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Amtsgericht Hildesheim Urteil vom 11.03.2008 - 43 C 192/07 - Zur Berechnung des Wertersatzes bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages im Rahmen der Gewährleistung

AG Hildesheim v. 11.03.2008: Zur Berechnung des Wertersatzes bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages im Rahmen der Gewährleistung


Das Amtsgericht Hildesheim (Urteil vom 11.03.2008 - 43 C 192/07) hat entschieden:

   Der Wert der Nutzung eines Laptops ist nicht exakt berechenbar und deshalb von dem Gericht entsprechend § 287 Abs.2 ZPO zu schätzen. Dabei darf nicht auf den Wertverlust abgestellt werden. Denn dieser ist in den ersten Tagen und Wochen nach Auslieferung besonders hoch. Es entspricht daher der herrschenden Meinung, dass die Nutzungsvorteile nicht degressiv, sondern durch Schätzung der zeitanteiligen linearen Wertminderung der Kaufsache zu ermitteln sind (Amtsgericht Schwäbisch Gmünd (8 C 130/01), Urteil vom 23.07.2002; Palandt/Grüneberg, Kommentar zum BGB, 67. Aufl., § 346 RN 10 m.w.A.; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., RN 803 ff (allerdings mit Besonderheiten bei Autos)). Dazu sind bei Computern und vergleichbaren Geräten die voraussichtliche Gesamtnutzungsdauer und die tatsächliche Nutzungszeit in das Verhältnis zu setzen.

Siehe auch
Gewährleistung - Haftung für Mängel im Internethandel
und
Wertersatz bei Ausübung des Widerrufsrechts

Tatbestand:


Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Bemessung der Gebrauchsvorteile für ein Laptop nach Rückabwicklung eines Kaufvertrages.

Der Kläger bestellte am 08.03.2005 bei der Beklagten über Internet ein Laptop NZB FSC ..., das ihm am 10.03.2005 ausgeliefert wurde. Gemäß Rechnung vom 10.03.2005 belief sich der Kaufpreis auf (brutto) € 1.369,00 zuzüglich Versandkosten von € 7,90 (brutto), insgesamt mithin auf € 1.376,90; wegen der Berechnung wird auf Anlage K1 Bezug genommen.

Ende 2006 traten an dem Gerät erhebliche Mängel auf; nach drei vergeblichen Reparaturversuchen trat der Kläger am 27.02.2007 von dem Kaufvertrag zurück; wegen der weiteren Entwicklung wird auf die vorgerichtlichen anwaltlichen Schreiben der Parteien vom 15.03., 28.03. und 21.05.2007 verwiesen. Im Ergebnis akzeptierte die Beklagte nach Rücksendung des Gerätes die Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Die Beklagte zahlte dem Kläger € 367,41 zurück.

Sie errechnet für gezogene Nutzungen einen Wertersatzanspruch in Höhe von € 8,83 in der Woche und insgesamt von € 909,49. Der Rechnung liegt - entsprechend den steuerrechtlichen Abschreibungsrichtlinien - eine Gesamtnutzungsdauer eines Laptops von 36 Monaten und eine tatsächliche Nutzungsdauer von 103 Wochen zugrunde.

Ferner rechnet die Beklagte mit einem behaupteten Verzugsschaden von € 100,00 wegen angeblich verspätet zurück gesandter Handbücher und Software auf.

Der Kläger beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.009,49 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2007 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von € 186,24 und Mahnkosten in Höhe von € 7,67 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat mit Zustimmung der Parteien vom 04.02.2008 die Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs.2 ZPO angeordnet und die Schriftsatzfrist auf den 25.02.2008 bestimmt.




Aus den Entscheidungsgründen:


Die Klage ist teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 346 Abs.1 i.V.m. §§ 437 Nr.2, 440, 323 Abs.1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von € 610,28 aus Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 08.03.2006.

Unstreitig war das Laptop mangelhaft und sind drei Nachbesserungsversuche gescheitert; die Beklagte hat sich deshalb auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages eingelassen. Damit ist sie gemäß § 346 Abs.1 BGB grundsätzlich zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von € 1.376,90 (einschließlich Versandkosten) verpflichtet.

Der Kläger muss sich aber gemäß § 346 Abs.1 und 2 Nr.1, § 100 BGB einen Wertersatz für gezogene Nutzungen anrechnen lassen. Denn unstreitig begründet der Besitz eines Laptops Gebrauchsvorteile, die zu erstatten sind.

Die Gebrauchsvorteile haben hier einen Wert von € 399,21.

Der Kläger konnte das Laptop vom 10.03.2005 bis Ende 2006, mithin 21 Monate lang nutzen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass er darüber hinausgehende Gebrauchsvorteile erlangt hat. Insbesondere kann die Zeit von Ende Dezember 2006 bis zum Rücktritt am 27.02.2007 nicht berücksichtigt werden. Da das Gerät während dieser Zeit defekt und dreimal der Beklagten zwecks Nachbesserung übersandt worden war, konnte der Kläger währenddessen keine Nutzungen ziehen. Selbst wenn das Laptop zeitweise gelaufen sein sollte, war der Gebrauchswert gleich null, weil es nicht zuverlässig arbeitete und die Nachbesserungsversuche ohne Erfolg waren. Die Möglichkeit der Erzielung tatsächlicher Nutzungen hat in diesem Zeitraum nicht bestanden.

Der Wert der Nutzung eines Laptops ist nicht exakt berechenbar und deshalb von dem Gericht entsprechend § 287 Abs.2 ZPO zu schätzen.



Dabei darf nicht auf den Wertverlust abgestellt werden. Denn dieser ist in den ersten Tagen und Wochen nach Auslieferung besonders hoch. Dies würde den Käufer nicht hinnehmbar belasten und das Rücktrittsrecht - im Widerspruch zu den maßgeblichen Richtlinien des Europäischen Parlaments zum Verbraucherschutz - praktisch wertlos machen. Eine solche Benachteiligung des Käufers wäre auch sachlich nicht zu rechtfertigen, weil der das Rücktrittsrecht auslösende Mangel an dem Gerät nicht ihm sondern alleine dem Verkäufer zuzurechnen ist.

Der Käufer muss sich deshalb nur die tatsächlich angefallenen Gebrauchsvorteile anrechnen lassen. Es entspricht daher der herrschenden Meinung, dass die Nutzungsvorteile nicht degressiv, sondern durch Schätzung der zeitanteiligen linearen Wertminderung der Kaufsache zu ermitteln sind (Amtsgericht Schwäbisch Gmünd (8 C 130/01), Urteil vom 23.07.2002; Palandt/Grüneberg, Kommentar zum BGB, 67. Aufl., § 346 RN 10 m.w.A.; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., RN 803 ff (allerdings mit Besonderheiten bei Autos)). Dazu sind bei Computern und vergleichbaren Geräten die voraussichtliche Gesamtnutzungsdauer und die tatsächliche Nutzungszeit in das Verhältnis zu setzen.

Wie die Gesamtnutzungsdauer zu berechnen ist, ist in Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.

Entgegen der von der Beklagten - im Anschluss an einzelne amtsgerichtliche Urteile - vertretenen Ansicht kann bei der Berechnung nicht an die steuerrechtliche Abschreibungszeit angeknüpft werden. Denn wie oben ausgeführt ist i.V.m. der Berechnung der Nutzungsvorteile auf die tatsächliche Nutzungsdauer abzustellen. Maßgeblich ist deshalb die durchschnittliche Gesamtnutzungszeit eines Laptops. Diese ist nicht identisch mit dem rein finanzmathematischen Wert der Steuerbehörden von drei Jahren, sondern wesentlich höher.




Bei der Bemessung der Gesamtnutzungsdauer ist grundsätzlich auf die durchschnittliche Lebensdauer eines Laptops abzustellen; maßgeblich ist die Zeit, in der es ohne erhebliche Reparaturen zweckentsprechend genutzt werden kann. Dieser Durchschnittswert ist sodann ggf. unter Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles zu modifizieren.

Das Gericht geht davon aus, dass ein Laptop in der Preisklasse des hier streitbefangenen Gerätes eine durchschnittliche Gesamtnutzungszeit von sechs Jahren hat.

Zwar lässt sich dies nicht wissenschaftlich genau bestimmen; doch ist das Gericht befugt und in der Lage die durchschnittliche Nutzungsdauer entsprechend § 287 Abs.2 ZPO zu schätzen.

Das Gericht geht dabei von folgenden Überlegungen aus: Unabhängig von dem Wert müssen die Geräte so konstruiert sein, dass sie mindestens vier Jahre lang halten. Denn schon die gesetzliche Gewährleistungszeit beträgt mindestens zwei Jahre. Will der Hersteller hier keinen finanziellen Verlust erleiden und kein unkalkulierbares Risiko eingehen, müssen selbst Billigstgeräte qualitativ so gut sein, dass sie mindestens die doppelte Zeit halten. Die Lebensdauer von vier Jahren ist mithin eine Mindestgröße.




Erfahrungsgemäß halten Computer und Laptops aber viel länger. Selbst die Beklagte geht bei einer Nutzung im Privatbereich von einer Nutzungsdauer von fünf Jahren aus. Laptops in der Preisklasse des hier streitbefangenen Gerätes halten jedoch problemlos sechs bis acht Jahre. Auch in der freien Wirtschaft und in der Justiz wird mit Computern gearbeitet, die weit über sechs Jahre alt sind und einwandfrei laufen. ... Im Internet werden unter e-bay Geräte zum Kauf angeboten, die acht Jahre und älter sind. Im Privatbereich ist deshalb durchaus eine Nutzungsdauer von acht Jahren möglich. Gleichwohl geht das Gericht bei Laptops von einer durchschnittlichen Gesamtnutzungsdauer von nur sechs Jahren aus. Denn sie sind transportabel und dadurch einer höheren Beanspruchung ausgesetzt als in Räumen fest installierte Computer. Insbesondere aber veralten im EDV-Bereich alle Geräte recht schnell. So kann nach sechs Jahren insbesondere die Verwendung neuer Software zunehmend problematisch und sogar gänzlich ausgeschlossen sein. Während dies im Privatbereich weniger stört, ist im Geschäftsbereich deshalb ggf. schon früher ein Austausch der Geräte erforderlich - wobei diese dann allerdings immer noch einen Verkehrswert haben.

Man kann danach bei Laptops von einer Gebrauchsdauer von durchschnittlich sechs Jahren ausgehen. Das entspricht dem dreifachen der gesetzlich vorgeschriebenen Gewährleistungszeit und wird von Qualitätsgeräten im Preissegment des streitbefangenen Laptops problemlos erreicht.



Danach berechnet sich der Wertersatzanspruch der Beklagten wie folgt:

Bei einem Kaufpreis von € 1.369,00 (brutto) und einer Nutzungsdauer von 72 Monaten beträgt der monatliche Nutzungswert € 19,01; das sind in 21 Monaten € 399,21.

Der Kläger hat somit gegen die Beklagte folgende Ansprüche:

Rückzahlung Kaufpreis in Höhe von € 1.369,00
zuzüglich Versandkosten (brutto) + € 7,90
abzüglich Gebrauchsvorteile ./. € 399,21 = € 977,69
Abzüglich Zahlung der Beklagten ./. € 367,41
Rückzahlungsanspruch des Klägers: € 610,28

Diese Forderung ist wie erkannt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 286 Abs.1, § 288 Abs.1 BGB in Verbindung mit Mahnung vom 15.03.2007 zu verzinsen.

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