Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Amtsgericht Heiligenstadt Urteil vom 23.05.2008 - 3 C 421/07 - Zur Angemessenheit einer Stornopauschale von 100% bei Absage einer Kreuzfahrt
 

 

Home  |   Gesetze  |   Verkehrslexikon  |   Datenschutz  |   Impressum  |      

 





 

AGB - Ferienimmobilien - Flugtickets - Preisangaben - Reisen - Stornogebühren - Sonstige Produkte - Ticketverkauf - Widerrufsausschluss


AG Heiligenstadt v. 23.05.2008: Zur Angemessenheit einer Stornopauschale von 100% bei Absage einer Kreuzfahrt


Das Amtsgericht Heiligenstadt (Urteil vom 23.05.2008 - 3 C 421/07) hat entschieden:
Tritt der Reisende von einer Kreuzfahrtreise zurück, so hat der Reiseveranstalter einen pauschalierten Schadensersatzanspruch in Höhe von 100 % des Reisepreises, wenn dies in den allgemeinen Reisebedingungen vereinbart wurde. Die Geltendmachung einer 100 %-gen Stornopauschale widerspricht auch nicht § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB, da sie den Reisenden nicht unangemessen benachteiligt. Der volle Reisepreis als Entschädigung ist angemessen, weil insbesondere bei einer Kreuzfahrtreise durch den Rücktritt eines einzelnen Reisenden Aufwendungen etwa in Form von Personalkosten nicht erspart werden und eine andere Verwertung nicht möglich ist.




Tatbestand:

Von der Abfassung des Tatbestandes wird gem. §§ 495 a, 313 a ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat aufgrund der in den Reisevertrag einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen einen pauschalierten Schadensersatzanspruch in Höhe von 100 % des Reisepreises. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen sind vereinbart worden, weil sie unstreitig im Katalog, aufgrund dessen die Reise gebucht wurde, abgedruckt waren und der für den Beklagten buchende Herr ... auf die Geltung der AGB's bei Buchung hingewiesen wurde.

Die Regelungen unter Ziffer 5.1 betreffend den pauschalierten Schadensersatzanspruch sind wirksam. Ein Verstoß gegen § 309 Ziff. 5 BGB liegt nicht vor, weil dem Verwender der Nachweis eines geringeren Schadens zugestanden wird, 5.3 der AGB.

Die Tatsache, dass die 100 %ige Pauschale bewirkt, dass die Klägerin abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 651 i BGB ihren vollen Vergütungsanspruch für die Reise behält, führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB. Mit der Formulierung "in der Regel" wird zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin bei der Pauschalierung im Einzelfall eine Differenzierung vornehmen kann.

Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte, weil die Formulierung der Klägerin auslegungsfähig ist und deshalb gerade keinen pauschalierten Schadensersatz festschreibt, ergäbe sich der Anspruch aus § 651 i Abs. 2 Satz 2 BGB. Im Hinblick darauf, dass der Anspruch des Veranstalters auf den Reisepreis nach dem Rücktritt entfällt, § 651 i Abs. 2 Satz 1 BGB und der Anspruch auf Entschädigung an die Stelle des wegfallenden Vergütungsanspruches tritt, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der Veranstalter, also auch dafür, dass keine höheren Aufwendungen erspart wurden oder keine andere Verwertung möglich war. Dieser Unterschied zu § 649 BGB ist darin begründet, dass dort der Unternehmer den Vergütungsanspruch behält, auf den er sich ersparte Aufwendungen anrechnen lassen muss, während hier der Anspruch von vornherein nur auf angemessene Entschädigung nach dem gesetzlich festgelegten Berechnungsrichtlinien geht (vgl. Palandt, BGB, 65. Auflage, § 651 Rndr. 3).

Ausgangspunkt für die Bemessung ist der Reisepreis.

Zur Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin dargelegt, dass dieser Preis als Entschädigung angemessen ist, weil Aufwendungen nicht erspart wurden und eine andere Verwertung nicht möglich war. Letzteres ist bereits der Tatsache geschuldet, dass der Beklagte sich in einen bereits mit 2 Personen belegtes Zimmer hinzubuchen ließ. Einer beliebigen weiteren dritten Person konnte die Klägerin die Kabine nicht anbieten.

Die Klägerin hat in ihrem letzten Schriftsatz, ohne dass der Beklagte hierauf erwidert hätte, schlüssig dargelegt, dass sie Transportkosten auf das Schiff nicht erspart hat, weil die Kosten hierfür im Reisepreis nicht enthalten waren. Sie hat weiterhin dargelegt, dass Verpflegungs- und Reinigungskosten nicht erspart wurden und dies nachvollziehbar mit den Besonderheiten der Kreuzfahrtpreise begründet. Eine messbare Ersparung dieser Leistungen bei einem mit 2.300 Gästen und 1.000 Mann Person besetzten Kreuzfahrtschiff ist nicht gegeben.

Die Klägerin hat dargelegt, dass die Verpflegung für die ausgelegte Personenzahl des Schiffes über Verträge mit Cateringgesellschaften erfolgt, so dass es keine Rolle spielt, wenn ein Gast später die Reise nicht antritt. Plausibel dargelegt ist auch, dass keine Ersparungen in Bezug auf die Reinigung des Zimmers etc. angefallen sind, weil das Personal an Bord des Schiffes einen Monatslohn erhält. Die Zahl des Personals reduziert sich nicht, weil ein Gast die Reise nicht antritt. Im Reisepreis, der mit dem Beklagten vereinbart wurde, sind auch keine darüber hinausgehenden Leistungen, wie z. B. Landausflüge enthalten.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Reiseleistungen, die auf einem Kreuzfahrtschiff erbracht werden, nicht vergleichbar sind mit denen im Rahmen einer Busreise mit einem überschaubaren Personenkreis. Dort mag es kurzfristig möglich sein, bei Wegfall eines Reisenden Ersparnisse zu erzielen, bei einer Kreuzfahrt mit mehreren Tausend Personen nicht.

Abzüglich der Anzahlung von 135,00 Euro schuldet der Beklagte damit noch 355,00 Euro.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Da der Beklagte in Zahlungsverzug war, kann die Klägerin gem. § 280 Abs. 2 BGB die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten erstattet verlangen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziff. 11, 713 ZPO.









Datenschutz Impressum