rhetorische Camouflage (Verbrämung) für Gebrauchsartikel aus dem Erotikbereich verwandt wurde. Ob dies aber heute noch der Fall ist und insbesondere von den hier angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden wird, verschließt sich dem Senat.

Die Last der Glaubhaftmachung und des Beweises für seinen den Anspruch begründenden Vortrag liegt beim Antragsteller. Er hat jedoch insoweit weder Mittel der Glaubhaftmachung noch des Beweises präsentiert.

Der Senat hat den Streitwert für beide Instanzen auf 15.000,00 Euro festgesetzt. Durch Beschluss vom 28. Oktober 2010 – 9 W 567/10 – hat der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 1998, 985) die früher vorgenommene Differenzierung zwischen Verfahren eines Wettbewerbers und eines Verbandes aufgegeben. Er nimmt nunmehr generell für einstweilige Verfügungsverfahren einen Regelstreitwert von 15.000,00 Euro und für Klageverfahren einen Regelstreitwert von 20.000,00 Euro an. Umstände, die es rechtfertigen, von diesem Regelstreitwert abzuweichen, sind vorliegend nicht ersichtlich.



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