Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Braunschweig Urteil vom 01.09.2011 - 4 U 41/11 - Zum unlauteren Wettbewerbsverhalten von Anwälten durch Abmahnung wegen Gebrauchs der gesetzlichen Widerrufsbelehrung als europarechtswidrig
 

 

Home  |   Gesetze  |   Verkehrslexikon  |   Datenschutz  |   Impressum  |      

 





 

Abmahnungen - Abmahnkosten - Gegenabmahnung - Rechtsmissbrauch - Rückabwicklung - Rückgaberecht - Rücksendekosten - Textform - Wertersatz - Widerrufsausschluss - Widerrufsbelehrung - Widerrufsdesign - Widerrufsfrist - Widerrufsrecht - Wettbewerb


OLG Braunschweig v. 01.09.2011: Zum unlauteren Wettbewerbsverhalten von Anwälten durch Abmahnung wegen Gebrauchs der gesetzlichen Widerrufsbelehrung als europarechtswidrig


Das OLG Braunschweig (Urteil vom 01.09.2011 - 4 U 41/11) hat entschieden:
  1. Zwar ist davon auszugehen, dass im Grundsatz sämtliches Gemeinschaftsrecht, also sowohl Primär- als auch Sekundärrecht, einen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten beansprucht. Indessen setzt ein derartiger Vorrang eine unmittelbare Geltung und Wirkung des Gemeinschaftsrechts voraus. Im Gegensatz zu verschiedenen Bestimmungen des Primärrechts und den Regelungen durch EG-Verordnungen kommt Richtlinien grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung zu, da sie sich nach Art. 249 Abs. 3 EG an die Mitgliedstaaten richten und diese verpflichten, die betreffenden Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.

  2. Greift ein bei Onlinhändlern mit anderen Rechtsanwälten konkurrierender Rechtsanwalt die von einem Konkurrenten empfohlene - mit der gesetzlichen Musterbelehrung übereinstimmende - Widerrufsbelehrung mit der Begründung an, sie sei wegen Verstoßes gegen das europäische Gemeinschaftsrecht nicht abmahnsicher, so ist dies zwar nicht rechtsmissbräuchlich, jedoch unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UWG.




Gründe:

A.

Die Parteien sind Rechtsanwälte und im Bereich des Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrechts sowie beratend in Fragen des Internethandels tätig. Der Antragsgegner wandte sich mit einem Schreiben, wie es als Anlage K3 vorliegt, an Onlinehändler. Das Schreiben ist wie folgt überschrieben:
"14-tägige Widerrufsbelehrung bei F - abmahnsicher?"
In dem Schreiben, wegen dessen Wortlaut auf die Anlage K3 verwiesen wird, vertritt der Antragsgegner die Auffassung, dass Art. 246 § 3 EGBGB gegen EU-Recht bzw. die Rechtsprechung des EuGH verstoße und die rechtssichere Gestaltung der Widerrufsbelehrung und auch die AGB dies berücksichtigen müssten.

Die Antragstellerin hat gemeint, das Schreiben des Antragsgegners sei irreführend, da Art. 246 § 3 EGBGB mit dem EU-Recht im Einklang stehe und dies allenfalls von einer Mindermeinung anders gesehen werde. Auch ein Verstoß gegen die Rechtsprechung des EuGH sei nicht festzustellen. Onlinehändler könnten aufgrund des Schreibens des Antragsgegners der Fehlvorstellung unterliegen, dass die Überarbeitung von F-Angeboten hinsichtlich der Belehrung über das Widerrufsrecht der Kunden dringend erforderlich sei. Der Antragsgegner habe durch diese Verunsicherung die Onlinehändler dazu veranlassen wollen, bei ihm Rechtsrat einzuholen.

Das Landgericht hat dem Antragsgegner antragsgemäß und unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit einer wort- oder inhaltsgleichen Formulierung wie folgt zu werben:

"14-tägige Widerrufsbelehrung bei F - abmahnsicher?

….

In den letzten Wochen hat es zahlreiche Anfragen zu den neuen Widerrufsfristen im Internethandel gegeben. Viele Webshop-Betreiber gehen davon aus, dass mit Inkrafttreten des Artikels 246 § 3 EGBGB am 11.06.2010 eine 14-tägige Widerrufsfrist gesetzlich geregelt sei. Tatsächlich verstoßen die neuen Regelungen aber gegen EU-Recht (Information des Verbrauchers über die Widerrufsmöglichkeit vor Vertragsschluss) bzw. Rechtsprechung des EuGH (Wertersatz bei Ausübung des Widerrufsrechts). Die rechtssichere Gestaltung der Widerrufsbelehrung und auch der AGB wird dies berücksichtigen müssen…."

Die Antragstellerin hat im Widerspruchsverfahren beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 02.09.2010 aufrechtzuerhalten.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 02.09.2010 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag aufzuheben.
Er hat das Begehren der Antragstellerin bereits für rechtsmissbräuchlich gehalten und vorgetragen, der Antragstellerin gehe es nicht um den Schutz des Wettbewerbs, sondern um die Erzielung von Rechtsverfolgungskosten.

In der Sache hat er die im Schreiben gemäß Anlage K3 geäußerte Rechtsauffassung verteidigt und jedenfalls für vertretbar gehalten. Artikel 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB verstoße gegen die EU-Richtlinie 97/7/EG und Artikel 246 § 1 Abs. 1 Ziffer 19 EGBGB gegen ein Urteil des EuGH vom 03.09.2009.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung vom 02.09.2010 aufrechterhalten und dem Antragsgegner die weiteren Kosten des Verfahrens auferlegt.

Es hat einen Rechtsmissbrauch verneint und in der Sache gemeint, das vom Antragsgegner an Onlinehändler versandte Schreiben sei irreführend. Das Schreiben suggeriere, die Onlinehändler müssten mit einer Abmahnung rechnen, falls sie lediglich die im BGB und im EGBGB enthaltenen Vorschriften zur Widerrufsbelehrung einhalten würden. Unabhängig von der Frage, ob die genannten Vorschriften hinter den Anforderungen der EU-Richtlinie und des EuGH-Urteils zurückblieben, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass ein Onlinehändler, der die Vorgaben des BGB und des EGBGB zur Belehrung über das Widerrufsrecht einhalte, erfolgreich wegen eines Verstoßes gegen EU-Recht abgemahnt werden könne. Wegen der weiteren Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe im landgerichtlichen Urteil verwiesen.

Der Antragsgegner greift das Urteil mit der Berufung an.

Er meint, das Landgericht habe die Bindungswirkung des höherrangigen EU-Rechts gegenüber den nationalen Regelungen verkannt. In diesem Zusammenhang arbeitet der Antragsgegner die seines Erachtens bestehende und offenkundige Divergenz zwischen nationalem und EU-Recht heraus. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Berufungsbegründung - dort Seiten 3 bis 5 - verwiesen.

Der Antragsgegner ist ferner der Meinung, das Landgericht habe Inhalt und Tragweite der Meinungsfreiheit einerseits und den Begriff der Irreführung anderseits verkannt. Das Schreiben gemäß Anlage K3 sei von der grundrechtlichen Meinungsfreiheit geschützt. Die von der Antragstellerin angegriffene Äußerung stelle eine Tatsachenbehauptung dar, die sachlich zutreffend sei. Dies gelte in sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht. Darüber hinaus liege in der beanstandeten Äußerung ein Werturteil, nämlich eine rechtliche Einschätzung, die objektiv nachvollziehbar und deshalb zumindest vertretbar sei.

Zu Unrecht habe das Landgericht auf das geringe Risiko der Abmahnung abgestellt. Außergerichtliche Abmahnungen und einstweilige Verfügungen würden im Bereich des Internethandels geradezu massenhaft ausgesprochen. Wenn das Landgericht dennoch die Möglichkeit einer Abmahnung als unwahrscheinlich darstelle, sei dies rechtlich bei der Beurteilung der Irreführung nicht relevant.

Soweit das Landgericht beanstandet habe, dass in dem Schreiben gemäß Anlage K3 die behaupteten Rechtsprobleme nicht differenziert dargestellt worden seien, verkenne das Landgericht die Vorkenntnisse des beworbenen Personenkreises. Zudem stelle es überzogene Anforderungen auf, die letztlich jegliche Werbung verhindere.

Das Landgericht habe sich in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht nicht mit der Rechtsprechung des EuGH zu der so genannten Wertersatzklausel, befasst. Andernfalls hätte es festgestellt, dass ernsthafte Zweifel an der Richtlinienkonformität des Artikels 246 § 1 Abs. 1 Ziffer 10 bestünden.

Letztlich vertieft der Antragsgegner seinen erstinstanzlichen Vortrag zur Frage des Rechtsmissbrauchs. Er moniert, dass das Landgericht seinen Vortrag insbesondere im Schriftsatz vom 28.12.2010 nicht berücksichtigt habe.

Der Antragsgegner beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 13.01.2011 die einstweiligen Verfügung vom 02.09.2010 aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, mit der Maßgabe, dass die Passage "mit einer wort- oder inhaltsgleichen Formulierung" im Urteilstenor entfällt und es am Ende des Unterlassungstenors heißt: "wie geschehen im Schreiben des Antragsgegners vom 16.08.2010 gemäß Anlage K 3 zur Antragsschrift".
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt.

1. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG jedem Mitbewerber zu. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist ein Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Die für die Annahme der Antragsbefugnis i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erforderliche Stellung als Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG liegt vor, wenn die Parteien versuchen, Waren oder Dienstleistungen innerhalb derselben Verkehrskreise abzusetzen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen kann (BGH GRUR 2007, 1079).

Die Parteien des Rechtsstreits sind Rechtsanwälte und im Bereich des Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrechts sowie beratend in Fragen des Internethandels tätig. Damit sind sie auf demselben relevanten Markt tätig.

2. An einer Antragsbefugnis der Antragstellerin könnte es fehlen, wenn ihr rechtsmissbräuchliches Handeln gemäß § 8 Abs. 4 UWG vorgeworfen werden könnte. Das ist aber nicht der Fall.

Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs ist unzulässig, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

a. Zwischen den Parteien sind bzw. waren mehrere wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten anhängig, in denen die Antragstellerin den Antragsgegner wegen diverser angeblicher Wettbewerbsverstöße abgemahnt hat und sich auch ein Gerichtsverfahren anschloss (LG Dortmund, 16 O 110/10; LG Dortmund, 16 O 134/10; LG Dortmund 16 O 206/10 und hiesiges Verfahren LG Dortmund 16 O 191/10). Auf die vom Antragsgegner angeführten Fälle, in denen das Landgericht Paderborn Rechtsmissbrauch bejaht hat, kann der Antragsteller sich nicht berufen, weil dort jeweils ein Rechtsmissbrauch in der Berufungsinstanz verneint worden ist.

Die Häufigkeit, mit der die Antragstellerin den Antragsgegner abgemahnt hat, ist aber kein ausreichendes Indiz für die Annahme eines missbräuchlichen Abmahnverhaltens durch die Antragstellerin. Es ist zu berücksichtigen, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dient. Deshalb können umfangreiche Abmahntätigkeiten für sich allein noch keinen Missbrauch belegen, wenn zugleich umfangreiche Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen (BGH GRUR 2005, 433 - Telekanzlei; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 8 Rn 4.12). Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begründen können.

Außerdem ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin durch das in diesem Verfahren angegriffene Schreiben in ein schlechtes Licht gerückt wird, weil ihre Internetbelehrungen als nicht abmahnsicher dargestellt werden. Gegen ein solches - direkt gegen sie gerichtetes - Schreiben muss sich die Antragstellerin unabhängig von anderen Abmahnverfahren wehren können.

b. Der Vorwurf der sukzessiven Mehrfachverfolgung durch die Antragstellerin trifft nicht zu. Die Darstellung in dem Schriftsatz vom 28.12.2010, auf den der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 12.01.2011 und in der Berufungsbegründung verwiesen hat, wonach die Antragstellerin schon bei den anderen Abmahnverfahren die Internetseite des Antragsgegners untersucht habe und dennoch nicht den hier monierten Verstoß abgemahnt habe, passt überhaupt nicht. Denn die anderen Abmahnverfahren betreffen teilweise Verstöße, die mit Abmahnschreiben vom 28.04.2010 und 25.05.2010 geltend gemacht wurden, wohingegen der hiesige angebliche Wettbewerbsverstoß erst mit einem Schreiben vom 16.08.2010 begangen worden sein soll. Die weitere Abmahnung vom 17.09.2010 betrifft diverse angebliche Verstöße des Internetauftritts bzw. auch bei den im Internetauftritt aufgeführten AGB. Diese Abmahnung hat mit dem Schreiben vom 16.08.2010 gar nichts gemein. Es bot sich insoweit eine gemeinsame Verfolgung nicht an.

c. Die Tatsache, dass die Antragstellerin eine nur viertägige Frist (vom 23. bis zum 27.08.2010) zur Abgabe einer Unterlassungserklärung gewährt hat, stellt angesichts der ganz aktuellen beanstandeten Beeinträchtigung des Wettbewerbs kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch dar. Vielmehr ist die Reaktion des Antragsgegners durchaus ungewöhnlich, der eine Stellungnahme am 27.08.2010 gefertigt, diese aber erst am 30.08.2010 um 8.15 Uhr der Antragstellerin zugefaxt haben will. Hätte der Antragsgegner Probleme bei der Einhaltung der Frist gehabt, dann hätte er um eine Fristverlängerung bitten können. Im Übrigen dürfte eine zu kurz gesetzte Frist eine angemessene Frist in Gang setzen.

d. Die angeblich fehlerhafte Angabe der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift in diesem Verfahren gegenüber dem Gericht, der Antragsgegner habe auf die Abmahnung nicht reagiert, hat mit sachfremden Beweggründen, die beim Rechtsmissbrauch interessieren, nichts zu tun.

e. Der Streitwert von 40.000,00 €, den die Antragstellerin in seiner Abmahnung angesetzt hat, ist nicht so sehr überzogen, dass hieraus ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch hergeleitet werden könnte. Denn bei der Abmahnung ist immer der Hauptsachestreitwert maßgebend. Dieser beträgt nach der Rechtsprechung des Senats bei einem durchschnittlichen Wettbewerbsverstoß 30.000,00 €. Es ist eine Wertungsfrage, ob der in dem Schreiben vom 16.08.2010 angeblich enthaltene Wettbewerbsverstoß im Bereich des schon überdurchschnittlichen Verstoßes liegt. Jedenfalls ist der Ansatz von 40.000,00 € nicht so eklatant überzogen, dass hier unweigerlich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ersichtlich wäre. Dafür, dass überzogene Gegenstandswerte eine Masche der Antragstellerin sind, ist nichts ersichtlich. Der Antragsgegner hat durch die Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 29.12.2010 Gegenstandswerte zwischen 30.000,00 € und 50.000,00 € vorgetragen. Dies erscheint nicht signifikant.

f. Der Umstand, dass die Antragstellerin sich als Rechtsanwalt selbst beauftragt hat, ist hier ebenfalls nicht als ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ein Abmahnender, der auch Rechtsanwalt ist, für seine Selbstbeauftragung keinen Schadensersatzanspruch (BGH 12.12.2006, Az: VI ZR 188/05) und auch keinen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG (BGH GRUR 2004, 789; auch KG AfP 2010, 271; Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn 1.93) verlangen kann, wenn ein unschwer zu erkennender Wettbewerbsverstoß geltend gemacht wird. Jedoch fällt gerade der vorliegende Fall, bei dem spezielles Wissen des Europarechts gefordert ist, nicht unter diese Fallgruppe. Der Antragsgegner hat auch selbst nicht vorgetragen, dass es sich vorliegend um einen unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoß handelt, der von der Antragstellerin geltend gemacht worden ist. Ein solcher Vortrag fehlt auch hinsichtlich der anderen von dem Antragsgegner angeführten Verfahren, in denen sich die Antragstellerin selbst beauftragt hat.

g. Im Rahmen der Gesamtwürdigung aller zu berücksichtigenden Umstände ist ein rechtsmissbräuchliches Abmahnverhalten nicht anzunehmen.


II.

Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt vor. Der Antragstellerin kommt die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG zugute. Diese hat der Antragsgegner nicht widerlegt. Der Antragsgegner trägt die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Umstände, die eine Überschreitung der sogenannten Monatsfrist begründen. Der Antragsgegner muss also glaubhaft machen, dass die Antragstellerin mehr als einen Monat vor der Anhängigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß hatte. Dazu hat der Antragsgegner nichts vorgetragen.


III.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Verfügungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 5 Abs. 1, S. 2, Nr. 1, Nr. 5 UWG, wenn sich die Werbung mit dem angeblichen Verstoß der nationalen Regelungen gegen das EU-Recht bzw. die Rechtsprechung des EuGH als irreführend hinsichtlich der Notwendigkeit einer Leistung darstellt.

1. Unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UWG handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die Notwendigkeit einer Leistung enthält.

a. Eine solche Irreführung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich aufgrund der Werbeaussage eine bestimmte Vorstellung machen, die nicht der Wirklichkeit entspricht und deshalb täuschen kann. Es ist also zu fragen, wer die angesprochenen Verkehrskreise sind, welche Vorstellung sie sich aufgrund der von der Antragsgegnerin verwendeten Formulierungen machen und ob diese Vorstellung der Wirklichkeit entspricht. Ist das nicht der Fall, muss die Fehlvorstellung geeignet sein, auf eine Entscheidung der Verkehrskreise Einfluss zu nehmen, die Dienste der Beklagten in Anspruch zu nehmen.

b. Angesprochene Verkehrskreise sind Onlinehändler, die im Rahmen ihrer Verkaufstätigkeit über die Möglichkeit des Widerrufs ihrer Vertragserklärung zu belehren haben. Deren Vorstellung kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde oder jedenfalls der Lebenserfahrung selbst beurteilen.

c. Hier wirbt der Beklagte mit der Überschrift "14-tätige Widerrufsbelehrung bei F - abmahnsicher?". In diesem Zusammenhang wird die Auffassung vertreten, dass die neuen gesetzlichen Regelungen des Art 246 § 3 EGBGB gegen EU-Recht und die Rechtsprechung des EuGH verstoßen. Diese Darstellung des Beklagten in dem Schreiben vom 16.08.2010 erweckt unstreitig den Eindruck, dass die Onlinehändler, die eine Widerrufsbelehrung verwenden, die mit Art. 246 § 3 EGBGB übereinstimmt, mit einer Abmahnung rechnen müssen.

d. Dieser Eindruck ist aber nicht zutreffend und damit irreführend.

Auszugehen ist von der Überlegung, dass derjenige, der eine Abmahnung ausspricht, von der Richtigkeit derselben überzeugt ist. Ein Verband oder ein Mitbewerber, der aber feststellt, dass die in den Focus genommene Abmahnung mit dem nationalen Gesetz übereinstimmt, wird grundsätzlich schon aus diesem Grunde davon absehen, eine Abmahnung auszusprechen.

Denkbar wäre dann in der Tat noch, dass der eine oder andere Verband oder Mitbewerber sich Gedanken darüber macht, ob die mit der nationalen Gesetzgebung übereinstimmende Widerrufsbelehrung auch mit europäischem Recht übereinstimmt. Unabhängig davon, ob das deutsche Recht gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, würde man sich als Abmahnender aber auch fragen, ob aus einem solchen etwaigen Verstoß überhaupt ein Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Verwendung einer solchen Widerrufsbelehrung ergeben würde.

Dem steht aber schon entgegen, dass - anders als der Beklagte meint - eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie 97/7/EG vom 20.05.1997 nicht in Betracht kommt. Zwar ist davon auszugehen, dass im Grundsatz sämtliches Gemeinschaftsrecht, also sowohl Primär- als auch Sekundärrecht, einen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten beansprucht. Indessen setzt ein derartiger Vorrang eine unmittelbare Geltung und Wirkung des Gemeinschaftsrechts voraus. Im Gegensatz zu verschiedenen Bestimmungen des Primärrechts und den Regelungen durch EG-Verordnungen kommt Richtlinien grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung zu, da sie sich nach Art. 249 Abs. 3 EG an die Mitgliedstaaten richten und diese verpflichten, die betreffenden Vorgaben in nationales Recht umzusetzen (LAG Schleswig Holstein, Urt. v. 22.06.2004, Az.: 5 Sa 128/04).

Daher kommt eine unmittelbare Wirkung von Regelungen aus Richtlinien nur ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen in Betracht, die vorliegend nicht gegeben sind. Zunächst setzt die unmittelbare Anwendbarkeit einer Vorschrift aus einer Richtlinie voraus, dass diese eine inhaltlich hinreichend bestimmte und unbedingte Regelung enthält (LAG Schleswig Holstein a.a.O. mit Hinweis auf: EuGH, Urt. v. 05.04.1979 - Rs 148/79 Slg. 1979, 1929). Diese Voraussetzung dürfte hier wohl vorliegen.

Es kommt aber hinzu, dass die ausnahmsweise mögliche unmittelbare Wirkung und der damit verbundene Anwendungsvorrang einer nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinie sich auf das Verhältnis zwischen Bürger und Mitgliedstaat beschränkt, hingegen nicht das Verhältnis zwischen Bürgern untereinander erfasst. Dies folgt daraus, dass die Zuerkennung einer unmittelbaren Wirkung auch im Verhältnis zwischen Privatrechtsubjekten ("horizontale Wirkung") die Kompetenzordnung des EG-Vertrages zu Lasten der Mitgliedstaaten verschieben würde, die insoweit nicht auf die Ausübung ihrer souveränen Rechte zugunsten der Gemeinschaftsorgane verzichtet haben (LAG Schleswig Holstein a.a.O.; EuGH, Urt. v. 14.07.1994 - C91/92 Slg. 1994 I-3225, 3347). Vorliegend geht es gerade um das Rechtsverhältnis - auch Wettbewerbsverhältnis - zwischen Privatrechtssubjekten, so dass eine unmittelbare Geltung der Richtlinie 97/7/EG vom 20.05.1997 nicht in Betracht kommt.

Da ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Verwendung der mit dem nationalen Recht übereinstimmenden Widerrufsbelehrung aus diesem Grunde nicht hergeleitet werden kann, ist auch nicht ersichtlich, dass ein Onlinehändler mit einer entsprechenden Abmahnung rechnen muss.

2. Die von dem Antragsgegner hervorgerufene Fehlvorstellung ist auch wettbewerbs-rechtlich relevant. Dies ergibt sich daraus, dass Onlinehändler aufgrund eines solchen Schreibens sich veranlasst sehen könnten, den Beklagten mit einer Überprüfung ihrer Widerrufsbelehrung zu beauftragen und ggf. weitere Mandate zu erteilen. Dies führt bei anderen Rechtsanwälten, so auch bei der Antragstellerin zu einem Wettbewerbsnachteil.

3. Die Wiederholungsgefahr ist durch den festgestellten Wettbewerbsverstoß indiziert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.









Datenschutz Impressum